40. Las Vegas
Ooh, if there's one thing I hang onto
That gets me through the night
I ain't gonna do what I don't want to
I'm gonna live my lifeShining like a diamond, rolling with the dice
Standing on the ledge, I show the wind how to fly
When the world gets in my face
I say, have a nice day
Have a nice day
Bon Jovi - Have A Nice Day
< N I A L L >
„Du willst wohin mit mir reisen?"
Ungläubig schaute ich Miriam an, die mir gegenübersaß und von ihrem Muffin abbiss. Es war Samstagmorgen und wir frühstückten wie üblich in ihrer Wohnung.
„Las Vegas", wiederholte sie laut und deutlich.
„Auf keinen Fall. Du weißt genau, dass ich mir das nicht leisten kann", wies ich sie auf meine finanziellen Verhältnisse hin.
„Dein Sturkopf ist wirklich riesengroß, Niall", sprach sie charmant über den Tisch hinweg. „Du bist natürlich eingeladen."
Ihr Vorschlag, die Spring Break gemeinsam zu verbringen klang zwar verlockend für mich, jedoch nicht unter diesen Umständen. Keinesfalls wollte ich mich aushalten lassen, auch wenn es Miriam nicht an Geld mangelte. Inzwischen kannte ich ihren Beruf, mit dem sie nicht wenig verdiente. Sie arbeitete als Anwältin in einer großen Kanzlei mit dem Schwerpunkt Vertragsrecht. Nebenbei illustrierte sie Kinderbücher, aber das eher als Hobby.
Ich beobachtete, wie sie Milch in ihren Kaffee goss und an der Tasse nippte.
Es war nicht so, dass ich keine Zeit mit Miriam verbringen wollte, im Gegenteil. Mich störte eher der finanzielle Effekt. Das Geld, das ich im Brandy's verdiente, war nicht dazu gedacht, Reisen zu finanzieren. Ich kam damit in New York besser über die Runden und konnte mir Kleinigkeiten leisten, die früher nicht drin waren.
„Weißt du, Miri, wenn du gesagt hättest, wir gehen irgendwo Zelten, da wäre ich dabei. Meinetwegen auch ein paar Tage in einem Camper, wenn er dir gehört. Aber ich möchte nicht, dass du so viel Geld für mich ausgibst."
Ihre blauen Augen wirkten plötzlich dunkler und ihre Gesichtszüge wiesen einen traurigen Ausdruck auf.
„Kannst du mich denn nicht verstehen?", seufzte ich, in der Hoffnung, dass das Thema bald zu den Akten gelegt wurde.
„Ja, natürlich verstehe ich dich. Aber..." Sie machte eine kurze Pause. „Vielleicht möchtest du dir den Grund anhören, weshalb ich das tun will."
Auch wenn ich nicht glaubte, dass sie mich überzeugen würde, lenkte ich ein: „Klar und darauf bin ich gespannt."
Eigentlich hätte mein Instinkt mir sagen müssen, dass Miriam niemals etwas aus einer Laune heraus tat und ihre nächsten Sätze bewiesen das.
„Während deiner Spring Break habe ich Geburtstag, genau gesagt mittwochs. Es ist mein dreiunddreißigster, eine Schnapszahl."
Nachdenklich betrachte ich die rothaarige Frau. Sie sah jünger aus, keine Frage, aber vor allem wirkte sie im Moment merkwürdig zerbrechlich.
„Ich verstehe, dass du das feiern möchtest, aber muss es unbedingt Las Vegas sein?", hakte ich nach.
Miriam fuhr sich mit einer Hand durch die langen Locken und stand auf. Sie schaute mich direkt an, als sie weiterredete: „An meinen dreißigsten Geburtstag lag ich im Krankenhaus, weil man Ex mich mal wieder misshandelt hatte. Meinen einunddreißigsten verbrachte ich im Frauenhaus, weil ich es endlich schaffte, abzuhauen und meinen zweiunddreißigsten in einer psychosomatischen Klinik, um alles aufzuarbeiten. Darum möchte ich meinen dreiunddreißigsten Geburtstag feiern und er soll besonders sein."
