Valentinstag ist jetzt am 16.2. (Berglay)

„Axon... der Fortsatz der Nervenzelle... leiten... Axone leiten elektrische Impulse..." Den ganzen Tag schon hockte ich vor meinen Bionotizen, versuchte mir diese ganzen Begriffe einzuhämmern. Am Mittwoch wird eine Klausur geschrieben und ich kann mir diese komischen Wörter noch immer nicht merken. Heute war Freitag, am Wochenende würde ich gerne was anderes tun, als zu lernen, aber scheinbar wird mir nichts anderes übrig bleiben. Ich kann mir noch immer nicht merken, worin genau sich sensorische Nerven und motorische Nerven unterscheiden, was Effektororgane sind und was sie mit dem peripheren Nervensystem zu tun haben.

„Sensorische Nerven übermitteln..." Ja, was übermitteln denn diese scheiß Dinger?
Ich stöhnte, ließ meinen Kopf auf die Tischplatte fallen und schloss die Augen. Neben Bio musste ich auch noch für Mathe üben. In Deutsch sollten wir noch eine Lektüre lesen, in Geschichte ist noch ein Aufsatz über die Zerstörung Trojas fällig und in Englisch mussten wir eine Präsentation vorbereiten. Ich würde es niemals schaffen, alles noch rechtzeitig zu erledigen. Was heißt, ich würde es niemals schaffen- Es würde schon gehen, aber dann würden die Aufgaben um einiges schlechter (um nicht vollkommen beschissen zu sagen) bearbeitet werden.

Ein paar Sekunden lang überlegte ich, ob ich einfach hier weiter auf meinem Biokram liegen soll oder ob ich mich zumindest in mein Bett schmeißen sollte. Seufzend drehte ich meinen Kopf zur Seite, öffnete wieder meine Augen und sah mich in meinem Schreibtisch um. Mein Schreibtisch stand in einer Ecke und zu meiner linken ist ein Fenster. Von hier aus konnte ich mein Zimmer perfekt überblicken. Mein Bett, welches an der gegenüberliegenden Wand stand, war wie immer nicht gemacht, auf dem Nachttisch, der sich direkt daneben befand, waren ein Wecker und ein Buch. Es war schon verdammt verlockend. Ich müsste nur aufstehen, müsste mich nur zwei lächerliche Schritte darauf zubewegen und dann könnte ich mich schon-
Nein! Ich muss lernen!

Ich gab ein gequältes Geräusch von mir, setzte mich wieder aufrecht hin und streckte einmal kurz meinen Rücken durch. Dann dehnte ich meine Arme und sah wieder auf meine Notizen. Ich dachte, diese kleine Streckungsaktion würde mir helfen zu verstehen, wie unser Nervensystem denn funktioniert, aber leider, leider lag ich da mächtig falsch.
Mir sagten die Begriffe Schnürring oder Axonhügel oder Endknöpfchen noch immer nicht mehr oder weniger als vorher.
Ein verzweifeltes Lächeln bildete sich auf mein Gesicht und ich wollte am liebsten wieder meinen Kopf auf den Tisch schlagen. Aber ich blieb ruhig. Mir konnte jetzt nur eine Person helfen. Zwar nicht schulisch gesehen, aber was meine psychische Nerven (und eben nicht die Neurone) angeht. Ich stieß mich von meinem Schreibtisch mit meinem Schreibtischstuhl ab und stand auf. So schnell ich konnte, lief ich die Treppe runter, rannte vorbei an meinem Vater, der im Wohnzimmer gerade irgendwas im Fernseher anschaute, schnappte mir meine Jacke von der Garderobe und quetschte meine Füße in meine Schuhe. „Bin bei Tim!", rief ich noch schnell ins Haus. Sofort kam meine Mutter aus der Küche, warf einen Blick auf die Uhr und fragte mich, ob ich denn zum Abendessen wieder da sein würde. Ich nickte hastig. Um halb sieben gibt es meistens bei uns Essen und gerade schlug es fünf Uhr. Anderthalb Stunden also bis zum Essen.

