18. Fernweh
"An was erinnern Sie sich?"
"Ich... Da waren... Blitze? Ein Gewitter womöglich. Das Donnern der Wellen... Oder war es das des Himmels? ...es ging alles zu schnell."
"Versuchen Sie sich genauer zu erinnern. War jemand bei Ihnen? Was geschah mit Ihren Freunden?"
"Ich..."
"Sehen Sie Gesichter? Oder hören Stimmen? Erinnern Sie sich?"
"Es geschah zu schnell... Da sind Bruchteile... Von Sekunden.... Schreien.... Entsetzen.... Schmerz."
"Wer war bei Ihnen? Sehen Sie, Sie müssen sich erinnern, damit wir Ihnen und Ihren Gefährten helfen können."
"Ich... Ich erinnere mich nicht."
Ratlos sah ich zu dem jungen Mann auf, dessen Kapitän mich einige Stunden zuvor aus dem Wasser gefischt hatte, mummelte mich defensiv dichter in meine Decke ein.
"Hatten Sie vielleicht eine Freundin bei sich, oder die Familie?", versuche er es frustriert erneut und hilflos hob ich die Schultern, hatte wirklich keinen blassen Schimmer von allem, was nach dem Schiffbruch passiert war.
Verzweifelt sah der Mann zu seinem Komplizen auf, der neben ihm stand, die Arme streng vor der weiß gekleideten Brust verschränkt hatte.
"Ich sehe hier keine Hoffnung. Sir, wir müssen davon ausgehen, dass Sie unter einer temporären Amnesie leiden, PTSD und so... Sobald wir anlegen, bringen wir Sie zum Arzt, der wird ihnen hoffentlich helfen können.", sprach der Dunkelhaarige düster, ich konnte nicht mehr, als nur zu nicken.
Ich war froh, dass ich gerettet worden war, auch wenn ich allein auf einem Schiff voller Fremder war, aber was machte das schon, ich kam heil heim und konnte leben.
"Los, geh Guk fragen, wann wir da sind."
Der jüngere von beiden eilte geschäftig aus dem Raum, während der andere Mann mir noch eine Tasse heiße Schokolade machte, mich bedrückt beobachtete, während ich zaghaft an dem Getränk nippte.
"Sobald wir wieder im Heimathafen sind, werden wir einen Suchtrupp nach Ihrem Schiff und möglichen Überlebenden aussenden. Falls der Doktor jenes empfhielt, können Sie diesen unter Umständen auch begleiten und hoffentlich vor Ort Ihre Erinnerungen zurückgewinnen."
Abermals hob ich die Schultern, befand mein Getränk gerade einfach als interessanter als irgendeine Stress Disorder und fokussierte wieder dieses, ließ das Brummen unseres Bootes zum Hintergrundgeräusch werden.
-
Nachdem die nette Marinecrew mich daheim abgeliefert und ich einiges an organisatorischen Dingen geklärt hatte, ging ich in der Tat einen Arzt aufsuchen.
Der sagte mir genau das Gleiche, wie die Seemänner zuvor, dass ich unter PTSD litt, mir etwas Ruhe gönnen sollte und einige Medikamente nehmen, die helfen sollten meinen Körper wieder etwas in Schwung zu bringen.
Außerdem sollte ich es langsam angehen, wenn ich nach meinen verschwundenen Erinnerungen grub.
Ich machte also, was man als Jinyoung so machte. Ich ging heim und legte mich mit einem Buch auf die Couch, wunderte mich noch, wann Jaebeom heim kam, damit wir gemeinsam unser Puzzle vom Wald in Hokkaido fertig stellen konnten.
Weil es mir irgendwann langweilig wurde, versuchte ich einen nach dem anderen meiner Freunde zu erreichen, aber niemand ging an sein Handy, weswegen ich es irgendwann bei der einen Person etwas außerhalb meines direkten Freundeskreises versuchte, einfach nur um zu sehen, ob vielleicht mein Handy kaputt gegangen war.
