ஜღKapitel 01ღஜ
Meckernd und mit äußerst schlechter Laune stieg ich von meinem Fahrrad vor den Fahrradständern der Heidelberger Universität ab.
Mein Morgen hatte schon vor dem Aufstehen einen ersten Knacks wegbekommen und dieser wurde leider nicht besser.
Doch viel Zeit, um darüber überhaupt nachzudenken, blieb mir nicht, denn ein Schrei empfing mich in diesem Moment, zusammen mit einer heftig-freudigen Umarmung von hinten.
Ich lachte los, obwohl meine Laune immer noch auf dem Nullpunkt war. Mich aus der Umarmung befreiend blickte ich nun einer meiner besten Freundinnen entgegen. Vor mir stand meine beste Freundin Jasmin, die gerade einmal ein Meter fünfzig maß. Doch trotz ihrer kleinen Größe war sie ein echtes Punk-Rock-Girl, welches stets ein freches Funkeln in den Augen hatte und mit ihren ausgefallenen Punk-Rock-Klamotten jedem Modetrend somit entgegen strotzte. Jasmin und ich kannten uns schon seit der Grundschule und waren beide ein Herz und eine Seele; konnten immer auf den anderen zählen. Manchmal gab es jedoch Zeiten, in denen ich sie beneidete. Denn im Gegensatz zu mir war sie Einzelkind und konnte die Vorzüge dessen voll und ganz auskosten.
Ich musste mich mit meinem zwei Jahre älteren Bruder herumschlagen, der immer noch zu Hause bei unseren Eltern wohnte. Immerhin studierte er, genauso wie ich, und würde wohl bald seinen Doktor machen.
Eigentlich hatte mein Vater gehofft, dass er die Klinikleitung seiner Schönheitsklinik, die er und unsere Mutter betrieben, eines Tages übernehmen würde, doch daraus wurde nichts. Simon entschied sich für ein Jurastudium. Ein ziemlich anstrengender Job, wie ich fand. In den Semesterferien verwandelte er sich jedoch in einen wirklich liebenswerten Bruder, der seine kleine Schwester oft besuchte und beschützte. In dieser Zeit pflegte er glücklicherweise keinen allzu großen Kontakt zu seinen überaus kindischen Freunden.
»Jassi«, lachte ich und schob meine beste Freundin etwas von mir weg, »du erdrückst mich ja fast.«
»Ach Mensch, ich freue mich einfach so, dich zu sehen! Du siehst wirklich gut aus. So richtig erholt. War bestimmt super schön in der Karibik, so braungebrannt, wie du bist«, lachte sie und sah neidisch auf meine von der Sonne gebräunte Haut. Ich nickte lächelnd.
»Oh ja, das war es wirklich. Wenn man mal davon absieht, dass man auch im Urlaub keine Ruhe vor seinem nervigen Bruder hat.« Gespielt verdrehte ich die Augen, doch im Grunde war der Urlaub alles andere als negativ gewesen. Zweieinhalb Monate herrlichste Semesterferien waren viel zu kurz. Der Sommerurlaub, den ich zusammen mit meiner Familie in der Karibik, nahe Florida, verbracht hatte, ist wunderschön gewesen.
Ein Urlaub bei meinen Großeltern an der Nordsee für drei Wochen ist anschließend ebenfalls noch drin gewesen.
»Du bist heute aber echt spät dran. Sonst bist du doch immer die Pünktlichkeit in Person, nur heute scheint bei dir der Wurm drin zu sein«, bemerkte Jasmin und runzelte die Stirn.
Ich seufzte genervt auf, während ich mein Fahrrad anschloss und meine Tasche nahm.
