25. Alteration
Reach out, touch faithYour own personal Jesus
Someone to hear your prayers
Someone who cares
Your own personal Jesus
Someone to hear your prayers
Someone who's thereFeeling unknown
And you're all alone
Flesh and bone
By the telephone
Lift up the receiver
I'll make you a believerTake second best
Put me to the test
Things on your chest
You need to confess
I will deliver
You know I'm a forgiverReach out, touch faith
Reach out, touch faith
Depeche Mode - Personal Jesus
< N I A L L >
Es war ein riesiger Aufwand, eine Besuchserlaubnis für Liam zu erhalten.
Da das Vergehen, für das er beschuldigt wurde, keine Kaution vorsah, blieb mir nur die Alternative, ihn im Knast zu besuchen.
Zum Erhalt einer Besuchserlaubnis musste ich, wie jeder andere Mensch auch, bei der Staatsanwaltschaft während der üblichen Sprechzeiten nach vorheriger telefonischer Absprache unter Vorlage eines gültigen Ausweisdokuments persönlich vorsprechen.
Das tat ich umgehend, nachdem ich mich bei meiner Familie durchgesetzt hatte, dass ich derjenige sein würde, der Liam besuchte. Die Assistentin des Staatsanwaltes schlug mir einen Termin am Mittwoch um elf Uhr vor, den ich sofort annahm.
Eisige Kälte schlug mir entgegen, als ich mich auf den Weg zur Subway machte. Ich trug meinen neuen marinefarbenen Daunenparka, den ich günstig bei TJ Max erworben hatte, sowie einen Schal, denn eine Erkältung konnte ich mir jetzt nicht erlauben. Mein Management würde mir den Anschiss aller Zeiten erteilen, mit Recht sogar. Mein dunkelblaues Beanie zog ich tief in die Stirn und setzte mir sogar eine Sonnenbrille auf. 'Tarnung ist alles', lautete Marlenes Devise, die ich mir zu Herzen nahm.
Nervös saß ich eine halbe Stunde später im Wartebereich vor dem Büro des Staatsanwaltes. Meine Gedanken standen nicht still. Hatte Liam wirklich jemanden ermordet? Auszuschließen war es keineswegs, denn in einer Gang waren solche Dinge nicht ungewöhnlich. Racheakte oder auch ein plötzlicher Angriff gehörten zu den Sachen, die regelmäßig vorkamen.
Bisher glaubte ich immer an das Gute in Liam, wollte mir nicht vorstellten, dass er zu solch einer Tat fähig war und betete, dass ein Versehen vorlag. Liam war kein schlechter Mensch und zudem wie ein Bruder für mich.
„Mr Horan", rief seine Assistentin mich nach ungefähr fünf Minuten auf, „Mr Dillingham empfängt Sie nun."
Staatsanwalt Dillingham war ein älterer Mann mit fast weißen Haaren, einer Brille und zahlreichen Falten im Gesicht. Er wirkte ruhig und studierte kurz die Akte, die vor ihm auf dem wuchtigen Schreibtisch lag.
„Liam Payne ist ihr Cousin?"
Kurz räusperte ich mich: „Ja, das ist er."
In aller Seelenruhe holte er einen Kugelschreiber aus einer der Schubladen und unterschrieb ein Dokument, das er mir mit folgenden Worten aushändigte: „Sie können sich glücklich schätzen. Das ist die letzte Besuchserlaubnis, die ich jemals ausstellen werde."
Kurz schluckte ich, denn das klang, als ob ich Liam vor seiner Verhandlung nicht mehr sehen würde: „Warum stellen Sie danach keine mehr aus?"
Mr Dillingham schob seine Brille auf der Nase zurecht: „Weil ich ab morgen in Pension bin. Ich kann es kaum erwarten, meine freie Zeit zu genießen."
„Oh", sprach ich, „dann kann man wohl gratulieren."
