Kapitel 12 - Der Beginn von etwas Großem
Henry
Aurelia zurück zum Set zu bringen war nicht ganz einfach. Trotz der Schmerzmittel, die man ihr gegeben haben musste, war sie immer noch deutlich vom Unfall gezeichnet, abgeschlagen und ruhelos und dazu stellten sie ihre Hormone wohl einmal komplett auf den Kopf. Sie brauchte dringend eine Mütze voll Schlaf und Ruhe. Und die konnte sie mit dieser Beinschiene in einem so engen Taxi nicht finden.
Doch etwas gutes hatte ihr Unfall gehabt. Sie hatte ihre Gefühle für mich endlich zugelassen und vertraute mir. Und auch wenn es mir das Herz zerriss, an ihren Unfall zurück zu denken, so gab es inzwischen kein schöneres Gefühl für mich, als ihre Arme um mich zu spüren.
Auf dem Rückweg vom Krankenhaus zum Set hatte ich uns ein Taxi geordert.
Vorsichtig half ich ihr in das Auto zu steigen und setzte mich dann neben sie. Kaum saß ich, fanden wir auch schon wieder zusammen. Trotz ihres geschienten Beins schlang sie die Arme um mich und legte ihren Kopf auf meine Brust. Ich strich sanft durch ihr Haar und versuchte ihr, so gut es ging, das Gefühl von Schutz und Sicherheit zu geben.
Immernoch war sie über und über mit dem roten Tennissand beschmiert und verdreckt. Ich hatte gehofft, dass ihr dabei wenigstens die Pfleger im Krankenhaus helfen würden. Wie sollte sie das immerhin alleine Zuhause schaffen? Vielleicht war ich mit diesem Gedanken auch zu blauäugig gewesen.
Die halbe Stunde fahrt bis zum Set verging schneller, als gedacht. Aurelia war längst eingeschlafen, als wir angekommen waren. Ich streichelte sanft ihre Wange, bis sie kurz die Augen aufschlug. „Meinst du, ich kann dich tragen? Oder schmerzt das Bein dafür zu sehr?"
Ich erhielt meine Antwort, indem sie in unsere Umarmung zurück sank und nicht den Eindruck machte, Aufstehen zu wollen.
Das Taxi hielt vor dem Eingang des Sets. Ich stieg zuerst aus, Aurelia öffnete die Tür und setzte sich bis an den Rand der Rückbank.
So federleicht wie sie war, konnte ich sie problemlos mit samt der Krücken hochheben.
Vor dem Set wartete bereits ein Caddy auf uns, der uns bis zu Aurelias Trailer fuhr. Ronny war von Aurelias Verletzung genauso getroffen, wie auch Roger und ich und machte ausnahmsweise mal keine blöden Scherze, sondern fragte, ob er Aurelia noch irgendwas bringen konnte oder anderweitig helfen durfte. Am Ende waren es zwei Sahnebonbons, die Aurelia ein zartes Lächeln auf das Gesicht zauberten.
An ihrem Trailer angekommen, nahm ich sie erneut in die Arme auf und lief mit ihr zu ihrem Wohnwagen, an dem bereits Chris mit hochbesorgter Miene wartete.
Vorsichtig ließ ich sie wieder ab und stellte sie auf die Beine.
„Scheiße, Auri. Gehts einigermaßen wieder?" begrüßte er sie und nahm Aurelia ebenfalls in den Arm.
„Bänderriss. Mindest sechs Wochen Schiene." antwortete sie und der Klang ihrer Stimme nach, stand sie schon wieder kurz davor zu weinen.
Chris zog sie noch enger an sich heran und streichelte, wie ich vorhin, über ihren Hinterkopf und Rücken. Auch wenn mir unwillkürlich bei ihren Anblick ein seltsames Ziehen durch den Magen ging, hoffte ich trotzdem, dass Chris sie vielleicht mehr beruhigen konnte, als ich. Einfach nur, damit es ihr besser ging. Doch so schien es leider nicht. „Mach dir keine Sorgen. Henry hat uns schon alle informiert. Ruh dich erstmal aus und wenn du was brauchst, sagst du uns Bescheid, okay?"