»Ja, wäre ich auch. Wenn Simon nicht so einen Affenaufstand gemacht hätte. Du glaubst es einfach nicht. Dieser Morgen, ach, was sag ich, dieser ganze Tag steht unter keinem guten Stern. Erst verschlaf ich halb; bin nur dank Simons Anruf wach und dann finde ich meine Unterlagen nicht mehr wieder. Die gesamte Hausarbeit, die ich über die Semesterferien fertig hatte, ist weg. Ich schwöre: Wenn Simon da irgendetwas dran gedreht hat mit seinen dummen Kumpels, dann kann er was erleben.«
Jasmin kicherte. Sie kannte die Zankereien zwischen mir und meinem älteren Bruder nur zu Genüge.
»Das heißt, du gehst heute Nachmittag dann zurück ins Wohnheim? Hast es wohl gestern verpennt, was?«
Sie zwinkerte mir zu und ich nickte.
»Ja, ich hab's gestern irgendwie nicht mehr hinbekommen und meine Mutter meinte dann, ich könne ja auch noch eine Nacht daheim schlafen.« Hier verdrehte ich die Augen leicht. Wäre es gestern nicht noch so spät geworden, weil ich alle Sachen zusammensuchen musste und das auf den letzten Drücker, wäre ich gestern schon zu Kathi ins Wohnheim zurückgekehrt. So aber hatte ich noch eine weitere Nacht daheim verbracht und war dann heute Morgen eher unsanft von Simon geweckt worden.
Jasmins Eltern waren seit etwa sechs Jahren getrennt; sie lebte bei ihrer Mutter, doch ihren Vater, der im landwirtschaftlichen Betrieb arbeitete, sah sie regelmäßig. So hatte sie zumindest etwas von beiden Eltern. Woher sie jedoch ihre Neigung zum Punk-Rock hatte, wusste keiner so recht.
»Du armes, armes Ding«, bedauerte sie mich gespielt und tätschelte meinen Arm. »Während du in der Karibik warst, dich mit deinem Bruder und seinem nervigen Getue abgeben musstest, musste ich zu meinem Vater aufs Land. Meine Mutter hatte die erste Hälfte der Ferien mal wieder eine ihrer komischen Abende und glaub mir: Weihrauchstäbchen, Singsang und Meditieren würdest du nicht aushalten«, seufzte sie.
»Okay, okay. Du hast gewonnen. Auf deine Mutter hätte ich auch keine große Lust gehabt«, gab ich zu und sie hob den Daumen.
Jasmin war nicht nur eine meiner besten Freundinnen, sondern auch noch jemand, der wenig bis gar nichts auf die Meinung anderer gab. Zumindest, was den Kleider- und Lebensstil anbelangt.
»Wenn ich dauernd darauf achten würde, was andere über mich denken, oder gar sagen, dann würde ich meine Selbstachtung vor mir verlieren und mich dann nur noch nach denen richten und das will ich nicht. Ich will so bleiben, wie ich bin«, waren ihre damaligen Worte, als sie anfing, sich für die Punk-Szene zu interessieren.
Für ihre Konsequenz bewunderte ich sie. Zwar verbog auch ich mich nicht und besaß meinen eigenen Kopf aber im Gegensatz zu ihr, gehörte ich keiner Szene an und lief oft den neusten Trends hinterher.
Ich war kein Modepüppchen, dafür gab es genug Weiber an der Uni, die dieses Klischee bereits ausführten, allen voran unsere Uni-Zicke Elena, die sich für etwas Besseres hielt. Vor allem für ihre aufgesetzte Schönheit war sie an der Uni bekannt, wie sich herausgestellt hat, ein Resultat von der Klinik ihrer Eltern.
Auch meine führten eine solche Schönheitsklinik, aus der ich mir jedoch nicht viel machte. Einzig und allein war mir bewusst, dass beide Kliniken gegeneinander konkurrierten.
»Ach, hier steckt ihr!«, ertönte eine weibliche Stimme hinter uns. Wir drehten uns um und sahen Kathi auf uns zulaufen.
Sie war die Dritte im Bunde und anders als Jasmin oder ich recht schüchtern und zurückhaltend.
