~𝙎𝙖𝙛𝙚𝙝𝙤𝙪𝙨𝙚~
Das Schlafzimmer ist genauso luxuriös und bequem eingerichtet, wie der Rest des ländlich gestalteten Hauses. Ein grau-brauner Laminatboden zieht sich durchs das gesamte obere Stockwerk und endet in Chloes Zimmer. Dort steht ein großer Spiegelschrank und ein flaches Sideboard, auf dem zwei weiße Lampen stehen. Zwischen diesem Sideboard und dem gigantischen Boxspringbett steht eine hohe Vase, in der sich nur künstliches Dekogrün zeigt. Auf dem Bett liegt eine dekorative graue Tagesdecke und mehrere kleine Kissen.
Die Wand hinter dem Bett ist mit grau-blauen Holzbrettern verkleidet und macht das ganze Zimmer wohnlich und gleichzeitig weckt es den Charme des Waldes, der sich um das Haus herum ausbreitet. Das sagt ein genauer Blick aus dem bodentiefen Fenster, welches gleichzeitig als Schiebetür fungiert. Draußen befindet sich ein Balkon, von dem aus man die Umgebung im Umkreis von mehreren Meilen erkennen kann. Er führt um das gesamte obere Stockwerk herum. Einziger Nachteil: Chloe hat von dieser Seite des Hauses keinen Blick auf den See.
Doch sie fühlt sich wohl hier. Ja sie mag das Haus sehr. Wie lange wird sie wohl hier bleiben? Sie wird ihren Onkel sehr vermissen. Ist er noch immer zu Hause? Geht es ihm gut? Chloe kann ihn momentan nicht einmal anrufen. Christian hat ihr vorübergehend das Handy abgenommen und gemeint, das würde sie mehr in Gefahr bringen, als alles andere. Heißt das nun, dass sie gar nicht mehr mit der Außenwelt kommunizieren darf?
Sie seufzt und schaut auf das graue Walki-Talki in ihren Händen.
Es gibt sieben Kanäle. Nummer Eins wird von der Security genutzt und Kanal Drei von allen Hausbewohnern. Dazu gehören Christian und der andere Lieutenant namens Liam. Ja sie wohnen beide im Haus.
Doch auch noch eine ältere Dame, die sich als Köchin und Haushälterin im Haus aufhält. Es ist Chloe ein bisschen unangenehm von ihr umsorgt zu werden, da sie es doch gewohnt ist dies selbst zu tun. Jetzt fühlt sie sich wirklich wie ein VIP.
Magda heißt die gute Frau, ist klein und pummelig, hat kurze grau melierte Haare und ein rundes, freundliches Gesicht. Sie hat Chloe aufgenommen wie ihre eigene Tochter und ihr sofort einen leckeren Eintopf gekocht, damit sie ja nicht verhungert. Allein das macht sie Chloe schon sympathisch.
Während sie sich also in der Küche am Tresen einen Teller mit Gemüse reingehauen hat, sind Christian und Liam nach draußen gegangen. Es sind nun schon zwei Stunden vergangen und sie hat nichts von ihnen gehört. Kümmern sie sich immer noch um die Sicherheitsmaßnahmen?
Wenn Chloe nicht solche Angst vor diesen Angreifern gehabt hätte, würde sie glauben sich in einem falschen Film oder einem Paralleluniversum zu befinden. Bei solch hohen Sicherheitsmaßnahmen erscheint es Chloe unmöglich, dass jemand unbemerkt aufs Grundstück kommt oder entkommt.
Sie muss zugeben, so sicher hat sie sich seit Jahren nicht gefühlt. Sie hofft nur, dass das auch für Onkel Freddy und ihre Freunde gilt. Was machen Rick und Izzy nur gerade? Machen sie sich vielleicht Sorgen? Chloe bedauert sich nicht von ihnen verabschiedet zu haben. Sie kann sich nur mit der Hoffnung trösten sie bald wieder zu sehen.
