Kapitel 22

Es kam wie Balan vorausgesagt hatte. Lady Ylva und Lord Amon saßen vor ihm und warteten auf eine Erklärung.

"Nun?", fragte Lady Ylva, "was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?"

Alastor stand vor ihnen.

"Ich habe meinen Sohn nicht aus familären Gründen helfen lassen. Wenn er überlebt, wird er alles für uns tun, damit dem Mädchen nichts geschieht. Ich dachte, dass wäre ein größerer Gewinn für uns, als nur das Mädchen mitzunehmen."

Lord Amon und Lady Ylva warfen sich einen Blick zu den Alastor nicht deuten konnte. Schließlich nickte Lady Ylva.

"Nun gut, dass ist wahr. Versuch trotzdem dem Mädchen Wissen über die Rebellen zu entlocken. Wir wissen nicht, ob Tyr überlebt und ob er uns von Nutzen sein wird, wenn er wieder erwacht. Also halte dich erst einmal ans Mädchen."

Alastor neigte den Kopf als Zustimmung und verließ die Halle mit einer Verbeugung.

"Er ist eine Gefahr", bemerkte Lord Amon sobald er weg war.

Lady Ylva nickte.

"Durch seinen Sohn könnte er schwach werden und uns verraten. Wir werden das im Auge behalten müssen."

Lord Amon setzte ein freudloses Lächeln auf.

"Wir sollten Balan sagen, dass er sich bereithalten soll."

Zur selben Zeit im Rebellenversteck

"Sie sind nicht zurück gekommen. Was sollen wir jetzt tun?", fragte Rachel mit grimmiger Miene.

Reed schnaubte.

"Ich habe euch gleich gesagt, dass man ihnen nicht trauen kann."

"Das kann ich nicht glauben", widersprach Rachel.

"Ruhe jetzt", fuhr Rose ungewöhnlich laut dazwischen.

Sie stand an der Liege und wusch vorsichtig Blut und Dreck von Zachs Körper. Er war bewusstlos geworden, sobald sie hier angekommen waren. Aber auch davor hatte er nicht wirklich verstanden was vor sich ging. Rachel funkelte Reed noch einmal wütend an und trat dann zu Rose.

"Kann ich dir helfen?"

Rose presste die Lippen zusammen.

"Was Zach jetzt braucht ist Ruhe. Es wäre also gut, wenn alle das Zimmer verlassen würden."

Zum ersten Mal seit Zach wieder bei ihnen war, erhob Drew das Wort.

"Momentan können wir nicht riskieren nach Tyr und Lya zu suchen. Es tut mir leid, Rachel. Aber wir müssen darauf vertrauen, dass sie sich selbst helfen können."

Rachel sah nicht besonders glücklich über diese Worte aus, aber sie nickte.

"Raus jetzt", befahl Rose und deutete auf die Tür.

Rachel und Reed befolgten die Anweisung. Drew blieb standhaft stehen.

"Ich gehe nach Ruben sehen und komme dann wieder. Keine Widerrede", unterbrach er Rose als sie den Mund öffnete.

Ihre Miene wurde weich.

"Geh zu deinem Sohn und lass dir Zeit. Er braucht seinen Vater. Im Moment bist du Zach keine Hilfe. Die Tage in denen du für euch beide stark sein musst, werden noch früh genug kommen."

Drew sah ein, dass Rose recht hatte und verabschiedete sich mit einem Nicken von Rose. Sie atmete tief durch und vertiefte sich wieder in ihre Arbeit. Einige Wunden musste Rose nähen, aber Zach zuckte nicht einmal während sie das tat. Sie hoffte, dass seine seelischen Wunden nicht so schlimm sein würden. Gerade als Rose ihre Arbeit beendete, klopfte es an der Tür.

"Herein", rief Rose und erwartete Drew zu sehen.

Stattdessen betrat Saige den Raum. Ihre Miene war ernst. Rose trat zu einer Schüssel mit sauberem Wasser und wusch sich das Blut von den Händen bevor sie Saige gegenüber trat.

"Ich hatte gehofft dich allein zu finden", sagte Saige.

Rose beschlich ein mulmiges Gefühl.

"Was ist geschehen?"

Saige war kurz nach ihnen im Versteck eingetroffen. Der Wolfsmensch und Lya waren nicht aufgetaucht. Saige schloss die Tür sorgfältig und kam auf Rose zu.

