48. Luck

You could never know what it′s like
Your blood like winter freezes just like ice
And there's a cold lonely light that shines from you
You′ll wind up like the wreck you hide behind that mask you use


And did you think this fool could never win?
Well look at me, I'm a-coming back again
I got a taste of love in a simple way
And if you need to know while I'm still standing, you just fade away


Don′t you know I′m still standing better than I ever did
Looking like a true survivor, feeling like a little kid
I'm still standing after all this time
Picking up the pieces of my life without you on my mind

Elton John - I'm Still Standing


< N I A L L >

Es regnete in Strömen.

Von der Subway Station rannte ich durch die South Bronx, trotzdem kam ich wie ein durchnässter Pudel am Haus an. Hektisch fummelte ich den Schlüssel aus der Tasche meiner Jeansjacke und als ich den Flur betrat rief ich: „Nan, Mum, ich bin da."

Meine Großmutter und meine Mutter erwarteten mich bereits zum Abendessen. An einem tristen herbstlichen Samstag gab es nichts Besseres, als Nans gutes Essen und anschließend einen Besuch im Groove. Dort war ich mit Harry verabredet.

Taylor glänzte an diesem Wochenende durch Abwesenheit, da sie ihre Eltern in Pennsylvania besuchte und Liam hatte mir eine Nachricht geschickt, dass er mit Jace unterwegs sei.

Bei solchen Zeilen bekam ich stets ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Hoffentlich landete er nicht wieder im Knast. Aber eigentlich war genau das vorprogrammiert und dieser Tatsache sollte ich ins Auge sehen. Ich konnte ihm da nicht helfen, so sehr ich es mir in meinem Innersten wünschte.

Ob Louis an diesem Abend im Groove sein würde, wusste ich nicht. Er meldete sich seit Wochen nur sehr sporadisch in unserem Gruppenchat und hatte ich während der letzten Tage nichts geschrieben.

„Na, Niall, wie war deine Woche?" Mum drückte mich kurz, als sie mir die Frage stellte.

„Ganz okay. Ich habe viel zu lernen. Die Zeit vergeht so irre schnell. Ich kann kaum glauben, dass ich bereits im siebten Semester bin und nächstes Jahr meine Bachelor Prüfung absolviere."

Nan tischte das Essen auf und sprach: „Ich werde vor Stolz platzen, wenn du das hinter dir hast."

„Ich vermutlich auch", grinste ich und langte beim Irish Stew zu. Das war noch immer mein Leibgericht und von Nan zubereitet schmeckte es am allerbesten.

„Und wie läuft es in der Bar?", erkundigte sich meine Mutter.

„Super. Ich bekomme immer reichlich Trinkgeld und es macht noch immer irre Spaß vor Publikum zu spielen", antwortete ich euphorisch. „Du kannst ja mal im Brandy's vorbeischauen, wenn du magst."

Mum grinste breit: „Vielleicht tue ich das demnächst."

Nachdem wir alle aufgegessen hatten, half ich Mum beim Tischabräumen, während Nan es sich in ihrem Sessel im Wohnzimmer gemütlich machte.

Gemeinsam erledigten wir den Abwasch und als ich aus dem Küchenfenster zur Straße hinausschaute, bemerkte ich, dass es aufgehört hatte zu regnen. Allerdings sah ich noch etwas anderes.

Lottie saß auf den Treppenstufen vor dem Haus und es wirkte, als würde sie weinen. Was war da los?

„Mum, ich muss mal kurz raus zu Lottie", sprach ich, worauf meine Mutter nickte.

Schnell schnappte ich meine Jacke, trat aus dem Haus und ging direkt auf Louis' Schwester zu. Ihre Schultern zuckten und je näher ich kam, desto lauter hörte ich ihr Schluchzen.

Wortlos setzte ich mich neben sie und legte vorsichtig einen Arm um ihre Schulter. Erschrocken zuckte sie zusammen, aber als sie mich erblickte entspannte sie sich ein wenig.

„Was ist los?", erkundigte ich mich teilnahmsvoll. Ich konnte es gar nicht ab, wenn Mädchen weinten, das zerriss mir immer das Herz.

