13. Entladung
Zu sagen ich sei verwirrt, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen.
Ich hatte es mir ein paar Mal gedanklich wie ein Mantra vor mich hin sagen müssen, was hier gerade abging, damit ich nicht von all der Absurdität gänzlich den Verstand verlor.
Das Meer hatte mich gerufen, in mir eine schreckliche Paranoia hervor gerufen, die sich letzten Endes als berechtigt erwiesen hatte. Nachdem es dann aus eigenem Antrieb versucht hatte mich zu ertränken, war ich irgendwie hier gelandet, bei einem Haufen wilder Urwaldeinwohner, die scheinbar nur zu gut wussten, was es mit einem menschenfressenden Meer auf sich hatte.
Ich wollte heim.
Nach einem kurzen Moment der Panik, als eine verfluchte Pfütze einen Namen gerufen hatte, war ich bereits auf den Beinen und auf und davon.
Man konnte sagen ich war weg gerannt, aber das klang so feige.
Also würde ich an den guten, alten Jackson denken und sagen, dass dies mein Morgenjog war.
Ich wollte nichts zu tun haben, mit sprechendem Wasser und nackten Wilden, nah.
Eigentlich wollte ich nur daheim mit einem Buch auf meine Couch oder einem Puzzle und Jaebeom auf den Boden.
Es war schwer mich zufrieden zu stellen, in der Tat.
Jedenfalls kam ich nicht besonders weit.
Ich rannte blind durchs Gestrüpp, hörte und fühlte nichts, ich wollte nur weg, nur heim, verdammt sei dieser Urlaub.
Das ganze ging so lange, bis plötzlich ein Blitz, ein verdammter Blitz ohne jede Vorwarnung vor mir in den Boden einschlug und einen Haufen Totholz in Brand setzte.
Geschockt stolperte ich rückwärts und direkt in eine stabile Brust, bevor ein starker Arm meine Hüfte fand, mich mühelos festhielt.
Natürlich wehrte ich mich sofort mit allem, was mir zur Verfügung stand, aber der Mann machte sich nicht besonders viel daraus, er hielt mich nur wortlos an seinen massigen Körper gepresst.
Als dann aber der andere Mann, der dünne, wütende vor mir aus der Dunkelheit trat und zwischen seinen beiden Handflächen ein Blitz knisterte, gleißend und hitzig bis hierher, da setzte ich dann komplett aus.
Und nun war ich hier.
In einer Hütte aus Bambus und Gräsern, mit einer Bastmatte auf dem Boden und mir darauf, während sechs Wilde um mich herum standen, mit gerunzelten Stirnen und verschränkten Armen missbilligend auf mich herab starrten.
Es war nicht das, was ich erwartet hatte, als ich Yunhyeong damals zugesagt hatte mit ihnen in den Urlaub zu gehen, ganz und gar nicht.
"Und du sagst du hast keine Ahnung von Meervolk oder deren König?"
Das schon wieder.
Sie sprachen die ganze Zeit schon irgendeinen wirren Mist über Meerjungfrauen und sowas.
"Nein. Hört mal ich wollte nur schlafen, da hat plötzlich das Meer versucht mich zu ertränken. Ich weiß nicht, warum es es letzten Endes nicht getan hat, aber ich bin froh darüber. Diese Freude wollte ich mir eigentlich nicht von Typen wie euch verderben lassen."
Ich war genervt und verschreckt, ich zitterte noch immer am ganzen Leib, weil das Meer sprach und dieser Typ mit dem Gesicht eines Killers da hinten hatte einen Blitz gehalten wie ein Baby.
Nicht meine Welt, ganz und gar nicht.
Einer von ihnen, ein etwas größerer mit ebenfalls klar definierten Muskeln und dunklem Haar, das zu seinen Tattoos passte, trat vor, sah unschlüssig auf mich herab.
"So wie ich das sehe, bist du in der Tat unschuldig, aber weil das Meer nicht so ganz wusste, was es mit dir tat, sollten wir dich noch hier behalten. Du könntest dich als eine wirkungsvolle Waffe gegen sie heraus stellen.", sprach er sanft, wie zu einer verschreckten Stute und wandte sich dann dem Mann mit dem pastellrosanem Haar zu, der einzige, der hier drinnen nicht voll mit Tätowierungen war.
"Hyungwon bitte sieh nochmal nach seinen Wunden, wir brauchen hier keine Infektion."
Er drehte sich zu einem Blonden.
"Minhyuk du treibst ihm bitte irgendwas zur Beruhigung auf, so wie ich das sehe, ist er gerade nur hoffnungslos überwältigt."
Dann sah er wieder mich an, aus dunklen, wissenden Augen.