Aurelia nickte schniefend an seinen Armen. Nur langsam ließ Evans sie wieder los. Aurelia drehte sich in seinen Armen um, sah zu mir und schenkte mir ein sanftes warmes Lächeln, dass dieses Mal kaum fehlzudeuten war. Dieses Lächeln war mehr. Und als mir das schlagartig klar wurde, bemerkte ich auch, wie Chris ihren Blick zu mir verfolgt hatte und grinste mich ebenfalls an. Pass auf sie auf. Sie gehört zu dir.
Ich dankte ihm mit einem kurzen Nicken, das ich ehrlicher nicht hätte meinen können und schloss den Wohnwagen auf.
Chris half Aurelia die Treppen zum Wagenwagen rauf, während ich ihr die Tür offen hielt. Gemeinsam verfrachteten wir sie auf die Sitzecke. Chris half ihr das Bein hochzulegen. Ich holte zwei blaue Kühlakkus aus dem Gefrierfach und legte sie ihr auf das Bein. Wir beide wussten wohl nur zugut, wie sich ein gerissener Muskel anfühlte.
„Mach dir wegen des Drehs keine Sorgen. Wir liegen wirklich gut im Plan. Wichtig ist nur, dass du wieder fit wirst." sagte Evans und gesellte sich zu mir an den Türrahmen.
Ihr Lächeln war so klein wie das einer Maus als sie zu uns aufsah. „Ich danke euch beiden."
Evans nickte freundlich und wandte sich zum Gehen auf. Auch wenn ich nicht wirklich wusste, was ich machen sollte, bei ihr bleiben oder mit Chris gehen, entschied ich mich dafür, ihr die Ruhe zu geben, die sie brauchen würde. Was ich noch mehr wollte, als ihr zu zeigen, wie sehr sie mir gefiel und ich sie mochte, war jetzt nur noch, dass es ihr schnell wieder besser gehen musste.
Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Sie hatte nicht nur Angst nie wieder auf den Tennisplatz zu stehen, sie hatte auch die Angst um ihren Job. Mit nur einem Unfall ihr beiden Welten zu verlieren, schaffte ihr wohl am meisten. Aber das würde alles wieder werden. Da war ich mir sicher. „Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid." erwähnte ich nochmals und wendete mich zum gehen auf. Chris öffnete bereits die Tür und trat aus, als Aurelias Stimme erneut ertönte. „Henry?" sagte sie so weich und sanft, dass mir die Schmetterlinge durch den Magen flogen.
Ich sah zugleich zu ihr und suchte ihren zärtlichen Blick. „Kannst du vielleicht noch etwas bleiben?"
Alles in mir machten einen Salto vor Freude.
Ich sah Chris mich aus dem Augenwinkel heraus anlächeln und ich grinste zu ihm zurück. „Wir sehen uns morgen." verabschiedete ich mich von ihm, während er das gleiche tat und die Tür hinter sich schloss.
In Aurelias Trailer fühlte ich mich wie ein Riese. Die Zimmerdecke war nur um einige Zentimeter höher als ich und ich hatte zugleich das Gefühl, dass meine Körperumfang den Rest an Platz einnahm, weshalb ich für Aurelia versuchte so ungefährlich wie möglich zu wirken, auch wenn ich wusste, dass sie keine Angst vor mir hatte. Nur wollte ich nicht in irgendeiner Hinsicht für sie bedrohlicher wirken. Vor allem nicht jetzt, wo sie verletzt in der Sitzecke saß und sich nicht bewegen konnte.
Also zog ich die Schultern so eng an meinen Körper wie es für mich möglich war, ohne das es unnatürlich aussah und lief auf sie zu.
