Vertrauensschüler
Der restliche Tag zog sich wie ein zäher Druhbels, der sich ewig langziehen ließ. Schon an unserem ersten Tag hatten wir Unmengen an Hausaufgaben aufbekommen, weswegen ich mich am Abend vor einem riesigen Stapel aus Büchern und Pergamentbögen wiederfand. Und ich war gerade dabei meinen Aufsatz für Professor Snape in groben Notizen anzufangen, ehe ich mich an die Reinschrift machen würde, als Violet mit einem lauten Knall ihre Tasche neben mich stellte und sich in einen dunkelgrünen Samtsessel fallen ließ. Ihre Haare waren komplett zerzaust und ihre Uniform war mit grünlich, glitzerndem Staub überdeckt. „Was ist dir denn passiert?", meinte ich und musste mir ein Lachen verkneifen, da sie wirklich ziemlich völlig fertig aussah, gleichzeitig wusste ich aber, dass sie solche Späße nicht sehr gut aufnahm. „Peeves", presste sie hervor und zog ein Buch über Botanik aus ihrer Tasche, welches sie unsanft auf den Tisch knallte.
Ich merkte schnell, dass es wohl besser war sie in Ruhe zu lassen, weswegen ich mich wieder auf mein Pergament konzentrierte. Doch offenbar hatte Violet etwas anderes im Sinn. „Musst du nicht zu deinem blöden Vertrauensschüler treffen?", keifte sie, wobei sie das V-Wort besonders betonte, fast so als wäre es eine schreckliche Beleidigung. Eigentlich wusste ich, dass ich noch genügend Zeit hatte und dennoch warf ich einen Blick zu der uralten Standuhr, die in unserem Gemeinschaftsraum stand und die noch aus der Zeit von Salazar Slytherin stammte. „Nein, hab noch eine halbe Stunde", murmelte ich dann und fokussierte mich wieder auf meine Notizen, spürte allerdings den durchbohrenden Blick von Violet. Sie hatte die unangenehme Angewohnheit völlig allein sein zu wollen, wenn etwas nicht zu ihrer Zufriedenheit verlief, um schmollen zu können und da die restlichen Sitzplätze bereits belegt waren, hatte sie es jetzt auf meinen Tisch abgesehen. Selbstverständlich hatte ich nicht vor ihr diesen zu überlassen, sie war sowieso schon ziemlich verwöhnt und wenn man ihr zu viel durchgehen ließ, verstärkte man ihr Prinzessinnen-Syndrom noch mehr. Jedoch war es auf Dauer ziemlich anstrengend, wenn man permanent angestarrt wurde, und dazu kamen regelmäßige Räusperer, weswegen ich mich sowieso nicht mehr konzentrieren konnte.
„Vielleicht sollte ich doch schon gehen, um ein paar Vorbereitungen zu treffen", gab ich letztendlich nach, was sie mit einem stummen Nicken entgegennahm, allerdings öffnete sie daraufhin ihr Buch und suchte nach einem Pergamentbogen – ein Zeichen dafür, dass sie endlich zufrieden war, woraufhin ich augenverdrehend meine Unterlagen zusammenpackte und mich dann erhob.
Natürlich war ich viel zu früh zu unserem Treffen, weshalb ich davon ausging, dass ich erstmal alleine in dem leeren Klassenzimmer warten würde. Doch zu meiner Verwunderung war bereits jemand anwesend, der sämtliche Fenster geöffnet hatte, sodass die laue Abendbrise herandrang, während er auf dem Lehrerpult saß und durch ein Quidditch-Magazin blätterte.
Sein rotes Haar leuchtete in den letzten Sonnenstrahlen des Tages nur noch mehr, sodass man beinahe denken könnte es hätte Feuer gefangen und dazu kamen durch das Schattenspiel der Abendsonne seine markanten Gesichtszüge noch besser zum Vorschein. Er trug nur das weiße Hemd seiner Uniform und seine schlichte schwarze Hose, sowie die locker gebundene Krawatte, was ihn irgendwie entspannter wirken ließ. Dieser Effekt wurde noch weiter unterstrichen durch seine Angewohnheit sich ständig durch das rötliche Haar zu fahren - eine sehr attraktive Eigenschaft.
„Lass das bloß nicht Professor McGonagall sehen, wie du so auf ihrem Pult sitzt", begrüßte ich ihn und an dem leichten Zusammenzucken merkte ich, dass Bill meine Anwesenheit erst in diesem Moment wahrgenommen hatte. Fast schon bereute ich es, dass ich ihn angesprochen hatte, denn ansonsten hätte ich sein Äußeres noch länger mustern können. Gleichzeitig wäre es bestimmt seltsam gewesen, wenn er mich dabei erwischt hätte, wie ich ihn anstarrte. „Sie wäre sicherlich nicht böse, immerhin ist es ihr Magazin", erwiderte er und legte das Heft zurück auf den Schreibtisch und unwillkürlich fragte ich mich, wie er es überhaupt zum Vertrauensschüler geschafft hatte, da er durchaus ein Händchen dafür hatte die Schulregeln zu seinen Gunsten zu beugen, ohne jemals Ärger dafür zu bekommen. Aber dann bemerkte ich sein charismatisches Lächeln und wusste, dass ihm vermutlich niemand lange böse sein konnte.