Lotties Unterlippe zitterte gewaltig, dann schluchzte sie: „Der Scheißkerl hat mit mir Schluss gemacht. Ich hasse ihn!"

Ein Seufzen entwich meinen Lippen: „Redest du von dem Kerl, den Louis so hasste?"

„Ja." Mit der rechten Hand wischte sie ihre Tränen von den Wangen. „Dieser Pisser hat ne andere. Ich komme mir so benutzt vor."

Ihre Gefühle konnte ich gut nachvollziehen und ich wurde wütend auf den Typ. Er hatte der kleinen Schwester meines Freundes wehgetan und das ging gar nicht.

Allgemein hielt ich nichts davon, von einer Beziehung in die nächste zu stolpern, aber das tat man wahrscheinlich, wenn man nichts für die Person empfand und nur Sex wollte.

Es tat mir leid für Lottie, dass sie an solch einen Kerl geraten war.

Ruhig sprach ich zu ihr: „Lass es raus, Lottie. Ich weiß, wie weh es tut, wenn man eine Beziehung hinter sich lassen muss. Aber ich weiß auch, dass das Leben danach weitergeht."

Mit tränenverschmiertem Gesicht blickte sie mich an: „Der nächste Kerl, der was von mir will, wird bis in alle Ewigkeit warten müssen."

Ich unterdrückte ein Schmunzeln und zog sie zu mir: „Und wenn der nächste Kerl gerne auf dich wartet, dann ist er es hoffentlich wert."

Vorsichtig drückte ich einen Kuss auf ihre Stirn, dabei bemerkte ich, wie sie sich an mich kuschelte.

„Niall?"

„Ja?"

„Kann ich dich was fragen?"

„Klar."

Wenn ich mit allem gerechnet hatte, aber nicht mit jenen Worten, die Lottie plötzlich raushaute: „Als du vorhin davon gesprochen hast, dass du weißt, wie weh es tut, eine Beziehung hinter sich zu lassen... hast du da von Robyn gesprochen?"

Sie erwischte mich eiskalt.

Mein Herz begann zu rasen, noch immer, nach dieser langen Zeit und ich holte tief Luft, um mich selbst zu beruhigen.

Meine Antwort erfolgte ehrlich: „Ja, das habe ich."

Für einen Augenblick herrschte Stille zwischen uns, dann legte Lottie ihre Hand auf meine: „Denkst du noch oft an sie?"

Nervös tastete ich mit der freien Hand nach meinen Kippen: „Ich versuche, es nicht zu oft zu tun."

Endlich erwischte ich die Zigarettenpackung und fummelte die letzte heraus.

„Weil es dir wehtut."

Es war mehr eine Feststellung als eine Frage und ich nickte stumm. Verdammt, Lottie schnallte, was los war. So, als ob sie ihn mich hineinschauen konnte. Ihre nächste Bemerkung haute mich allerdings heftig aus den Socken: „Und wie war das bei deiner Affäre?"

Geschockt starrte ich sie an: „Was weißt du denn über Miriam?"

„Ja, also", stotterte sie verlegen. „Also weißt du, ich habe zufällig gehört, wie Louis sich bei Liam darüber ausgelassen hat."

Mir entwich ein lautes Schnaufen: „Und was genau hat er gesagt?"

Lottie redete nicht um den heißen Brei herum: „Dass er es unmöglich findet, wie sie dich benutzt und dann vermutlich wegwirft. Und dass er dir nicht zugetraut hat, einer zehn Jahre älteren Frau auf den Leim zu gehen, nur um zu ficken."

Daher wehte also der Wind. Dass Louis eine derart große Abneigung gegen Miriam hatte, traf mich sehr. Er kannte sie nicht und urteilte dennoch. Normalerweise war das nicht seine Art. Aber Menschen änderten sich und vermutlich hatte auch ich mich verändert. Vielleicht passte es deshalb nicht mehr zwischen uns.

„Miriam hat mir niemals wehgetan", ließ ich Lottie wissen. „Wir haben unsere Affäre inzwischen beendet, aber ohne Drama, Hass und was es sonst noch so gibt."