Vor ihrer Sitzbank ging ich in die Hocke. „Hör mal, Aurelia, ich weiß ganz gut, was du gerade durchmachst. Ich habe mir im Dezember letzten Jahres beim Dreh der zweiten Staffel Witcher die Sehne am Bein teilweise gerissen. Es waren höllische Schmerzen gewesen, auch wenn ich ungeheueres Glück hatte, dass es keine vollständige Ablösung der Kniesehne war.
Es war eine absolut beschissene Situation für mich. Ich wollte arbeiten, aber ich war verletzt. Ich wollte mehr für die Produktion tun – ich wusste, wie wichtig es für die Leute dort war, das Ding fertig zu drehen. Also musste ich die Balance finden zwischen „Ja, lasst uns pushen, pushen, pushen" und „Whoa, halte durch, wenn ich das weiter zerreiße, ist das das Ende meiner Action-Karriere." Das war mein schlimmster Moment des vergangenen Jahres – beruflich gesehen. Morgens Physiotherapie und Abends die Actionszene. Ich weiß genau wie es dir jetzt geht. Aber mach nicht den gleichen Fehler wie ich und übertreib es so sehr. Mir schmerzt das Bein bis heute noch an kalten Wintertagen, auch wenn ich meinen Sport wieder ausüben kann. Aber hätte ich mir mehr Zeit gelassen, wäre es besser verheilt.
Ich weiß nur zu gut, wie es ist, nicht derjenige sein zu wollen, wegen dem die Produktion stoppt. Nur lass dir von mir sagt sein, dass du hier nicht alleine bist."
Ihre Augen waren wieder mit einem dichten Tränenschleier umgeben. Sie schien in meinem Gesicht nach den richtigen Worten zu suchen und ich gab ihr all die Zeit, die sie brauchte, um mir zu sagen, was ihr auf dem Herzen lag.
„Ich war so gemein zu dir gewesen." sagte sie plötzlich vor einem tiefen Schniefen.
Ich runzelte die Stirn. „Aurelia" fing ich an, doch sie schüttelte nur den Kopf und unterbrach mich. „Ich war am Anfang so gemein gewesen. Ich hab dich ignoriert und dir versucht das Gefühl zu geben, dass ich nicht das gleiche für dich empfinde, wie du für mich. Obwohl es nicht so ist. Weil ich es mir selbst die ganze Zeit versucht hab, einzureden."
Schmunzelnd stand ich wieder auf und setzte mich auf das kleine freie Stück Platz auf der Sitzecke. „Aurelia, du bist vieles. Aber niemals gemein. Und erst recht nicht zu mir."
Zwei große Tränen liefen ihre Wange herab und allmählich begann ich mich zu fragen, ob sie nicht wegen ihrer Gewissensbisse schon die ganze Zeit weinte. „Ich wollte aber gemein sein." gestand sie enttäuscht.
„Hör mal", fing ich an, drehte mich zur Seite ein und legte einen Arm auf die obere Kante der Sitzecke, „Du bist mir seit der ersten Sekunde aufgefallen, in der ich dich gesehen habe. Seit diesem Moment wollte ich nichts mehr, als mit dir zu reden und vielleicht die winzige Chance ergreifen, die bestand, dich von mir zu überzeugen. Ich habe es einmal versucht und auch ein zweites Mal. Glaub mir, hätte ich danach gemerkt, dass du wirklich kein Interesse an mir hast, hätte ich es gelassen. Aber ich habe deine Blicke gesehen und gespürt, wie du in meiner Nähe aufgehen kannst - und da wusste ich, dass du mich vielleicht nicht ganz so furchtbar findest, wie du jetzt sagst. Du warst nicht gemein zu mir. In keiner Sekunde. Ich habe gesehen, wie du nur mit dir selbst gerungen hast. Außerdem meine ich doch, dass der Teil, mit deinem persönlichen Ritter werden, schon vieles zwischen uns geklärt hat.
Und wenn wir beide doch mal in Marvel gegen DCs Diskussionen geraten, finde ich das eher erfrischend als gemein. Ich mag es mit dir über Sachen zu diskutieren, weil du eine wunderbare Sicht der Dinge hast, die keinesfalls verletzend, gemein oder verärgernd ist. Es ist das komplette Gegenteil, Auri."
