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Auf einmal setzte ein lautes Rauschen ein. Leise fluchend griff ich zu meinem Ohr und riss das GPS Gerät heraus. Es rauschte so laut, dass ich es selbst auf meiner Hand noch klar und deutlich hören konnte. Ohne zu überlegen, warf ich das Teil so weit weg von mir wie ich nur konnte. Es landete in einen der dichten Büsche des Waldes und ich konnte nur hoffen, dass es niemand dort hören würde.
Ich musste kein Genie sein um zu wissen, was dieses plötzliche Rauschen bedeutete. Man hatte eben begonnen Störsignale über die gesamte Gegend zu senden. Wahrscheinlich hatte man das Signal zuvor kurz abgeschaltet, um den Personen im Auto weiterhin klare Sende- und Empfangsmöglichkeiten, etwa zum Telefonieren, zu bieten. Was mich in noch größere Schwierigkeiten brachte. Es mussten sehr hohe Leute im Wagen gesessen haben, wenn man für ihren Komfort extra die Sicherheit heruntergeschraubt wurde.
Nun hatte ich jedoch ein gewaltiges Problem! Mit diesem Störsignal im Nacken hatte ich absolut keine Chance Lucian irgendwie zu erreichen und um Hilfe zu bitten. Das Navigationsgerät, das man zuvor hätte orten können, war mit dem Signal ebenfalls unbrauchbar gemacht worden.
Meine einzige Chance bestand darin, wieder das Quartier der Wölfe zu erreichen und ihnen von der Gefahr hier zu berichten. Das war jedoch keine besonders leichte Aufgabe, wenn man bedachte, dass sich hier wohl lauter verrückte Psychopathen herumtrieben. Ängstlich schaute ich auf meine Pistole herab. Sie würde mir wohl kaum etwas gegen eine ganze Organisation nutzen. Ich musste zurück! Dies war kein Fall, den ich alleine lösen konnte.
Ein Knacken ließ mich erschrocken aufhorchen. Zwei Wachen in Schwarz kamen auf mich zu. Sie waren beide sehr groß. In ihren Händen hielten sie Gewehre und ihre Gesichter waren hinter dunklen Schutzhelmen mit Visiren versteckt. Ihre Schritte waren schwer und selbstsicher. Sie kamen direkt in meine Richtung, dabei hielten sie auch nicht an oder schauten sich um. Hatten sie mich bereits jetzt entdeckt!?
Panik stieg in mir hoch und zerdrückte meine Luftröhre. Schweiß trat auf meine Stirn und mein ganzer Körper begann zu zittern. Was sollte ich jetzt nur tun?
Einen Moment später bemerkte ich meinen Denkfehler. Wenn sie mich bereits gesehen hätten, würden sie mit ihren Waffen auf mich zielen. Sie würden nicht einfach so durch die Gegend spazieren.
Der Gedanke beruhigte mich etwas, doch gleichzeitig wusste ich, dass sie mich jederzeit entdecken konnten! Jede noch so kleine Bewegung konnte mich verraten. So langsam und leise wie möglich zog ich die Pistole aus ihrem Holster. Es war kein leichtes Unterfangen, denn meine Hände zitterten wie die Blätter eines Baumes im Wind.
Was sollte ich nun tun? Mich langsam zurückschleichen? Würden sie mich dann nicht mit Sicherheit bemerken? Sollte ich sie ausschalten, bevor sie mich sahen? Dieser Gedanke erschien mir logisch, doch konnte ich das wirklich? Konnte ich auf einen Menschen schießen und sein Lebenslicht für immer auslöschen?
Es zählte nicht ob ich es konnte! Ich musste es tun, was war wenn sie mich einsperren und foltern würden wie diese Werwölfin?! Die Erinnerung an das Video versetzte mich nur noch in größere Panik. Ich schaffte es kaum mehr halbwegs leise Luft zu holen, geschweige denn auf den Feind zu zielen.
Lucians Stimme schlich sich in all dem Chaos in meinen Kopf: „Atme ein.... Ziele... Atme aus..."
Wie eine Maschine, die zu nichts anderes programmiert worden war, entsicherte ich die Waffe. Einen Moment hielt die Natur um mich herum den Atem an, dann krümmte sich mein Finger und ein Laserstrahl schoss aus der Pistole hervor. Einer der beiden Männer fiel auf die Knie. Sein Partner drehte sich erstaunt zu ihm um und ich verschwendete keine Zeit und schoss ein zweites Mal. Auch er fiel zu Boden.
