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Ich wachte mit einem gewaltig brummenden Schädel wieder auf. Mein Sichtfeld war vollkommen verschwommen. Erst nach kräftigem Blinzeln erkannte ich den Ursprung für das verzerrte Bild. Eine Lampe an der Decke schien direkt auf mich herab und blendete meinen Blick. Nach ein paar Sekunden gewöhnten sich meine Augen etwas an die Helligkeit und ich musterte verwirrt meine Umgebung.
Mein Körper befand sich auf einem seltsamen Stuhl in einer leicht zurückgelehnten Lage, so dass ich weder richtig saß noch lag. Unter mir konnte ich das kalte Gefühl von Metall wahrnehmen. Meine Arme und Beine waren mit ledernen Fesseln befestigt worden, weswegen ich sie keinen Millimeter bewegen konnte. Zudem hatte man mich meiner Kleidung beraubt. Das weiße Tuch, welches man mir als Ersatz dagelassen hatte, verdeckte gerade so meine Blöße.
Fragen schossen wie Lichtblitze durch meinen Verstand. Wo war ich hier? Was hatte man mit mir vor?
Mein Mund verwandelte sich in eine Wüste der Trockenheit, als ich an die möglichen Antworten dachte. Eines stand fest, es war auf jeden Fall nichts Gutes, was mir bevorstand.

„Ihr hättet sie nicht so stark betäuben sollen. Die Waffen sind ausschließlich für Gestaltwandler gedacht. Dass sie diesen Stromschlag halbwegs unverletzt überlebt hat, gleicht einem halben Wunder."
„Nun sie hätte einfach nicht hierherkommen sollen. Aber was soll's, wenn sie gestorben wäre, hätten wir halt eine Tote. Eine Leiche mehr oder weniger im Keller interessiert keinen. Da sie es aber überlebt hat, habt Ihr eine neue Testperson. Ihr solltet euch freuen."
„Ich finde nur Ihr hättet mit meinem Testobjekt etwas vorsichtiger umgehen können. Ihr habt sie übel zugerichtet. Seht sie Euch doch an... Oh du bist wach."
Ein kleiner etwas rundlicher Mann mit Brille und gekräuseltem grauen Haaren kam auf mich zu. Seine Lippen zierte ein freundliches großväterliches Lächeln. Er hatte einen Arztkittel an, der ihm viel zu groß war. Etwas Beruhigendes umgab seinen kleinen Körper. Für einen Moment verlor sich sogar ein Teil meiner Panik.
Mit einer ruhigen freundlichen Stimme fragte er mich: „Wie lautet dein Name junges Fräulein?"
Ich schluckte, um die Trockenheit in meinem Mund zu vertreiben, doch es half nicht viel.
Mit einer rauen Stimme, die Stahl durchfeilen konnte, antwortete ich: „Arya."

Ich wollte ihm bereits meine Hand hinhalten, als mich eine der Metallfesseln zurückhielt. Mein Körper begann zu zittern und ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle. Angstschweiß trat auf meine Stirn, als ich mir wieder der Lage bewusst wurde. Ich wich den Blick des Mannes aus und sah zu meinem Entsetzen direkt neben meinem Kopf einen kleinen metallenen Tisch. Auf ihm befanden sich allerlei medizinische Werkzeuge. Von einem Tupfer, einem Skalpell bis hin zu Spritzen in jeglichen Größenordnung gefüllt mit einer seltsam durchsichtigen Flüssigkeit.
„Was habt ihr mit mir vor?", krächzte ich verzweifelt und riss an den Fesseln. Sie gaben keinen Millimeter nach, sondern schürften lediglich meine Hand- und Fußgelenke auf.
„Keine Sorge. Alles wird gut." Der alte Man kam weiter auf mich zu. Er umschloss mit einem breiten Klettverschlussband fest meinen Oberarm, sodass er die Blutzufuhr in diesem erschwerte. Mit geübten Handbewegungen wiederholt er dies auf meiner anderen Seite.
„Wir werden nur einen kleinen Test an dir durchführen."
„WAS FÜR EINEN TEST!?", schrie ich in Panik. Mein Herz raste und das Blut in mir pochte vor Angst. Was hatten diese Leute vor?
„Keine Sorge es ist nichts Schlimmes. Wir wollen heute nur herausfinden, ob du das Serum verträgst. Du kannst es dir wie einen Übersetzer zwischen deinen Menschengenen und den Tiergenen, die wir in dich einpflanzen wollen, vorstellen."