Ich öffnete die Garage, schwang mich auf mein Rad und trat in die Pedale wie nichts Gutes. Normalerweise brauchte ich immer gute zehn Minuten bis zu meinem besten Freund, diesmal legte ich die Strecke aber in vielleicht vier Minuten hin.
Ich war demnach auch völlig erschöpft und schnappte nach Atem, als ich an der Haustür der Bergmanns klingelte. Die Mutter von Tim öffnete die Tür und begrüßte mich freundlich. Ich entschuldigte mich dafür, dass ich so kurz vorm Abendessen störte. Die Mutter schenkte mir ein warmes Lächeln und winkte ab: „Ach, mach dir keine Sorgen darum. Du bist ja völlig außer Atem! Ist irgendwas passiert?" Ich erzählte ihr, dass ich einfach nur mit Tim gerade reden musste und sie ließ mich natürlich rein und sagte mir direkt, dass er oben in seinem Zimmer ist. Nachdem ich meine Schuhe und Jacke ausgezogen hatte, ging ich die Treppe nach oben, öffnete die erste Tür rechts (davor klopfte ich) und trat ein, sobald ich ein „Ja?" hörte. Er lag auf seinem Bett, hatte die Beine überschlagen, las ein Magazin und würdigte die Tür keines Blickes. Ich musste schmunzeln; er lag da bestimmt schon die ganze Zeit und war irgendwelche Zeitschriften am Durchblättern. Er hatte bestimmt noch kein einziges Mal sich Bio angeschaut. Von den ganzen anderen Fächern mal abgesehen. Er hatte wahrscheinlich den ganzen Nachmittag damit verbracht, in irgendwelchen Zeitschriften zu lesen oder an seinem eigenen Computer etwas zu spielen.
Seine Gelassenheit hätte ich gerne.

„Was liest du da?", fragte ich lächelnd. Sofort sah er zu mir. Er lächelte mich fröhlich an, legte die Zeitschrift zur Seite und setzte sich richtig hin. Dann grinste er sein ganz typisches Grinsen. Es hatte etwas Verschmitztes an sich und trotzdem war es nicht richtig verschmitzt. Man könnte es mit Harrison Fords Grinsen vergleichen, aber seins war dann doch ganz anders. Tims Grinsen löste in mir ein schönes Kribbeln aus.

„Ein Magazin", antwortete er knapp. Ich ging ins Zimmer und verrollte die Augen. „Das kann ich sehen. Was für eins liest du?" Er zeigte mir das Cover; es war eine Filmzeitschrift. Ich nickte und er legte es wieder weg. Dann sah er mich kurz an, runzelte die Stirn und fragte mich, ob alles okay wäre. Ich machte mir erst gar nicht die Mühe zu lügen: Ich schüttelte den Kopf, seufzte und schüttete sofort mein Herz aus. Ich erzählte davon, dass ich die ganzen Begriffe für Bio nicht in mein Gehirn bekomme, dass ich noch so vieles mehr tun musste und dass ich nicht wollte, die Aufgaben in schlechterer Qualität als sonst abzugeben.

Ich redete bestimmt ein paar Minuten und während ich das getan hatte, zog er mich irgendwann einfach in eine Umarmung. Doch davon ließ ich mich nicht unterbrechen. Im Gegenteil sogar - Es beruhigte mich etwas und ich sprach etwas beherrschter weiter. Weil ich die Umarmung wirklich sehr angenehm fand, legte ich meine Arme um ihn und lehnte meinen Kopf gegen seine Brust. Erschöpft schloss ich meine Augen, nachdem ich endlich fertig war. Er strich mit seiner Hand sachte über meinen Rücken. Wieder kribbelte es in mir und erneut konnte ich nicht anders, als lächeln.

„Ich hab Geschichte schon fertig. Ich kann dir meinen Text leihen und Mathe und Bio könnten wir zusammen üben.", bot er mir nun an. Erleichtert seufzte ich und mir entfuhr tatsächlich ein „Ich liebe dich", bevor ich es noch aufhalten konnte.

Stille.

Seine Hand hörte auf mit der beruhigenden Bewegung. Ich war wie eingefroren. Diese Wörter haben sich viel zu... viel zu richtig angefühlt? Und trotzdem fühlte es sich komisch an, dass sie mir gerade einfach so aus dem Mund entkommen sind. Ich wollte mich deshalb auch gerade von ihm drücken und schnell abhauen, da hielt er mich an meinen Armen fest und brachte mich dazu, tief in seine Augen zu schauen. Sie sahen mich überrascht - nicht entsetzt - an und mir blieb der Mund offen stehen. Was machte er gerade mit mir?