Im ersten Moment wusste ich nicht, was ich sagen sollte, so sehr schockierte mich ihre Aussage. Mir wurde wieder einmal bewusst, welcher Brutalität sie in der Vergangenheit ausgesetzt war. Nichts, was irgendjemand nachzuvollziehen vermochte, der das nicht erlebt hatte. Die Narben auf ihrem Rücken erzählten davon.
Ich rang nach Worten, während meine Kehle sich langsam zuschnürte. Miriam bat mich um etwas, was leicht zu erfüllen war und was mir nicht wehtat. Sie wollte mich nicht kaufen, das war niemals ihre Absicht. Sie wollte Freude, einige unbeschwerte Tage. Ich erkannte, dass sich das Leben nicht nur in Schwarz oder Weiß gestaltete, dass es unendlich viele Nuancen gab, die ich erblickte, wenn ich die Augen richtig öffnete.
Es wurde Zeit, den falschen Stolz über Bord zu werfen. Stolz, der Dinge verhinderte, die ich vielleicht später bereute.
Langsam erhob ich mich aus dem Stuhl, ging auf Miriam zu und nahm ihre Hand in meine: „Ich denke, ich habe verstanden, was du mir mitteilen wolltest."
Unsere Augen trafen sich, als ich sprach: „Ich komme mit nach Las Vegas."
„Danke", flüsterte sie, während ich meine Arme um ihren Körper legte. Leicht drückte ich sie an mich und flüsterte ihr ins Ohr: „Bitte, aber ich erwarte, dass ich dich wenigsten einmal zum Abendessen einladen darf."
„Das darfst du, Niall."
Damit war alles für die Reise geklärt.
Während ich Taylor noch am gleichen Tag davon erzählte, drückte ich mich davor, meine Mum und vor allem meine Nan darüber in Kenntnis zu setzen. Sie kannten Miriam nicht, geschweige wussten sie von meiner Affäre zu ihr. Wie hätte ich das erklären sollen, ohne mir eine Predigt anhören zu müssen?
Wie zu erwarten reagierte Taylor relativ locker, als ich ihr von meinem bevorstehenden Trip berichtete.
„Vegas ist eine Welt für sich. Ich denke, du wirst es mögen und dich gut mit Miriam amüsieren", lauteten ihre Worte.
„Das hoffe ich doch, aber ich muss das irgendwie meiner Mum und meiner Nan beibringen. Alternativ könnte ich einfach Bilder aus Las Vegas über WhatsApp schicken", dachte ich laut.
Sofort erteilte Taylor mir einen Rüffel: „Seit wann bist du so ein Feigling, Horan? Stehe einfach dazu, dass du eine heiße Affäre mit einer zehn Jahre älteren Frau hast."
Ich legte den Kopf schief und blinzelte leicht: „Würdest du das auch sagen, wenn ich dein Sohn wäre?"
Lauthals lachte die Blondine los: „Du bist aber nicht mein Sohn und keine Ahnung, wie ich da reagieren würde. Dazu müsste ich erstmal Kinder haben und vorher einen Mann."
Schlagfertig pfeffert ich ihr entgegen: „Dazu brauchst du nur den Samen. Also eine Samenbank tut es auch."
Wie so oft griff Taylor nach einem Küchenhandtuch, das sich wundersamerweise stets in ihrer Reichweite befand und schlug damit auf mich ein. Mit einer schnellen Handbewegung fasste ich nach einem Zipfel und zog Taylor zu mir. Unsere Nasen waren sich so nahe, dass sie sich fast berührten.
„So wird das nichts", wisperte ich. „Männer wollen nicht geschlagen werden, zumindest die meisten nicht."
