f o u r ty f i ve

Wie eine irre Stalkerin stand ich vor dem kleinen Häuschen und grübelte, ob ich wirklich so dreist war und klingeln konnte.

Wie war es überhaupt dazu gekommen, dass nicht Taehyung mein Zufluchtsort war, sondern...
Ich schüttelte den Gedanken schnell ab.

Seelenverwandt hin oder her. Jetzt war wahrscheinlich nichts mehr davon von Bedeutung. Ich schloss meine geschwollenen Augen und drückte mir meine kühlen Handballen auf. Es tat höllisch weh. Dennoch übertrumpfte es nicht das stechen in meiner Brust.

Ich glaubte noch immer nicht, dass man mich lieben konnte. Ich passte vielleicht in die Leben anderer, aber in ihre Herzen passte ich nicht. So einfach war das.

"Seul-ah?", das Blut gefror mir in den Adern, als ich die helle Stimme erkannte.

"Was ist passiert?"

Als ich meine Arme sinken ließ und zu der Frau blickte, die mich von der Haustür aus besorgt musterte, schnürte es mir die Kehle ab.

"Wieso kommst du nicht rein?", die Falten auf ihrer Stirn wurden noch tiefer.

Wusste sie denn nicht was ich ihrem Enkel angetan hatte?

"I-ich kann nicht..", krächzte ich und schaute zu Boden, weil ich ihr nicht länger in die Augen sehen konnte.

"Nichts da! So gehst du mir ganz sicher nicht zurück!", schimpfte Halmoni laut, als ich mich gerade umgedreht hatte.

Erschrocken schnappte ich nach Luft, als sie mich gepackt hatte und mit ins Haus schliff. Natürlich hätte ich mich wehren können und selbstverständlich hätte ich dabei auch gewonnen, doch mein Körper reagierte nicht auf den Befehl von hier zu verschwinden.

"Schau dich an! Du bist ja ganz durcheinander...", die alte Frau hielt mein Gesicht in ihren zarten Händen und betrachtete es für eine Weile.

"Geh doch schon einmal hoch. Yoongi wird bald da sein. Ich mache dir einen Tee.", sie lächelte mich mit ihrem warmen, aufrichtigen Augen an.

Mein Mund wollte widersprechen, doch meine Beine setzten sich in Bewegung, ohne, dass ich Einfluss darauf hatte -mal wieder.

Also machte ich mich auf den Weg, stieg die ächzenden Treppen hinauf und ging durch den Flur, bevor ich die Tür zu Yoongi's Zimmer öffnete.

Sein Körpergeruch, der dort in der Luft lag erschlug mich beinahe. Es war ein angenehmer Geruch. Ein Geruch, den ich schon so lange vermisste.

Die Aura seines Zimmers umhüllte mich mit Nostalgie, sondass mein schmerzendes Herz noch viel mehr unter meiner Entscheidung litt, als sonst.

Ich schlich in dem abgedunkelten Zimmer auf das Ledersofa an der Wand, wo einige seiner T-Shirts und Hoodies herumlagen. Lautlos legte ich mich auf die Seite, drückte einen grauen Pullover von ihm an mich und ließ meine Augen zu fallen. Ich merkte erst später, dass meine Wangen nass waren.

Ich weinte um den Verlust von etwas, dass nie mein gewesen war.... Mal wieder. Bevor ich verlassen werden konnte, ließ ich es erst überhaupt nicht dazu kommen.

[...]

Das Geräusch von rhythmischen Klängen weckte mich, denn ich war anscheinend eingeschlafen. Eine flauschige Wolldecke lag mittlerweile auf mir und spendete mir wärme.

Er saß mit einem schwarzen Kaputzenpullover an seinem zusammengebastelten Musiklabor, während das dunkle Haar seine Augen verdeckte. Ich beobachtete ihn heimlich bis ich das Lied erkannte. Das Lied hatte er mir schließlich einmal gezeigt. An dem Tag, wo ich ihn beinahe beim rauchen erwischt hätte. Tony Montana.

"Du hast das Lied gemacht!", schoss es aus mir heraus, weshalb Yoongi erschrocken zuckte und sich dann zu mir drehte.

Sein Gesichtsausdruck blieb ein Rätsel für mich, da ich seine Augen nicht erkennen konnte.

"Gut geschlafen?", fragte er mich mit seiner rauen Stimme.

Doch ich überging die Frage, da sie wahrscheinlich eh nur rhetorisch war.

"Deine Musik ist wirklich gut..."

Er tat es mir gleich und ging ebenfalls nicht darauf ein.

"Taehyung hat überall nach dir gesucht. Ich hoffe es ist in Ordnung, dass ich ihm Bescheid gegeben habe, dass du hier bist."

Bestürzt nickte ich.

Er wirkte zwar so müde und schroff wie sonst auch, doch etwas an ihm war anders. Ich konnte nur nicht zuordnen was es war.

"Wie läuft es eigentlich... mit dem Training? Kommst du voran?"

Es war einen Moment still im Raum, ehe er mir antwortete.

"Es läuft wie geschmiert.", gab er zurück und ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte.

Es schmerzte mich ihn meinetwegen leiden zu sehen, also richtete ich mich auf.

"Dankeschön, aber ich sollte wohl lieber gehen.", murmelte ich unbehaglich.

"Du bleibst. Hast du mal auf die Uhr gesehen? Es ist Mitten in der Nacht.", grummelte Yoongi. Jetzt wirkte er wirklich wie ein Brummbär.

"A-aber...", stotterte ich verlegen, obwohl es nicht das Erste mal wäre, dass ich hier eine Nacht verbringen würde.

"Nimm du das Bett."

Störrisch schüttelte ich meinen Kopf und verschränkte die Arme vor dem Brustkorb.

"Ich werde so lange wach bleiben bis du auch schlafen gehst.", bestand ich, woraufhin Yoongi ein leises Seufzen entkam.

Um ehrlich zu sein, wusste ich garnicht woher diese Unverschämtheit kam.

Doch er gab nach und legte sich in die hinterste Ecke seines Bettes, bevor ich mich ebenfalls hinlegte und hörte wie er etwas unverständliches vor sich hin plapperte.

Als wir so da lagen und ich seinen Rücken betrachtete, kam mir alles surreal vor und meine wohl größte Angst packte mich wieder. Und die war, dass er mich so sah, wie ich es bei mir selbst tat. Tat er das bereits? Immerhin war ich wie ein Buch. Das eine Buch, welches man anfing, aber nicht mehr weiterlesen wollte.

Mein Arm versuchte ihn am anderen Ende zu erreichen. So nah und doch so fern, dachte ich ironisch. Irgendwann schlummerte ich wieder ein. Sein ruhiger, flacher Atem war wie ein Schlaflied für mich gewesen.

Vielleicht war es die Wahrheit, dass wir verloren gingen, um gefunden zu werden. Dass wir weg rannten, um sehen zu können wer uns gefolgt war.

Es war das Letzte mal gewesen, dass ich ihn gesehen hatte. Das Letzte mal, bevor ich nur wenige Tage später sterben sollte.

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