Und der Gewinner ist...
Dann pfiff er das Spiel an.
Sobald Annika den Ball von Nora entgegennahm, verschwand ihre Nervosität völlig. Sie wusste was sie hier tat. Sie spielte den Ball zu Megan weiter, die ihr wieder den Ball zurück passte, um sich auf ihre Außenposition zurück zu ziehen. Der Ball wurde die Angriffskette durch gepasst. Nora als Playmaker in der Mitte, Sandra auf halb rechts und recht außen schließlich Tanja. Sobald sie den Ball entgegengenommen hatte, gab Nora mit einem Handzeichen an, welcher Spielzug jetzt folgen würde.
Annika nahm Anlauf, bevor der Ball wieder bei ihr war, um schon in Fahrt zu sein, wenn er ihr zugespielt wurde. Ihr Gegenüber jedoch war sofort bei ihr und blockierte den Weg zum Tor. Da sie jedoch weit raus gegangen war, entstand eine riesige Lücke, die Nora sah. Sie lief darauf zu und setzte zum Wurf an. Die zwei Abwehrspieler, die sich vorher auf Jessica am Kreis konzentriert hatten, gingen Nora entgegen um sie fest zu machen. Sie sah aus dem Augenwinkel, dass Jessica jetzt komplett frei stand und spielte ihr den Ball zu, anstatt auf das Tor zu werfen. Kaum zwei Sekunden später hatte die Carmelot Schule das erste Tor erzielt.
Die Mannschaft jubelte und lief schnell zurück in die Abwehr. Annika zeigte Jessica und Nora den Daumen hoch, es war immer eine Erleichterung im ersten Angriff zu treffen.
Rosewood war jedoch nicht aus schlechtem Holz geschnitten. Nach Anpfiff lief ihre halblinke Spielerin einfach auf die Abwehr zu, sprang auf und donnerte den Ball ins Netz. Nina hatte nicht einmal mit dem Arm gezuckt, so schnell ging das. Annika biss grimmig die Zähne zusammen. Das war einer der Schützen, die ihr vorher schon aufgefallen waren. Sandra musste aggressiver auf sie raus gehen, sie durfte nicht so leichte Tore erzielen.
Die wenigen Zuschauer auf der kleinen Tribüne klatschten und riefen ihrer Mannschaft aufmunternde Kommentare zu. Rosewoods Bank jubelte auch, als hätten sie das Spiel bereits gewonnen. Doch so leicht wollten die Carmelot-Spieler es ihnen nicht machen.
Sie bauten wieder den Angriff in Ruhe auf, erst einmal ein paar Pässe spielen. Annika wartete diesmal etwas mit dem Anlauf, sie wollte nicht wieder gleich blockiert werden, ohne dass sie überhaupt den Ball in der Hand hatte. Sie bekam den Ball von Nora zugespielt, dribbelte einmal und nahm wahr, wie ihr Gegenüber bereits auf sie zukam. Sie machte schnell eine Finte, ließ die Abwehrspielerin verwirrt stehen, kam ohne Probleme an ihr vorbei und sprang in den Kreis. Sie hing in der Luft so lange wie möglich, bis der Torwart raus kam. Mit einem wunderschönen Heber erzielte Annika das nächste Tor. Stolz wegen ihrer individuellen Leistung lief sie in die Abwehr zurück und klatschte mit Nora ab. Soweit so gut.
Rosewood nahm den ein-Tore-Rückstand nach nur drei Minuten Spielzeit ganz gelassen, hier war noch nichts entschieden. Sie bauten ihren Angriff auf und wieder war es eine ihrer Schützen, die den Ball ins Netz versetzte. Diesmal aber Annikas direkter Gegenüber mit der Nummer 10. Obwohl sie sie tackelte, hatte ihr Wurf so viel Kraft, dass Nina nichts anstellen konnte.
„Ihr müsst früher raus gehen!", rief Nick von der Bank und Annika konnte ihm nur Recht geben, auch wenn es sie ärgerte, dass gerade sie ihre Abwehrleistung nicht gut genug gemacht hatte. Das würde sie auf jeden Fall besser machen!
Der nächste Angriff dauerte wesentlich länger, als die vorherigen. Rosewood agierte jetzt aggressiver, sodass mehre Male ein Freiwurf gepfiffen wurde. Nach etlichen Minuten hob der Schiedsrichter die Hand zum Zeichen, dass sofort abgeschlossen werden musste. Annika nahm Anlauf, bekam sogleich den Ball und sprang alles was sie konnte in die Höhe. Sie schmetterte den Ball in die obere rechte Ecke des Tores, wurde aber gleichzeitig von ihrer Gegenspielerin, der Nummer 10, in der Luft so heftig gerammt, dass sie seitlich auf ihre Hüfte fiel. Der Schmerz breitete sich im ganzen Körper aus, aber Annika schluckte ihn hinunter und stand wieder auf. Ihr Gegenüber erhielt für diese Aktion eine gelbe Karte, was sie lächerlich fand. Auch Nick beschwerte sich von der Bank aus. Das hätte locker eine zwei-Minuten-Zeitstrafe geben können. Wenigstens hatte sie ein Tor erzielt. Sie humpelte zurück auf ihre Hälfte und machte sich auf den Angriff von Rosewood bereit.
