Tränen & ein Neujahrsgeständnis
•You Make Me - Avicii•
Kapitel 7
Der Blick in Matthews Augen war leer, glanzlos und er schien mich gar nicht wahrzunehmen. Er war definitiv betrunken.
Fünf Minuten nach Neujahr und schon hatte ich den ersten Vorsatz, Matthew aus dem Weg zu gehen, gebrochen, stellte ich seufzend fest.
„Hey? Matthew?" sprach ich und wedelte mit meiner Hand vor seinem Gesicht herum. Eine kleine Bewegung seiner Augen gab mir die Bestätigung, dass er mich wahrgenommen hatte.
„Du bist betrunken, nicht wahr?"
„Neeeein, bin isch niiischt. Nur ein gaaaanz kleines bisschen." lallte er und zeigte zwischen seinem Daumen und Zeigefinger einen ziemlich großen Abstand.
Ich verdrehte die Augen. „Was machst du hier?"
„Iiisch muss doch hiiiier sein. Das haben wir immer so gemascht. Jetz' isch es schon zwei Jahre heeer. Und trotzdem bin isch noch sooo traurig." Ich hatte Mühe, Matthews undeutliches, betrunkenes Genuschel zu verstehen.
„Gut. Wo wohnst du. Ich bringe dich nach Hause, bevor dir noch etwas passiert." Meine Augen weiteten sich. Wieso tat ich das? Es konnte mir doch scheißegal sein, was mit Matthew war oder wenn ihm etwas passierte.
„Weiß isch niiicht." bekam ich die sehr hilfreiche Antwort. Ich fasste einen Entschluss, den ich nachher ganz sicher bitter bereuen würde.
„Ich nehme dich jetzt mit zu mir nach Hause, ich werde dich nicht einfach so hier sitzen lassen." Meine Hände umfassten seinen Arm und ich versuchte, ihn hochzuziehen. Doch Matthew rührte sich nicht. Ich atmete tief durch.
„Es wäre ganz nett, wenn du dich rühren würdest."
Endlich bewegte Matthew sich und ließ sich von mir auf die Beine ziehen. Etwas schwankend stand er nun vor mir, während ich trotzdem noch zu ihm hochsehen musste.
Ich verfluchte innerlich die Tatsache, dass ich keine Highheels angezogen hatte, denn dann wäre ich so groß wie er, doch andererseits würde diese Art von Schuhen die ganze Sache nur erschweren.
Langsam gingen wir den schwach beleuchteten Weg entlang, ich hielt Matthew am Arm fest, damit er nicht plötzlich hinfiel.
„Naach zwei Jahren sitze ich immer noch hiiier und heule. Erschtaunliiich, wie seehr dich Leute, die du liiebst, verletzen können." faselte Matthew plötzlich und insgeheim gab ich ihm Recht. Ich wusste zwar nicht, was ihm wiederfahren war, doch er hatte Recht. Menschen, die man liebte, konnten einen einerseits glücklich machen, doch sie konnten einen auch verletzen.
Als wir nach beinahe dreißig Minuten an meiner Haustür angekommen waren, schien Matthew so weit ausgenüchtert, dass er wieder ohne Hilfe stehen konnte. Das war ein gutes Zeichen, dachte ich.
Ich nahm meine vorherigen Gedanken wieder zurück, als der Mann sich vornüber beugte, und sich direkt in das Blumenbeet übergab.
Dann richtete er sich selbstständig, wenn auch etwas wackelig wieder auf und blickte mich an. Ich wand meinen Blick von ihm ab und schloss stattdessen die Haustür auf.
Matthew folgte mir wie ein braves Hündchen hinein und wartete im Flur.
„Schuhe ausziehen." befahl ich. Seine Reaktion darauf war, dass er sich auf den kleinen Schuhschrank setzte, der beängstigend unter seinem Gewicht ächzte. Er streckte mir seine Füße entgegen.
„Na schön! Dieses eine Mal, dann nie mehr." Ich ging vor ihm in die Hocke und zerrte die Schuhe von seinen Füßen. Nachdem ich mich wieder aufgerichtet hatte, zog ich mir selbst meine Schuhe und meine Jacke aus.
Matthew lief mir hinterher, als ich in die Küche ging und ein Glas mit Wasser füllte.
„Hier, nimm." Mit diesen Worten reichte ich ihm das Glas, welches er schnell ausgetrunken hatte. Danach gähnte er herzhaft und lehnte sich gegen die Küchentheke.
„Komm mit. Du schläfst auf dem-" Sofa. Doch nicht. Denn als ich meine Couch erblickte, verwarf ich diesen Gedanken wieder. Denn erstens war diese Ding viel zu klein, und zweitens war es über und über mit riesigen Stapeln von Blättern bedeckt. Ich hatte ja heute Vormittag die Steuererklärung gemacht, fiel mir ein.