Ich hatte, trotz meiner einundzwanzig Jahre, lange gebraucht, um mich überhaupt für das Studieren zu entscheiden. Letztendlich fiel meine Wahl auf das Fach Germanistik. Auch Kathi und Jasmin studierten genau das Gleiche, wie ich und fingen mit mir im selben Jahrgang an. Inzwischen waren wir seit knapp eineinhalb Jahren an der Uni und würden heute unser drittes Semester beginnen.
Während Kathi und ich im Studentenwohnheim etwas abseits des Uni-Geländes lebten, wohnte Jasmin daheim bei ihrer chaotischen Mutter.
Eigentlich hätte ich auch zu Hause wohnen können, doch zusammen mit meinem Bruder unter einem Dach zu leben, war mir nicht ganz geheuer, zumal er fast ständig seine Kumpels mit nach Hause brachte.
Da unsere Eltern sich so gut wie nie daheim blicken ließen, zog ich es irgendwann dann doch lieber vor, unabhängig zu leben, ohne meine geliebte Familie.
»Los, kommt. Die erste Vorlesung beginnt gleich«, rief Kathi hektisch und zog uns mit über den Hof und in das Gebäude hinein.
»Streberin«, kommentierte Jasmin ihr Verhalten und lachte.
»Das hab ich gehört!«, knurrte sie, während wir die überfüllten Gänge der Uni entlanggingen, ich den vertrauten Geruch einatmete und für einen kurzen Moment die Augen schloss.
Obwohl das Studentenleben oft anstrengend war, genoss ich jede freie Minute.
Ich bekam die Chance das zu studieren, wonach ich lange suchte, besaß wunderbare, manchmal durchgeknallte Freunde und doch ein sehr erfülltes Leben.
Wäre da nicht mein leidiges Single-Dasein. Während viele auf der Uni ihre Partner kennenlernten, sich nicht selten Hals über Kopf verlobten und wieder entlobten, verkroch ich mich lieber hinter meinen Arbeiten und Aufträgen. Es war nicht so, dass ich mich als prüde bezeichnen würde, was das Liebesleben anging, aber ich ließ mich nicht für einen billigen One-Night-Stand herhalten oder verliebte mich zu schnell. Meine letzte Beziehung lag fast ein Jahr zurück. Ob sie es wert war, hier erwähnt zu werden, wagte ich einmal stark zu bezweifeln. Denn sie artete in einem regelrechten Rosenkrieg aus, was man eigentlich nur von Promis her kannte. Ich hatte einige Zeit gebraucht, um mich davon wieder zu erholen und genoss seitdem meine Unabhängigkeit in vollen Zügen. Ein paar kleinere Flirts waren mir gerne willkommen, doch wenn es zu ernst wurde, ging ich auf Abstand.
Meine erste und bisher einzige große Liebe lag Jahre zurück. Um genau zu sein, konnte man wohl im Kindergartenalter noch nicht von Liebe reden, aber dennoch hatte auch ich schon einmal die Schwärmerei erlebt.
Damals war es mein bester Freund Timo Wittenberg gewesen. Wir hatten uns im Kindergarten kennengelernt und waren erst gar nicht gut aufeinander zu sprechen, so wie das in diesem Alter eben üblich war.
Ich hatte ihm nie erzählt, was ich damals von ihm hielt. Die Tatsache, dass ich mehr für ihn empfand, als es den Anschein machte, führte dazu, dass ich es als peinlich und unangenehm empfand.
Kaum besuchte ich die erste Klasse, musste ich feststellen, dass Jungs im Allgemeinen doof waren. Zumindest all die Jungs, die ich so im Laufe meiner Schullaufbahn kennenlernte. Sie ärgerten Mädchen pausenlos, weswegen ich mich schnell dazu entschied, einen großen Bogen um die männlichen Wesen zu machen und mich von ihnen fernzuhalten. Das galt jedoch nicht für meinen besten Freund Timo, auch wenn er ein Junge war. Mit ihm verstand ich mich blendend, was wohl daran lag, dass er der Einzige war, den ich an mich heranließ, dem ich sozusagen blind vertraute.