Tim lockerte seinen Griff um meine Arme, aber das Bedürfnis, weg zu laufen, war wie verflogen. Stattdessen saß ich da, sah ihn an und befahl endlich mal meinem Mund, sich zu schließen.
Diese grünen Augen, die mich gerade anschauten, mich schon fast durchleuchteten- Mein Kopf füllte sich langsam mit Watte.

Zögerlich kam er mit seinem Gesicht meinem näher. Ebenso zögerlich tat ich dasselbe. Mein Herz schlug doppelt so schnell, klopfte laut.

Unsere Gesichter waren vielleicht ein paar Zentimeter voneinander entfernt und ich hatte das Gefühl, alles würde in Zeitlupe ablaufen, bis seine Lippen dann meine berührten. Es war definitiv das beeindruckendste Gefühl, was ich bisher jemals gespürt habe. Ich küsste ihn zurück und umarmte ihn wieder. Mein Kopf bestand zwar immer noch aus Wattebauschen aber trotzdem war ich bei vollem Bewusstsein.

So bekam ich sehr wohl gut mit, wie Tims Hand nun durch meine Haare am Hinterkopf fuhr oder wie die andere von meinem Arm an meinen Rücken wanderte. Und dass meine Arme nun über seine Schultern hingen, war völlig beabsichtigt.

Irgendwie wurde der Kuss intensiver und irgendwie rutschte seine Hand unter meinen Pulli. Er zog mich näher zu sich aufs Bett, sodass meine Beine nun komplett auf dem Bett lagen. Jetzt beendete er kurz den Kuss und sah mich glücklich lächelnd an, was ich nur erwidern konnte. Lange waren unsere Lippen aber nicht voneinander entfernt, denn schnell lagen sie wieder aufeinander. Ich lehnte mich an die Wand, an der sein Bett stand, sodass der Rücken von Tim gegen die Tür gerichtet war. Meine Arme lagen noch immer über seine Schultern, wobei meine beiden Hände nun auch unter seinen Pulli waren. So lange bis...

„Dario möchtest du-" Sofort fuhren wir auseinander! Seine Mutter war ins Zimmer gekommen! Hatte sie geklopft und wir hatten es nicht gehört?
Ich konnte seiner Mutter nicht in die Augen schauen, dafür war mir das gerade viel zu unangenehm. Aber ich bin mir sicher, dass sie erschrocken zu uns sah.
„Ich wollte fragen, ob du bei uns zu Abend essen möchtest?", sagte sie nun. Ich schüttelte meinen Kopf, sprang vom Bett und meinte, dass ich jetzt sowieso wieder gehen müsste. Hastig stürmte ich aus dem Zimmer, schlüpfte schnell in meine Schuhe, bedankte mich laut für das Angebot und flüchtete aus dem Haus, meine Jacke noch nicht angezogen. Die streifte ich mir erst über, als ich mein Rad schnappte und rasant losfuhr. Ich wusste nicht genau wohin ich fahren sollte, aber nach Hause wollte ich jetzt nicht. Am Ende kam ich in einem Park mit kleinem Bach an. Mein Fahrrad ließ ich achtlos auf den Boden fallen und ich lief auf das Wasser zu. Am Ufer setzte ich mich hin, zog meine Beine an mich und legte meinen Kopf in meine verschränkten Arme. Und dann fing ich erstmal an zu weinen.

Ich weinte, weil ich zu überfordert war. Und zwar mit allem! Die Aufgaben waren in meinen Augen nun doch einfach; zumindest im Vergleich zu dem, was gerade passiert ist.
Wie konnte das nur passieren? Ist das meine Schuld? Klar, immerhin habe ich ihm einfach mal eben gesagt, dass ich ihn liebe und dann ist es auch noch wirklich so. Und seine Mutter hat uns dabei gesehen, wie wir- Ja, was war das eigentlich? Ein einfacher, unschuldiger Kuss war es schon mal nicht, da war ich mir sicher. Sie hat uns jedenfalls bei dem gesehen, was auch immer wir da getan haben...

Nach ein paar Sekunden hörte ich wieder auf zu weinen. Ich richtete meinen Kopf wieder hoch und sah auf den Bach. Am Ufer lagen kleine, flache Steine, die sich perfekt dafür eignen würden, sie über den Bach springen zu lassen. Bisher habe ich es noch nie richtig geschafft, einen Stein mehr als einmal über das Wasser hüpfen zu lassen. Langsam stand ich auf und ging auf die Steinchen zu, nahm mir eins und warf es über den Bach. Sofort sank es, ohne auch nur einmal über die Oberfläche zu springen. Ich nahm mir noch einen Stein und danach noch einen und danach noch einen...