„Dann war es echt nur Sex?" In diesem Moment wirkte Lottie total unschuldig auf mich. Sie träumte von der großen Liebe und versuchte gerade über ihren ersten richtigen Kummer hinwegzukommen.

Beim Versuch die richtigen Worte zu finden, stieß ich fast an meine Grenzen, aber schließlich schaffte ich es einigermaßen: „Es war nicht nur Sex. Es ist schwer zu erklären. Miriam und mich verband etwas miteinander, was schwer zu erklären ist. Wir haben noch Kontakt und wenn sie meine Hilfe braucht, dann wäre ich da. Umgekehrt würde das auch funktionieren."

Lottie nickte stumm und ich sah, wie sie ihre Hände knetete: „Hast du eine Zigarette für mich?"

Sie war kein Kind mehr und ich wusste, dass sie gelegentlich rauchte. Somit gab es keinen Grund für mich, nein zu sagen.

„Es ist meine Letzte, aber ich teile sie mit dir, okay?"

„Okay."

Nachdenklich zündete ich die Kippe an, nahm einen tiefen Zug und gab sie an Lottie weiter: „Ich versuche das Rauchen einzuschränken, weil es nicht gut für meine Stimme ist. Und du solltest auch versuchen, so wenig wie möglich zu rauchen."

Kurz zog sie eine Grimasse: „Ich singe nicht für die Möbel, sondern restauriere sie, falls du das vergessen haben solltest."

Mein Konter erfolgte prompt: „Möbel können Feuer fangen."

Lottie lachte fast schon hysterisch: „Ja, und sie können dabei in Schutt und Asche gelegt werden, wie ein Herz, das in Flammen aufgegangen ist, weil es zu heftig Feuer gefangen hat."

Diese poetische Ader kannte ich gar nicht an ihr, aber ich fand ihre Denkweise interessant. Zudem war mir klar, dass Lottie an diesem Abend ein wenig Zerstreuung benötigte und ich machte einen Vorschlag: „Kommst du nachher mit ins Groove? Ich bringe dich auch wieder nach Hause."

Ihre blauen Augen strahlten immens: „Klar komme ich mit und dein Angebot nehme ich gerne an."

„Gut, dann style dich mal und ich hole dich später ab."

Gegen halb elf marschierten wir los. Lottie trug ein blaues Jeansminikleid, kombiniert mit einer pinken Bomberjacke. Sie hängte sich bei mir ein, als wir durch die nächtlichen Straßen der South Bronx marschierten und ich hatte stets die Gegend im Blick.

Ich fühlte mich für sie verantwortlich und dementsprechend verhielt ich mich. Als wir eine Bushaltestelle passierten, trafen wir Mustafa, der die Dönerbude wohl gerade abgeschlossen hatte und den Heimweg antrat.

„Hey, Niall, wie geht es dir? Lange nicht mehr gesehen", sprach er mich freundlich an.

„Mir geht es super und dir hoffentlich auch", erwiderte ich grinsend.

„Auf jeden Fall." Dann beäugte er Lottie. „Sag mal, ist das Louis' kleine Schwester?"

Da die Blondine nicht auf den Mund gefallen war, antwortete sie keck: „Ja, die kleine Schwester, die bereits achtzehn ist."

Ungläubig schaute Mustafa zu meiner weiblichen Begleitung: „Meine Fresse, wie die Zeit vergeht. Ich werde wohl langsam alt."

Wir lachten alle drei, dann wünschte ich ihm einen schönen Abend und schritt mit Lottie am Arm die Straße entlang. Unbeschadet erreichten wir den Club und auch beim Einlass gab es keine Probleme. An der Bar trafen wir Harry, der bereits ein Bier in der Hand hatte und uns überschwänglich begrüßte. Anschließend spendierte er Lottie eine Cola und mir ein alkoholfreies Bier.

„Sieht wohl so aus, als seien wir die einzigen aus unserer Clique heute Abend", stellte ich fest und Harry nickte.

