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Die Sonne streifte über mein Gesicht und kitzelte mich aus einem tiefen, ruhigen Schlaf hervor. Leicht verwirrt blinzelnd, schaute ich mich in dem fremden Zimmer um. Es wirkte wie ein geräumiges, aber sehr einfach gehaltenes Arbeitszimmer, in das jemand ein gewaltiges Bett gestellt hatte. Alles war sehr schlicht. Die Möbel waren in einem dunklen Holz gehalten, doch mehr als ein Stuhl, einen Arbeitstisch und ein Bücherregal war nicht zu sehen. Ich betrachtete die dicken cremefarbenen Lagen auf denen ich ruhte.
Wie genau war ich hierhergekommen? Einen weiteren Moment lang war ich verwirrt, bis die Erkenntnis einen Blitz gleich durch mein Gehirn zuckte. Lucian hatte nach einem Albtraum-Panik-Anfall mich hierher gebracht. Ich drehte mich um, doch der Alpha war weit und breit nicht zu sehen. Stattdessen saß mein Teddy ordentlich und aufrecht neben mir, so als hätte ihn jemand dort platziert.
War er das gewesen? Bei diesen Gedanken wurde ich rot.

Ein sanftes Klopfen durchbrach die Stille und kurz darauf öffnete Lucian die Tür. In den Armen balancierte er ein großes Frühstückstablett.
„Du bist ja schon wach. Hast du gut geschlafen?", fragte er mit einem freundlichen Lächeln.
Ich nickte nur und beobachtete wie er die Speisen vorsichtig ans Bett brachte.
„Silvia hat gemeint wir sollen vorsichtig mit dem Essen beginnen. Durch den Transport hierher und deine Ohnmacht hast du lange Zeit nichts mehr gegessen. Du solltest mit dieser Suppe starten und falls du dich sicher fühlst zu den anderen Sachen übergehen."
Ich starrte ihn mit großen Augen an. Die Suppe schien mir wahrlich das wenigste Verlockende auf dem Tablett zu sein. Viel lieber wollte ich sofort nach dem großen Kakao mit den Mini-Marshmallows greifen, oder nach den Pfannkuchen, die in Schokosoße getränkt waren. Stattdessen war die Suppe nun ja... Eine einfach schlichte Brühe mit irgendetwas Grünem.
Nicht auf die Worte von Lucian achtend, streckte ich meine Hand nach dem Kaba aus. Prompt wich das Tablett vor mir zurück. Lucian sah mich straffend an und erklärte mir wie einem Hund: „Nein!"
Ich blitzte ihn wütend an, doch das schien ihn nicht besonders zu interessieren. Stattdessen stellte er das Tablett weit entfernt auf den Schreibtisch ab und brachte mir nur die Suppe mit einem großen silbernen Löffel.
„Ich will aber lieber zuerst den Kakao!", schmollte ich und gab mein bestes so traurig wie möglich drein zu blicken.
„Sobald du die Suppe gegessen hast, darfst du den Kakao trinken", versprach mir Lucian ruhig. Konnte ich da vielleicht sogar ein kleines verstecktes Lächeln um seine Mundwinkel erkennen?
Ich schnappte mir meinen Bär und funkelte den Alpha wütend an. Gelassen setze dieser sich auf den Rand des Bettes, tunkte den Löffel in die wirklich nicht schlecht riechende Suppe ein und führte diesen zu meinen Mund.
„Und jetzt brav „ah" sagen", erklärte er dabei mit einem breiten Grinsen.
Ich gehorchte, zumindest teilweise und schluckte brav die Suppe, doch anstatt den Löffel wieder freizugeben, biss ich mich an ihm fest. Auf keinen Fall würde ich es zulassen, das Lucian ihn erneut befüllen konnte.
„Kein Kaba", drohte er, doch ich blieb standhaft.
„Wenn du so weiter machst, esse ich vor deinen Augen die kleinen Marshmallows."
Sofort ließ ich den Löffel los. Diese Schlacht hatte leider er gewonnen.
Geduldig fütterte mich Lucian weiter. Zu meinem eigenen Erstaunen war ich nach der Suppe eigentlich schon satt. Doch einen paar großen Schlucken Kakao konnte ich einfach nicht widerstehen, während Lucian den Rest des Frühstücks aß, was wirklich nicht gerade wenig war.