Ich beugte mich noch ein weiteres Stück nach vorne und streichelte ihr mit meiner freien Hand über die verdreckte Wange. „Du hast nie etwas falsch gemacht, Auri."
Sie atmete schwer aus. Dann erschien wie ein Regenbogen nach einem plötzlichen Regenfall, ein großes liebevolles Lächeln auf ihren Lippen. „Danke, Henry. Für alles. Wie kann ich das nur alles wieder gut machen?"
Wieder streichelte ich ihre Wange und verlor mich in diesen Smaragdgrünen Augen. Doch mir kam eine Idee. „Wie wärs mit einem Date?"
Sie hob fragend eine Braue an. „Ein Date?"
Ich nickte rasch. „Ja. Nur du und ich. Wir fangen von vorne an.", sagte ich und grinste dann neckisch auf, „Und als unabhängige emanzipierte junge Frau, die du bist, lädst du mich ein."
Sie kicherte auf und mein Herz machte einen Salto vor Freude. „Meinetwegen. Aber ich suche das Restaurant aus."
Spielerisch verzog ich das Gesicht. „Großer Gott, nein. Du als Veganerin verschleppst mich in eine Tofu-Bude."
„Du wirst es überleben, Cavill."
Was hätte ich darum gegeben, sie jetzt endlich zu küssen? Herauszufinden, wie weich ihre Lippen sind. Wie ihr Mund schmeckt und wie sich ihre Hände auf meiner Brust anfühlen.
Doch ich hielt mich zurück und streichelt stattdessen erneut ihre Wange, bis ich mich zurücklehnte und mich lieber mit dem nächsten Problem befasste. „Hast du schon eine Ahnung wie wir dich sauber bekommen?"
Sie zog verwirrt die Brauen zusammen. „Was?"
Mein Gesicht wurde Tomatenrot. Falsche Wortwahl, Cavill! „Na ja, ich schätze, du wirst was dagegen haben, wenn du dich so verdreckt ins Bett legst."
Zum ersten Mal heute nach dem Unfall sah sie an sich heran und bemerkt den Tennissand, der überall in ihren Körper haftete. „Mist." schimpfte sie leise und versuchte sich mit der einen Hand der Dreck am anderen Oberarm abzureiben. Vergeblich. Der Sand fiel zwar ab, aber das rot blieb.
Sie sah mich fast schon panisch an. „Ich kann mich mit dem Bein doch nicht duschen! Davon hat keiner im Krankenhaus etwas gesagt. Wie soll ich denn sechs Wochen lang mich sauber bekommen?"
Ich stand auf. „So viel wie alle anderen auch." sagte ich, öffnete den Schrank unter ihren Spühlbecken und wischte eine große gelbe Mülltüte heraus und liefzu ihr zurück.
„Du willst jetzt nicht ernsthaft mein Bein in eine Mülltüte stecken?" fragte sie unglaubwürdig und sah mit an, wie ich die Tüte öffnete und mich über ihr Bein hermachte.
„Und ob ich das will!"
*
Während Aurelia damit beschäftigt war, aus ihren verdreckten Sachen zu kommen, zu duschen und sich anschließend wieder anzuziehen, nutzte ich die Gelegenheit Kal bei Chris abzuholen und mit ihm eine große Runde zu laufen. Allerdings zeigte mir mein Bär bereits schon auf den ersten Metern, dass ihn Chris gut ausgepowert hatte.
Doch Kal kam nicht umhin noch eine Runde zu laufen. Das letzte was ich heute Nacht wollte, war nochmal Gassi zu gehen, weil seine Blase drückte.
Unsere Runde ändert an Aurelias Trailer. Ich öffnete die Tür und sogleich sprang Kal freudiger Erwartung heran.
Nicht ganz zu meiner Freude. Noch während ich seinen Namen rief, stand er Schwanzwedeln im Eingangsbereich des Wohnwagens und hielt nach Aurelia Ausschau. „Leg dich hin!" befahl ich und deutete auf den Tisch bei der Sitzecke.