„Pfff", machte sie und rollte die Augen. „Ich bin altmodisch, ich bevorzuge die richtige Methode, um Kinder zu zeugen. Und ich schlage Männer nur, wenn sie mich provozieren, wie Pop-Diva das gerade tut."
Abrupt ließ ich das Geschirrtuch los und prompt geriet Taylor ins Straucheln. Beinahe trat sie auf Freddie, der durch die Wohnung huschte, um sich dann an meine Beine zu schmiegen.
„Wenigstens mag er mich", seufzte ich augenzwinkernd.
„Ja, wahrscheinlich steht er auf Männer." Die Blondine ging in Richtung ihres Zimmers, drehte sich kurz um und sprach: „Zeit, sich für das Groove zu stylen."
Beim Abendessen mit Mum, Nan und Taylor konnte ich mich nicht dazu durchringen, meinen Trip nach Las Vegas anzusprechen. Vielmehr erzählte ich von dem genialen Abend im Brandy's, der mir gutes Trinkgeld einbrachte und sinnierte über die Prüfungen, die sich nach der Spring Break wieder näherten.
Zum Glück machte Taylor keinerlei Anspielungen, aber als wir zu Fuß durch die South Bronx liefen, bekam ich einen verbalen Seitenhieb: „Du bist echt ein Schisser und schiebst das bis zur letzten Minute hinaus, oder?"
Tief seufzte ich: „Sieht wohl so aus."
Um auf andere Gedanken zu kommen, begab ich mich direkt auf die Tanzfläche, nachdem wir den Club betreten hatten. Nachher hatte ich noch genug Zeit, mit meinen Freunden zu quatschen.
Das tat ich ausgiebig mit Harry, als Liam und Louis nach draußen gingen. Ohne groß um den heißen Brei herumzureden, erzählte ich von meinen Spring Break Plänen und Harry schien sehr angetan.
„Du bist ein echter Glückspilz, Niall. Vegas ist irre und dann noch mit so einer Frau wie Miriam. Das wird eine super Zeit für dich. Ich gönne dir das so."
„Danke." Ich gab ihm ein Bier aus und bestellte ein alkoholfreies für mich. Noch immer traute ich mich nicht an Alkohol heran, obwohl meine Leberwerte inzwischen vollkommen normal waren.
„Was machst du denn in der Spring Break?", erkundigte ich mich bei dem Lockenkopf.
„Keine Ahnung. Ich habe nichts Besonderes vor."
Ich beugte mich zu ihm, damit er mich besser verstand und sagte: „Dann kümmere dich ein bisschen um Taylor, wenn ich weg bin. Sie vereinsamt sonst noch total."
Harry runzelte seine Stirn: „Muss sie nicht arbeiten?"
„Sie hat sich Donnerstag und Freitag freigenommen und faselte etwas von einem Wellness Tag und putzen und aufräumen."
Nervös fuhr Harrys sich mit einer Hand durch die Locken: „Also ich schaue mal, was ich da tun kann."
Leicht klopfte ich ihm auf die Schulter: „Du schaffst das schon."
Ein Blinder mit einem Krückstock sah, dass er noch immer in sie verknallt war. Vielleicht würde Taylor ihre Einstellung, unbedingt einen älteren Freund haben zu wollen, noch ändern.
Das Gespräch mit Mum und Nan zögerte ich tatsächlich bis zum letzten Tag hinaus. Beiden stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben, als ich Sonntagsnachmittags aufkreuzte und gleich mit der Wahrheit rausrückte.
„Ich verreise morgen für einige Tage nach Las Vegas."
„Bitte was?", meiner Mum fiel fast die Nagelschere aus der Hand.
„Mit wem denn?", wollte Nan wissen.
Es wurde Zeit, kein Feigling mehr zu sein. „Mit Miriam. Also wir kennen uns schon länger und feiern dort ihren Geburtstag zusammen."