Relativ schnell wurde ihr klar, dass Rosewoods Angriff auf ihrer Seite stattfinden würde. Natürlich nutzten sie aus, dass sie sich verletzt hatte. Wieder war es ihre direkte Gegenspielerin, die zum Sprung und Wurf ansetzte. Annikas Abwehraktion geriet ein wenig härter als gedacht, weshalb jetzt die 10 am Boden lag und sich krümmte. Sie war mit den Beinen auf den Boden aufgekommen und dann nur umgekippt, weshalb das sich jetzt darbietende Schauspiel einfach nur peinlich war. Nora schnaubte und auch Annika schüttelte den Kopf. Sie ging einen Schritt nach vorne und streckte der 10 ihre Hand entgegen, um sie dazu zu drängen aufzustehen. Das hier war Zeitverschwendung.
Doch der Pfiff des Schiedsrichters in Verbindung mit seinem zwei-Finger-Handzeichen bremste sie in der Bewegung.
„Was?!", rief sie entsetzt aus, als ihr klar wurde, dass sie gerade eine zwei Minuten Strafe erhalten hatte. „Warum?", fragte sie nach. Das Foul war bei weitem nicht so schlimm, dass es so eine Strafe verdient hätte. Der Schiedsrichter deutete auf ein Schubsen hin und schaute sie streng an. Das hier wollte er nicht diskutieren. Auch Nora beschwerte sich lautstark, weshalb sie einige warnende Worte von ihm erhielt. Annikas Gegenspielerin stand mit einem schadenfrohen Grinsen auf und klatschte ihre Mitspieler ab. Annika ging wutentbrannt und kopfschüttelnd vom Parkett und setzte sich auf die Bank. Nick kam sofort auf sie zu und sie wollte sich schon verteidigen.
„Das waren nie im Leben zwei Minu..."
„Du hättest dieses Luder härter schubsen sollen", murmelte er so leise, dass nur sie es verstand. Ein kleines Grinsen trat auf ihr Gesicht und sie schaute sich Nick genauer an. Sein Kiefer war angespannt und trat klar hervor. Er wusste auch, dass sie ungerechter Weise hier auf der Bank fest saß. Er drehte kurz den Kopf und musterte sie. Seine Augen lächelten, aber sonst regte sich keine Miene in seinem Gesicht.
Unverzüglich wandte er sich auch wieder dem Spiel zu und sah, wie seine Mannschaft den Ball im nächsten Angriff verlor. Zum Glück verspielte auch Rosewood den Ball bei ihrem Kontra, weswegen er seine Spieler zur Ruhe beorderte.
„Überhastigt euch nicht, konzentriert euch!", rief er und verschränkte die Arme vor der Brust. Annika konnte es nicht lassen ihn zu beobachten, wie er wie ein Löwe hin und her ging, mitfieberte, miteiferte, Anweisungen auf das Spielfeld rief, jubelte, als Carmelot ein Tor erzielte und sofort wieder konzentriert das Geschehen in der Halle beobachtete. Er war Trainer mit Leib und Seele. Er war ihr Trainer mit Leib und Seele. Das war deutlich.
Annika sah auf die Uhr in der Halle und stellte sich bereit. Die zwei Minuten waren gleich rum. Nick zog sie zu sich und gab ihr noch einige Tipps und Anweisungen, dann durfte sie endlich wieder das Spielfeld betreten.
Das Spiel verlief relativ eng, keine der Mannschaften schaffte es, sich mit mehr als einem Tor abzusetzen. Auf beiden Seiten wurden leichte Tore erzielt, was zu einem Pausenstand von zehn zu zehn führte.
In der Halbzeit sprach Nick seinen Mädchen Mut zu, dieses Spiel war eindeutig zu gewinnen! Er forderte dazu auf, sich viel zu bewegen, dann entstanden die Lücken in der Abwehr wie von selber. In der Abwehr sollten sie versuchen einen Schritt vor dem Gegner zu sein, dann hätten sie keine Chance.
Leichter gesagt als getan, denn auch die Spieler von Rosewood hatten in der Pause Klartext geredet. Der große Durchbruch kam einfach nicht. Mit nur zwei Minuten der Spielzeit übrig, stand es sechzehn zu sechzehn. Die Carmelot Schule war im Ballbesitz und hatte große Probleme in der Abwehr von Rosewood eine Lücke zu finden. Annika warf nervös einen Blick auf die Hallenuhr. Ihnen blieb nicht viel Zeit übrig.