Aber ich will mit ihr spielen, sagte mir sein Gesichtsausdruck. Allzu gern hätte ich ihn diesen Wunsch erfüllt, aber vorerst war Vorsichtig geboten. Gerade mit dieser großen Beinschiene die Aurelia trug.
Kal befolgte meinen Befehl, wenn wohl auch nicht ganz so freiwillig wie er gerne wollte. Er mochte Aurelia seit der ersten Minuten. Genau wie ich. Jetzt nicht mit ihr spielen zu dürfen, musste ihn wohl genauso schwer fallen wie mir nichts mit ihr zu überstürzten.
Ich hörte wie sich die Badetüre öffnete. Irgendwie hatte es diese Frau tatsächlich trotz der riesigen Beinschiene geschafft sich zu duschen und sich in einen Pyjama zu werfen.
Halt Moment. Ich schluckte schwer.
Das war kein Pyjama. Das war auch kein Nachthemd.
Das war ein verdammtes dunkelblaues Negligé. Kurz, eng und mit einen unheimlich fantasievollen Ausblick auf ihr Dekolleté. Fuck.
Und für eine Sekunde, vielleicht auch zwei oder auch volle sechzig, starrte ich auf die Seide, die jede verdammte Kurve ihres Körpers Wiedergaben.
Gott, jetzt fühlte ich mich wirklich mit meiner Rolle verbunden. Als Rowan Aelin in dem goldenen Negligé gesehen hatte.
Nur war dieses Stück Stoff hier mein persönlicher Albtraum in dunkelblau.
„Alles gut bei dir?" fragte sie grinsend. Eindeutig hatte sie meinen Blick bereits bestens interpretiert.
Fuck. Fuck. Fuck.
Rasch schüttelte ich den Kopf. „Ja. ... ja." säuselte ich benommen und warf unkontrolliert einen erneuten Blick über dieses Negligé. „Trägst du sowas immer?"
Sie grinste. Nicht so freundlich wie bisher. Das hier war eine andere Art des Lächelns. Eine die zu den Kategorien Affäre, Liebhaber und Intimes zählten.
Sie legte den Kopf ein Stück schräger und ließ ihre weißen Zähne blitzen. „Ja. Ich verwende Jogginghosen ausschließlich zum Sport. Nicht zum schlafen. Außer der einen Hose, die du ja selbst auch schon sehen durftest. Aber die bleibt unser kleines Geheimnis."
Und ich schlief in der Regel nackt. Wie zum Teufel sollte ich da je eine ruhige Minute bekommen, wenn wir doch mal in einem Bett schlafen würden? Ich durfte nicht dran denken.
Mit aller Kraft die ich hatte, riss ich mich von meinem dunkelblauen Alptraum los und deutete auf Kal. „Ich war mit Kal eine Runde laufen und ich wollte mich nochmal versichern, dass es dir gut geht, bevor ich gehe."
Für den Hauch einer Sekunde guckten ihre Mundwinkel nach unten. „Oh."
Ich hob verwundert die Braue an und wiederholte fragend ihren Laut.
Ihr Gesicht verzog sich zu einer unsicheren Miene. Jetzt, da der Schmutz aus ihrem Gesicht war, konnte ich die kleinen Kratzer drauf erkennen. Sie hatte heute soviel durchlitten. „Ich, ähm" fing sie erneut an und setzte sich auf das Bett, was nur einen Schritt von der Badetür entfernt war. Sie senkte den Blick. Hob ihn wieder zu mir auf. Sah dann zu Kal, der sie von seiner Postion vom Tisch aus beleidigt ansah, weil er immer noch nicht zu ihr stürmen dürfte.
Ich sah wie sich ihre Wangen rot verfärbten. Sie sah damit so unglaublich betörend aus, dass ich dankbar darum war, dass sie in der Zwischenzeit alle Fenster geöffnet hatte und ein kühler angenehmer Wind herein kam, der mir das Denken erleichterte.