Währenddessen dachte ich an alle Dinge, die mich gerade belasteten.
Die Bio Begriffe- Ein Stein plumpste ins Wasser.
Dieser unnötige Aufsatz in Geschichte- Es spritzte etwas, als der Stein aufkam.
Das bescheuerte Buch in Deutsch und diese dumme Englisch Präsentation- Platsch! Und noch ein Stein gesellte sich mit lautem Aufprall zu den anderen am Grund.
Der Kuss zwischen Tim und mir- Ich hielt den Stein fest, sah ihn an und warf ihn hoch. Schwer seufzte ich. Es hat mir gefallen; sehr sogar. Es war mir mehr als unangenehm, dass sie uns dabei gesehen hat.
Kopfschüttelnd schmiss ich den Stein ins Wasser, versuchte ihn erst gar nicht mehr springen zu lassen.

Erschöpft ließ ich mich wieder auf den Boden fallen und dachte dort weiter über alles nach. Gedankenverloren riss ich ein Grasbüschel aus der Wiese und zerriss die Grashalme. Wieso haben wir das Klopfen von ihr nicht gehört? Hatte sie überhaupt geklopft? Ich konnte mich nicht erinnern, dass seine Mutter jemals einfach so reinkam, ohne zu klopfen, wenn wir in seinem Zimmer alleine waren.
Auf einmal wurde mir Etwas klar. Ich konnte einfach vor unangenehmen Fragen flüchten, aber Tim musste sie sich jetzt gerade bestimmt stellen. Plötzlich fühlte ich mich schlecht. Ich hätte ihn vielleicht nicht alleine lassen sollen oder zumindest nicht so fluchtartig verschwinden, aber jetzt war es schon passiert.

Ich saß noch sehr lange da. Erst als es schon etwas düster wurde machte ich mich auf den Weg nach Hause. Es musste schon lange nach halb sieben gewesen sein, weshalb ich schon zum dritten Mal an diesen Tag so kräftig wie ich nur konnte, in die Pedalen trat. Mein Rad stellte ich wieder in die Garage und noch während ich die Haustür öffnete entschuldigte ich mich laut: „Tut mir leid! Es ist doch etwas später geworden..." Meine Mutter kam sofort angerannt, sah mich aufgebracht an und für einen kurzen Moment hatte ich schon Angst, sie wüsste Bescheid. Zum Glück tat sie das noch nicht. Die Betonung liegt bei noch. Irgendwann würde sie davon wissen.

Sie war bloß sauer darüber, dass ich nicht pünktlich wieder da war. Es war schon kurz nach sieben und meine Eltern hatten schon ohne mich gegessen. Mein Teller stand noch auf dem Esstisch, aber mir war nicht nach Essen zumute. Ich versuchte mich mit der schwachen Ausrede, dass ich schon angeblich bei den Bergmanns etwas zu Essen bekommen hatte, rauszureden, aber meine Mutter bestand darauf, dass ich zumindest ein wenig aß. Es war die ganze Zeit still. Eine unangenehme, beklemmende Stille war das, die da herrschte und mir wurde mit jeder Sekunde in dieser Stille mehr bewusst, dass sie mich gleich fragen würden, ob alles in Ordnung wäre. Das war es nicht, aber natürlich würde ich lügen. Ich würde behaupten, dass die Schule nur ein wenig stresst, aber sonst alles bestens wäre.

Als ich wie erwünscht zumindest ein paar Bissen von dem Essen irgendwie heruntergeschluckt bekommen hatte, stand ich auf und wollte schnellstmöglich in mein Zimmer. Doch wie bereits erwartet, kam die Frage: „Ist alles in Ordnung, Dario?" Mein Vater fragte mich. „Ja", antwortete ich, aber wenn man mich kannte, dann hörte man sehr gut, dass ich log, „alles bestens. Die Schule ist nur etwas anstrengend." Ich ging in den Flur und wollte die Treppen hochgehen, da fragte meine Mutter nochmal, mit besorgter Stimme. Das reizte mich sehr, denn ich wusste nicht, ob ich die Lüge ein zweites Mal überzeugend rüberbringen könnte. „Ja, ich sagte doch: Alles ist in Ordnung! Die Schule ist einfach nur ermüdend!" Während ich nach oben ging, hörte ich noch meine Eltern miteinander tuscheln. Ob sie nicht vielleicht doch etwas wussten?
Verunsichert biss ich mir auf die Lippe.