„Warum bist du schon hier?", kam es neugierig von ihm und mit einem Schlenker seines Zauberstabes schloss er die Fenster und entzündete den Kronleuchter an der Decke, da es allmählich dunkel wurde. „Ach nun ja, im Gemeinschaftsraum war einfach zu viel los und dann dachte ich mir, dass ich auch hier meine Zeit verschwenden kann", erklärte ich ihm und ließ mich an einem der Schülerpulte nieder. „Schlaues Mädchen, übrigens wollte ich mich noch dafür entschuldige, was Magdalen losgelassen hat, aber du kennst sie ja", fing er an und noch ehe er mehr zu dieser Situation sagen konnte, unterbrach ich ihn mit einer schnellen Handbewegung. „Keine Sorge, damit komme ich schon klar", beschwichtigte ich ihn, außerdem war ich der Meinung, dass es nicht seine Aufgabe war, sich für sie zu entschuldigen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, als wollte er noch etwas loswerden, allerdings kamen in diesem Moment zwei weitere Personen in das Klassenzimmer.
Es waren Jane Hampton, die Vertrauensschülerin aus Hufflepuff und Magdalen Baker, die offenbar gerade etwas erklären konnte, aber als sie mich erblickte, hielt sie abrupt inne und warf mir einen gehässigen Blick zu und als sie dann noch Bill bemerkte, konnte man fast eine Spur von Panik auf ihrem Gesicht ablesen.
„Offenbar gehörst du auch zu den vorbildlichen Schülern, die immer fünf Minuten vor der Zeit eintreffen", kam es in einem trällernden Tonfall von der Vertrauensschülerin aus Gryffindor, die sofort zu Bill hinüber tänzelte und ihre Begleitung einfach links liegen ließ. „Naja eigentlich bin ich schon etwas länger hier, aber Kas hat mir ja Gesellschaft geleistet", entgegnete er ihr. „Ach deshalb habe ich dich nicht im Gemeinschaftsraum gesehen, dabei wollte ich noch etwas mit dir besprechen, aber das geht nur unter vier Augen", wobei sie mir einen warnenden Blick zuwarf.
„Wir haben ja auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum genügend Zeit, um über alles zu reden, was dir auf dem Herzen liegt", witzelte Bill und legte spaßeshalber einen Arm um sie, allerdings konnte ich deutlich den triumphierenden Ausdruck erkennen, der sich auf ihrem Gesicht abzeichnete.
Glücklicherweise trafen kurze Zeit später auch die anderen ein und so war ich endlich von Magdalens Show erlöst.
Wie immer waren diese Treffen nicht sonderlich spannend, da man hauptsächlich den neuen Vertrauensschülern noch einmal die große Verantwortung verdeutlichte, die ihnen mit diesem Amt übertragen würde und zudem wurden die Patrouillen Pläne für die Abende und Nächte festgelegt, um die Lehrer zu unterstützen. Magdalen wollte selbstverständlich nur mit Bill zusammenarbeiten, allerdings meinte dieser das wir zuerst einmal gemischte Paare aus den Häusern und den neuen und den alten Vertrauensschülern bilden sollte. Und so wurde sie kein einziges Mal mit ihm zusammen eingeteilt, allerdings hatte ich ein paar Dienste mit ihm zusammen, da wir beide Alchemie hatten und ansonsten zu wenige Posten übernommen hätten. Auch für diese Fügung bekam ich wieder einen vernichtenden Blick von der Gryffindor, die die Szene von heute Vormittag noch immer nicht vergessen hatte und als sich unser kleines Treffen auflöste vernahm ich deutlich, wie sie lautstark zu Bill meinte: „Ich finde es ja so wunderbar, dass du Alchemie gewählt hast, immerhin wissen doch alle, dass du einer der begnadetsten Schüler hier in Hogwarts bist und nicht darauf angewiesen bist, dass ein Lehrer dich bevorzugt".
Das war des Guten zu viel und ohne ein Wort des Abschieds machte ich mich auf den Weg in meinen Gemeinschaftsraum, der inzwischen nicht mehr ganz so gut besucht war. Auch von Violet fehlte jede Spur, weswegen ich mich erneut an meinen Aufsatz für Zaubertränke setzte und als ich diesen zu Ende geschrieben hatte, fertigte ich noch ein paar Übersetzungen für alte Runen, wodurch es ziemlich spät wurde, als ich endlich zum Schlafen kam.
Hey, sorry für die lange Wartepause, allerdings geht es bei mir im Studium gerade drunter und drüber, weswegen es heute auch ein etwas kürzeres Kapitel gibt. Hoffentlich gefällt es euch trotzdem :)
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