"Und du bleibst bitte vorerst hier und machst keine Probleme. Wir prüfen, ob du in Sicherheit bist und lassen dich dann wieder gehen."
Klar, und ich war der Weihnachtsmann.
Mist, das war ich für Yugbam tatsächlich.
Dennoch blieb ich still sitzen, es war ja ganz offensichtlich, dass sie ihre Bewachung bloß verstärken würden, wenn ich mich wehrte und beschloss abzuwarten.
Zufrieden nickend verließ der anscheinende Chef uns wieder, nahm einen Mann mit Grübchen und den Muskeltypen aus dem Wald mit sich, als er ging.
Zurück blieben der Arzttyp - Hyungwon - und der Kerl mit den Blitzen, der mich immernoch misstrauisch anstarrte.
"Geh Kihyun suchen, er braucht etwas zu essen. Und hör auf so böse zu gucken, er hat dir nichts getan!", sprach Hyungwon den anderen dann aber an und überrascht blinzelte der, ließ kurzzeitig seine Fassade fallen.
"Ich traue ihm nicht. Wer weiß schon, was er dem Meer angetan hat, dass es ihn nicht mehr wollte.", knurrte er unwillig, doch dann verließ er folgsam die Hütte.
Hyungwon seufzte an meiner Seite tief, wickelte einen hübschen Verband aus Blättern um meinen Oberarm.
"Du musst sie entschuldigen... Sie sind manchmal barbarisch."
Sie wirkten eher immer barbarisch, aber gut.
"Es ist okay... Ich traue euch ebenso wenig, wie ihr mir.", gab ich nur distanziert zurück, wollte mich nicht zu schwach zeigen.
Das brachte Hyungwon zum lachen und seine Mundwinkel kräuselten sich amüsiert.
"Das ist fair. Wir sollten einander zur Hand gehen."
Der Mann von zuvor betrat die Hütte wieder und winkte mir aufzustehen.
Etwas wackelig tat ich, wie mir geheißen, schüttelte Hyungwon ab, der mich vorsichtig stützte.
"Kihyun ist dran, komm, ich zeige dir etwas."
Ich folgte ihm ohne weiteres Theater aus der Hütte und auf einen Trampelpfad durch den Wald.
"Du sagtest du glaubst nicht an das Meervolk?", versicherte er sich noch einmal, meine Augen klebten auf der Figur eines Panthers auf seinem Rücken.
"Ich habe auch nicht an Typen geglaubt, die Blitze halten, aber scheinbar gibt es sie doch... Soll es doch im Meer geben, was es will.", versuchte ich mich zu retten, glaubte natürlich kein Wort, aber hey, wenn ihn meine Worte beruhigten, dann passte das schon.
"Oh, du meinst das?", grinste er allerdings und hob eine Hand, zog seine aneinandergelegte Daumen und Zeigefinger auseinander und wieder war da ein Blitz, ein ganz kleiner, der zwischen seinen Fingern knisterte.
Ich schluckte und nickte nur, begann mich wirklich zu fragen, was hier nicht stimmte, ob ich träumte oder meine Augen mir schon wieder einen Streich spielten.
"Wenn man nicht an etwas glaubt, dann ist es die beste Medizin es selbst zu sehen.", meinte er und wir kamen an einem kleinen See zu stehen, der von einem dünnen Zaun umgeben war, der verräterisch knisterte.
Der Mann berührte das Gebilde und das Knistern stoppte, dann erst öffnete er ein Gatter und winkte mich ungeduldig zu sich hinein.
Es dämmerte, die Schwärze wich einem Grau, doch ich erkannte noch nicht, warum wir hier waren.
"Hier, damit du mir glaubst."
Damit griff er ins Wasser und umfasste etwas dunkles, bevor er es mit einem Ruck aus dem Wasser zog und achtlos neben uns auf das Land fallen ließ.
Ich zuckte zurück, es war ein Körper, der da leblos neben uns hin floppte und ich sah Blut über eine gebräunte Brust verteilt, aber was noch viel wichtiger und schockierender war, war der türkisblaue Fischschwanz, der sich lang und glatt von der Hüfte abwärts erstreckte.
Mit offenem Mund sah ich zu dem zufriedenen Wilden auf, dann ließ ich meine Augen nochmal über das Geschöpf vor uns gleiten.
Von der eleganten Schwanzflosse hoch über glatte Schuppen, definierte Muskeln und zu dem menschlichen Gesicht des Mannes.
Und schon wieder gefror mein Blut.
Ich kannte dieses Gesicht. Diese dunklen Brauen und vollen Lippen, Die langen Wimpern.
Es war Junhoe.
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