„Du hast eine Freundin? Und bringst sie nicht mit hierher?", empörte sich Mum.
Ausgerechnet Nan erfasst die Lage messerscharf: „Ich denke nicht, dass sie so etwas wie eine feste Freundin ist. Sonst hätte Niall sie uns vorgestellt. Robyn lernte ich damals recht schnell kennen."
Bei der Erwähnung ihres Namens zuckte ich innerlich zusammen. Ich wollte nicht an Robyn denken. Sie war meine Vergangenheit. Eine wunderschöne Erinnerung, die ich niemals ganz vergessen würde. Aber ich lebte in der Zukunft, im Hier und Jetzt.
Mit aller Macht versuchte ich mich seit geraumer Zeit, innerlich von Robyn abzunabeln. Das sollte so bleiben, weshalb ich nie über sie sprach.
„Also ich melde mich, wenn ich in Las Vegas angekommen bin", sprach ich, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
Meine Mum reagierte, wie ich es vermutete: „Darum möchte ich bitten und Nan auch."
~~~
Ich flog zum ersten Mal und war demensprechend aufgeregt, als Miriam und ich am frühen Montagabend in das Flugzeug stiegen. Die Maschine war fast voll, doch wir fanden unsere Sitzplätze schnell und verstauten das Handgepäck in dem Fach über der Sitzreihe. Miriam ließ mich am Fenster sitzen, wofür ich ihr sehr dankbar war.
„Dann kannst du den Start genießen und alles genau anschauen."
Das tat ich mit voller Begeisterung. Es fühlte sich cool an, als die Maschine beschleunigte und Sekunden später abhob. Während des Starts schaute ich die ganze Zeit aus dem Fenster und schoss später Fotos als wir uns über den Wolken befanden. Wie große Wattebäusche schwebten sie in der Luft und erweckten den Wunsch, darauf laufen zu wollen.
Insgesamt dauerte der Flug fünfeinhalb Stunden, was nicht verwunderlich war, da wir quasi von der Ostküste bis fast zur Westküste reisten. Die Landung fühlte sich etwas holprig an, aber nicht unangenehm und als wir am Gepäckband standen, erblickte ich zuerst Miriams und dann meinen Koffer. Beide wuchtete ich vom Band und gemeinsam gingen wir zum Taxistand. Die Luft fühlte sich angenehm warm an und es roch hier anders als in New York.
Gemeinsam mit Miriam stieg in den weißen SUV, während der Fahrer die Koffer einlud. Der Flughafen lag in Stadtnähe, weshalb wir unser Ziel schnell erreichten. Inzwischen war der Himmel zwar dunkel, doch Las Vegas erstrahlte in hellem Glanz. Überall Lichter, Hotels, die man nicht zu zählen vermochte, Leuchtreklamen und jede Menge Leute, die durch die Straßen bummelten
Ich war so aufgeregt, dass ich keine Müdigkeit verspürte, obwohl der Zeitunterschied zu New York drei Stunden betrug. Für meinen Körper war es zwölf Uhr nachts, in Las Vegas hingegen neun Uhr am Abend.
Der Prunkpalast, das Caesar's Palace, in dem wir eincheckten, erschreckte mich komischerweise nicht. Sicher lag es daran, dass ich nicht zum ersten Mal mit Dekadenz in Berührung kam. Dennoch bestaunte ich die großen, edelaussehenden Säulen sowie die riesige Statue, die den römischen Herrscher Caesar darstellte.
Wir liefen über blankgesputzte Fliesen bis zu den Aufzügen und als wir endlich unser Zimmer betraten, haute mich der Anblick fast um. So stellte ich mir die Absteige der großen Stars vor.
Zwei Queensize Betten, riesige, bodentiefe Fenster, flauschiger Teppichboden, eine Sitzecke sowie ein überdimensionales Badezimmer, das keine Wünsche offenließ. ES besaß sowohl eine Dusche als auch eine Badewanne, zwei Waschbecken, Toilette und Bidet. Erneut schoss ich jede Menge Bilder, die ich in unsere Groove WhatsApp Gruppe stellte. Dabei war es mir herzlich egal, was die anderen, speziell Louis, dachten.