Er lachte kurz: „Ja, es war ein langes Arbeitsleben. Ab morgen wird ein anderer Kollege zuständig sein, was aber nicht heißt, dass Sie nochmals eine Besuchserlaubnis erhalten. Normalerweise wird diese vor der Verhandlung nur einmal erteilt."
Wie auf Bestellung trat Mr Dillinghams Assistentin nach einem kurzen Anklopfen in das Büro: „Darf ich kurz stören? Mr Gabriel ist am Telefon."
„Bitte stellen Sie ihn durch", verlangte der Staatsanwalt. Er nickte mir zu und ich erhob mich von dem gepolsterten Stuhl. Bevor ich das Zimmer verließ, bekam ich allerdings die Worte mit, mit denen Mr Dillingham seinen Telefonpartner begrüßte: „Schön, dass du dich meldest, Ruben. Sicher kannst du es kaum erwarten, ab morgen hier an diesem Schreibtisch zu sitzen."
In diesem Moment wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ruben...vielleicht würde ich doch Glück haben und konnte Liam ein weiteres Mal besuchen.
Mit diesen Gedanken im Kopf machte ich mich auf den Weg zur Justizvollzugsanstalt, in der Liam untergebracht war. Dort legte ich das unterschriebene Dokument vor und wurde prompt aufgefordert, meinen Mantel, den Schal abzulegen, sowie sämtliche Taschen zu leeren. Eindeutig war ich aus der Übung, was Knastbesuche anging, denn ich brauchte ziemlich lange, bis ich endlich am Durchgang stand.
Ein Beamter begleitete mich weiter und schließlich brachte er mich in einen Warteraum. Gedankenverloren ließ ich mich auf einem der Stühle nieder und wartete, bis man Liam hineinführte.
Seinen Gesichtsausdruck, als er mich erblickte, würde ich nie vergessen. Da war Erleichterung, aber auch Angst.
„Niall, schön, dass du gekommen bist", sprach er leise.
„Das musste ich."
Liam setzte sich mir gegenüber und ich wollte zunächst wissen, wie es ihm ging.
„Den Umständen entsprechend. Da ich nicht zum ersten Mal im Knast bin, weiß ich, wie ich mich zu benehmen habe, um nicht als Opfer dazustehen."
Ich nickte und meinte: „Was genau ist passiert?"
Mein Cousin begann zu erzählen und ich hörte konzentriert zu.
„Ich war allein unterwegs, in der South Bronx. Es war schweinkalt in dieser Nacht. Ich trug Handschuhe, was ich sonst nie mache, aber ich hatte echt das Gefühl, mir würden sonst die Finger abfallen."
Gut erinnerte ich mich an die Nacht, von der er sprach. In der Tat war es ungewöhnlich kalt gewesen.
„An einer Ecke bemerkte ich eine Rangelei, was ja nichts Ungewöhnliches in unserem Viertel ist. Dann hörte ich Schreie und zwei Typen rannten weg. Ein Mann lag auf dem Boden und ich ging hin, um zu schauen, was passiert war und ob ich ihm vielleicht helfen könnte."
Mir schwante Schlimmes und leider bestätigten sich meine Vermutungen.
„Ein Messer steckte in der Brust des Typen. Ich sah es zu spät, da er halb auf dem Bauch lag. Erst als ich ihn umdrehte und das Blut an meinen Handschuhen klebte, bemerkte ich das."
Liam berichtete ungewöhnlich ruhig und sachlich von der Geschichte. Doch als er fertig war, ergriff er meine rechte Hand: „Niall, ich war es nicht."
Ich schaute in seine braunen Augen, die mich anblickten. Da war kein Zögern, keine Unsicherheit. Und dann sprach er einen Satz, der für mich ausschlaggebend war, ihm hundert Prozent zu glauben.
„Ich schwöre es beim Leben unserer Großmutter."
„Scheiße", presste ich hervor. Seine Chancen, hier heil rauszukommen standen bei null. Vorbestraft, Mitglied einer polizeibekannten Gang und ohne Alibi und Zeugen, würde er in den Knast wandern. Zum Glück gab es in New York keine Todesstrafe, aber ihm konnte ohne weiteres lebenslang blühen.
