6.3 - Die Zukunft vor Augen

präsentiert von: 8rainbowbiatch8

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Mein Name ist Aori Kurayami und ich bin seit wenigen Monaten eine Schülerin der weltbekannten Spiegelakademie. Ich möchte euch gerne erzählen, wie es dazu kam.

Meine Mutter war eine außerordentlich mächtige Dämonin, gefürchtet und unbesiegbar, kühl und bedacht – so lauteten zumindest die Gerüchte. Ich weiß allerdings, dass das nicht so ganz stimmte. Es mag vielleicht sein, dass meine Mutter einmal eine Frau war, die erst nachdachte, bevor sie handelte, aber diese Zeiten waren schon lange vorbei, als ich in einem nahezu ausgestorbenen Dorf nahe Hamor das Licht der Welt entdeckte.

Ich möchte ungerne behaupten, ich wäre „geboren worden", da ich mir nicht vollständig sicher bin, ob ich ein Wesen aus Fleisch und Blut bin, oder nur das Konstrukt der Magie meiner Mutter. Ich kann Schatten in mich aufnehmen, mich in ihnen auflösen und sogar meine Wunden mit ihnen heilen – zumindest behauptet das Umbra. Sein Name bedeutet „Schatten" auf Latein, und genau das ist er auch – mein Schatten, der mich immer begleitet, wohin ich auch gehe. Meine Magie auf die selbe Weise einsetzen wie meine Mutter kann ich noch lange nicht, trotzdem bin ich nicht gerade schwach. Um aber wieder zurück zum Thema zu kommen: Die Tatsache, dass ich mich komplett dematerialisieren kann, lässt mich ernsthaft daran zweifeln, dass ich, wie jeder andere, aus Fleisch und Blut bestehe.

Zurück zu meiner Mutter. Sie hatte sich verändert. Sie strebte unverbesserlich nach Macht, dabei wurde sie unvorsichtig, unbedacht, kurz gesagt dumm. Hätten sie die anderen Dämonen nicht in Stücke gerissen, nachdem sie begonnen hatte, sich an ihnen zu vergreifen, hätten es früher oder später die Menschen aus Hamor getan.

Ich war gerade mal vier Jahre alt, als meine Mutter ermordet und unser Haus niedergebrannt wurde, wusste nicht wohin ich gehen sollte oder wie ich mit meiner Magie umgehen konnte. Umbra half mir zu dieser Zeit sehr. Er riet mir, ich solle nach Hamor gehen und zusammen mit den Menschen leben. Umbra ist eine Art künstliche Intelligenz und verfügt über eine überragende Menge an Wissen über die Welt mit ihren verschiedenen Rassen, Magieformen und Orten. Nur durch seine Hilfe konnte ich die alles andere als ungefährliche Reise nach Hamor unbeschadet überstehen.

Sobald wir an unserem Ziel angekommen waren, musste ich ein paar Tage auf der Straße leben, da mir die Menschen grundsätzlich aus dem Weg gingen. Das war allerdings kein Wunder, denn Umbra war von Zeit zu Zeit als riesige, schlangenartige, schwarze Wolke hinter mir sichtbar. Dass ich völlig ungefährlich war, konnten sie natürlich nicht wissen, aber selbst wenn sie es gewusst hätten, wären sie mir wohl auf Grund der Tatsache, dass ich einer „bösen" und verachteten Rasse angehöre, trotzdem fern geblieben. Nach vielleicht einer Woche sprach mich eine Frau mittleren Alters an, als sie bemerkte wie ich hungrig auf das Ladenschild eines Bäckers starrte. Sie hatte nicht viel Geld, kaufte mir aber dennoch etwas zu essen und lud mich zu ihr nach Hause ein. Das Haus, in dem sie mit ihrem Mann lebte, war bereits alt und ein wenig verfallen, die Diehlen knarzten bei jedem Schritt unter den Füßen und das Dach wies einige undichte Stellen auf. Die Frau war relativ schlank, nicht gerade groß und hatte dunkelblonde Haare, die sie in einem Pflechtzopf trug. Der Mann war nur ein kleines Stück größer als sie, hatte schwarze Haare, davon allerdings nicht mehr viele, einen stoppeligen Bart und einen kleinen Bierbauch. Die beiden unterhielten sich lange mit mir – so gut man sich mit einem vierjährigen Kind nun mal unterhalten kann – bis sie mir schließlich, trotz des Wissens, dass ich ein Dämon war, anboten, bei ihnen zuleben. Ich nahm dankend an.