Als ihr der Ball zu gespielt wurde, nahm sie wahr, wie Jessica am Kreis eine Sperre für sie setzte. Sie nutzte diese aus und warf auf das Tor. Gleichzeitig griff jemand von hinten in ihren Wurfarm und zog nach hinten, weshalb sie nicht richtig werfen konnte und gleichzeitig auch nach hinten geschleudert wurde. Ihr wurde kurz schwarz vor Augen, als sie auf dem Boden aufkam und es sich so anfühlte, als wäre ihr der Arm raus gerissen worden. Verschwommen nahm sie wahr, wie der Schiedsrichter mehrere Male pfiff. Sieben Meter und zwei Minuten. Für die Nummer 10.
Da Annika Schmerzen in der Schulter ihres Wurfarms hatte, stellte Nora sich am sieben Meter Punkt bereit. Wenn sie jetzt traf, dann sah es für sie richtig gut aus. Ein Tor vorne, nicht einmal eine Minute vom Spiel übrig und dazu war die Rosewood Mannschaft die letzte Zeit eine weniger.
Der Schiedsrichter gab das Zeichen zum Wurf und Nora netzte den Ball souverän zwischen die Beine vom Torwart. Ein Freudenschrei entwich Annikas Kehle und die Glückshormone gaben ihr noch einmal einen Antrieb. Jetzt mussten sie sich in der Abwehr nur konzentrieren, dann war der Sieg sicher!
Sie wappneten sich für den Angriff der Rosewoods und machten alles dicht. Mit einem Spieler weniger auf dem Feld, war es für sie fast eine unmögliche Aufgabe eine geeignete Chance hervor zu bringen.
Zehn Sekunden zurück.
Der Schiedsrichter hob den Arm und Rosewoods Trainer schrie mit vollem Leib: „Zeit!" Jetzt musste ein Abschluss kommen, sonst würden sie den Ball verlieren und somit auch das Spiel. Und dann ging alles ganz schnell.
Die Nummer 18 bekam den Ball und lief an. Jessica ging auf sie zu, wurde von ihrer Gegnerin aber umgeworfen, als diese beim beim neun Meter hochsprang. Nick plädierte schon auf ein Stürmerfoul, doch die Nummer 18 schoss.
Und traf.
Annika starrte mit offenem Mund zum Tor wo Nina beschämt den Ball aus dem Tor holte und zur Hallenuhr blickte. In dem Moment war das Spiel vorbei.
Siebzehn zu siebzehn.
Annika merkte, wie sich ein leeres Gefühl in ihr ausbreitete. Sie hatten doch die Situation unter Kontrolle gehabt!
Sie nahm kaum wahr, wie die Rosewood Spieler euphorisch jubelten und wie die Zuschauer auf der Tribüne klatschten.
Das Tor hätte nicht zählen sollen. Die 18 hatte einen Angriffsfehler gemacht. Ein Stürmerfoul.
Stürmerfoul, Stürmerfoul, Stürmerfoul...
„...ein Stürmerfoul! Wie können Sie das nicht sehen?" Annika wurde plötzlich aus ihrer Starre gerissen und schaute zur Seite, wo Nick die Diskussion mit dem Schiedsrichter aufgenommen hatte. Ihre Teamkollegen sahen genauso enttäuscht aus wie sie, verfolgten aber jetzt auch ihren wütenden Trainer mit Interesse. Ein Punkt war noch okay, aber nicht unter diesen Umständen. Nicks Gerechtigkeitssinn fühlte sich anscheinend besonders angegriffen, denn er stellte unverhohlen den Schiedsrichter zur Rede. Dieser wurde ganz rot im Kopf, ließ sich aber sonst nicht auf die Diskussion ein.
Annika stellte sich kopfschüttelnd neben Nora, die schwer atmend und schwitzend die Hände auf ihren Knien abstützte. „Das bringt doch nichts", keuchte sie und schaute zu ihrem Trainer. Annika nickte. Obwohl sie ein wenig stolz war, einen Trainer zu haben, der sich so für sie einsetzte, brachte es wahrlich nichts. Der Schiedsrichter konnte jetzt auch nichts ändern. Das Endergebnis blieb.
Enttäuscht verließ sie die Halle, ohne noch einmal mit der gegnerischen Mannschaft von Rosewood abzuklatschen.
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Eine ordentliche Portion Handball!! :D Ich hoffe ich habe es einigermaßen verständlich und spannend hinbekommen und nicht zu viel Fachsprache benutzt. Ganz konnte ich es als ehemals leidenschaftliche Handballspielerin aber nicht lassen ;-D
Und was sagt ihr zum Resultat?? ;)
Kommentiert und votet gerne, falls ihr findet, dass ich es verdiene :)
<3 <3 <3 Tyskerfie
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