11. Noch ein Unglück
Die Unruhe ließ nicht nach und es begann sich zu zeigen.
Ich bat Jaebeom nervös vom Meer weg zu bleiben und er gehorchte mir wortlos, drückte mir nur einen Kuss auf die Stirn um zu zeigen, dass er verstand, nicht nachfragen würde.
Auch Youngjae hörte, verließ sich gerne auf mein Urteil und machte sich ohnehin zu viele Sorgen, um ans Spielen zu denken.
Bei dem Rest war es eine andere Geschichte. Sie waren in der kurzen Zeit so gute Freunde von den Inselbewohnern geworden, dass die beiden Gruppen kaum noch zu trennen waren, sie verbrachten immerzu Zeit miteinander und spielten am Meer.
Was ja auch fair und gesund war, aber ich konnte das üble Gefühl in meinem Unterbauch, dass bald etwas schreckliches passieren würde und es mit diesem Meer zu tun hatte nicht abschütteln.
Und natürlich sollte ich Recht behalten.
Es war wie der Mond, es rief uns, brachte unser Blut in Bewegung. Seit diesem einen Abend, an dem es uns durch das Fenster beobachtet hatte, fühlte ich mich nicht mehr allein gelassen von den Fluten und ich sorgte mich so sehr um meine Freunde, dass ich fast krank davon wurde.
Ich erwachte nachts, weil etwas nicht stimmte.
Kurz musste ich mich orientieren, der Raum war nur vom Viereck des Mondlichts durch das Fenster erleuchtet.
Langsam setzte ich mich auf, bekam eine kindische Angst vor den Schatten im Raum, sie wirkten größer und dunkler als sonst, aber nicht sie waren es, die mich letzten Endes in eine helle Panik versetzten.
Jaebeom lag nicht neben mir.
Sofort kam das eisige Verstehen über mich und ich sah mich suchend nach ihm um, bevor ich entsetzt aufsprang und begann hellwach den Raum nach ihm zu durchsuchen.
Er war auch nicht im Bad oder im Schrank, weswegen ich mitten in der Nacht panisch aus dem Haus stürzte, kaum Luft bekam vor Angst wohin er gegangen war.
Ich sprintete blind vor Sorge zu Youngjaes Haus und fiel mit der Tür ins Haus.
Unser Otter schlief eng an Jackson gekuschelt seelenruhig vor sich hin, aber kein Jaebeom.
Mein Herz drohte mir schier aus der Brust zu springen, als ich weiter rannte, unsanft fiel und mir das Knie aufschürfte.
Er war auch nicht bei Yugbam.
Verzweifelt rannte ich im Dorf umher und suchte nach ihm, das Blut rauschte laut in meinen Ohren und mein abgehackter Atem klang erstickt in der Nachtluft, vor dem hypnotischen Singen der Wellen.
Die Wellen...
Ich blieb abrupt im Schritt stehen, stand exakt in der Mitte unseres Dörfchens und starrte angestrengt in die Nacht.
Es war ein großer, breiter Weg, der direkt zum Meer hinab führte und hell vom Mond erleuchtet war, die grueslige Kombination so nahe erlaubten.
Ich ging zwei Schritte auf das Meer zu, dann verharrte ich ängstlich, konnte mich selbst nicht dazu zu bringen weiter zu gehen.
Aber...
Meine Augen wurden groß wie Teller, als ich sie sah, die einsame Silhouette, die mitten in der Nacht in das Meer hinein watete, viel zu vertraut wirkte.
Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, rannte ich los, auf den tückischen Feind zu, der alle in seinen Bann zog, nur um dann still und leise zu töten.
"Jaebeom! Jaebeom nicht!", schrie ich verzweifelt seinen Namen, während ich ungeschickt über den Sand stolperte, Wasser unter meinen Füßen spürte, wie es mich umgab, mir das Gefühl von Treiband gab.
Laut und mit roher Gewalt watete ich viel zu langsam hinter Jaebeom her, das Wasser war ebenso eisig wie meine Furcht davor, doch ich hatte nur Augen für Jaebeoms Schatten vor dem Mond.
Bis ich ihn erreichte, ängstlich die Hand nach ihm ausstreckte.
Doch er war da nicht.
