30 Gefangener
„Rein da!", ruft mir der Wachmann zu. Mit einem groben Stoß befördert er mich hinter die Gitter unseres Schlosskerkers. Die Schlüssel drehen sich im Schloss, es klackt einmal, zweimal - abgeschlossen.
Nun sitze ich also in meinem schicken Gewandt, das ich noch vom Ball die letzte Nacht trage, in einer verdammten Gefängniszelle.
Nachdem auch die letzten Gäste das Fest verließen, lies Cyrus mich festnehmen und einsperren. „Du kannst von Glück reden, dass keiner am Hof ihre Flucht bemerkte. Auf einem Greif ist sie davon geflogen. Auf einem Greif!" Natürlich mussten die Festlichkeiten zunächst Fehlerfrei über die Bühne gebracht werden. Wass sollten die Leute nur denken, würden sie erfahren, dass die Auserwählte Reiß aus nahm und sich im gleichen Atemzuge gegen den Hofstaat der Feen und ihren König stellte? Hinterher käme es noch zu einem Putsch. Der König vertut seine Chance und verscheucht die Retterin aus seinem Schloss. Eine Aufgabe, bei der das unausgesprochene Gesetz gilt, nicht zu versagen. Cyrus hat versagt.
Wahrscheinlich habe ich in meinem ganzen Leben noch nie in größeren Schwierigkeiten gesteckt, doch bei der Vorstellung, wie Luna den Wachen auf einem Greif davonfliegt, schleicht sich mir ein stolzes Grinsen auf die Lippen. Glücklicherweise verlief alles nach Plan. Luna ist entkam und mehr wollte ich auch nicht erreichen.
„Dir wird dein Lachen schon noch vergehen", versucht die Wache mich einzuschüchtern. Ihr Auftreten ist nicht gerade furchterregend, egal wie groß und breit gebaut sie ist. Im Glauben das Richtige zu tun, wirft sie mir noch einen letzten verächtlichen Blick zu und verlässt den Raum.
Weder jagt mir die Drohung dieses Mannes Angst ein, noch kann ich es ihm übel nehmen, was er tut. Er ist nur ein einfacher Mann, nicht einmal in der Lage zu erahnen welche Monster hier im Palast wüten, über seinen Kopf hinweg entscheiden, Spielchen spielen. Alles ist nur ein Spiel. Er ist eine Schachfigur, ein Bauer. Der König ist nicht nur eine Spielfigur, er ist nicht nur der König - er ist ein Spieler. Ich höre, wie die Holztür geöffnet wird und jemand die Steintreppen zu den Zellen herunter schreitet. Cyrus.
Gegenüber von meiner Zelle bleibt er stehen, starrt mich eine ganze Weile lang einfach nur an.
Ich weiß, was er versucht.
Er möchte in meinen Kopf, sucht einen Hinweis auf Lunas Aufenthaltsort.
Selbst ich kann nur vermuten, wo sie sich befindet. Sollte er es schaffen in meinen Kopf einzudringen, gibt es dennoch keine Garantie, dass er sie finden wird. Trotzdem graut es mir vor dem Gedanken, er würde sie erneut in die Finger bekommen. Meine Mimik und mein Wille verhärtet sich, wird stählern, verschließt meinen Verstand vor der Außenwelt und schottet so jeden Eindringling ab, der es auch nur in die Nähe wagt. Tausende kleine Schlösser klicken in meinen Ohren, als sie zeitgleich dem König einen Riegel vorsetzen. Dutzende Male hämmert es gegen die Tore meiner Gedankenfestung, Rammböcke stoßen mit, Kopfschmerzen bereitender, Wucht dagegen. Mein Wille ist stärker, meine Festung nicht einnehmbar. Ich kann nicht anders und grinse dem König entgegen - provozierend, siegessicher.
„Jetzt lachst du noch, Bürschchen, doch lass dir gesagt sein, du hältst mir nicht ewig Stand. Du wirst hier unten so lange versauern, bis du dich als nützlich erweisen kannst", dringt die Warnung von der anderen Seite der Gitter zu mir herüber. Nachdrücklich setzt er noch einen Schritt vor, um mich zu mustern. Nach einem letzten Blick entschließt er wohl, seine Zeit nicht weiter mit mir zu verschwenden, dreht sich um und schreitet erhobenen Hauptes davon.
Ohne Zweifel, glaube ich Cyrus jedes seiner Worte. Es fiel in der Vergangenheit zu viel vor, als dass er nur bluffen würde. Eine Sonderbehandlung habe ich nicht mehr zu erwarten, doch damit rechnete ich bereits. Innerlich wappne ich mich schon seit Tagen auf die Zeit als Gefangener.
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