Mein bester Freund und ich sahen uns nach der Schule häufig und ich mochte der festen Überzeugung sein, dass unsere Freundschaft, auch wenn wir nicht in ein und dieselbe Klasse und auf die gleiche Schule gingen, ewig halten würde.
Leider änderte sich dies schlagartig.
Timo zog mit seinen Eltern überraschend weg und ich hatte nicht einmal die Gelegenheit, mich von ihm zu verabschieden. Alles, was mir von ihm blieb, waren Erinnerungen. Erinnerungen an eine schöne Kindheit mit ihm, die bis heute geblieben waren. Erst einige Wochen später meldete er sich wieder bei mir und obwohl ich erst gar nicht mit ihm reden wollte, siegte doch die Neugier darüber, wie es ihm erging. Unsere Freundschaft hielt gegen meine eigenen Erwartungen dennoch und trotz der Entfernung schafften wir es, uns in den Ferien immer zu sehen. Bis er sich eines Tages völlig von mir abkapselte und ich meinen besten Freund seit diesem Tag nie wieder sah oder gar sprach.
Auch wenn ich nicht gerne darüber sprach, tat es immer noch weh, dass sich mein damaliger bester Freund so einfach aus dem Staub gemacht hatte.
Simon, der genauso alt wie Timo war, machte sich über meinen Gemütszustand, nachdem mein bester Freund einfach weggezogen war, mehr als lustig.
Selbst mein Vater konnte nicht verstehen, weshalb ich fast ein halbes Jahr durchhing und in der Schule immer weiter absackte.
Nur meine Mutter zeigte Verständnis für mich und baute mich auf, was lange dauerte.
So verging die Zeit und als die Pubertätsphase auch vor mir nicht Halt machte, vergaß ich meine Trauer um den Verlust meines besten Freundes.
Meine Beziehungen, so wie das erste Mal mit einem Jungen, den ich heute sicherlich nicht mehr wiedererkennen würde, waren nur von kurzer Dauer.
Noch vor meinem Abitur begann ich mich zu verändern. Ich vergrub mich in der Literatur, versank regelrecht in Büchern und mein zweiter Heimatort wurde die Stadtbibliothek.
Wenn diese nicht irgendwann geschlossen hätte, wäre ich dort sogar über Nacht geblieben.
»Rena, jetzt komm endlich!«, drängelte Kathi und ich erwachte schlagartig aus meinen Gedanken, in denen versunken war.
Kurz schüttelte ich den Kopf, um diese loszuwerden, und folgte schließlich meinen Freundinnen, die schon zum Hörsaal vorgegangen waren.
Die Flure der Uni waren an diesem Montagmorgen nach den Semesterferien wie immer sehr überfüllt. Viele suchten ihre Hörsäle, die Unterrichtsräume oder einfach nur ein ruhiges Plätzchen zum Quatschen, auf. Ich hingegen hatte es heute nicht besonders eilig. Wozu auch? Der Stoff würde sicherlich nicht gleich am ersten Tag so hart dran genommen werden, wie viele sicherlich vermuteten.
Hin und wieder erwischte ich auch einige der männlichen Studenten dabei, wie sie mir im Vorbeigehen neugierig-schmachtende Blicke zuwarfen. Ich ignorierte diese jedoch. Mir war bewusst, dass mich viele von ihnen vielleicht als heiße Braut abstempelten, nur weil ich die Tochter einer Arztfamilie war, die noch dazu eine Schönheitsklinik betrieben. Ich hingegen fand an mir nichts Besonderes. Oftmals machten mich diese ganzen Blicke recht nervös, sodass ich mir meine braunen, langen Haare dann doch lieber ins Gesicht schob, anstatt aus diesem.
Doch jetzt hieß es für mich erst einmal: Hello and welcome back, University. Und genau darauf freute ich mich jetzt besonders.