"Es betrifft Reed und ich wollte erst mit dir sprechen bevor ich Drew informiere."

Rose schlug das Herz bis zum Hals.

"Was hat er getan?"

Saige sah sie ernst an.

"Er hat Tyr verraten. So konnte er in die Hände der Wolfsmenschen fallen. Lya und ich wurden in der Menge getrennt. Ich suchte nach ihr, fand sie aber erst als es zu spät war. Dein Bruder hat dem Wolf einen Dolch in die Brust gestoßen. Lya hat es gesehen. Sie war näher an den beiden, konnte es aber nicht verhindern. Reed verschwand. Bevor ich die beiden erreichen konnte, waren sie von Wolfsmenschen umgeben."

"Das kann nicht sein", wehrte Rose die Anschuldigung ab und versuchte ein Zittern zu verbergen.

"Es ist die Wahrheit", sagte Saige ruhig.

"Nein", fuhr Rose sie lauter als gewöhnlich an.

"Ich habe keinen Grund Reed schaden zu wollen. Das weißt du, Rose."

"Aber das... das kann nicht sein", wiederholte Rose, "warum sollte er das tun."

Auf diese Frage schwieg Saige. Sie beide wussten ganz genau, warum Reed so etwas tun würde.

"Ich muss vorher mit meinem Bruder reden. Bitte warte noch bis du zu Drew gehst. Ich muss erst mit ihm sprechen."

Saige nickte. Sie verstand.

"Ich geb dir einen Tag Zeit mit Reed zu reden."

"Danke", flüsterte Rose.

Saige verließ das Zimmer. Rose atmete tief durch. Sie hatte ja immer gewusst, dass Reed eine tiefe Wut gegenüber den Wolfsmenschen verspürte. Aber nichts hatte sie auf diesen Verrat vorbereitet. Er war nicht nur Tyr und Lya, sondern der gesamten Rebellengruppe in den Rücken gefallen. Sie war froh als Drew mit Ruben auf dem Arm eintrat. Er erklärte sich bereit für eine Weile auf Zach aufzupassen. Rose dankte ihm und ging aus dem Raum.

Sie musste Reed suchen und zur Rede stellen. Sie fand ihn in seinem Zimmer, dass er sich mit einem der Wächter, Larc, teilte. Er war allein. Rose trat ein und schloss die Tür hinter sich. Reed drehte sich bei diesem Geräusch um und ein spöttisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

"Was verschafft mir die Ehre, Schwesterchen?"

"Spar dir diesen Ton", sagte Rose, "was zum Teufel hast du getan?"

Reed hob nur eine Augenbraue.

"Wovon sprichst du?"

"Von deinem Verrat", fauchte Rose zornig.

Reeds Miene wurde kalt.

"Ich habe uns einen Gefallen getan."

Rose schnappte fassungslos nach Luft. "Du hast das Leben von Tyr und Lya aufs Spiel gesetzt."

"Was kümmert dich der räudige Wolf?", fuhr Reed sie an.

"Er hat niemanden etwas getan", rief Rose.

"Er hat mich fast blind gemacht. Ist das für dich nichts?"

Rose hatte Reed noch nie so wütend erlebt.

"Es tut mir leid, was passiert ist. Aber es war genauso deine Schuld wie seine. Das gibt dir noch lange nicht das Recht ihn in den sicheren Tod zu schicken."

Reed richtete sich auf. Sein Blick war eiskalt. Nichts war von dem Mann übrig, der ebend noch seine Wut offen gezeigt hatte.

"Nichts was du sagst, wird mich diese Tat bereuen lassen. Wir Menschen müssen zusammen halten, um zu überleben. Stattdessen nehmen wir den Wolf hier auf und vertrauen ihm unser Leben an. Ich weiß nicht, was in euch gefahren ist. Die Regeln der Welt haben sich nicht verändert. Reicht man einem dieser Bestien die Hand beißen sie sie als Dank ab."

Rose war sprachlos. Reed war wirklich überzeugt, dass einzig Richtige getan zu haben.

"Es tut mir leid, aber ich muss Drew sagen, was du getan hast", sagte Rose erschöpft.

Reed ließ nicht erkennen, was er davon hielt. Rose wartete noch kurz als keine Reaktion kam, drehte sie sich um und ging.

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