„Meine Güte", entfuhr es mir. „das ist eine richtige Wellness Oase."
Miriam stand direkt hinter mir, legte ihre Arme um meinen Körper und meinte: „Was willst du nachher zuerst ausprobieren? Dusche oder Wanne?"
Meine Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen: „Das entscheiden wir dann. Aber jetzt habe ich erstmal Hunger."
Es schien kein Problem, in Las Vegas etwas zu essen aufzutreiben. Allerdings war uns beiden nicht danach, in ein Restaurant einzukehren. Viel lieber wollten wir uns die Füße vertreten und aßen ganz klassisch Burger aus der Hand, während wir über den Strip bummelten.
Ich war viel zu aufgedreht, um mich schlafen legen zu können und Miriam erging es wohl ebenso. Hand in Hand liefen wir den Strip entlang, kehrten in die unterschiedlichen Hotels ein, deren Themenwelten mich beeindruckten. Da gab es einen feuerspeienden Vulkan vor dem Hotel Mirage, wunderschöne Wasserspiele vor dem Bellagio Hotel und das Venetian glänzte mit Gondeln im Wasser, wie man sie wohl im echten Venedig vorfand.
Ich tauchte in die Welt aus Glanz und Glamour ein, ließ mich treiben und erst als wir in unserem Zimmer ankamen, überfiel mich die Müdigkeit.
Den nächsten Tag verbrachten wir zunächst in einem Outlet, das wir mit einem Taxi erreichten. Miriam wollte shoppen und ich hatte nichts dagegen, mir das Outlet Center anzuschauen. Obwohl die Preise stark heruntergesetzt waren, verkniff ich mir Geld auszugeben. Miriam hatte ausdrücklich angekündigt, kein Geschenk zu wollen, aber ich hielt mich nicht daran und kaufte eine Packung ihrer Lieblingspralinen. Wenigstens eine Kleinigkeit sollte sie um Mitternacht auspacken dürfen.
Die Zeit verrann schnell und ehe ich mich versah, brach der Abend an.
„Zählst du schon die Stunden?", erkundigte ich mich augenzwinkernd, als wir beim Abendessen saßen. Miriam hatte dafür das Hard Rock Café ausgesucht, auf dessen großer Terrasse wir uns die Mahlzeit schmecken ließen, während wir über den Strip blickten.
„Noch nicht. Aber wenn es auf zwölf Uhr zugeht, werde ich wohl nervös werden?"
„Weshalb?"
„Vielleicht, weil es seit langem ein schöner Geburtstag sein wird." Sie schaute mir direkt in die Augen: „Ich bin dir so dankbar, dass du mitgekommen bist, Niall."
„Und ich bin froh, dass ich das gemacht habe."
Bereits vor Mitternacht saßen wir im Zimmer und Miriam nahm das Telefon in die Hand. „Soll ich für dich alkoholfreien Champagner bestellen, Niall?"
Meine Antwort erfolgte aus dem Bauch heraus: „Nein, heute trinke ich mit dir richtigen Alkohol."
Irgendwann wollte ich es testen und das Irgendwann war genau jetzt.
Sie nickte, orderte eine Flasche, die innerhalb von zehn Minuten auf seinem Servierwagen, in einem großen Kübel, der voller Eis war, von einem Angestellten ins Zimmer geschoben wurde. Er öffnete sogar die Flasche für uns und schenkte die beiden Gläser voll.
Miriam gab ihm ein großzügiges Trinkgeld und ich schaute auf die Flasche. Zum ersten Mal Alkohol seit langer Zeit. Wie ich das wohl vertrug?