Ich blickte nicht zurück, um zu schauen ob sie wirklich tot waren, sondern rannte einfach nur noch gerade aus. Zurück! In Sicherheit!
Während eine schrille Stimme in meinem Gehör kreischend schrie: „Mörder! Abscheulicher Mörder!"
Auf einmal schrillten Sirenen über das Gelände. Wieso waren sie angegangen? Waren weitere Wachposten in der Nähe und hatten mich gesehen? Oder lebte vielleicht einer von den beiden Wachen noch und hatte ein Notrufsignal abgesendet?
Auf einmal überkam mich ein eisiger Schauer. Wie dumm konnte ich nur sein? Wahrscheinlich hatte man die Lebenszeichen aller Wachen überwacht! Wenn einer von ihnen verletzt wurde, konnte man eine Warnung in Echtzeit an die Zentrale schicken. Das würde bedeuten, sie wissen nicht nur, dass sich ein Eindringling auf ihrem Gelände befand, sondern auch wo und wann genau die Wachen beschossen wurden.
Panisch rannte ich noch schneller. Meine Atmung verwandelte sich in ein hilfloses schnappen nach Luft. Stechende Schmerzen pulsierten durch meine Seite versuchten mich zu Boden zu werfen, doch das Adrenalin, das durch meine Adern raste, hielt mich aufrecht. Stolpernd setzte ich einen Fuß vor den anderen.
Auf einmal schlug ein lilaner Lichtstrahl direkt neben mir ein. Panisch wich ich zur Seite aus, dabei erhaschte ich einen Blick hinter mich. Eine Gestalt genauso gekleidet wie die beiden zuvor, stand dort. Mit vollkommener ruhiger Hand hielte sie das Gewehr auf mich gerichtet. Wir beide wussten, dass sie mich fangen oder töten würde, die Frage war nur wann, denn ich würde um jede Sekunde und um jeden Meter kämpfen. Vielleicht würde ich ja tatsächlich noch in das Gebiet der Gestaltwandler kommen. Dann hätte Lucian wenigstens eine kleine Chance mich aufzuspüren. Vielleicht würde er meinen Geruch wittern und mich hier finden, falls man mich nicht auf der Stelle tötete.
Wie ein Hase auf der Flucht begann ich verzweifelt Haken zu schlagen. Meine Füße stolperten über den Boden und bewegten sich trotzdem immer weiter, so als wären sie von Zauberhand gelenkt.
Zwei weitere Blitze schlugen neben mir ein.
Vor mir tauchte eine weitere Gestalt auf. Ich musste nicht durch das getönte Visier sehen, um das breite Grinsen auf dem fremden Gesicht erkennen zu können. Ich zielte mit meiner Pistole auf die Wache, doch verfehlte sie um mehrere Meter.
Sie erwiderte das Feuer. Panisch stellte ich fest, dass ich ihnen irgendwie ausweichen musste. Ein Strahl kam direkt auf mich zu, mein Instinkt übernahm und ich schmiss mich zu Boden. Gerade so entkam ich dem gleißenden Licht. Doch nun saß ich in der Falle! Mein Körper rollte über den harten Boden und ich konnte nichts anders tun, als meine Waffe zu sichern und mich so fest wie möglich an sie zu klammern. Ich hörte auf mich zu drehen und bemerkte zu spät die Gestalt, die meinen Körper verächtlich von oben herab musterte.
„Wen haben wir denn da?", eine weibliche Stimme drang unter dem Helm hervor. Ich fiepte wie eine Maus in Panik und rollte mich zur Seite. Gerade noch rechtzeitig konnte ich einem Faustschlag entgehen.
Die andere Wache zielte nun auf mich. Sie würde mich treffen! Ich konnte nicht länger vor ihr davon laufen!
Doch die harte und doch so seltsam liebevolle Stimme der Frau, ließ sie in der Bewegung verharren: „Nicht! Ich möchte das persönlich klären. Sie hat meinen Verlobten angeschossen!"
Sofort zog die andere Wache sich ein bisschen zurück, doch noch immer hielt sie die Waffe schussbereit. Ich wusste im Bruchteil einer Sekunde hätte sie auf mich gezielt und abgedrückt.