„Louis macht derzeit Überstunden, so viel er nur kann", klärte Lottie uns auf. Sie nippte an ihrer Cola und ich schaute nachdenklich zu ihr. Durch Liam wusste ich, dass Louis seit einigen Monaten nicht mehr im Fitzgeralds arbeitete. Angeblich hätte es Stress mit dem zweiten Küchenchef gegeben.

Ich konnte mir das lebhaft vorstellen. Louis kochte mit Leidenschaft, probierte gerne aus und ich sah ihn eigentlich irgendwann in seinem eigenen Restaurant. Mein Freund war nicht dafür geboren, sich ein Leben lang Vorschriften machen zu lassen, was das Werkeln in der Küche anging. Für mich zählte er zu den Virtuosen der Köche.

Natürlich stellte es ein Risiko dar, einen super bezahlten Job in einem der besten Restaurants New Yorks aufzugeben, aber wer nichts wagte, der gewann auch nichts.

Obwohl wir seit geraumer Zeit nicht mehr richtig miteinander redeten, wünschte ich Louis nur das Beste für seine Zukunft. Vielleicht spielten die Probleme auf der Arbeit auch in seine manchmal komische Laune mit hinein.

„Ich gehe mal nach draußen", meinte ich und tastete nach meinen Kippen, die ich unterwegs gekauft hatte. Leider rauchte ich im Groove immer mehr als sonst. Unter der Woche verzichtete ich weitestgehend darauf, aber am Wochenende gönnte ich mir hin und wieder eine Zigarette.

Draußen angekommen beeilte ich mich, denn ich wollte Lottie nicht zu lange unbeaufsichtigt lassen. Unter Harrys Obhut sollte ihr zwar nichts passieren, dennoch fühlte ich mich unwohl, wenn ich sie zu lange allein ließ.

Insgesamt hielt ich mich nicht länger als fünf Minuten draußen auf und als ich zurückkehrte, sah ich einen Typen bei Lottie stehen. Ihren Ex-Stecher. Sie schienen eine heftige Diskussion zu haben und als er sie unsanft an der Schulter berührte, sah ich rot.

„Hey, was soll das?" Ohne zu zögern, riss ich ihn von ihr weg. Der Kerl war nicht älter als neunzehn, ein Milchgesicht, das nur große Töne spuckte.

„Hast du hier was zu sagen?", meinte er schnippisch und baute sich vor mir auf.

Gelangweilt verschränkte ich die Arme vor der Brust: „Wenn du Lottie noch einmal anfasst, setzt es was, kapiert?"

„Wer bist du, dass du mir sowas sagst? Ihr neuer Stecher?"

Das Würstchen hielt sich wohl für obercool und ich antwortete laut und deutlich: „Ich bin dein schlimmster Albtraum, solltest du es noch einmal wagen, ihr zu nahe zu kommen."

Inzwischen stand Lottie dicht hinter mir. Deutlich vernahm ich ihr Atmen und spürte ihre Hand an meiner.

Der Typ schien noch nicht genug zu haben, oder er wusste einfach nicht, mit wem er sich hier anlegte und welche Konsequenzen das für ihn haben konnte.

„Albtraum, aha", meinte er, doch seine Stimme klang nicht mehr so fest wie zu Anfang.

„Hör mal", sprach ich, „du bist doch aus der South Bronx, oder? Dann solltest du wissen, wie hier der Hase läuft. Du hast Lottie verarscht und zufälligerweise bin ich der beste Freund ihres Bruders. Wenn du also keinen Wert darauf legst, mit Schrammen im Gesicht nach Hause zu kehren, dann zieh besser Leine. Alternativ könnte es auch ein großes Küchenmesser im Rücken werden, wenn ich ihren Bruder informiere."

Augenblicklich verlor sein Gesicht an Farbe und als er sich umdrehen wollte, stieß er mit Harry zusammen, der gerade von der Toilette kam.

„Gibt's Probleme?", erkundigte sich der Lockenkopf, der den Puerto-Ricaner um einen Kopf überragte.

„Ähm, nein, ich wollte gerade gehen."

Eine Sekunde später verschwand er im Getümmel und ich konnte ein Lachen nicht unterdrücken.