Als sie wieder herabsah, gab ich Kal ein kurzes Kopfnicken und deutete auf Aurelia. Sofort verstand er es, sprang mit wedelnden Schwanz auf und lief zu Auri.
Wenn er mir Mut verlieh, konnte er es bei ihr auch. So hoffte ich. Freudig legte er seinen Kopf auf ihren Schoß, streckte die Zunge raus und lächelte sie an. So gut es für einen Hund eben ging.
Und Aurelia schien aufzutauen. Sie legte die zarten Hände an den Kopf meines Rüden und streichelte ihn sanft. Auch wenn ich die Tränen bereits wieder in ihren Augen funkeln sah, lächelte sie leicht.
Was dachte sie nur selbst von sich selbst? Dachte sie immer noch, dass sie mich verletzt hatte?
„Was ist los?" fragte ich nun sie.
Sie sah mich nur kurz an, ehe sie Kal weiter streichelte. „Henry, es ist eine blöde Frage. Vergiss es."
Genauso gut hätte man einer Motte sagen können, dass sie nicht ins Licht fliegen soll. Ich verdrehte die Augen. Auf solche Spielchen hatte ich nun wirklich keine Lust. Betteln lag mir nicht und ich mochte es auch nicht. „Sag mir, was los ist, Aurelia. Du kannst mir alles sagen, was dir im Kopf vorgeht. Nur sag es. Trau dich. Ich beiße nicht. Lass uns ehrlich zueinander sein. Immer. Nur so kann das hier funktionieren. So weiß ich, was ich machen muss.
Lass mir dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Bitte."
Sie sah mich an. Etwas funkelte in ihren Augen auf. Etwas wildes. Dann sagte sie mir brüchiger Stimme: „Kannst du diese Nacht hierbleiben?"
Ich klappte wohl wirklich die Kinnlade herunter. Oder zumindest sah ich ihr verwirrt entgegen. Ich hatte mit vielen gerechnet. Aber damit?
Sie trug dieses ... verboten sexy Nachthemd, dass ihr gerade so über den Hintern reichte. Ihr Bett war rießig. Ohne Frage. Aber ein Nacht zusammen würde doch trotzdem unfreiwilligen Körperkontakt bedeuten. Außer ich würde Kal in die Mitte legen.
Sie war verletzt. Sie war müde. Sie war so verdammt anregend für mich, dass mich nicht trauen würde, die Hose vor ihr herunterzulassen, da sie sonst wohl den Schreck ihres Lebens bekommen würde und dann hätte ich wirklich das Problem mit der sexuellen Belästigung.
„Ich sag doch, dass es eine blöde Idee war." murmelte sie und senkte den Blick wieder zu Kal herab, der sie mitleidig musterte und die Ohren gesenkt hatte.
„Nein!" sagte ich wohl lauter als ich sollte und lief zu ihr ans Bett, um mich neben sie setzen zu können. „Das war keine dumme Idee. Ich ... habe nur nicht damit gerechnet, dass du mich gleich zu dir ins Bett einlädst."
Sie zog verwirrt die linke Braue an. „Wenn du das sagst, klingt das so, als würde ich mit dir Sex haben wollen." Kaum waren die Worte aus ihrem Mund heraus, war sie es, die rot wurde. „Also nicht, dass ich nicht ... also jetzt nicht, meine ich, im Prinzip denke ich an nichts anders mehr seit du meinen Hals geküsst hast, aber heute ist vielleicht einfach nicht der beste Tag dafür. Oder? Ich mein, erst musst du mir heute morgen beim Brechen zusehen und dann später wie ich mir einen Bänderriss hole und vollgepumt mit Schmerzmitteln über meine Verhaltensweisen klage. Ich kann verstehen, wenn das zu viel ist."
Kichernd legte ich meine Hand an ihre Wange und streichelte ihre weiche warme Haut. Dass sie so nervös meinetwegen werden konnte, erleichterte mir die Situation ungemein. „Einigen wir uns darauf, dass wir es miteinander langsam angehen lassen und wir alles so nehmen wie es kommt?"