„Also wieso bist du hier? Hast du dich etwa für besonders schlau gehalten? Aber lass es mich dir versichern, dass bist du auf keinen Fall."
„Ich wollte nur meinen FlyRoady ausprobieren", piepste ich. Wie hatte ich nur nicht daran denken können, dass diese Menschen, auf die ich geschossen hatte, eine Familie besaßen? Freunde hatten, die um sie trauern würden? Ich hatte einfach kaltblütig die Waffe auf sie gerichtet und abgedrückt. Schockiert vergaß ich für einen Moment in welcher Situation ich mich befand.
„Ach ja!?" Ein Tritt traf mein Handgelenk. Es knackte fürchterlich und meine Pistole flog davon. Sie landete ganze fünf Meter weiter auf den harten Boden. Pochende Schmerzen pulsierten durch meine Hand. Ich war zu sehr abgelenkt gewesen um auszuweichen. Der Schmerz rüttelte mich auf, trotzdem konnte ich dem nächsten Schlag nicht rechtzeitig ausweichen. Er traf mich hart in den Bauch.
Mein Körper begann zu zittern und ich konnte nichts gegen die aufkommende Übelkeit unternehmen. Tränen traten in meine Augen und ich erbrach mich vor den Füßen der Frau.
Lachend setzte sie den Stiefel auf meine unverletzte Hand und fing an langsam die Kraft zu erhöhen. Ich schrie auf. Hatte ich wirklich gedacht, die Werwölfe würden ihre Feinde schlecht behandeln?
„Warum bist du hier?! Antworte oder ich werde dir jeden Knochen in deiner Hand brechen und das wäre nur der Anfang!"
„Ich wollte nur helfen", zischte ich. Tränen traten in meine Augen, doch ich konnte nicht gegen diese Folter ankämpfen. Ich war viel zu schwach und verlor gegen den Schmerz.
„Wem wolltest du helfen?", fragte die Frau hart nach.
„Der Werwölfin...", flüsterte ich.
„Welcher Werwölfin?", die Frau setzte ihren Helm ab und blickte mich mit ihren harten stahlblauen Augen an. Ihre dazu passenden weiß silbernen Haare erinnerten mich an ausgebleichte Knochen.
„Die aus dem Video", erklärte ich zitternd.
„Welches Video?", fragte die Frau weiter nach. Ihre schmalen Lippen bebten vor Wut.
„Das aus dem Internet, wo jemand mit einer dieser Betäubungswaffen", ich zeigte auf ihr Gewehr, „auf sie schisst. Sie ist in einem Käfig."
„Verdammt", flüsterte die Frau. „Wie konnte das nur nach außen gelangen?", verlangte sie von der Wache hinter mir zu wissen, doch noch ehe diese antworten konnte, fragte sie mich: „Wer weiß noch davon?"
„Wovon?" Ich bereute diese Frage sofort, denn sie drückte mit ihrer Ferse fest auf meine Hand und begann dann ihren Fuß langsam und genüsslich zu drehen. „Von dem Video?", fragte ich schnell nach. Der Druck nahm ab. „Keine Ahnung vielleicht hunderte bis tausende oder gar Million Menschen. Wie gesagt es war im Internet. Die Seite ist zwar sehr suspekt, aber soviel ich weiß geniest sie nicht ganz wenig Aufmerksamkeit."
„Und wer weiß alles von diesem Aufenthaltsort?", schrie mich die Frau an.
„Höchstens 1% von den Zuschauern. Wahrscheinlich sogar noch weniger. Man braucht ein gewisses Wissen um die Spuren verfolgen zu können, außerdem muss man sich erst einmal diese Mühe machen. Vielleicht bin ich die einzige, die hinter die Adresse des Hochladeorts kam."
„Wenigstens etwas", knurrte die Frau wütend.
„Bitte lasst mich nun gehen, ihr kennt alle Informationen. Ich verspreche euch auch nie wieder hier her zu kommen", flehte ich sie an.
„Natürlich und zur Krönung wünsche ich dir noch einen schönen Tag. So spielen wir nicht. Schlaf gut!"
Sie zielte mit ihrer Waffe auf mich und drückte ab. Unzählige elektrische Schocks zerrütteten meinen Körper und zwangen mich in eine tiefe Dunkelheit.
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