Kennenlern-Schwierigkeiten

Annika stand mit Nora und dem Rest des Handballteams vor dem Schulgebäude und wartete auf Nick und Laurena. Da es anscheinend unter der Carmelot-Würde war mit dem Bus zu fahren, hielten schon vier Porsche Cayenne bereit, mit denen das Team zur Rosewood Schule fahren würden. Nur von den Trainern war noch nichts zu sehen.

„Komm schon", murmelte Annika leise genervt, während sie von einem Bein auf das andere hüpfte. Geduld war nicht gerade ihre stärkste Seite. Kaum hatte Annika die Worte geäußert, kam Nick aus dem Hauptgebäude heraus. Alleine.

"Laurena ist krank, ab in die Autos!", sagte er sobald er in Hörweite war. Keine Begrüßung, nichts anderes. Annika zuckte mit den Schultern und ging mit Nora, Megan und Jessica zu einem der Autos, als Nicks Stimme ertönte.

„Cullum?", rief er vom Auto am Ende der Reihe. Er hielt die Beifahrertür auf. „Erweist du mir die Ehre?", sagte er dann gespielt höflich, aber eigentlich relativ gleichgültig. Annika hob die eine Augenbraue. War das jetzt sein Ernst? Die anderen Mädchen schauten zwischen ihnen hin und her. Da Annika nicht antwortete, ließ Nick einfach die Tür offen stehen, ging um das Auto und setzte sich an das Steuer. Er wartete aber eindeutig darauf, dass sie sich zu ihm ins Auto setzte.

Annika schaute Nora fragend an, die nur erstaunt mit den Schultern zuckte. Megan grinste sie und flüsterte: „Dann darf ich jetzt wenigstens vorne sitzen!" Sie schubste Annika in Richtung von Nick und setzte sich ins Auto.

„Kommt ihr nicht mit?", fragte Annika über die Schulter und sah Nora flehend an. Diese lachte nur und schüttelte den Kopf.

"Ich will gar nicht wissen, was er will. Viel Spaß!", flötete sie und setzte sich auch in das Auto. Annika wurde hier gerade sehr im Stich gelassen.

Mit langsamen Schritten ging sie zu Nicks Auto. Sie war sich der Blicke der Teamkollegen bewusst, ignorierte sie aber. Sie schmiss ihre Tasche auf die Rückbank und setzte sich dann so langsam es ging auf den Beifahrersitz. Als sie die Tür zuknallte wurde ihr bewusst wie unheimlich still es im Auto war. Sie schnallte sich an und wagte dann einen Blick zu Nick, der sie schon die ganze Zeit angeschaut hatte. Sie sah ein Grinsen in seinem Gesicht und irgendwie bekam sie böse Vorahnungen.

"Und was soll das hier?", fragte sie ihn dann ein wenig schroff.

„Meinst du ich will alleine fahren?", fragte er zurück, als wäre die Antwort offensichtlich.

"Ja, keine Ahnung, woher soll ich das wissen?", fragte Annika wieder zurück. „Und warum ich?"

„Du bist neu. Es schadet nicht, dass wir uns als Trainer und Spieler ein bisschen besser kennen lernen und mehr von einander wissen."

Annika schaute ihn von der Seite an und schien zu überlegen. „Du solltest vielleicht auch wissen, dass wir jetzt schon spät dran sind. Wie wäre es also mal mit Losfahren?"

Nick bedachte sie noch mit einem komischen Blick, dann startete er den Motor und fuhr, gefolgt von den anderen Autos, los.

"Wie weit ist es bis Rosewood?", fragte sie nach einigen Minuten Stille. Lange würde sie diese komische Situation nicht aushalten.

„Ungefähr eine Stunde", kommentierte Nick ausdruckslos und behielt den Blick auf die Straße gerichtet. Annika verdrehte die Augen. Sie saß hier fest. Mit ihrem Lieblingstrainer. Oder so. Sie hatte keine große Lust mit Nick zu sprechen, aber diese Stille war auch kaum auszuhalten. Nick schien es nichts auszumachen, er wirkte entspannt und konzentrierte sich auf das Fahren. Er machte keine Anstalten irgendetwas zu sagen, also überlegte Annika wie sie die Stille durchbrechen könnte.

"Gehst du schon immer auf die Carmelot Schule?", fragte sie dann nach einigen Minuten. 100 Punkte für diese Frage, aber etwas besseres war ihr nicht eingefallen.

„Nein, erst seit ich siebzehn bin. Früher ging es ja nicht", antwortete er, als ob Annika total bescheuert wäre. Sie stöhnte genervt. Das wusste sie doch!

"No Shit, Sherlock", sagte sie deswegen tonlos und schaute aus dem Fenster. Die Natur hier war echt schön.

„Hast du Geschwister?", fragte sie ihn dann und drehte den Kopf in seine Richtung.

"Was wird das hier, eine Fragestunde?", antwortete Nick und lächelte schief. Annika rollte mit den Augen. Konnte er nicht einfach antworten?

„Wir sollten uns doch besser kennen lernen?", fragte sie ihn giftig und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie merkte, wie ihr Temperament zum Kochen begann. Die nächsten Minuten vergingen auch schweigend, bis Annika wahrnahm, dass ein Lied von den Arctic Monkeys im Radio gespielt wurde. Sie griff nach dem Knopf um die Lautstärke aufzudrehen, doch kam nicht dazu. Nick hatte das gleiche vorgehabt und ihre Hände trafen sich. Annika zog blitzschnell ihre Hand weg, aber Nick lachte nur leise und machte die Musik lauter. Sie merkte, wie ihre Wangen warm wurden. Warum wurde sie plötzlich so unsicher?