"Jinyoungie.", meldete er sich allerdings augenblicklich, die Stimme lächerlich verstellt.
Schon war ich versucht aufzulegen.
"Ich hätte nicht gedacht, dass jemand von euch außer Jackson jemals versuchen würde mich zu erreichen.", sagte er nun wieder normal, in seiner tiefen, ernsten Stimme.
"Naja...", murmelte ich nur, hatte keinen blassen Schimmer, wo Jackson überhaupt hin verschwunden war.
Es sah ihm nicht ähnlich ohne viel Tamtam zu verschwinden.
"Ich wollte nur sehen, ob mein Handy noch ganz ist, ich habe niemanden der anderen erreicht...", gestand ich kleinlaut, malte kleine Kreise auf den Rücken meines Buches.
"Ist etwas passiert? Ihr seid doch alle zusammen in den Urlaub gefahren, sag bloß du hast dich verlaufen."
Ich stutze.
Waren wir das?
Warum erinnerte ich mich nicht daran?
"Oh... Ähm, nein, da hinten kommen sie gerade! Bye Namjoon, danke für deine Hilfe!"
Hastig legte ich auf, bevor er mehr sagen konnte und nahm konfus mein Handy herunter.
Wenn wir alle gemeinsam in den Urlaub gefahren waren... Dann bedeutete das, dass sie es auch gewesen waren, mit denen ich Schiffbruch erlitten hatte. Aber nur ich war wieder hierher gekommen, richtig?
Oder hatten die anderen womöglich auch Land gefunden und waren nur in Japan gestrandet oder so?
Nervös setzte ich mich auf, wusste immerhin nicht, wo sie bitte waren und beeilte mich dann die Nummer anzurufen, die der Marinejunge von zuvor mir bei unserer Trennung besorgt überreicht hatte.
Sie war für Notfälle und das hier war einer.
"Jung Daehyun?", meldete er sich glücklich nach dem ersten Klingeln und ich beeilte mich zu fassen, führ mir nervös mit der Hand durch die Haare.
"Hier ist Park Jinyoung! Ich habe mich erinnert, da waren noch Sechs weitere! Sie müssen noch dort in der Nähe sein!" Nervös quetschte ich das Buch in meiner Hand.
"Oh warte, das geh ich grad schnell Yongguk sagen! Mit ein bisschen Glück können wir schon innerhalb kürzester Zeit los, weil ihm da viel Freiheit gelassen wird! Moment ich wechsle das Zimmer..." Ich lauschte angespannt seinem Gebrabbel und dem Geräusch von sich öffnenden und schließenden Türen.
Dann sprach Daehyun kurz etwas weiter vom Handy entfernt zu Yongguk und kehrte schnell wieder zu mir zurück.
"Machen Sie sich keine Sorgen, Jinyoung-ssi. Yongguk sagte gerade, dass er morgen ohnehin noch einmal raus fahren wollte, um nach Überlebenden zu suchen, wir können Sie jederzeit mit uns nehmen. Ein Glück, dass Sie sich erinnert haben, das hilft uns wirklich weiter!", erzählte Daehyun aufgeregt an meinem Ohr und ich atmete auf.
"Gut, sehr gut, danke... Wir sehen uns dann morgen..."
"Um 8 am Bahnhof, wir sammeln Sie dort ein! Bis dann und machen Sie sich nicht zu viele Gedanken, wir finden sicherlich jeden wieder!", rief Daehyun noch enthusiastisch aus, dann war das Signal weg und ich sank ungläubig in die Couch zurück.
Verdammt, wie konnte ich es nur vergessen, dass sie bei mir gewesen waren?
Aber selbst nach Namjoons Worten war keine einzige Information in meinem Kopf, die diese auch bestätigte.
Und ich hatte hier seelenruhig gelesen, während Jaebeom gerade weiß Gott wo war und womöglich verhungerte, weil er eine zu faule Katze war.
Ich hatte die Hoffnung, dass Yugbam dann wenigstens auch verschwanden, damit ich auch einen Trost für meine Trauer hatte.
Wir würden sehen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top