Kapitel 11

Daraufhin sagte Lya nichts mehr und ließ sich von Zach hoch nehmen. Rose hielt ihnen die Tür auf. Sie kamen an ein paar Leuten vorbei, welche Zach ihr vorstellte. Lya fand Rachel, dessen Kleidung sie trug, sofort sympathisch. Auch wenn sie allen misstrauisch gegenüber stand, weil keiner ihr sagte wo Tyr war. Einmal kamen sie an einem Mann vorbei, dem die Hälfte des Gesichts verbunden war. Er starrte sie direkt an. Lya lief ein Schauer über den Rücken. Sie bemerkte, dass Zach nur die Zähne zusammen biss und grimmig an ihm vorbei ging. Er wurde ihr nicht vorgestellt. Lya sah über Zachs Schulter zurück und bemerkte, dass er ihnen nach sah. Sie erschauderte und zog den Kopf ein.

"Wer war das?", fragte sie.

"Reed", antwortete Zach knapp.

"Was hat er gemacht?"

Lya bezog sich damit auf die Verletzung im Gesicht, die er offensichtlich hatte. Zach sah sie kurz an.

"Das kann ich dir nicht sagen. Aber du kannst dir sicher sein, dass er an dieser Verletzung selbst schuld ist."

Zachs Stimme klang so grimmig, dass Lya nicht weiter nachfragte. Ihr war sowieso schon mulmig zu Mute. Vor allem als sie einen schmalen Gang betraten und nach unten gingen. Das sah aus als wäre sie wieder in Castle Caym. Und dort befand sich nur eine Sache unter der Erde. Die Kerker. Sie spürte wie sich Zach anspannte als sie um die nächste Ecke bogen. Zurecht. Lya blieb die Luft weg als sie Tyr angekettet an der Wand sitzen sah. Er sprang auf und stürzte nach vorne als er sie bemerkte.

"Lya", rief er und wurde von den Ketten zum Halten gezwungen.

Er riss an ihnen und knurrte Zach wütend an.

"Nein", flüsterte Lya und begann sich zu winden.

"Du Verräter", keuchte sie zu Zach.

Sie hörte auf sich zu winden als Zach sie nur enger an sich drückte. Tyrs zorniger Schrei hallte durch den ganzen Raum.

"Lass sie los", forderte Tyr.

"Lass ihn frei", rief Lya im gleichen Moment.

"Ich werde sie nicht loslassen, weil sie mir ansonsten umkippt. Sie ist noch nicht so weit auf eigenen Beinen zu stehen", antwortete Zach Tyr scharf.

Dann wandte er seine Aufmerksamkeit zu Lya.

"Weißt du, wer hier lebt? Hier leben Kinder, die Waisen sind, Frauen, die sich selbst verteidigen lernen wollen und Männer, die sich für ihre Familien gegen das Gesetz auflehnen. Ich biete Ihnen ein neues Leben, Sicherheit und die Chance etwas zu verändern. Sie haben mir dafür Treue geschworen und erwarten, dass ich die Verantwortung übernehme. Das sind meine Leute. Ich werde sie keinem Risiko aussetzen. Und so leid es mir tut, ein Wolfsmensch der sich frei bewegen darf, gehört dazu. Die meisten sind selbst mit seiner Abwesenheit unzufrieden."

Zachs Worte waren brutal ehrlich. Er wollte, dass Lya seine Situation verstand. Der Wolfsmensch hatte das getan. Er sah es an dem angespannten Körper. Ihre Blicke trafen sich und Zach sah das Verstehen in Tyrs Blick. Die Erkenntnis, dass er gehen musste. Schon bald, wenn es keinen Aufstand innerhalb der Rebellen geben sollte. Die Alternative wäre der Tod. Das wollte Zach dem Mädchen nicht antun. Sie hing offensichtlich an dem Wolf.

"Was ist mit mir?", fragte Lya mit rauer Stimme und Zach wandte seine Gedanken wieder zu ihr.

"Ist es nicht heuchlerisch mir zu vertrauen, nur weil ich ein Mensch bin?"

"Im Moment kannst du nicht mal alleine stehen und du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich dich nicht unterschätzen werde. Du stehst genauso unter Beobachtung wie er."

Zach verschwieg ihr, dass ihr trotzdem die meistens seiner Leute eher anfangen würden zu vertrauen, als dem Wolf. Einfach aus der Tatsache heraus, dass sie ein Mensch war.

"Was macht deine Verletzung, Lya?", mischte sich nun auch der Wolfsmensch ein.

"Mir geht es gut", versicherte Lya Tyr.

Tyr schnaubte nur und wandte sich am Zach.

"Wie schlimm ist es?"

Zach zuckte mit den Schultern.

"Es ist nichts, was nicht wieder heilen wird. Sie sollte ihren Arm nicht belasten und sich noch ein paar Tage ruhig verhalten", gab er als ehrliche Antwort.

Tyr nickte zufrieden. Lya wurde rot und funkelte Tyr wütend an. Sie meinte ein Zucken seiner Mundwinkel zu sehen.

"Ich bring dich wieder zurück. Rose hat dir sicher schon etwas zu Essen besorgt", riss Zach sie aus ihrem stummen Austausch.

"Moment mal, muss Tyr wirklich hier unten bleiben. Ich meine er kann doch auch einfach in ein Zimmer ziehen und versprechen es nicht zu verlassen", bat Lya verzweifelt.

"Oder er bleibt die ganze Zeit bei mir, damit..."

"Lya", unterbrach Tyr sie, "es geht mir gut. Wolfsmenschen sind nicht so empfindlich wie Menschen. Es ist fast schon zu gut. Ich habe hier meine Ruhe und bekomme zu jeder Mahlzeit Essen."

"Aber das ist doch das Mindeste", rief Lya.

Zach und Tyr zuckten zusammen.

"Würdest du ein Kind in Gefahr bringen, in dem du es einem Wolfsmensch auslieferst? ", fragte Tyr sanft.

Lya schnappte nach Luft.

"Du würdest niemals einem Kind weh tun", erwiderte sie.

Tyr schwieg. Er würde es tun, wenn Lyas Leben davon abhing und das wusste der Mensch ganz genau. Er sah zu Zach und nickte ihm zu. Dieser verstand, drehte sich mit Lya auf dem Arm um und ging. Diesmal protestierte Lya nicht. Sie schwieg bis sie aus Tyrs Hörweite waren.

"Ich kann nicht glauben, dass er einem Kind weh tun würde", flüsterte sie dann.

Zach sah nachdenklich auf sie herunter.

"Er liebt dich mehr als dir bewusst ist. Dein Tod würde ihn mehr zerstören als der eines unbekannten Kindes", versuchte Zach zu erklären.

"Liebe ich ihn nicht genug, wenn ich das nicht kann", fragte sie mit brüchiger Stimme.

"Nein, denn das ist dein Charakter. Dein Wolf hat sich in dich verliebt, weil du so bist wie du bist", stellte Zach klar.

"Er heißt Tyr", murmelte Lya.

"Du nennst ihn immer Wolf, aber er hat genauso einen Namen wie wir Menschen."

Kurz schwieg Zach.

Dann antwortete er: "Dann lass mich dir sagen, dass ich Tyr verstehe. Du stehst für ihn an erster Stelle. Dieses Geschenk solltest du akzeptieren und annehmen."

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