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Wäre meine erste Vorlesung nur etwas spannender gewesen, hätte mein Kopf sicherlich nicht ständig Bekanntschaft mit dem Tisch gemacht. So fiel dieser unvorhergesehen mindestens viermal auf das harte Holz und hinterließ jedes Mal ein leises Plong, bevor ich wegdämmerte. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass die ersten Stunden aufregend wären nach den Semesterferien, aber dem war nicht so. Stattdessen döste ich nach den ersten fünfzehn Minuten schon so gut wie halbwegs ein.
Um mich herum nahmen die Studenten dies gar nicht wahr und auch den Dozenten, der vorne am Rednerpult unbeeindruckt seine Rede hielt, interessierte es herzlich wenig.
Im Allgemeinen konnte das Leben eines Studenten recht entspannt sein. Man trug sich in jene Fächer ein, die relevant für das eigene Studium erschienen und entschied selbst ob man die
Vorlesung besuchte, oder aber sausen ließ. Am Ende des jeweiligen Semesters musste man dennoch seine Hausarbeiten beim Professor abgeben.
Viele ließen sich Zeit, besuchten nur hin und wieder eine Vorlesung, andere waren kleine Streber, die durch ihre Anwesenheit versuchten, zu glänzen und wieder weitere konnten sich entspannt zurücklehnen und alles auf sich zukommen lassen.
Ich zählte zu denen, die nicht jede Vorlesung besuchten, dennoch den Stoff auch ohne viel Nachholbedarf in einigen Tagen meist beherrschten.
»Rena, Rena!« Ich grummelte leise, während jemand an meinem Arm rüttelte.
»Mensch, Rena, wach endlich auf, du Schlafmütze.« Langsam kam ich aus meinem Dämmerzustand und blinzelte leicht, ehe ich verschlafen den Kopf hob und Kathi vor mir stehen sah, die belustigt wirkte.
Ein kurzer Blick zur Seite genügte, um zu erkennen, dass Jasmin an mir gerüttelte hatte.
»Scheiße, bin ich eben ...« Ich fuhr mir aufgebracht übers Gesicht und verfluchte mich innerlich, während beide neben mir lachten.
»Das ist nicht lustig!«, tadelte ich meine besten Freundinnen und warf ihnen verärgerte Blicke zu. Seufzend klaubte ich meine Unterlagen von dem Tisch und verstaute sie in meiner Tasche.
»Doch, ist es. Vor allem, weil du so süß geschnarcht hast«, prustete Kathi los, für das ich bloß ein Augenrollen übrig hatte.
»Ich schnarche nicht!«, stellte ich klar und sah sie böse von der Seite her an. Das erbrachte aber nicht die gewollte Ruhe, sondern zu meinem Unglück weiteres lautes Lachen. Gemeinsam stiegen wir die Stufen herab, während ich umständlich an meiner Tasche fummelte. Der riesige Ordner wollte einfach nicht den benötigten Platz in dieser finden. »Scheiß Ding!«, grummelte ich, während ich versuchte, den Ordner mit aller Gewalt in die Tasche zu stopfen.
»Geht schon mal vor, ich komm gleich nach«, rief ich Jasmin und Kathi einige Stufen unter mir zu, welche mir zunickten und Richtung Ausgang schlenderten.
Schließlich nahm ich genervt die Tasche von der Schulter, kniete mich auf den Boden und presste den Ordner nun mit Gewalt hinein. Nach mehreren Versuchen gelang es mir dann doch, das eigentlich viel zu große Ding in die viel zu kleine Tasche zu packen. Erleichtert atmete ich auf.
Der Hörsaal hatte sich in der Zwischenzeit mit neuen Studenten gefüllt. Um mich herum drängelten sie sich vorbei und füllten die Sitze der vielen Reihen.
Gerade erhob ich mich, als ich ins Straucheln geriet, das Gleichgewicht verlor und einige Stufen übersprang, ehe ich mich wieder fangen konnte.
»Hoppla, nicht so stürmisch, junge Frau!«
Zwei Hände griffen nach mir und hielten mich so lange fest, bis ich die Balance wieder fand und im Gleichgewicht stand.