Innerlich krampfte sich alles in mir zusammen und ich wünschte mir, ihm helfen zu können.
„Ich besorge dir einen Anwalt", ließ ich verlauten.
„Das musst du nicht, Niall." Liam drückte meine Hand, worauf ich seufzte: „Es ist das Mindeste, was ich für dich tun kann. Also lass es mich bitte machen."
Liam seufzte und sprach: „Es gibt noch etwas, um das ich dich bitten möchte."
Aufmerksam betrachtete ich ihn: „Und das wäre?"
„Jace muss erfahren, dass man mich eingeknastet hat. Die Jungs von der Gang haben keine Ahnung, wo ich stecke. Am Ende denken sie noch, ich sei untergetaucht."
Er lachte über seinen eigenen Witz, aber mir war nicht nach Scherzen zumute.
„Wenn du mir sagst, wo ich ihn finde, dann werde ich das tun", versprach ich, wobei mir nicht wohl bei der Sache war.
Liam nannte mir die Adresse von Jace, mit dem Hinweis, dass dieser meistens am späten Vormittag anzutreffen sei. Ich musste die Straße und Hausnummer im Kopf behalten, denn ich hatte mein Handy abgeben müssen, bevor ich zu meinem Cousin gelangte. Eintippen war also nicht.
Bevor ich ging, sagte er seinen Satz, der mein Herz schwer machte: „Bitte sag Sophia, dass ich sie liebe."
Fast standen Tränen in meinen Augen, denn die Gewissheit, dass er hier nie wieder rauskommen würde, beherrschte meinen Kopf. So sehr, dass ich meine Verabredung mit Vanessa vergaß. Erst als sie mich am frühen Nachmittag anrief, fiel es mir wieder ein.
„Sorry, Nessa, es gibt Probleme innerhalb meiner Familie", entschuldigte ich mich. Sie hatte keine Ahnung, dass mein Cousin vorbestraft und Teil einer Gang war. Ich wollte das auch im Moment nicht erzählen, da stand mir nicht der Sinn danach.
„Oh, das tut mir leid, Niall. Wenn ich helfen kann, sag mir bitte Bescheid", vernahm ich ihre angenehme Stimme.
„Das ist lieb von dir, Nessa. Im Moment muss ich einiges regeln. Ich melde mich, wenn ich kann, okay?"
„Okay. Du weißt, wo du mich findest."
Vanessa machte nie einen Aufriss, wenn etwas dazwischenkam, und das mochte ich sehr an ihr.
In meiner Wohnung fiel mir die Decke auf den Kopf. Ohnehin wollte ich in die South Bronx fahren, da meine Familie auf eine Nachricht von mir wartete. Auf dem Weg dorthin kaufte ich mir eine Packung Zigaretten. Obwohl ich nicht mehr rauchte, brauchte ich das gerade. Es schien, als könnte ich damit meine aufgewühlten Nerven beruhigen. Heftig zog ich an der Kippe, während ich von der Subway Station in Mott Haven zum Haus meiner Familie lief.
Dort saßen Nan, Mum und Onkel Colin am Küchentisch und warteten auf meine Erzählungen.
Nan begann zu weinen, denn sie wusste sehr wohl, was dies bedeutete. Mum drückte mich an sich und Colin dankte mir, dass ich bei Liam war.
„Wie geht es denn jetzt weiter?", wollte meine Mum wissen.
„Ich besorge ihm einen Anwalt", erwiderte ich.
Meine Aufgabe für den morgigen Tag stand somit fest. Den besten Anwalt zu finden, den ich auftreiben konnte.
Sophia per WhatsApp auszurichten, was Liam mir aufgetragen hatte, kam nicht infrage und somit suchte ich sie zuhause auf. Sie hatte Frühdienst und demnach bereits Feierabend.
Als sie die Tür öffnete, umarmten wir uns sofort und ich spürte, wie ihr schlanker Körper zitterte.