Psychisch kaputt wie ich war, schmiss ich mich auf mein Bett, grub meinen Kopf in mein Kissen und dachte wieder nach. Ich musste mit ihm reden. Das war klar. Aber ich weiß nicht, ob ich mich seinen Eltern gegenüber normal verhalten kann. Wie musste das denn erst für ihn sein?

Irgendwann klopften meine Eltern an mein Zimmer, um mir Gute Nacht zu sagen. Meine Mutter bedachte mich nochmal mit einem musternden Blick, unterließ aber eine wiederholtes Fragen, ob denn alles in Ordnung wäre. Dafür war ich ihr sehr dankbar.

Das Wochenende verbrachte ich hauptsächlich in meinem Zimmer. Eigentlich wollte ich am nächsten Tag zu Tim fahren und mit ihm reden, aber dann ließ ich es doch. Ich hatte Angst, dass seine Mutter mir wieder die Tür aufmachte.

Deshalb blieb ich lieber hier, schrieb den Aufsatz für Geschichte und las die Lektüre in Deutsch zu Ende. Mein zurückgezogenes Verhalten fiel meinen Eltern natürlich auf und dementsprechend bekam ich auch oft die Frage, wie es mir denn gehen würde, zu hören, wenn ich kurz unten war, um was zu trinken oder zu essen. Immer wieder meinte ich, dass es mir gut ginge. Dem war natürlich nicht so. Reden wollte ich nicht mit ihnen. Hinterher kommen peinliche Fragen.

Und dann kam Montag.
In meinem Magen war ein ganz mieses Gefühl und ich wäre am liebsten zu Hause geblieben, aber das konnte ich leider nicht. Ich stand auf, machte mich fertig, zog mich an und ging nach unten, wo meine Eltern schon fertig angezogen saßen und bereits frühstückten. „Guten Morgen Schatz!", begrüßte mich meine Mutter. „Morgen mein Sohn." Ich grummelte ein „Morgen" zurück und machte mir erstmal einen Kaffee. Ich trinke zwar nicht so oft Kaffee, aber ich brauchte jetzt erstmal einen zur Stärkung.

Mit meiner Tasse Kaffee setzte ich mich zu meinen Eltern und fing an, das Müsli vor mir zu essen. Meine Mutter sah mich dabei sehr genau an und ich konnte schon in ihrem Blick spüren, dass irgendwas nicht stimmte. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm.

Ich versuchte mich davon nicht beirren zu lassen und aß einfach weiter, so als würde ich nicht vorahnen, dass da etwas auf mich zukommt. Erst als ich fertig war, begann sie zu sprechen: „Ich habe gestern Tims Mutter auf einem Spaziergang getroffen." Panik stieg in mir hoch, doch ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. So normal wie möglich stand ich auf und räumte meine Tasse und meinen Teller weg.

Die Augen meiner Eltern waren noch immer auf mich gerichtet. „Ich muss jetzt los...", murmelte ich und wollte in den Flur. Meine Mutter hielt mich aber davon ab: „Wieso hast du uns nichts gesagt?" Seufzend blieb ich im Türrahmen stehen, hielt mich an eben diesen fest und sah auf den Boden. Warum hatte ich ihnen nichts gesagt?

Es lag bestimmt nicht daran, dass man eben nicht einfach mal erzählt, dass man von der Mutter vom besten Freund dabei erwischt wurde, wie man herumgeknutscht hat - auf dem Bett und nicht nur einfach so - nachdem man völlig aufgelöst zu seinem besten Freund gefahren ist. Wie soll das bitte für eine Mutter eines achtzehnjährigen wirken?
Es lag auch bestimmt nicht daran, dass es generell komisch rübergekommen wäre, wenn ich einfach so erzählt hätte, dass ich gerade zum ersten Mal richtig geküsst habe.
Und es lag auch bestimmt nicht daran, dass ich erstmal Zeit brauchte, um richtig zu verarbeiten, was da passiert ist.

Aber all das sagte ich meiner Mutter nicht. Ich sagte ihr nur, dass ich wirklich los musste und wir nach der Schule darüber reden können. Schnell verschwand ich in den Flur, zog meine Schuhe und Jacke an und öffnete die Tür, als mein Vater zu mir kam und mir sagte: „Mach dir keinen Kopf darum, ja?" Wenigstens verstand er mich, wobei ich mir sicher war, dass auch meine Mutter Verständnis für mein Schweigen aufbringen konnte. Ich nickte und verabschiedete mich von ihm.