»Sorry, ich wollte Sie nicht ...« Ich hob meinen Blick und traf auf schokobraune Augen, die mir freundlich entgegen blickten.
So ein intensives Braun hatte ich noch nie gesehen. Mein Blick wanderte weiter und traf auf einen sinnlichen Mund, ausgeprägte leicht hervorstehende Wangenknochen und glatte Haut. Ich trat einen Schritt zurück, um meinen Retter nun auch ganz betrachten zu können.
Dieser verfolgte mein Handeln mit einem leichten Schmunzeln.
»Und? Genug gesehen, sodass Sie mir nun eine Entschuldigung entgegen bringen können?« Seine tiefe, zugleich aber samtweiche Stimme ließ mich kurz den Rest seines Körpers begutachten, welcher nicht schlecht aussah. Zumindest das, was man unter seiner schwarzen Anzughose, sowie dem weißen Hemd und dem dunklen Jackett vermuten konnte.
Ich wurde dunkelrot, was ich an meinen heiß werdenden Wangen spüren konnte und öffnete schon den Mund, um etwas zu sagen, doch vergeblich. Nicht ein kleiner Pieps konnte über meine Lippen gleiten, also schloss ich diese wieder.
Mir war diese Peinlichkeit mehr als nur ins Gesicht geschrieben, denn normalerweise war ich nicht so leicht aus dem Takt zu bringen, was wohl daran lag, dass ich einen älteren Bruder hatte, gegen den man sich oft zur Wehr setzen musste.
»Ähm, ja ... also ...«, fing ich an, verhaspelte mich, räusperte mich einmal und fing dann von vorne an. »Dankeschön fürs Aufhelfen. Ohne Sie wäre ich sicherlich die Treppen heruntergestürzt!«
Oh je, was für eine peinliche Situation. Aber gut, es passte scheinbar zu meinem Tag, der ja bereits morgens schon reichlich chaotisch begonnen hatte.
Der junge Mann grinste leicht, eher er mir meinen Ordner reichte, der aus meiner Tasche gefallen war.
»Das nächste Mal lieber etwas vorsichtiger, bevor noch mehr runter fliegt als nur Ihr Ordner«, gab er mir noch den Tipp, bevor er mich ebenfalls kurz musterte und ich unter seinen Blicken drohte erneut rot anzulaufen.
Himmel, was war nur mit mir los? So etwas Peinliches war mir bisher noch nie passiert.
Das eben war ja noch nicht einmal peinlich, sondern eher ein unvorhergesehenes Missgeschick.
»Ähm ... ja ...«, brachte ich zum zweiten Mal stotternd und verlegen hervor und wünschte mir nichts sehnlicher, als dass sich die Erde möglichst schnell unter mir auftat, was sie natürlich nicht vorhatte zu tun.
Rasch griff ich nach dem Ordner, den er mir immer noch entgegenhielt, murmelte ein »Dankeschön« und schlängelte mich dann an ihm vorbei, Richtung Ausgang.
Obwohl ich keinen weiteren Blick nach ihm werfen wollte, tat ich es, kurz bevor ich die Tür des Hörsaals hinter mir schloss, doch.
Der verdammt gutaussehende Typ setzte sich etwa zwei Reihen über den Sitzen, auf denen zuvor ich mit meinen Freundinnen verweilt hatte.
Bildete ich es mir ein oder saß mein Bruder zwei Sitze weiter neben dem jungen Mann, dem ich eben noch in die Arme gerannt war?
Kopfschüttelnd verließ ich mit einem letzten Blick den Hörsaal, die Tür fiel hinter mir ins Schloss und ich schulterte meine Tasche.
Was für ein verrückter Tag. Dass dieser jedoch noch verrückter werden sollte, hätte ich im Leben nicht geahnt.
Doch so manche Peinlichkeiten erwiesen sich auch als Glücksgriff, wie es sich in meinem Fall später erweisen sollte.
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