24 Alte Bekannte
Mein Herz setzt einen Schlag aus und ich springe, wie vom Schlag getroffen, die paar Schritte, die ich gerade machte, zurück um die Ecke. Beinahe hätte Luna mich entdeckt. Sie soll mich nicht in der Nähe von Cyrus sehen, ich möchte nicht, dass sie herausfinden könnte, wer ich bin, bevor ich selbst dazu komme, es ihr zu erzählen. Wie soll ich ihr nur beibringen, dass ich nicht nur ein Nymph sondern auch eine Fee und dazu noch der Sohn des Königs bin, ohne sie dazu zu bringen mich zu hassen? Ich habe gesehen, wie sehr sie mein Verrat, ihr über all die Jahre nicht nur meine, sondern auch ihre Identität vorzuenthalten, gekränkt hat, wie ihre schönen blauen Augen von tiefen Schatten durchzogen wurden. In diesem Moment konnte ich nicht anders, als diesen schrecklich enttäuschten Blick von ihren Augen zu wischen. Noch in dem selben Moment, als ich mir, zu meinem eigenen Vorteil, Zutritt in ihren Kopf verschafft habe, fühlte ich, was für einen fatalen Fehler ich begangen habe. Ich komme mir noch immer schmutzig vor wie mein Vater - listig und rücksichtslos, widerwärtig.
Seit meine Mutter verstarb und die Beziehung zu meinem Vater mit jedem Tag schlimmer wurde, ich habe ich begonnen ihn zu verachten. Bis zu jenem Tag kämpfe ich gegen die Dinge, die mein tyrannischer Vater mir beigebracht hat und gegen meine Natur an. Niemals möchte ich zu einem Monster werden, zu jemandem, der sich seinen Weg durch Manipulation und Gedankenkontrolle bereitet. Als halber Nymph kann ich gerade mal auf die oberflächliche Gefühlswelt anderer zugreifen. Wenn ich mich anstrenge, auch auf die tieferen, aber nur, wenn diese gerade mehr als deutlich an den Tag kommen.
Luna und Ailwyn laufen mit zügigen Schritten davon, wahrscheinlich bringt er sie zurück in ihre Räumlichkeiten.
„Es ist lange her", vernehme ich plötzlich eine allzu bekannte Stimme neben mir. Genauso wie früher trägt sie auch heute noch eine dieser bunten Kopfketten, die sich perfekt ihrem Erscheinungsbild anpasst. Eleda wäre nicht Eleda, würde sie nicht ihren geliebten Kopfschmuck tragen. Sie scheint zwar überrascht zu sein, doch positiv, denn ihr strahlendes Lächeln schafft es, den kalten Mauern dieses Palastes die Wärme zu geben, die ich schon früher gerne aufzusuchen pflegte. Sie ist nicht wie die anderen dieses Volkes. Die mir wohl liebsten Eigenschaften, die ihren Charakter kennzeichnen sind Ehrlichkeit und Offenheit.
Dementsprechend kann ich auch die Sehnsucht ihn ihrem Blick sehen. Bei ihrem Antlitz flammen alte Erinnerungen in mir auf - an Leidenschaft, an Trauer. Doch so gern ich Eleda auch mag, sind es Erinnerungen, die meiner Vergangenheit angehören. Man weiß nie, was die Zukunft einem bringt, doch für den Moment ist meine Liebe zu ihr nicht mehr - eine Erinnerung. „Sehr, sehr lange", gebe ich zu, werfe ihr strahlendes Lächeln wie ein Spiegelbild zurück. „Es ist schön, dich zu sehen, Eleda." Ich meine jedes meiner Worte genauso, wie ich es sage.
„Ja, das finde ich auch", gibt sie die Höflichkeitsfloskel zurück. Ihr Blick bleibt für ein paar weitere Augenblicke verträumt an mir haften, ehe sie sich wieder fängt. „Wie ging es dir in den letzten Jahren, nachdem...", sie presst ihre Lippen aufeinander, „... du weißt schon?" Voller Sorge mustert sie jede Faser meines Körpers nach Anzeichen.
„Zuerst war es schwierig, aber ich habe mich schnell eingewöhnt. Jedenfalls war es angenehmer, als hier im Palast." Ich setze ein überzeugendes Grinsen auf, um sie zu beruhigen.
„Dir standen jeder Zeit unsere Türen offen, das weißt du doch, oder?", fragt sie nun, legt dabei eine Hand auf meinen Oberarm. Sie wartet sichtlich auf eine Antwort. Eine Antwort, die ihre Enttäuschung über das Auslassen meiner Besuche verfliegen lassen würde.
„Das taten sie nicht und das weißt du auch", antworte ich vermutlich etwas zu schroff. Eleda neigt dazu, in ihrer eigenen kleinen Welt zu leben. Wäre ich ohne Luna zurück in das Feenreich gekehrt, hätte mein Vater mich einsperren oder umbringen lassen. „Wie geht es dir?", frage ich nun deutlich sanfter, um meine alte Freundin nicht vor den Kopf zu stoßen.
„Ach, gut wie immer. Du weißt, es ist immer das Selbe, jeden Tag." Ein dünnes, ironisches Lächeln zeigt, wie sehr sie ihr Alltag zu langweilen scheint. „Es ist gut, dass du zurück bist."
Bei ihrem vorfreudigem Lächeln zieht sich etwas in mir zusammen. Unter den Umständen, unter denen ich den Palast aufsuchen muss, glaube ich nicht, dass ich dazu komme, viel Zeit mit einer alten Vertrauten zu verbringen. Ich möchte sie nicht enttäuschen, so wie ich es damals getan habe, so wie ich sie damals verletzt habe. Wir kennen uns zwar von klein auf, doch wirklich ernst wurde die Sache zwischen uns erst vor drei Jahren. Eleda wusste, ich belüge mich selbst, aber in der Hoffnung, mein Herz würde irgendwann ihr gehören, traute sie sich trotzdem sich mir anzunähern. Auch wenn wir uns friedlich getrennt haben, hat sich an diesem Tag eine große Schlucht zwischen uns aufgetan. Und als ich fliehen musste, war ich mir nicht einmal mehr sicher, ob ich sie je wieder sehen würde. „Ich sollte gehen, Eleda. Ich muss noch mit meinem Vater sprechen, um etwas mit ihm zu klären. Es ist sehr wichtig. Entschuldige mich, bitte."
„Viel Glück", wünscht sie mir.
Mit diesen letzten Worten und einem aufmunternden Lächeln, ziehe ich mich aus der Affäre und steure auf die Tür des Arbeitszimmers zu.
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