Einen Blick zu Nick genügte um festzustellen, dass er sie unsicher machte. Auch wenn sie nicht wusste warum. Aber es ärgerte sie. Sogar das Lied konnte sie nicht mehr genießen, jetzt wo sie wusste, dass Nick es anscheinend auch mochte.

Als das Lied zu Ende war, machte Nick die Musik wieder leise und schaute Annika an. Sie beachtete ihn erst nicht, aber sie konnte ihn ja auch nicht die ganze Zeit ignorieren.

"Was?", fragte sie ihn forsch und schaute ihn abwartend an. Wieder erschien ein amüsierte Zug auf seinem Gesicht.

„Ich wollte mit dir über das Spiel heute reden", fing er an. „Ich erwarte heute von dir eine ganze Menge. Rosewood ist wesentlich stärker als St. Michael's. Ich gehe davon aus, dass du spieltechnisch natürlich dein Bestes gibst. Aber ich brauche dich auch, um die anderen Mädels aufzupushen. Sorge dafür, dass sie nie den Geist und die Hoffnung verlieren. Sorge für Bewegung im Angriff und Teamwork in der Abwehr."

"Das alles macht Nora doch als unser Kapitän?", fragte Annika, bevor er weiterreden konnte.

„Das ist mir durchaus klar, Cullum. Aber unser Team braucht noch jemanden, der das macht. Ich vertraue dir diese Verantwortung an, weil du auch spielerisch einen enormen Einsatz leistest. Oder zumindest leisten kannst." Das musste er natürlich hinzufügen. „Wenn nicht nur ein, sondern zwei Spieler alles daran setzen, wieder Schwung in die anderen zu bringen, kann das Wunder wirken. Und du hast die Fähigkeiten. Behauptest du zumindest. Und wenn du selber an deine Grenzen kommst, dann reißt du dich zusammen und gibst trotzdem mehr als alles!"

Annika schaute ihn ungläubig an. Das war gerade einmal ihr zweites Spiel und schon erwartete Nick so viel von ihr? Sie überlegte kurz, wusste aber schon, dass sie das natürlich konnte. Eigentlich tat sie das eh immer schon, das gehörte für sie zum Handball dazu.

„Und wer weiß, vielleicht bist du irgendwann der Kapitän der Mannschaft", fügte er hinzu. Sie schaute ihn erstaunt an. War das sein Ernst? Wenn sie auch nur ansatzweise mit ihm diese Möglichkeit diskutierte, würde sie das Gefühl haben, Nora ein Messer in den Rücken zu rammen.

"Das gehört nicht zu meinen zukünftigen Zielen und ich denke, du solltest mit Nora als Kapitän mehr als zufrieden sein", sagte sie mit Nachdruck und schaute wieder aus dem Fenster. Sie nahm trotzdem wahr, wie er einmal nickte.

„Freut mich, dass du dich nur auf das Spielen konzentrieren möchtest. Ich hatte auch nicht vor, Nora auszutauschen." Annika konnte es nicht lassen den Kopf zu schütteln. Er hatte es gar nicht ernst gemeint, sondern wollte nur sehen wie sie reagierte. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! „Loyalität im Team ist nicht zu vernachlässigen, sonst entsteht eine angespannte Atmosphäre und Streitigkeiten, die sich negativ auf die Leistung auswirken", sagte Nick weiter. Das alles wusste Annika schon. „Und was hättest du gedacht, drei Wochen im Team und schon Kapitän?", meinte er dann amüsiert und warf ihr einen Blick von der Seite zu. Annika war kurz daran ihm eine zu scheuern, tat dies aber nur nicht, weil er schließlich am Steuer saß. Sie hatte seine herablassende Art und Weise einfach satt!

"Nick, du bist so ziemlich der unsympathischste Mensch, den ich kenne!", sagte sie ihm gerade heraus und sagte den Rest der Fahrt kein Wort zu ihm.

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Etwas mehr als eine Stunde später standen die Mädels umgezogen und aufgewärmt in der Sporthalle von Rosewood und hörten die letzten Anweisungen von Nick zu. Die gegnerische Mannschaft wirkte sehr motiviert und auch wesentlich talentierter als St. Michael's. Annika hatte schon zwei starke Schützen ausfindig machen können und sie war gespannt darauf, ob sie im Spiel genau so stark agierten wie beim Aufwärmen.

Annika zog sich ihre Trikotjacke aus, trank einen letzten Schluck von ihrer Wasserflasche, schlug mit Nina ein und stellte sich dann auf dem Spielfeld bereit. Das Carmelot-Team hatte Anwurf und die anderen Mädchen aus ihrem Team machten sich klar. Die gegnerische Mannschaft feuerte sich noch gegenseitig an und machten sich in der Abwehr parat und bauten sich so einschüchternd wie möglich auf. Der Schiedsrichter stand wenige Meter hinter Nora, die den Ball in der Hand hielt und abwartend zu ihm schaute. Annika tat es ihr gleich und merkte wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. Jetzt sollte es gleich losgehen. Sie wollte alles was sie hatte geben. Um sich vor sich selber zu beweisen. Und um sich vor Nick zu beweisen. Sie schaute grimmig auf die Pfeife in der Hand des Schiedsrichters.
Dann pfiff er das Spiel an.

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Dieses Kapitel wurde irgendwie anders, als ich es mir vorgestellt hatte :D Ich hoffe aber, dass es euch trotzdem gefallen hat - und die RICHTIGE Portion Handball kommt dann im nächsten Kapitel - das geht gar nicht anders ;D

Votet, kommentiert und teilt gerne :) Ich freue mich wie immer sehr darüber :)

Tyskerfie <3

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