Während ich mit dem Rad fuhr, kam dieses mulmige Gefühl in meinen Bauch wieder hoch.
An der Schule angekommen, parkte ich mein Fahrrad bei den anderen Rädern, schloss es ab und ging in das Gebäude zu meinem Spind. Der stand nur zwei Spinde von Tims entfernt, aber der war noch nicht da. Nervös holte ich mein Zeug raus und wartete. Wartete ich auf das Klingeln zum Beginn des Unterrichts oder auf ihn?
Da war ich mir selber nicht so ganz sicher.

„Hey", rief mir plötzlich jemand zu, und natürlich erschreckte ich mich zu Tode! Ich zuckte mächtig zusammen und drehte mich zu der Richtung, aus der das „Hey" kam. Natürlich war er es, der verschmitzt zu mir grinste und jetzt auf mich zukam. „Hey"
Er öffnete seinen Spind, holte seine Sachen raus und lehnte sich gegen den Spind an. Ich wollte gerade meinen Mund aufmachen und was sagen, da klingelte es auch schon. Seufzend stieß er sich wieder vom Spind ab. „Vielleicht können wir nachher reden?", fragte ich nun. Er nickte und stimmte zu: „Ja, wäre wohl besser so. Bis später."

Leider waren wir in den ersten beiden Stunden in verschiedenen Kursen aufgeteilt. Dafür trafen wir uns direkt zu Beginn der Pause. „Lass uns am besten irgendwohin gehen, wo wir unter uns sind.", schlug er vor und zog mich in eine kleine Nische in einen der oberen Gänge. „Tut mir leid, dass ich nicht nochmal vorbeigeschaut habe.", begann ich sofort, „Ich hatte Angst, dass deine Mutter mir aufmacht und ich wusste nicht, wie ich mich dann verhalten sollte." Ich sah ihm in die Augen und hoffte, dass er es verstand. Er tat das zum Glück und antwortete lachend: „Das ist verständlich. Ich wäre dir am liebsten sofort hinterhergerannt." Verübeln konnte man es ihm nicht. Zumindest konnte ich das nicht. Aber das ist ja auch klar, sonst wäre ich ja nicht regelrecht geflüchtet.

„Also?", fragte mich Tim nun, wieder grinsend. „Also...?", wiederholte ich unsicher. Langsam näherte er sich mir. Mein Herz klopfte wieder etwas schneller, nicht mehr so schnell wie am Freitag, aber trotzdem ziemlich schnell. Während wir uns küssten legte er seine Hände an meine Taille und ich meine an seinen Rücken. Es war ein wirklich schöner Kuss, auch wenn ich mich etwas beobachtet in der Schule fühlte. Niemand war auf dem Gang, aber vermutlich lag es einfach daran, dass in der Schule normalerweise immer so viele Leute unterwegs sind, gerade in den Pausen.

Als wir uns dann wieder voneinander lösten, grinsten wir uns an. „Wollten wir nicht reden?", fragte ich etwas lachend. „Hm, stimmt schon. Das sollten wir wirklich tun..." Sicherheitshalber löste ich mich von ihm. „Ich- Also, wegen dem, was ich gestern gesagt habe-" „Ich liebe dich" „Ja, genau das. Also, ich..." Er lachte. Wieso lachte er jetzt? Verwirrt musterte ich ihn. „Was... Warum lachst du?" „Ich wollte dir sagen, dass ich dich auch liebe." „Oh..." Tim lachte weiter und seufzte. „Also, es beruht auf Gegenseitigkeit.", stellte ich fest. Jetzt nickte er und sein Lachen verstummte. Stattdessen lächelte er mich glücklich an, was ich erwiderte. Wir lächelnden uns ein paar Sekunden schweigend an, bis ich die Stille brach: „Wie haben deine Eltern eigentlich darauf reagiert?" Er kratzte sich am Kopf und schmunzelte verlegend. „Meine Mutter hat sich sofort entschuldigt und hat mich dann gefragt, wie lang wir schon zusammen wären." Hm, noch nicht sehr lang. Wobei, sind wir zusammen? „Was hast du ihr gesagt?" „Dass wir nicht zusammen sind. Ich war mir halt nicht sicher, ob- also, ob du denn auch- Du verstehst mich oder?" Ich nickte grinsend. Er war sich also auch unsicher. „Na ja, jetzt kannst du ihr ja eine andere Antwort geben.", meinte ich nun. Tim grinste auch und zog mich wieder näher zu sich. „Da hast du recht." Noch bevor wir uns wieder küssen konnten, klingelte es auch schon...