Ihr Lächeln tauchte wieder auf. Sanft und weich. Genau das Lächeln, in das ich mich zu verlieben begann. „In Ordnung."
Ich drehte den Kopf herum zum Bett. Es war mindestens zwei Meter mal zwei Meter groß. Genügend Platz für uns beide - auch wenn ich nach meinem Empfinden nicht viel Platz mit ihr bräuchte.
Als ich sie wieder ansah, lag immer noch diese Unsicherheit in ihrem Blick. Ich setzte mein aufbauendes Lächeln auf. „Wenn du es wirklich willst, bleibe ich bei dir. Aber nur, wenn ich hierbleibe, weil du es willst und nicht, weil du das Gefühl hast, mir irgendwas schuldig sein zu müssen."
„Ich möchte, dass du bleibst, weil ich mich wohler mit dir an meiner Seite fühle. Und ich habe das Gefühl, dass du, nach diesem Tag, das einzige bist, das mich entspannen lässt." antwortete sie ehrlich und lächelte nun ebenfalls sanft.
„Genauso das wollte ich hören." Ich stand auf und half ihr dabei, sich ins Bett zu legen.
Rasch machte ich das Licht überall aus und zog mich aus. Freiwillig ließ ich die Unterhose an und schlüpft eins Bett. „Macht es dir was aus, wenn Kal am Bettende schläft?"
Sie gab einen verneinten Laut von sich. Aurelia schien schon fast das Traumland erreicht zu haben.
Ich zeigte Kal zum Fußende und mein Rüde verstand sofort, sprang aufs Bett und machte es sich zu unseren Füßen gemütlich. Ich konnte nur hoffen, dass er nachts keine Versuche unternehmen würde, sich zwischen uns zu legen.
Ich machte es mir am vordersten Teil des Bettes gemütlich. Doch kaum hatte ich die richtige Position gefunden, spürte ich eine Bewegung im Bett.
Aurelias Hände legten sich auf meine Brust, nur kurz bevor ich ihren warmen Atem an meiner Nase spürte.
Obwohl sie mehr eingeschlafen als wach war, fanden Aurelias Lippen meine. Endlich.
Es passierte alles instinktiv. Nichts davon fühlte sich falsch oder erzwungen an. ... Es passierte einfach.
Es waren zarte erste federleichte Küsse, die wir einander schenkten. Kein Hunger darin. Kein animalisches Verlangen. Nur Dankbarkeit, Zärtlichkeit und erste verliebte Prickeln.
Und doch waren sie alles für uns beide.
Ich hätte mich ewig in diese Lippen verlieren können, so perfekt auf meine passten.
„Schlaf gut, Henry." murmelte sie schlaftrunken an meinen Lippen als sich unsere Münder wieder trennten. „Und dank für alles, was du bisher für mich getan hast. Du hast mich in den letzten Tagen in vielerlei Hinsicht gerettet und Dank deiner Unterstützung auf dem Tennisplatz war es überhaupt möglich für mich, Roger die Stirn zu bieten. Du hast es geschafft mir den Druck zu nehmen. Das ist noch nie so richtig bei mir passiert. Egal wie viele Zurufe ich damals aus dem Publikum bekommen hab. Wahrscheinlich hätte ich dich schon viel viel eher gebraucht."
„Sowas machen Superhelden, Auri." Ihr Kopf senkte sich an meine Brust und fand dort ihren Platz, während sie die Arme um meine Mitte schlang. Ich spürte ihr Schmunzeln an meiner Haut. „Nein. Sowas macht nur Henry Cavill."
Ich konnte mir das Grinsen nicht mehr vom Gesicht ablegen. Ein letztes Mal drückte ich ihr einen zarten Kuss auf den Haarschopf und schlang meine Arme um ihren Körper herum.
Egal was ich diese Nacht auch immer träumen würde, es würde für mich die schönste Nacht seit langem sein.
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