Um Punkt Mitternacht stieß ich mit Miriam an: „Alles Gute zum Geburtstag, Miri." Ich hauchte einen Kuss auf ihren Mund und spürte dabei ihr Lächeln.
„Danke, Niall", wisperte sie leise.
Der erste Schluck schmeckte ungewohnt, aber super. Ich hatte gar nicht mehr auf dem Schirm, wie sich Alkohol anfühlte, wenn er in den Blutkreislauf gelangte. Da ich seit einer gefühlten Ewigkeit nichts mehr getrunken hatte, trat die Wirkung immens schnell ein. Ich fühlte mich leicht benebelt, aber trotzdem noch fit genug, um Miriam zu verführen.
Zuerst überreichte ich ihr jedoch die Pralinen, über die sie sich riesig freute.
„Du solltest mir doch nichts schenken."
Grinsend hob ich sie hoch und trug sie zum Bett, das am Fenster stand.
„Dann wollen wir doch mal sehen, ob du mit dreiunddreißig noch genauso abgehst wie mit zweiunddreißig."
Ihr lautes ansteckendes Lachen drang in meine Ohren und Sekunden später küssten wir uns heftig. Vielleicht war es der Alkohol, der mich anspornte Dinge zu tun, die ich bisher aus Rücksicht vermieden hatte. Miriams Narben auf dem Rücken waren der Grund. Ich hatte Angst, sie könnte panisch werden und an ihre Vergangenheit erinnert werden, wenn ich mich hinter ihr platzierte.
Zu meiner großen Überraschung blieb sie ganz relaxed.
„Du brauchst keine Angst zu haben", wisperte ich und hauchte mehrere Küsse auf ihren lädierten Rücken.
„Die habe ich nicht. Nicht mir dir, Niall."
Diese Worte zu hören, tat enorm gut, denn sie zeugten von großem Vertrauen. Trotzdem war ich vorsichtig und ließ es langsam angehen, doch es war Miriam, die mehr von mir forderte. Unser Sex war heiß wie immer, aber dieses Mal hatte ich das Gefühl, einen Punkt in ihr erwischt zu haben, der sie wirklich an die Grenzen brachte.
„Meine Güte, das war echt...heftig", keuchte Miriam atemlos, als wir schweißgebadet im Bett lagen. „Ich möchte gar nicht wissen, wie du mit dreiunddreißig abgehst."
Sie hauchte einen Kuss auf meine Wange und ich schmunzelte: „Bis dahin habe ich noch fast zehn Jahre Zeit."
Sanft streichelte sie mit ihren Fingern durch mein Haar: „Die Zeit vergeht schneller, als man denkt."
Das tat sie, vor allem in Las Vegas. Am nächsten Abend lud ich Miriam zum Essen ein, in ein Restaurant, das witzigerweise den Namen eines New Yorker Bezirks trug: Hell's Kitchen. Es schmeckte hervorragend und ich fühlte mich gut, weil ich Miriam einladen durfte. Sie bedankte sich mit einem Kuss, als wir draußen standen und sprach: „Das war mein bester Geburtstag seit vier Jahren."
Den Rest des Abends verbrachten wir in Downtown Las Vegas, dem ursprünglichen Teil der Stadt. Dort erwartete uns eine Laser Show vom Feinsten und die alten Hotels, die ein besonderes Flair besaßen. Leute saßen vor den Spielautomaten, den einarmigen Banditen und wie in unserem Hotel gab es auch Roulettetische.
„Die armen Teufel", seufzte Miriam. „Das ist die Schattenseite von Vegas, die Spielsüchtigen. So mancher hat hier sein ganzes Vermögen auf den Kopf gehauen."
Es erschloss sich mir nicht, wie man so etwas tun konnte. Ich war froh um jeden Dollar, den ich zusätzlich im Brandy's zugesteckt bekam und hatte mein Leben lang gelernt zu sparen. Andererseits taten die Menschen mir leid, denn Spielsucht war eine Krankheit.
