#3 Röcketag
Am darauf folgenden Tag machte ich mich erneut zu Fuß auf den Weg zur Schule, während Blake wieder an meiner Seite fuhr. Wir schwiegen beide. Als wir schließlich die Schule erreichten, kündigte er an, dass er mich nach Schulschluss abholen würde, und fuhr davon, ohne auf meine Antwort zu warten. Das Thema meines verwüsteten Zimmers hatte er nicht einmal angesprochen, was mir Rätsel aufgab. Verärgert schlenderte ich den Flur entlang. Während mich gestern alle in Ruhe ließen, war ich heute ununterbrochen Gesprächsthema.
Anna, eine Mitschülerin aus meinem Jahrgang, zeigte unablässiges Interesse daran, mit mir zu sprechen. Aus mir unerklärlichen Gründen entschied ich mich, sie zur nächsten Unterrichtsstunde zu begleiten. Als wir uns dem Klassenraum näherten, begann Anna leise vor sich hin zu sprechen: »Die drei attraktivsten Jungs der Schule in einer Gruppe - Ian, Rick und Mateo.« Ich nahm mir die Zeit, jeden einzelnen von ihnen eingehend zu betrachten.
Waren Lederjacken gerade in Mode? Und wer war natürlich auch da? Mister Hau sie um höchstpersönlich. Ein tiefes Seufzen entglitt meinen Lippen. Anschließend berichtete Anna mir, wie gutaussehend sie Mateo fand, und ich erkundigte mich, weshalb sie nicht den Mut aufbrachte, ihn anzusprechen. »Du bist nicht ganz bei Verstand! Du kannst sie nicht einfach ansprechen! Das führt nur zu Problemen mit den Mädchen!« Verwirrt wechselte ich meinen Blick zwischen ihr und den Jungs hin und her.
Der Typ von gestern nickte mir dabei zu. Ich fragte mich, was das zu bedeuten hatte. Wir waren keine Freunde, und ich kannte nicht einmal seinen Namen. Ich sprach ihn darauf an, dass er mir zugeknickt hatte, und erkundigte mich, ob er zu lange auf den Wackeldackel im Auto geschaut hatte. Gelassen erwiderte er, dass er lediglich höflich sein wollte. In diesem Augenblick stellten sich mir die beiden anderen Jungs vor: Mateo und ein weiterer namens Rick.
So wurde mir automatisch klar, wer der dritte und letzte war: Ian, auch bekannt als Mister Hau sie um. Es machte mich nur wütender, dass ich das nun wusste. Immerhin interessierte es mich nicht. Man stellte mir dann auch noch die Frage, welches Fach als nächstes bei mir auf dem Stundenplan stand. »Hier gibt es nur einen Klassenraum. Warum also die unnötige Frage?, fab ich schroff von mir.« In Folge dieser Bemerkung kam es zu einem Streit zwischen Rick und Mateo.
»Finger weg! Du weißt, dass es dafür Regeln gibt!«, rief Mateo verärgert. Rick antwortete: »Aber sie hat eine Abneigung gegen ihn.« Mein Kopf begann zu schmerzen. Was war nur in dieser verfluchten Stadt los? »Ian, es ist so schön, dich zu sehen! Ich habe die ganze Zeit nach dir gesucht!«, sagte plötzlich ein hübsches blondes Mädchen. Sie umarmte ihn herzlich und drückte sich dabei an ihn. Die Umarmung fühlte sich unangenehm und fast schmerzhaft an.
Ich erfuhr, dass das das Mädchen Kelly hieß und die beiden Anderen an ihrer Seite Debby und Olga waren. Leider waren sie mir sofort unsympathisch, da sie nicht einmal wussten, wer Anna war. Kelly trat an mich heran. »Du bist dir offensichtlich nicht im Klaren darüber, wer wir sind«, bemerkte sie. »Das wird auch so bleiben! Für mich ist jemand uninteressant, der nicht alle Schüler desselben Jahrgangs kennt.« Die Mädchen lachten, dabei meinte ich es ernst.
»Wir kennen nur die wichtigen Personen.« Genervt schüttelte ich den Kopf. »Was trägst du da eigentlich? Die Mädchen tragen heute keine Hosen, denn es ist Dienstag - der Tag der Röcke«, bemerkte Debby. Wo war ich hier nur gelandet? Ein Tag der Röcke? Im Ernst? Mir fiel auf, dass Rick an mir interessiert wirkte, und ich beschloss, die Chance zu nutzen. »Möchtest du mich auch in einem Rock sehen?«, fragte ich ihn daher mit süßer Stimme. Rick nickte lächelnd, woraufhin Mateo ihm höflich, aber bestimmt nahelegte, einen Schritt zurückzutreten.
Ich näherte mich Rick und spielte beiläufig an den Knöpfen seines Hemdes. Er entsprach exakt meinem Geschmack und schien ebenfalls Interesse an mir zu haben. »Wie fändest du es, wenn ich einen Rock anziehen und meine Beine zeigen würde?« Er war definitiv mein Typ - ein Mann, der wusste, was er wollte, und dies auch offen kommunizierte. Vielleicht könnte er mich sogar auf andere Gedanken bringen. Außerdem wollte ich Kelly zeigen, dass ich mich nicht auf ihre Spiele einlassen würde.
»Welche Länge soll er haben? Möchtest du es mir zeigen?« Er griff nach meinem Bein, und ein Grinsen entglitt mir. »Jetzt reicht's!«, rief Kelly aufgebracht. »Misch dich nicht ein«, erwiderte Rick. »Lass die Finger von ihr, Rick. Im Ernst!«, meldete sich nun auch Mateo wieder zu Wort. Ich trat näher an Mateo heran und hielt vor ihm an. »Oder könntest du mir möglicherweise die Länge zeigen? Ich bin hier völlig überfordert und wäre dir dankbar, wenn du mir helfen könntest«, bat ich unsuldig.
In diesem Moment zog Ian mich abrupt zur Seite und berührte dabei meine Hand, was überraschend angenehm war. Dennoch empfand ich darüber hinaus auch tiefen Ärger. »Kellys Eltern stehen in gutem Kontakt mit dem Direktor. Du möchtest doch sicher gute Noten, oder?«, fragte er mich. »Bist du dir darüber im Klaren, wie das gerade hier aussieht? Finger weg und zwar sofort. Meine Noten sind zudem immer gut.«
Ian neigte den Kopf etwas zur Seite. »Was hat dich gestern so geärgert, als Ethan dich Be...« Er konnte seine Worte nicht fortsetzen, da ich ihm einen Finger auf den Mund legte und seinen Blick festhielt. »Äußere es, und mein Knie wird genau dort landen, wo es schmerzt. Und danach folgt mein Fuß! Hast du das verstanden?« Er nickte, und ich ließ von ihm ab. Ich war fest entschlossen, es umzusetzen, da war ich mir sicher. Dabei war ich niemals gewalttätig. Was war nur aus mir geworden?
»Ian?«, rief Kelly. »Sie ruft dich. Setz dich artig zu ihr, dann bekommst du bestimmt eine Belohnung.« Ich konnte nicht genau sagen, warum ich das äußerte, aber es kam einfach so aus mir heraus. Ich war froh, dass sie uns unterbrochen hatte und doch wieder nicht. »Bist du etwa eifersüchtig?« Im gleichen Moment trat der Lehrer ein und öffnete die Tür. Ich trat ins Klassenzimmer, statt ihm zu antworten und fand einen Platz am Fenster. Ich war noch nie eifersüchtig und würde sich jetzt nicht damit anfangen. Schon gar nicht wegen ihm!
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