Auf einmal klopfte es an der Tür. Ohne auf eine Antwort zu warten, kam Gregor, der Beta des Rudels, in den Raum gestürmt.
„Lucian!"
„Was ist?", knurrte der Werwolf neben mir, nicht gerade erfreut über die Situation. Zu meinem Überraschen hatte er es geschafft eine Decke um mich zu schlingen, bevor Gregor hereinstürmte. Es schien mir wie ein netter Gedanke, doch der andere Werwolf hatte mich bereits in meiner Schlafkleidung gestern Nacht gesehen.
„Es geht um James. Er ist knapp am Durchdrehen. Ich kann nicht zu ihm vordringen. Er behauptet seine Seelenverwandte schwebe in großer Gefahr! Du musst sofort zu ihm!"
Ohne ein weiteres Wort nachzufragen, stürmte Lucian los. Ich verstand nicht was dort vor sich ging, doch es war sicher nichts Gutes. Auch Gregor blieb nicht hier um die Sache zu erklären, sondern rannte hinter seinem Alpha her.

Ich war viel zu neugierig um jetzt noch im Bett zu bleiben. Aus diesem Grund blieb mir nichts anderes übrig als aufzustehen und selbst nach den beiden und diesen James zu suchen.
Ich hatte vermutete, dass ich mit meinen Orientierungssinn sehr lange dafür brauchen würde, doch tatsächlich waren nicht einmal fünf Minuten nötig. Ich folgte einfach den immer lauter werdenden Knurren und dem krachenden Geräuschen. Jemand musste hier ziemlich randalieren.
Lucians Stimme, harsch und voller Macht, drang durch diesen Lärm, doch selbst danach kam der tobende James nicht zur Besinnung.
Als ich in das Zimmer spähte, aus denen nun fast schon Kampfgeräusche kamen, sah ich vollkommene Verwüstung.
„Ich muss zu ihr!", schrie ein großer Mann, mit goldblonden Haaren und einer Narbe, die sich über seinen Hals zog. Seine Iris hatte sich in schwarze Löcher verwandelt.
Lucian und Gregor hielten ihn mit vereinten Kräften an der Wand fest. „Du musst ruhig bleiben. Sie hat dich noch nicht einmal gefunden. Du weißt nicht wer und wo sie genau ist."
„Verdammt nochmal! Genau deswegen muss ich zu ihr! Ihr wisst beide genauso gut wie ich, dass ein Seelenverwandter den Schmerz, des anderen spüren kann, wenn dieser sich nahe des Todes befindet, ob nun schon gefunden oder nicht! Ich muss zu ihr!"
„Weißt du denn wo sie ist?", zischte Lucian ihn wütend an.
„Nein, aber..."
„Was möchtest du dann machen?! In die Welt der Menschen stürmen und voller Verzweiflung dort alles auf deinen Weg zu ihr zu zerstören!? Wir müssen logisch denken! Reiß dich zusammen."
„ABER!!!", schrie James so laut er konnte.
„Was weißt du?", fragte Gregor. Seine Stimme war ruhig, fast schon zu ruhig.
„Sie... Sie hat gestern Angst verspürt. Große Angst... Ich dachte es sei nur ein gewaltiger Schock gewesen, denn es ist so schnell wieder verschwunden... Dann bin ich heute mit unglaublichen Schmerzen aufgewacht. Sie hat Panik selbst in diesen Moment! Ich muss zu ihr!"
„Verdammt was weißt du noch? Hast du vielleicht Bilder im Traum gesehen?"
Einen Moment lang schwieg James, dann erklärte er: „Eine große Fabrik aus dem 20 Jahrhundert."
„Das kann vieles sein", fluchte Lucian.
„Oder auch nicht." Ich trat ein.

„Verdammt Arya! Zieh dir etwas über! Was machst du überhaupt hier?! Es ist zu gefährlich!", schrie mich Lucian wütend an.
„Er gehört zu deinem Rudel", erwiderte ich. „James wird mir nichts tun."
„Er wird dir nichts mit Absicht tun, doch er ist um einiges stärker als du."
„Ich kann aber helfen!", platzte es aus mir heraus.
„Und wie glaubst du, dass du uns helfen kannst!?", schrie mich Lucian immer noch unglaublich wütend an.
Es tat weh, doch für diesen Moment blieb ich ruhig. Es war für ihn schwer seinen Rudelgenossen aufzuhalten, wenn er wusste wie sehr dieser doch litt.
„Ich brauche nur meinen Laptop. Wie glaubt ihr habe ich euch zuerst gesucht? Ich hatte euch bereits zuvor recht gut lokalisiert, bevor ich in euer Netz eingedrungen bin. Also lasst es mich bitte versuchen!"
„Bitte", bat auch James und Lucian fluchte laut, doch gleichzeitig befahl er: „Bringt ihren Laptop in die Zentrale. Wir kommen gleich nach."

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