„Es geht ihm gut", wisperte ich ihr ins Ohr und drückte sie an mich. Tränen rannen über ihre Wangen, die sie mit einer fahrigen Handbewegung wegwischte.
„Was hat er gesagt?"
So präzise wie möglich gab ich unser Gespräch wieder und zum Schluss ließ ich Sophia wissen, dass ich einen guten Anwalt suchte, der Liam bei Gericht vertrat.
„Du bist so ein lieber Kerl", schluchzte sie, „du tust alles für deine Familie."
Sanft strich ich eine ihrer Haarsträhnen aus ihrem Gesicht: „Du würdest das Gleiche tun, oder nicht?"
„Natürlich", kam es knapp zurück.
Sie bot mir einen Kaffee an, den ich dankend annahm. Als wir uns an dem kleinen Küchentisch gegenübersaßen, schaute ich ihr in die Augen: „Ich soll dir etwas von Liam ausrichten."
Sophia schluckte hart: „Was denn?"
„Ich soll dir sagen, dass er dich liebt."
Ihre Augen bekamen einen seltsam verklärten Glanz und ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Danke. Solltest du ihn nochmal vor der Verhandlung sehen, dann richte ihm bitte aus, dass ich ihn ebenfalls liebe."
Sophia tat mir unendlich leid. Das, was sie gerade durchmachte, glich sicher einer Wanderung durch die Hölle. Ohne Rückkehr.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich den restlichen Abend überstehen sollte, ohne verrückt zu werden. Deshalb schrieb ich eine Nachricht in unsere WhatsApp Groove Gruppe, in der ich allen mitteilte, dass ich unterwegs ins Calinson sei. Louis und den Rest unserer Clique zu informieren, lag mir sehr am Herzen.
Eleanor begrüßte mich mit ernstem Blick und ich ließ sie wissen, dass ich mich ins Separee setzen und mit Louis sprechen wollte. Da es bereits halb zehn war, die meisten Gäste gegessen hatten und unter der Woche nicht so viel los war, brauchte ich nicht lange auf meinen besten Freund zu warten.
„Niall", begrüßte er mich mit einem Schulterklopfen, „endlich bist du da. Taylor und Harry kommen auch gleich."
„Gut, dann muss ich nicht alles zweimal erzählen", sprach ich und hängte meinen Mantel über einen der bunten Sessel, die nur im Separee standen. Lottie hatte diese mit einem weichen plüschartigen Stoff bezogen. Selbst wenn ich es nicht gewusst hätte, erkannte ich ihre Handschrift, was diese Dinge anging.
Den Schal behielt ich an, da ich mit Louis draußen eine rauchen wollte.
„Hattest du nicht aufgehört?", meinte er, worauf ich laut seufzte.
„Ich brauche das im Moment, okay? Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht."
In der Tat fühlte ich mich hilflos und der Gedanke, dass Liam vermutlich für immer im Knast landete, umhüllte mich wie ein Horrorszenario.
Sein ganzes Leben war am Arsch, wenn man ihn verurteilte.
Nach zehn Minuten trafen Harry und Taylor ein. Da das Lokal inzwischen geschlossen hatte, nahm wir alle an einem der Tische im Separee Platz, damit ich berichten konnte.
„So ein Mist", entfuhr es Harry, während Taylor erschüttert wirkte.
„Kennst du einen guten Anwalt?", sprach ich den Lockenkopf direkt an.
„Ich kann mich umhören", gab er zur Antwort, worauf ich ihm zunickte.
In Harrys Kreisen sollte es möglich sein, einen Anwalt aufzutreiben, der es mit der Staatsanwaltschaft aufzunehmen vermochte.
Völlig fertig fiel ich an diesem Abend ins Bett. Mein Kopf dröhnte, ich war hundemüde und doch lag ich hellwach da. Zu viele Gedanken kreisten in meinem Hirn. Verzweifelt suchte ich nach Lösungen für eine Sache, deren Chancenlosigkeit von vornherein feststand. Ich würde Liam da niemals rauskriegen, so sehr ich es mir wünschte.