Die Jahre vergingen und Umbra lehrte mich so gut wie jeden Tag, besser mit meiner Magie umzugehen. Die anderen Menschen in der Umgebung wussten eine kleine Dämonin in ihren Kreisen nicht sonderlich zu schätzen, weshalb ich auch niemals Freunde hatte – bis auf Umbra natürlich. Meine „Adoptiveltern" störte es nicht, dass ich nicht wie ein normales Menschenkind war, auch wenn ich für ihre Verhältnisse wohl etwas öfter gelächelt haben könnte. Trotzdem war ich – wohl hauptsächlich weil sie keine eigenen Kinder bekommen konnten – ihr ganzer Stolz.

Kurz nachdem ich zwölf wurde, fing sich mein Zustand immer mehr an zu verschlechtern. Gesundheitlich, aber auch seelisch. Ich nahm ab, eine Menge. Meine Haut war schon immer blass gewesen, aber nun war sie nahezu weiß. Meine Haare hingegen glänzten mehr als je zuvor in einem Farbton, der selbst heißes Pech in den Schatten stellte und wuchsen mit einer unglaublichen Geschwindigkeit, bis ich irgendwann drohte, über sie zu stolpern und sie schließlich abschneiden musste. Nachdem sie wieder so lang waren, dass sie mir ein kleines Stück über den Po reichten, wuchsen sie nicht mehr weiter. Auch mein Körper an sich schoß in die Höhe. Fast 180 Zentimeter mit gerade mal zwölf Jahren. Nicht gerade das Angenehmste für ein Mädchen, dessen Umgebung aus Menschen mit einem Körpergrößendurchschnitt von etwa 150 Zentimetern bestandt. Von Zeit zu Zeit begann meine Haut, stellenweise einfach aufzuplatzen. Kleine Risse, ähnlich Schnittwunden, überzogen meinen gesamten Körper. Das war mit unglaublichen Schmerzen verbunden. Heute weiß ich, dass das nicht einfach so passierte, sondern dass ich mich an beliebigen Schatten in meiner Nähe schnitt. Ich musste mich auch oft übergeben, wenn ich meine Magie zu viel oder zu konzentriert benutzte. Gleichzeitig entwickelte ich Kräfte, von denen normale Menschen nur träumen könnten. Mit astdünnen Ärmchen und Beinen, die nicht viel mehr Masse besaßen, schaffte ich es mit nur wenig Aufwand Holzmöbel oder dickes Glas einzuschlagen und halbwegs stabil aussehende Mauern einzutreten. Den Sinn für Schmerzen hatte ich da schon fast vollständig verloren. Ein weiteres Inditz dafür, dass mein Körper nicht wie andere Körper geschaffen war – schließlich war die einzige Masse an mir Haut und Knochen mit ein wenig Fleisch daran, keine Spur von kräftigen Muskeln. Aber mein Körper war nicht das einzige, das sich veränderte. Mein Gemütszustand litt sehr. Unter was? Keine Ahnung. Ich war noch nie eine Person, die viel lächelte, was man bei jedem anderen allerdings auf dieVergangenheit zurückführen könnte. Nun war mein Gesichtsausdruck aber wie eingefroren. Ein tötlicher Blick galt jedem, der meinen Weg kreuzte oder es wagte mich anzusehen. Ich wurde unglaublich leicht reizbar. Ein falsches Wort und ich rastete sofort aus. Meistens schüchterte Umbra jeden ein, der meinte, eine blöde Bemerkung loszulassen, manchmal wurde ich aber auch handgreiflich.