„Oh Gott, Niall, das war großartig", japste Lottie. „Ich hoffe, er lässt mich jetzt in Ruhe."

Schnell erzählte ich Harry, was passiert war, bevor er zu uns stieß und auch er musste heftig grinsen: „Der hatte die Hosen voll", lautete sein Urteil.

Nach diesem Zwischenfall hatten wir jede Menge Spaß auf der Tanzfläche, bis wir aus der Puste gerieten.

Gegen halb zwei machte ich mich mit Lottie auf den Heimweg. Wie versprochen begleitete ich sie bis zur Haustür. Dort umarmte sie mich fest und nuschelte: „Ich bin froh, so einen guten Freund wie dich zu haben, Niall. Und ich wünsche mir nichts mehr, als dass Louis und du euch wieder versteht."

Tief in meinem Innersten wünschte ich mir das auch.

~~~

Am nächsten Tag schlief ich gründlich aus und setzte mich nach einem späten Frühstück an das Piano, um ein wenig zu üben. Gleichzeitig entspannte ich dabei. Das war auch dringend nötig, denn am Nachmittag versank ich in den Büchern, um für die nächsten Prüfungen zu lernen. Dabei vergaß ich wie so oft die Zeit.

Erst als sich die Tür zum Apartment öffnete und Taylor eintrat, bemerkte ich, wie spät es war.

Ächzend stellte Taylor ihre Reisetasche auf dem Boden neben das Sofa und ließ sich auf diesem nieder. Sofort klappte ich das Buch zu und musterte sie besorgt: „Du siehst blass aus, meine Liebe. Hast du am Wochenende zu viel gefeiert?"

„Nein", seufzte sie, „aber mir den Magen verdorben. Letzte Nacht habe ich so viel gekotzt, als hätte ich ein ganzes Schwein verdrückt."

„Scheiße."

Ich erinnerte mich an Nans Heilmittel gegen Übelkeit: Kamillentee.

„Warte kurz", wies ich Taylor an und stürmte in Richtung Küchenzeile. Hektisch wühlte ich im Hängeschrank und fand schließlich eine Packung jener Teesorte. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stellte ich den Wasserkocher an und brühte den Tee für meine beste Freundin auf.

Taylor hatte sich inzwischen ihren Schlafanzug angezogen und wartete, in eine Decke eingemummelt, dass ich ihr den Tee servierte.

„Du bist eine tolle Krankenschwester, Niall", bedankte sie sich in ihrer ganz speziellen Art.

„Und du eine dankbare Patientin." Ich hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn: „Ich muss mich jetzt für das Brandy's stylen."

„Viel Spaß", rief sie mir hinterher, während ich in Richtung Bad verschwand.

Auf dem Weg zur Bar pfiff der Wind aus allen Ecken. Der Herbst in New York schritt mit riesigen Schritten voran und bald stand auch der Winter vor der Tür. In den Taschen meiner Lederjacke befanden sich die Handwärmer, die Agnes mir einst für das Vorspielen in der Juilliard schenkte. Dieses Präsent wusste ich jetzt immer mehr zu schätzen. Ich kam niemals mit kalten Fingern im Brandy's an.

Für einen Sonntagabend war die Bar gut besucht. Viele Stammgäste saßen an den Tischen, aber auch einige Leute, die ich noch nie dort gesehen hatte. Das gehörte durchaus zur Normalität und ich freute mich darauf, für alle spielen zu dürfen.

In der kleinen Garderobe checkte ich wie üblich meine Frisur und stieß auf dem Weg zum Gastraum beinahe mit Titus zusammen.

„Hey, Niall, so stürmisch heute?", begrüßte er mich freudig. „Wird deine Musik heute auch so?"

„Mal schauen", erwiderte ich mit einem Grinsen.

Titus klopfte mir auf die Schulter: „Du wirst das Schiff schon schaukeln. Und jetzt raus mit dir, Shelly ist gleich fertig."

Meine hübsche Kollegin bekam jede Menge Applaus und kündigte mich an, nachdem der Trubel sich gelegt hatte: „Nun, werte Gäste, wird euch Niall am Piano erfreuen. Ich wünsche euch viel Vergnügen mit ihm."