„Dann kommst du in die Badewanne." Kurze Pause. „Wenn diese existieren würde."
„Okay, du schläfst bei mir im Bett. Aber wehe, wenn du mich betatscht. Dann werfe ich dich hochkant raus." drohte ich ihm, bevor ich die Stirn kräuselte.
„Aber in diesen stinkenden Sachen schläfst du nicht. Du gehst duschen, danach gebe ich dir was." Matthew nickte gehorsam, ich konnte nicht beurteilen, wie betrunken er noch war und ob er überhaupt verstand, was ich von ihm wollte.
Ich war zwar ebenfalls öfter betrunken, aber nie so sehr.
Ernergisch schob ich Matthew in das Badezimmer und wollte die Tür schließen.
„Kommscht du mit?"
„Nein!" Ich schmiss die Badezimmertür nachdrücklich zu und begab mich zu meinem Kleiderschrank.
Irgendein One-Night-Stand hatte einmal seine Boxershorts bei mir vergessen, die er nie wieder abgeholt hatte. Diese hatte ich gewaschen und in den Schrank einsortiert, für beinahe unmögliche Fälle wie diesen.
Allerdings hatte ich kein Oberteil, weshalb ich einfach das größte Shirt nahm, welches in meinem Schrank vorhanden war.
Es war wahrscheinlich Größe XXXXL und war mir viel zu groß. Ich hatte es einmal gekauft, als ich eine Ich-bin-eh-zu-fett-für-alles-Phase hatte.
Die Badezimmertüre öffnete sich und ich drehte mich mit dem Shirt und der Boxershorts zu Matthew um. Kurz darauf färbten sich meine Wangen feuerrot. Bestimmt mein ganzer Körper färbte sich in Sekundenschnelle so.
Matthew stand nämlich nicht einfach da. Nein, das wäre zu langweilig. Er war nackt!!
Eigentlich machte mir das nichts aus, ich hatte bereits viele Männer nackt gesehen, aber bei ihm war das etwas anderes. Etwas vollkommen anderes. Er war nicht einer von vielen und ich fand das gerade gar nicht gut, dass ich so dachte.
Panisch schmiss ich dem Polizisten die Klamotten zu. „Zieh dich an!" kreischte ich hysterisch.
„Isch schon gut." Viel zu langsam für meinen Geschmack schlüpfte Matthew in die Klamotten, wobei das eigentliche XXXXL-Shirt ihm nur bis zur Hälfte des Bauches ging.
Diesen zierte zwar kein Sixpack, wie es bei Miles, Nick & Co. der Fall war, doch er war dennoch flach und trainiert. Einfach natürlich, und das gefiel mir.
Ohne zu Zögern ließ Matthew sich in mein Bett fallen und gähnte. Ich stand immer noch vor dem Bett und starrte ihn an, als wäre er ein Alien.
War er ja auch, in gewisser Weise. Er war der Erste, der in meinem Bett lag, ohne dass ich mit ihm schlief, und konnte man ihn wirklich als ein Alien bezeichnen.
„Strippst du für misch?" nuschelte der Mann und meine Augen weiteten sich fassungslos.
„Was?!"
„Na, ob du für misch strippst. Das isch geil, du bischt voll schön." Ich schüttelte den Kopf, während sich meine Wangen schon wieder verdächtig warm anfühlten.
Verdammt, wieso schämte ich mich? Das tat ich nie, nie!
Ohne einen weiteren Kommentar abzugeben, legte ich mich neben ihn und drehte ihm den Rücken zu.
Genervt seufzte ich, als ein schwerer Arm auf mir landete. Ich schob ihn wieder weg, doch kurz darauf schlang er ihn um meine Taille.
„Du riechst soo gut. So wie Gina. Aber du bist ganz anders, obwohl, doch nischt. Und irgendwann verlässt du misch auch, wie Gina und Maja. Alle verlassen misch. Es tut so weh, immer noch. Jedes Jahr an Silvester werde isch an sie erinnert. Maja war erst zwei." erzählte Matthew mir und ich spürte, wie eine Träne auf meinen Nacken tropfte.
Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen und ich vergaß den Arm auf meiner Taille, von dem eine Wärme ausging, die sich in meinem ganzen Körper ausbreitete.
„Es tut mir leid für dich." murmelte ich, doch wahrscheinlich hatte er mich gar nicht mehr gehört. Ich spürte seine regelmäßigen Atemzüge in meinem Nacken und kurz darauf fielen auch mir die Augen zu.
•••
Wer ist jetzt schon wieder Maja?!
Verwirrend...
Naaa, habt ihr Vermutungen?? :))
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