Nach einem Jahr stabilisierte sich mein Zustand wieder etwas. Vorallem gesundheitlich gesehen. Jedoch wurde ich von Tag zu Tag immer stärker und meine Aggressionsprobleme hatten sich auch noch nicht wirklich gebessert. An einem etwas windigen Abend im Herbst, die ganze Stadt war in ein orange-braunes Blättermeer getaucht, machte ich einen Spaziergang um die alten Ziegelsteinhäuser, die Hamor einen ganz besonderen Charme verliehen. Das laute Schlagen eines Hammers auf Eisen und Stahl wurde immer lauter, als ich mich der Schmiede näherte. Der Schmied war ein schon etwas älterer Mann, mit rot-braunen Haaren und einem recht kurzen Bart in der selben Farbe, auch wenn dieser schon relativ ausgegraut war. Wie so ziemlich jeden Tag arbeitete er hoch konzentriert, während sein Sohn, ein jüngerer Mann mit braunen Haaren, mit seinen Freunden daneben saß und sich unterhielt. Als er mich vorbeigehen sah, konnte er es sich wohl nicht verkneifen, mich als „verdammtes Monster" zu beschimpfen und lauthals zu lachen. Ich versuchte, so gut es ging ruhig zu bleiben und ignorierte ihn, jedoch hob einer seiner Freunde einen etwa faustgroßen Stein vom Boden auf und warf ihn nach mir. Er traff mich am Hinterkopf, worauf wieder lautes Gelächter zu hören war. Der Schmied selbst beachtete das alles überhaupt nicht. Ich für meinen Teil blieb einfach stehen. Mein Blut kochte. Ich konnte nicht mehr klar denken. Ehe ich mich versah, umgab mich eine schwarze Wolke, durch die ich absolut nichts sehen konnte. Dann ging alles ganz schnell. Ich kann mich nicht daran erinnern, was genau an diesem Tag passiert ist, jedoch weiß ich, dass als ich wieder zu mir kam die Schmiede in Schutt und Asche lag und der Sohn des Schmiedes, sowie zwei seiner Freunde, unter den Trümmern begraben waren. Tot. Der Schmied weinte ununterbrochen, während ich wie geistig abwesend auf dem Boden saß und das ganze beobachtete. Das aber auch nur so lange, bis der wütende Vater mit seinem Hammer auf mich losging und ich schnellstmöglich das Weite suchte. Meine Eltern waren überfordert. Sie packten ein paar Sachen für mich zusammen und warfen mich ohne noch einmal darüber nachzudenken aus dem Haus. Ich trauerte aber auch nicht sonderlich über den Verlust meines Heimes. Um ehrlich zu sein war ich so wütend und verwirrt, dass mir das alles egal war. Ein wenig Essen und Trinken hatte ich schnell verbraucht und alle Kleider, die sie mir mitgegeben hatten, warf ich einfach weg. Wenn ich irgendetwas brauchte, konnte ich es mir auch einfach stehlen, wobei ich ohnehin nichts anderes als Schwarz trage.

Nach ein paar Tagen hatte ich mich dann endlich beruhigt und hörte, als ich in einem kleinen Dorf irgendwo westlich von Hamor Rast machte, wie sich ein paar der Anwohner darüber unterhielten, dass sie ihre Kinder auf die Spiegelakademie geschickt hatten. Eine Schule für Magier hörte sich in diesem Moment definitiv besser an, als weiterhin als Landstreicher zu leben. Kurzerhand fasste ich den Entschluss, mich an diesen Ort zu begeben, was ich auch ganz gut schaffte, indem ich kostenlos mit fahrenden Händlern reiste, im Gegenzug dafür hielt ich Banditen und anderes Gesindel von ihnen fern. Ich hatte seit langem wieder ein richtiges Ziel vor Augen, wollte von Tag zu Tag immer mehr an diese Schule. Was anfangs nur ein zweckmäßiger Gedanke war, laut dem ich eine Unterkunft und Verpflegung, sowie eine Umgebung die andere Rassen gewöhnt ist hätte, entwickelte sich zu einer Vision. Ich wollte meine Fähigkeiten verbessern. Nahkampf, Schwertkampf, der richtige Einsatz und die Kontrolle von Magie. All das wurde mir binnen weniger Wochen so unvorstellbar wichtig. Ich wollte stärker werde, aber nicht so wie meine Mutter es war, nicht so, dass ich andere unfreiwillig verletzen würde. Ich wollte Kontrolle und Wissen, mehr als alles andere auf der Welt.

Nun bin ich seit ein paar Monaten eine Schülerin der Spiegelakademie und kann gutem Gewissens behaupten, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich weiß, dass ich noch eine Menge lernen muss, aber ich bin zuversichtlich, dass ich das auch schaffen werde. Im Umgang mit den anderen hier bin ich allerdings nicht so gut, wobei ich auch nicht vorhabe, Kontakte zu knüpfen. Der Sinn von so etwas wie Freunden will sich mir einfach nicht erschließen und die meisten hier sind ohnehin nervtötend. Was meine Vergangenheit betrifft... Ich habe mit niemandem darüber gesprochen, würde allerdings niemals ausschließen, dass die Mentoren hier etwas darüber wissen. Sie scheinen alle sehr mächtig und begabt zu sein, vor allem Alwis Forgeblade, dessen Schülerin ich mich stolz nennen kann.

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