„IHR WOLLT WAS!?"
„Keine Sorge das Serum ist vollkommen harmlos. Du wirst heute auf jeden Fall überleben." Die ganze Zeit über hatte der kleine Mann in seinen Bewegungen nicht gestoppt. Ohne mit der Wimper zu zucken, stach er mir mit einer Nadel in meinen linken Arm und drückte das durchsichtige Serum in meinen Blutkreislauf. Die Einstichstelle fing an seltsam zu jucken. Ein Brennen begann sich unter meine Haut zu legen. Heiß und langsam waberte eine seltsam schmerzhafte Hitze in meinem Arm umher. Es war fast so, als würde das Serum nur auf einen Startschuss warten, um mich zu verbrennen.
„Es könnte sich etwas unangenehm anfühlen, doch wie gesagt wird dein Leben nicht in Gefahr sein. Ganz anders wird es wohl leider werden, wenn wir uns wieder sehen." Das Monster in freundlicher Gestalt ging zu meiner anderen Seite. In einer Hand hielt er eine weitere Spritze. Kurz taste der alte Mann auf meinem Arm umher, bevor er auch diese durch meine Haut stach.

„Wieso?", krächzte ich. Tränen kullerten mir über mein Gesicht. In mir tobte nicht einfache Angst, sondern noch nie gefühlte geballte Furcht. Sie war wie ein gigantisches Biest, das in meiner Brust saß und mein Herz genüsslich und langsam zerfetzte.
„Nun wenn wir uns wieder sehen, werden wir mit der Tiergenen Einpflanzung beginnen. Das kann leider sehr schwere Nebenfolgen haben. Bei Kindern liegt die Überlebenswahrscheinlichkeit bei 75%, dir gebe ich etwa 50%. Dein Körper ist zwar ausgewachsen, doch du bist noch recht jung und formbar."
Bei seinen Worten fing ich an zu hyperventilieren, doch ich musste mich beherrschen. Verzweifelt versuchte ich mir einzureden, dass das alles nicht so schlimm war. Immerhin bedeutete 50% gerundet, dass ich überleben würde. Außerdem hatte ich doch sonst auch viel Glück, immerhin hatte ich Lucian gefunden. Das war die Lösung! Ich musste nur solange durchhalten bis Lucian mich fand. Er würde diesen Spinner ganz sicher aufhalten!
„Leider sieht es mit deiner geistigen Gesundheit sehr schlecht aus. Ich will dir nichts vor machen, doch du wirst ziemliche große Qualen erleiden. Dein Körper wird versuchen sich zu wehren, während dieses Serum dafür sorgt, dass er die Tiergene nicht einfach ausschließen kann. Diese wundervolle Flüssigkeit wird deine Zellen dazu zwingen einen Teil der Gene in sich zu implementieren. Ein äußerst schmerzhaftes Verfahren, das leider die größte Mehrheit meiner Patienten um den Versand bringt. Aber was mache ich mir überhaupt die Arbeit dir das zu erklären, wenn du am Ende doch eh nur eine Marionette sein sollst? Stell dir einfach vor, dass dein Körper einen zweiten in sich tragen muss und er muss dafür erst einmal deine gesamte alte Struktur zerstören."

Die Frau, die mich gefangen genommen hatte, trat auf einmal vor. Ihre feste kalte Hand drückte meine Stirn hinab auf den Sitz des Stuhles, während der verrückte Wissenschaftler eine weitere Spritze an meinen Hals ansetzte.
Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht erklärte die Frau mir: „Natürlich gilt dies nur, wenn der Test heute positiv verläuft. Wenn nicht wirst du mir gehören und ich versichere dir, deine Überlebenschance liegen dann bei null. Schlaf gut und genieße deinen Verstand. Denn dir bleiben wohl nur noch ein paar Stunden mit ihm, also verabschiede dich schon mal."
Nach diesem Wort stach der Mann zu. Dieses Mal war es anders. Sobald die dursichtige Flüssigkeit mit meinem Blut in Kontakt kam, schrie ich auf. Ich hatte das Gefühl als würde mein Hals von tödlichen Gift verätzt werden, doch das war nicht genug. Es wanderte weiter, schlich sich hinab zu meiner Brust und verbrannte auf seinen Weg all meine Nervenenden. Auf einmal breitet sich dieselbe Hitze rasend schnell in meinen Armen aus. Man hatte mir wohl die Bänder, welche die Blutzufuhr fast unterbrochen hatten, gelöst.
Das Serum schien an meinem Herzen langsam zu nagen, während seine ätzenden Tentakeln nun auch in meinen Kopf vordrangen. Ich verlor die Kontrolle meine Lippen zu bewegen. In meinem Mund schien ein gewaltiger Lavaball zu wohnen. Mein Sichtfeld war vollkommen schwarz und ich flehte darum endlich in die tiefe Bewusstlosigkeit abzudriften, wo der Schmerz mich nicht mehr finden konnte.
Mein Verstand lehnte sich noch einmal auf, schrie mich an, dass ich einen Fluchtweg finden musste, doch auch er konnte dem absolut alles verzerrenden Feuer nicht entkommen. Als die ätzenden Tentakeln sich durch meine innersten Gedanken bahnten, war es endlich zu viel. Ich fiel hinab in die Schwärze und dankte ihr für die Umarmung des Nichts.

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