So sehr ich es ihm wünschte.
So sehr ich es Sophia wünschte.
Irgendwann dämmerte ich weg, wurde am nächsten Morgen wach, weil mein Handy sich meldete. Mein Management, na super. Hoffentlich hatte ich keinen Termin verpasst.
„Hi, Gregory, was gibt es denn?" Meine Stimme klang rau, als ob ich die ganze Nacht gesoffen hätte.
„Guten Morgen, Niall", begrüßte er mich. „Wir möchten dich bitten, um elf Uhr hier zu sein, denn wir müssen etwas Wichtiges besprechen, was deine Tour angeht."
Mühsam setzte ich mich auf, dabei fühlten sich meine Knochen an, als hätte ich den Abend zuvor geboxt.
„Ist okay, ich werde da sein", erwiderte ich. „Kannst du mir vielleicht genauer verraten, um was es geht?"
„Nein, das wirst du dann erfahren." Gregory konnte einem wirklich auf die Folter spannen. Sowas hatte er voll drauf.
Ohne Zeitverzögerung erhob ich mich, wanderte ins Badezimmer und sprang unter die Dusche. Danach zog ich mich an, setzte die Kaffeemaschine in Gang und durchforstete den Kühlschrank nach etwas Essbarem. Die Milchpackung blitzte mir entgegen und forderte mich auf, ihren Inhalt mit den Cornflakes zu vereinen, die ich vorgestern erst gekauft hatte. Ich ärgerte mich, weil ich Jace an diesem Vormittag nicht aufsuchen konnte und hoffte, dies am morgigen Tag erledigen zu können. Schließlich hatte ich es Liam versprochen und meine Versprechen hielt ich immer.
Als ich mich später auf dem Weg zum Management befand, zermarterte ich mir das Hirn darüber, was es wohl für die Tour noch zu besprechen gab. Meiner Ansicht nach hatten wir alles Essenzielle bereits geklärt.
Im Büro angekommen, sah ich der üblichen kleinen Crew entgegen. Gregory, Josh und Marlene. Letzteres wirkte etwas blass um die Nase, aber sie lächelte, als sie mich begrüßte.
Ich bediente mich am Kaffee und fragte: „Okay, was gibt es so Wichtiges, dass ihr mich heute früh aus dem Bett geklingelt habt?"
„Da gebe ich das Wort an Marlene weiter", sprach Gregory ruhig.
Erstaunt blickte ich zu meiner Security Dame, die ein wenig bedrückt wirkte. Sekunden später erfuhr ich den Grund, der mich echt aus den Schuhen haute.
„Ich kann dich nicht auf Tour begleiten, Niall."
„Bitte was? Wieso nicht?!" Ein großes Fragezeichen befand sich in meinem Kopf, doch Marlene löste es mit den nächsten Sätzen auf.
„Ich bin schwanger, Niall. Deshalb höre ich einstweilen mit dem Arbeiten auf. Ich kann verstehen, wenn dich das schockiert."
„Ähm, nein, also ich meine, ja, es kommt plötzlich", stammelte ich. „Aber ich freue mich für dich, sehr sogar."
Marlene erhob sich von ihrem Stuhl: „Ich möchte gerne kurz unter vier Augen mit Niall reden."
„Das geht klar. Bleibt ihr beide hier, Josh und ich verziehen uns nach draußen."
Nachdem beide gegangen waren, wandte sich Marlene an mich: „Es tut mir wirklich leid, Niall. Meine Schwangerschaft war nicht geplant, aber ich liebe meinen Freund und irgendwann wollten wir Kinder haben. Zwar nicht jetzt, aber es passierte nun mal und ich..." Die ersten Tränen rannen über ihre Wangen und das war der Moment, in dem ich sie in den Arm nahm.