Nach zwei weiteren wundervollen Tagen und Nächten ging es am Freitagmorgen zurück nach New York. Der Flug verging schnell, da ich zwischendurch schlief und als wir landeten schoss ich noch einige Bilder von meinem Fensterplatz aus.
„New York hat uns wieder", seufzte ich, während ich die Koffer vom Gepäckband holte.
„Das hat auch seine Vorteile. Heute Abend spielst du wieder im Brandy's", schmunzelte meine rothaarige Affäre.
„Und anschließend bringe ich dich nach Hause", vollendete ich ihren Gedankengang.
„Was du aus reiner Wohltätigkeit tust", zog sie mich auf und sprach im nächsten Atemzug: „Wie wäre es, wenn wir jetzt ein Taxi nehmen, um nach Hause zu gelangen?"
Gerade als ich darauf antworten wollte, tauchte in der Menge ein bekanntes Gesicht vor mir auf.
Harry.
Überrascht starrte ich ihn an und er begann zu grinsen: „Taxi nach Hause gefällig? Ich dachte, ich komme dich abholen."
Eines musste man ihm lassen. Er war immer für eine Überraschung gut.
„Ähm, wenn wir Miriam mitnehmen und zuhause absetzen, bin ich dabei", erwiderte ich und begrüßte meinen Kumpel mit einem Schlag auf die Schulter.
„Aber gerne doch."
Miriam hatte rein gar nichts dagegen und bewunderte Harrys Auto: „Der Wagen ist toll. Wie viel PS hat er denn?"
„Fünfhundertvierundvierzig" antwortete der Lockenkopf voller Stolz.
„Nicht schlecht", fand Miriam.
„Leider kann ich ihn so gut wie nie ausfahren. Aufgrund dieser dämlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen", beschwerte sich Harry. Dann fuhr er los und ich wurde in den Sitz gepresst.
Wie versprochen setzten wir Miriam zuerst zuhause ab und fuhren dann allein weiter.
„Wie war Vegas, Niall?"
Ich schaute ihn von der Seite an: „Du hast die Bilder gesehen und warum habe ich das Gefühl, dass du gerade über was ganz anderes reden möchtest, aber nur zu höflich bist, damit anzufangen?"
Sein tiefes Seufzen ließ erahnen, dass ich richtig lag: „Es geht um Taylor."
Gerade verspürte ich den Wunsch, mir eine Kippe anzuzünden, aber in Harrys Auto herrschte Rauchverbot und daran hielt ich mich. Stattdessen steckte ich einen Kaugummi in meinen Mund und fragte lässig: „Was ist denn mit ihr?"
Harrys Worte ließen mich über beide Ohren grinsen: „Wir gehen nachher ins Theater und ich wollte fragen, ob du ein paar Tipps für mich hast."
_____
Ein netter kleiner Cliffhanger.
Unglaublich, dass wir schon bei Kapitel 40 angekommen sind. Ihr fragt euch sicher, wohin das alles führt, oder?
Wie fandet ihr es, dass Miriam und Niall einige Tage in Las Vegas verbracht haben?
Konnte man Miriams Wunsch, ihren Geburtstag besonders verbringen zu wollen, nachvollziehen?
Was sagt ihr dazu, dass Niall nach langer Zeit mal wieder Alkohol getrunken hat?
War von euch schon mal jemand in Las Vegas? Ich war schon mehrere Male dort und finde die Stadt immer wieder faszinierend. So gesehen kann ich Niall gut verstehen, dass er so angetan war.
Nun zu Harry. Wie wird wohl der Abend mit Taylor werden?
Und wird Niall ihm hilfreiche Tipps geben können?
Und nein, ich habe nicht vor, euch auf die Folter zu spannen. Das nächste Kapitel wird aus Harrys Sicht sein.
Danke für all die Unterstützung in Form von Votes und besonders für die Kommentare. Die ernähren mich. xD
LG, Ambi xxx
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