Das Vergnügen lag ganz auf meiner Seite und während ich mit dem Piano verschmolz, versank ich in einem Farbenmeer. Elton Johns 'I'm still standing' garantierte das Eintauchen in einen Ozean voller bunter Fische.

An manchen Tagen war ich dazu aufgelegt, Songs zu präsentieren, die eigentlich von Frauen gesungen wurden. Dank des Gesangsunterrichts auf der Juilliard bereitete es mir keine Probleme, meine Stimme an den Song 'Private Dancer' von Tina Turner anzupassen. Tosender Applaus bewies, dass man stets etwas wagen sollte, um nicht auf der Stelle zu treten.

Insgesamt spielte ich sieben Songs, einschließlich meines eigenen, den ich zum Schluss brachte. Den Beifall sog ich ihn mir auf, das war mein größter Lohn, abgesehen von dem fetten Trinkgeld an diesem Abend.

Nach dem Auftritt saß ich noch eine Weile an der Bar, um meine trockene Kehle mit Cola auf Vordermann zu bringen und auch um ein wenig runterzukommen. Die Auftritte im Brandy's nahmen mich stets mit, jedoch nur in gutem Sinn.

Tommy, der direkt nach mir seinen Platz am Piano einnahm, hörte man gerne zu. Die Musik berieselte mich und ich bekam zunächst nicht mit, dass ein Mann sich zu mir gesellte. Erst als er mich ansprach, nahm ich ihn richtig wahr.

„Hey, ich fand dein Pianospiel und deine Musikauswahl interessant, außerdem kannst du gut mit deiner Stimme spielen."

„Danke", erwiderte ich leicht perplex. „Ich gebe mir Mühe, die Leute gut zu unterhalten."

„Das merkt man."

Ich schätzte den Typ auf Mitte Vierzig. Seine runde Brille erinnerte mich ein bisschen an Elton John und seine Stimme klang leicht rau. Er trug eine abgewetzte braune Lederjacke, Jeans und ein blaues Hemd. Sein dunkles Haar stand wirr vom Kopf ab und sein Aftershave besaß eine herbe Note.

Auf keinen Fall entsprach er dem Durchschnittspublikum im Brandy's, denn es kam selten vor, dass jemand die Dinge, die ihm gefielen, derart konkret benannte. Mir kam das komisch vor, gleichzeitig keimte die Neugier in mir auf.

Bevor ich jedoch eine Frage an den Mann richten konnte, überraschte er mich dermaßen, dass ich fast vom Barhocker fiel: „Ich würde dich gerne zu Probeaufnahmen einladen, Niall, denn ich glaube, du hast Potenzial."

Mit offenem Mund starrte ich ihn an, da zückte er seine Visitenkarte und schob mir diese über die Theke zu.

Als ich die Worte las, traf mich fast der Schlag: Marvin Higgins, Talent Coach, Atlantic Records, New York City.

Das musste ich träumen.

____

Okay, Leute... es geht los...

Ein Talent Coach ist auf Niall aufmerksam geworden. Zufall? Oder hat Titus da seine Hände mit ihm Spiel?

Denkt ihr, Niall wird sich für die Probeaufnahmen entscheiden?

Und wenn ja, wird er das rocken?

Aus mehreren Gründen habe ich es geliebt, dieses Kapitel zu schreiben. Ein Grund dafür ist, dass man den richtigen Niall wieder sieht. Den, der an seine Freunde denkt und sich für sie einsetzt (siehe Lottie).

Wie fandet ihr es, dass er sich um sie kümmerte, als sie weinte?

Und ihren blöden Ex verscheuchte?

Und ja, manchmal bin ich neidisch auf Taylor. Niall kocht ihr Kamillentee, wenn es ihr schlecht geht xD. Seid ihr auch neidisch?

Denkt ihr, Louis und Niall sprechen sich bald mal aus?

Ich hoffe, ihr seid gespannt, wie es nun weitergeht.

Danke an alle, die voten und besonders an die, die kommentieren. Ich liebe den Austausch mit euch und eure Gedanken interessieren mich noch immer.

LG, Ambi xxx




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