„Alles gut, Marlene", flüsterte ich ihr ins Ohr. „Du bist...die beste Security, die sich ein Künstler wünschen kann. Ich werde dich wahnsinnig vermissen, doch ich wünsche dir und deinem Freund alles Gute. Pass auf das Baby auf und schick mir Bilder, wenn es da ist."
„Danke", schniefte sie. „Du bist so lieb, Niall. Ich habe echt gerne mit dir gearbeitet."
„Ich auch mit dir", seufzte ich, „und ich wünschte, ich wüsste, wie es weitergeht. Ich brauche eine neue Security."
„Das wird kein Problem sein", erwiderte Marlene. „Gregory sucht jemanden aus dem Pool für dich aus. Da sind lauter qualifizierte Security, die schon jahrelang die Künstler auf Tour begleiten. Du wirst weiterhin sicher sein."
Ich schaute Marlene in die Augen: „Ich muss der Person vertrauen können. So, wie ich dir vertraue. Das wird verdammt schwer."
Sie zwinkerte mir zu: „Du packst das. Wir beide mussten uns auch erst zusammenraufen, oder hast du das vergessen?"
„Nein, habe ich nicht", grinste ich und dachte prompt an die Sache als Vanessa mich ohne Vorankündigung auf Tour besuchte.
Marlene drückte mir einen Kuss auf die Wange: „Du bist einer meiner Lieblingskünstler, für die ich je gearbeitet habe. Bleib wie du bist, Niall."
„Das werde ich."
Zwischen uns war alles gesagt und als wir Josh und Gregory zu uns riefen, da ging es nur noch darum, einen geeigneten Nachfolger für Marlene zu finden.
„Ich werde mitentscheiden, wer in die engere Auswahl kommt, denn ich kenne die meisten Kollegen und weiß, wer zu dir passt, Niall", versprach Marlene.
Im Augenblick wusste ich nicht, wo mir der Kopf stand. Konstante Dinge in meinem Leben änderten sich, doch ich versuchte damit umzugehen und mich nicht aus der Bahn werfen zu lassen. Mittlerweile hatte ich gelernt, dass nicht alle Veränderungen schlecht sein mussten und überlegte, was ich als nächstes tun sollte.
Unterwegs ohne Ziel, holte ich mir im nächsten Coffee-Shop einen Latte-to-go. Als ich den ersten Schluck trank, begann es wie aus heiterem Himmel in meinem Kopf zu rattern und meine Gedanken fügten sich zusammen wie ein Puzzle.
Am Rockefeller Plaza kehrte ich in ein Schreibwarengeschäft mit dem Namen Paper Source ein, um einen Briefumschlag, einen Kugelschreiber sowie einen Schreibblock zu erwerben.
Anschließend ging ich zur Subway, die in Richtung Lower Manhattan fuhr, ergatterte einen Sitzplatz in der Bahn und zog den Schreibblock hervor. Sorgfältig verfasste ich meine Worte und noch penibler beschriftete ich den Umschlag, der neben der Anschrift den wichtigen Zusatz „persönlich/streng vertraulich" trug. Niemand, außer die Person, an die er gerichtet war, durfte den Umschlag öffnen. Und dies garantierte, dass nur er das Schriftstück lesen würde.
Mit klopfendem Herzen gab ich den Umschlag an seinem Bestimmungsort ab. Man nahm ihn entgegen und ich wusste, dass man ihn mit einer Art Röntgengerät durchleuchtete, um einen Anschlag auszuschließen. Das Gerät konnte die Zeilen, die ich verfasst hatte, jedoch nicht entziffern. Der Brief sollte innerhalb der nächsten Stunde zugestellt werden und ich konnte bis zum Abend nichts tun, außer Warten.
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Kalte Luft umhüllte mich zusammen mit der Dunkelheit. Aus der Ferne ertönte Hundegebell und es stank nach verdorbenen Essensresten. Ich wartete und hoffte, dass er kommen würde. Normalerweise bat ich niemanden um einen Gefallen, aber dieser hier war gleichermaßen wichtig und gefährlich, wenn die Sache jemals herauskam.
