Kapitel 24
Balans Stimme riss sie aus ihrer angstvoll starren Haltung.
"Ich wünschte wirklich dein Schwächling würde jetzt zusehen. Aber keine Sorge ich werde ihm nachher alles ausführlich berichten. Jeden Schrei und jedes Zucken von dir."
Es war seltsam. Aber genau diese Worte gaben Lya Mut. Tyr und sie hatten schon ähnliche Situationen überlebt. Ihre Liebe war stärker als das hier. Nichts könnte daran etwas ändern. Sie klammerte sich an diesen Gedanken fest als der erste Schlag erfolgte. Lya blieb der Atem weg. Mit solch einem Schmerz hatte sie nicht gerechnet. Balan ließ sich Zeit bis er weiter machte. Beim zweiten Schlag kniff Lya die Augen zusammen. Beim dritten floß die erste Träne. Lya krallte ihre Finger so heftig in ihr Kleid, dass ein kleiner Riss enstand. Die nächsten zwei Schläge schaffte sie es lautlos zu bleiben. Das schien Balan nur anzustacheln. Der sechste Schlag fiel besonders heftig auf und Lya entfuhr ein Wimmern. Ihr Rücken schien in Flammen zu stehen. Balan kannte keine Gnade und als er beim letzten Schlag angelangte, wusste Lya erst nicht, dass es vorbei war. Sie hatte bei den letzten Schlägen vergessen mitzuzählen. Auch wenn keiner der Schläge ihre Haut so heftig verletzt hatte, dass Blut floß, so fühlte sich Lya als hätte man ihre Haut vom Rücken gerissen und ihn entblößt zurück gelassen. Wie in Trance bekam Lya mit, dass jemdand ihr Kleid wieder zuschnürte. Jede Berührung an ihrem Rücken schien das Feuer aus Schmerzen nur weiter anzustacheln. Sie wurde auf die Beine gerissen und mitgeschleift. Lya zitterte. Ihr war unglaublich kalt. Erst als sie in einen Raum gestoßen wurde und keiner sie mehr festhielt, sackte sie in sich zusammen.
"Sie soll sich nützlich machen und arbeiten. Kein Mitleid, keine Gnade."
"Ja, Herr."
Lyas Sicht verschwamm und erste Tränen flossen nach dem Schock. Warme Hände ergriffen ihre undendlich kalten.
"Kind, was haben sie mit dir gemacht?"
Lya sah auf und blickte in Rithas sanftes Gesicht. Das verstärkte ihre Schluchzer nur noch. Nicht nur ihr Rücken schmerzte, auch ihre Seele fühlte sich durch diese Demütigung zerschunden an. Dieser tropfen Freundlichkeit, welche ihr die Köchin entgegenbrachte, war zu viel für Lya.
"Komm, du bist ganz kalt. Das ist der Schock."
Nur weil sich Ritha wirklich Sorgen zu machen schien, ließ sich Lya hochziehen und auf die Bank vor das Herdfeuer setzen. Von irgendwoher organisierte Ritha eine Decke und legte sie Lya über die Schulter.
"Lass los, Mädchen und ruh dich aus."
Genau das tat Lya in den nächsten Stunden. Rithas warme Worte und das Feuer in ihrem Rücken ließen sie langsam auftauen. Ihr war bewusst, dass mehrere menschliche Diener in der Küche sie einerseits neugierig, andererseits misstrauisch musterten. Viele kannte Lya flüchtig. Ritha scheuchte sie jedes Mal, wenn sie Fragen stellen wollten aus der Küche. In einem Moment, wo sie beide alleine waren, traute sich Lya die Frage zu stellen, die ihr seit Stunden keine Ruhe ließ.
"Ritha, wie viele Menschen hegen Groll gegen mich, weil ich mit Tyr geflohen bin?"
Ritha hielt in ihrer Arbeit inne.
"Es gab schon vor eurer Flucht Menschen die mit deiner Freundschaft zu dem Wolf nicht einverstanden waren. Aber sie konnten die Augen davor verschließen und taten als wüssten sie nichts davon. Das funktionierte nach eurer Flucht nicht mehr. Einige, wahrscheinlich sogar mehr als die Hälfte sehen dich als Verräter des Menschenvolkes."
Lya zuckte bei dieser schonungslosen Wahrheit zusammen. Jetzt wusste sie wie sich Tyr fühlen musste. Es war schrecklich.
"Doch für die anderen seid ihr die Hoffnung."
Lya starrte Ritha bei diesen Worten an. Sie wusste absolut nicht, was sie meinte.
"In einer Welt, wo die Wolfsmenschen uns unterdrücken und versklaven, hast du einen dazu gebracht dich zu lieben. Keiner kann seine Zuneigung zu dir verleugnen. Und wenn es einer kann, warum nicht dann noch andere Wolfsmenschen?"
Lya war sprachlos. Sie hatte sich noch nie Gedanken über die Folgen ihres Handelns gemacht.
"Außerdem ist es eine wirklich schöne Liebesgeschichte. Das gibt den Menschen gefährlich zerbrechliche Hoffnung."
Ritha zwinkerte bei dem ersten Satz, war bei dem zweiten aber wieder ganz ernst. Lya stand auf. Der Schmerz in ihrem Rücken erinnerte sie an das ebend erlebte, aber Rithas Worte hatten sie aufgebaut. Auch wenn die eine Hälfte der Menschen hier in der Burg als Verräterin war, so war sie für die anderen... keine Heldin, das nicht, aber ein Vorbild und was noch wichtiger war eine Hoffnung.
"Vielen Dank, dass du so ehrlich zu mir warst", bedankte sich Lya und hoffte, dass Ritha verstand, welche tiefen Gefühle sie mit diesen einfachen Worten auszudrücken versuchte.
"Gern geschehen."
"Weißt du etwas über Tyr?", fragte Lya voller Hoffnung, dass ihr Ritha auch in dieser Frage Klahrheit verschaffen konnte.
"Nur, dass er auf der Krankenstation ist. Ihm wird täglich Essen gebracht, aber er steht unter strenger Bewachung."
"Ich muss zu ihm", sagte Lya.
Gleichzeitig war ihr klar, dass es unmöglich war. Auch Ritha schüttelte den Kopf.
"Das werden sie dir nicht erlauben."
Lya dachte nach. Es musste doch eine Möglichkeit geben mit Tyr zu kommunizieren. Ihm zu sagen, dass es ihr gut ging. Er würde sich Sorgen machen, so wie sie sich Sorgen um ihn machte. Die Antwort auf ihre Frage fiel ihr kurz darauf ein. Sie hatte die Aktion schon einmal durchgezogen. Es war riskant und sie konnte erwischt werden, aber ihr fiel keine andere Möglichkeit ein. Außerdem hatte sie es schon einmal erfolgreich vollbracht, ohne aufzufliegen. Oder zumindest fast.
"Ritha", sagte Lya, "ich habe eine Idee."
Ritha runzelte die Stirn.
"Ich kann dich unterstützen, solange es keine hirnrissige Idee ist. Was musst du dafür tun?"
Lya lächelte. Rithas Unterstützung tat gut und ließ sie wieder neuen Mut schöpfen.
"Nichts weiter als das, wofür ich hergekommen bin. Ich muss arbeiten."
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