Seufzend gingen wir wieder auseinander. Wenigstens hatten wir jetzt gemeinsam Deutsch.
Um halb vier hatten wir dann frei, aber sobald das erlösende Klingeln ertönte, wurde mir klar, dass ich gleich noch mit meinen Eltern reden müssen. „Was ist los?", fragte Tim mich, während wir aus dem Gebäude gingen. „Ach, ich muss jetzt nur mit meinen Eltern darüber reden. Meine Mutter hat mich heute Morgen darauf angesprochen, weil sie wohl gestern deiner Mutter auf einem Spaziergang begegnet ist.", antwortete ich wahrheitsgemäß. „Oh... Soll ich mitkommen?" Dankbar lächelnd schüttelte ich den Kopf. „Brauchst du nicht, aber danke. Ich schaff das schon alleine. Das wird bestimmt sowieso nur so ein ‚Warum hast du dich so zurückgezogen und nichts gesagt?' Ding werden.", entgegnete ich locker. „Wenn du meinst", gab er nach, „Wenn es doch anstrengend wird, dann komm zu mir, okay?" Ich nickte und umarmte ihn. „Bis morgen." „Bis morgen Dario." Er gab mir noch einen kurzen Kuss und ging dann zur Bushaltestelle, während ich mit meinem Rad losfuhr.
Nervös schloss ich die Haustür auf, nachdem ich mein Fahrrad weggestellt hatte. „Bin wieder da!", rief ich ins Haus und wartete auf eine Antwort. Aber ich bekam keine, weshalb ich erstmal meine Jacke aufhing und die Schuhe wegstellte. Die Tür zum Garten ging auf und meine Mutter kam rein. „Wie war die Schule?", fragte sie mich sofort. Sehr schön. Besonders die Pausen. Ja, die Pausen waren besonders schön.

„Ganz gut", meinte ich locker, „Ich hab mich mit ihm ausgesprochen. Wir, äh, sind jetzt zusammen." Sie lächelte und umarmte mich, was mir peinlich war, aber ich ließ sie. Nach einer kurzen Weile wurde es mir dann doch zu viel und ich löste mich aus ihrer Umarmung. „Ähm, ich muss eigentlich noch für Bio üben, aber wenn du- Also, wenn du noch reden willst...?" Unbehagen kratzte ich mich am Arm. „Ist schon gut, lern für Bio. Aber bitte denk dran, dass du uns alles anvertrauen kannst, ja?" Meine Mutter lächelte mich an. Lag da Stolz in ihrem Blick? Jedenfalls sah man ihr an, dass sie sich für mich freute und das ist das Einzige was für mich zählt.
Also erwiderte ich das Lächeln und sagte, dass ich dann oben bin und übe.

Bio war nicht viel einfacher als am Freitag, aber es ging ein wenig besser. Die Klausur am Mittwoch würde ich zumindest nicht verhauen, das ist die Hauptsache. Und Mathe, das würde ich einfach mit Tim üben.

☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆
Ungefähr ein Drittel dieses Oneshot's wurde auf Microsoft PowerPoint geschrieben. Warum fragt ihr euch?
Well, darauf hab ich eine ganz einfache Antwort: Weil es auf Excel nicht geht. :)

Okay, nein, jetzt die wahre Geschichte:
Word hat bei mir jedes Mal, wenn ich ein s oder ein m tippen wollte, eine komplette Zeile gelöscht. Habe ich das s oder m wieder weggemacht, kam die Zeile wieder. Und nein, ich habe nicht aus Versehen den Überschreib Modus aktiviert.
Auf Wattpad will ich nur noch ungern schreiben.

Aber jetzt mal was anderes:
Eigentlich wollte ich den OS an Valentinstag hochladen, aber Word.
Deshalb ist der 16. Februar nun Valentinstag. :)

Hoffe, er hat euch mehr gefallen als Word es gefallen hat. 'xD

Wünsche euch einen schönen Nachmittag und bis bald hehe ;3

LG LMS☆

(4.143 Wörter :>)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top