Das nasse Kopfsteinpflaster fühlte sich rutschig an und fast legte ich mich auf die Schnauze, als ich einige Schritte bis zum Müllcontainer ging. Nervös fummelte ich eine Zigarette aus der Packung, die sich in meiner Jackentasche befand, da hörte ich plötzlich ein Geräusch.
Eine große schlanke Gestalt näherte sich mir. Unweigerlich spannte sich mein Körper an. Erst als ich ihn erkannte, atmete ich erleichtert auf. Die Hände in den Manteltaschen vergraben, blickte er mich an: „Warum wolltest du mich sprechen?"
Unsere Augen trafen sich, während ich meine Kippe anzündete: „Ich brauche deine Hilfe."
Sein Blick wirkte erstaunt, fast ungläubig: „Und da bestellst du mich in diese trostlose Gegend? Wir hätten uns in einem gemütlichen Restaurant oder einer kuscheligen Bar treffen können."
Sein Humor brachte mich zum Grinsen, obwohl mir nicht danach zumute war.
„Lass das nicht deine Freundin hören, die wird sonst noch eifersüchtig."
Ein heiseres Lachen entwich seiner Kehle: „Nicht doch, sie weiß, dass du nicht mein Typ bist. Zumindest was das Äußere angeht. Und wie versprochen habe ich ihr auch nichts von unserem Treffen erzählt."
„Das ist gut und wichtig. Niemand darf wissen, dass eine Verbindung zwischen uns besteht. Das könnte die Sache kompliziert werden lassen."
Leicht neigte er den Kopf zur Seite, fixierte mich mit seinem wachen Blick und sprach: „Okay, spuck es aus. Um was geht es?"
Tief holte ich Luft, dann begann ich zu reden. Ohne Punkt und Komma. Knallharte Fakten und meine Bitte zum Schluss.
Jetzt war er es, der heftig atmete, doch ich sah in seinen Augen, dass er meine Gründe zu hundert Prozent nachvollziehen konnte.
Als er die Dinge zusammenfasste, da kam ich mir vor wie ein Krimineller.
Sollte die Sache schiefgehen, würden wir beide in der Hölle landen.
„Okay, Niall, ich werde gleich morgen früh die Akte studieren und dir eine Nachricht zukommen lassen."
Nervös zog ich an meiner Zigarette: „Auf welchem Weg?"
Als Antwort erfolgte eine Gegenfrage: „Gibt es jemandem, dem du zu hundert Prozent vertraust?"
„Louis", erwiderte ich, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
„Dann wird es einfach. Als Stammgast im Calinson fällt es nicht auf, wenn ich mich dorthin begebe, um etwas zu essen. Dass ich deinem Kumpel einen Umschlag überreiche, wird niemand mitkriegen. Auf diese Art und Weise können wir gefahrlos miteinander kommunizieren."
Unsere Blicke trafen sich, hielten einander fest, als Zeichen, dass wir einen Pakt eingingen, von dem niemand jemals erfahren durfte.
„Danke, Ruben", sprach ich leise. „Du bist meine Rettung."
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Endlich sind wir an der Stelle im Prolog angelangt. Damals hatte ich euch gefragt, wer wohl die beiden Personen sind, die sich da treffen. Nicht einer hat es richtig geraten :) aber das ist nicht schlimm.
Die Ereignisse in der Geschichte überschlagen sich in diesem Kapitel nahezu. Liam sitzt unschuldig im Gefängnis, Marlene hört als Security auf und nun die Sache mit Niall und Ruben... Irgendwelche Ideen, was die beiden vorhaben?
Ob es Marlene wohl gelingt, einen passenden Security für Niall zu finden?
Und dann ist da noch die Sache mit Jace. Niall hat Liam versprochen, ihn aufzuklären.
Es sind einige Dinge, die es zu klären gibt und ich hoffe, ihr seid gespannt auf das nächste Kapitel.
Danke für die lieben Kommentare zum letzten Kapitel. :) Ich drücke euch fest.
LG, Ambi xxx
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