Es war bloß eine Sandburg der Kinder, die verwirrend menschliche Form hatte.
Ich ließ meine Hand fallen, stand zwar nur bis zur Brust im Wasser, war aber gänzlich durchnässt vom Angstschweiß.
Da war nichts.
Der Vollmond schien immernoch bleich auf mich herab, das Wasser umspielte immernoch unschuldig das Land.
Es hatte keine Seele.
Es hatte keine Augen.
Da war nichts.
Mit einem Mal kehrte meine Müdigkeit wieder zu mir zurück, ließ mich ruhig werden.
Mark war auch nicht da gewesen. Die beiden waren vermutlich Sterne gucken gegangen oder so.
Es bestand kein Grund zur Sorge.
Gähnend wandte ich mich um, um wieder zu gehen, woanders nach Jaebeom zu suchen, um mein Gewissen zu beruhigen.
Und das war der exakte Moment, in dem eine Hand meinen Fuß packte, mich unter die Wellen riss.
Das Wasser erstickte meinen Schrei, spielte ohne jede Regnug weiter mit dem Sand.
-
Ich erwachte von einem schweren Gewicht auf meiner Brust, wie es schmerzhaft drückte und zerrte.
Automatisch wich ich dem aus, mir wurde schlecht davon, weswegen ich unwillig davon weg rollte, auf meine Seite und würgte, nur Flüssigkeit ausspuckte.
"Es ist wieder bei uns, okay."
Ich würgte, hatte viel zu viel Flüssigkeit zum heraus würgen und nahm erstmal keine Notiz von den unbekannten Stimmen über mir, bis es endlich aufhörte, ich nur zitternd und frierend da lag und mich konfus mit schmerzenden Augen umsah.
Eine Hand berührte mich an der Schulter, spendete Wärme und Menschlichkeit.
Was war geschehen?
"Kannst du mich hören? Falls dir irgendwas besonders weh tut oder sich komisch anfühlt, sag es bitte sofort.", sprach eine ruhige Stimme über mir und ich drehte schwerfällig den Kopf, sah einen Mann mit rosanem Haar und vollen Lippen über mir knien.
"Oh, Blut. Leute, macht mal Licht.", sprach der Mann besorgt und half mir mich aufzusetzen, während um uns mehrere Flammen im Dunkeln entzündeten, mich kurzzeitig blendeten.
"Was ist passiert?", fragte ich leise, meine Kehle war wund und die Stimme zu kratzig, dass ich selbst winselte.
"Das musst du uns sagen, wir haben dich von den Klippen gefischt.", meldete ein anderer Mann sich zu Wort, er hatte eine tiefere Stimme und unwillig die Arme verschränkt, während er neben uns stand.
Wir waren im Wald. Da waren drei fremde Männer.
Ich sah am Sprecher herab, wie er sehr Dschungel nicht gekleidet war und Tätowierungen fast seinen gesamten Körper bedeckten.
Neben ihm stand ein weiterer Mann, der mich eindringlich beobachtete, ein kleinerer Mann mit dunklem Haar und starken Muskeln, die sich unter seinen Tattoos spannten.
"Ich weiß nicht... Wie bin ich hier her gekommen? Wer seid ihr?" Ich zischte in Schmerz, als der Mann an meiner Seite eine Wunde an meinem Arm berührte. Er lächelte sofort entschuldigend.
"Es ist Nacht, Vollmond. Du hingest an unseren Klippen. Wir sind auf einer Insel und du kamest aus dem Meer, an was erinnerst du dich?"
Sie wirkten gewarnt, wie als haben sie ein Problem mit Leuten aus dem Meer, was ihre defensiven Posen erklärte.
"Ich..."
Der Mann sah noch wütender aus, schien kurz davor mir seinen altmodischen Speer durch den Körper zu treiben, aber der Schwarzhaarige hielt ihn davon ab.
"Du hast es gehört, nicht? Wie es nach dir rief?"
Mein Gehirn wollte nicht.
"Wie... was nach mir rief?"
Der Mann nickte zu etwas hinter mir und ich wandte den Kopf über meine Schulter, sah hinab auf eine endlose, blaue Weite.
Und es sagte meinen Namen.
"Das Meer."
"Ja.", flüsterte ich entsetzt.
"Ja, ich höre es."
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