Draußen gehen Scheinwerfer an. Chloe steht auf und geht zum Fenster. Sie sieht eine Menge Leute über den Rasen gehen. Kann sie wirklich allen vertrauen? Es ist schon zum Lachen, aber eigentlich will sie nur Christian vertrauen. Er hat ihr dreimal das Leben gerettet. Er wird ihr bestimmt nicht wehtun. Also soll er bei ihr bleiben. Nicht diese fremden Anzugträger. Das Walki-Talki wird ihr wieder bewusst und sie drückt neugierig auf die Nummer Drei, um den Kanal einzustellen.
„Wolf, wo bist du?"
Ist das Liams Stimme?
„Am See, warum?"
Das ist definitiv Christian. Doch was hat der Wolf zu bedeuten?
„Du bist stundenlang gefahren und jetzt immer noch dabei alles zu überprüfen. Willst du keine Pause machen?"
„Keine Sorge, das mache ich gleich schon."
Nach einer kurzen Pause kratzt das Funkgerät aufs neue und Christian fragt: „Bist du beim Spatz?"
„In der Nähe, ja."
„Ist sie in deinem Blickfeld?"
„Jetzt übertreib nicht. Ein bisschen Privatsphäre muss ich ihr noch lassen."
„Nur wenn sie ihm Bad ist."
Chloe könnte schwören einen schalkhaften Unterton heraus zu hören, bevor die Verbindung abbricht.
„Soll ich auf ihren Socken tanzen, oder was?", fragt Liam scherzend.
„Bloß nicht. Wenn du ihr näher als zwei Meter kommst, dreht sie durch."
„Warum?"
Er klingt nun ernster nach Christians komischer Bemerkung.
„Frag nicht. Respektiere es einfach."
Die Unterhaltung stellt sich als äußerst interessant heraus. Die Scheinwerfer draußen gehen wieder aus und lassen nur Dunkelheit zurück. Bis auf den beleuchteten Weg, über den nun Christian geht. Chloe ertappt sich beim Schmunzeln, zieht die dicken Vorhänge zu und legt sich dann gemütlich aufs Bett. In der Hand hält sie immer noch das Gerät. Vermutlich rechnet keiner damit, dass sie heimlich mithört. Schließlich ist das Ding ja nur für Notfälle. Doch so eine kleine Komödie zum Einschlafen kann nicht schaden.
„Auf zwei Meter solltest selbst du Probleme haben, Wolf", lacht Liam schelmisch.
„Was soll das denn heißen?"
„Jemand mit deiner Playlist, lässt doch bestimmt nicht die Finger von so einer hübschen Lady."
„Vergiss es, Tiger. Erstens habe ich die Playlist in den letzten drei Jahren nicht aktualisiert, weil ich dafür keine Zeit hatte und zweitens ist Chloe Anderson außerhalb unserer Liga."
Jetzt endlich versteht sie das mit den Tiernamen. Sie ist der Spatz und Christian der Wolf und Liam der Tiger. Es sind Code-Namen.
„Schon klar, weil ihr Vater der General ist und uns einen Kopf kürzer macht, wenn wir ihr zu nahe kommen oder in unserem Auftrag als Bodyguards versagen."
„Ja auch deswegen."
„Und weshalb noch?"
Weil sie ein gestörter, vorbelasteter Freak ist, denkt sich Chloe und sinkt müde in die weichen Kissen.
„Weil sie Männer leider hasst."
Es dauert einen Moment, bis der Satz in ihrem Gehirn ankommt. Dann muss sie auf einmal laut lachen. Das hat Christian nicht wirklich gerade gesagt, oder? Nicht, dass er unrecht hätte, aber Chloe hatte mit etwas anderem gerechnet. Chloe ist ihm sehr dankbar, dass er sie nicht als Freak dargestellt hat. Vielleicht empfindet er es auch nicht so. Sie ist sich nicht sicher.
Es war wirklich eine gute Idee das Funkgerät anzuschalten. Doch langsam übernimmt die Müdigkeit die Kontrolle über Chloe und sie schaltet es ab. Nach langer Zeit fällt sie endlich wieder mit einem Lächeln in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
~
Christian hat sich mehr als einmal gefragt, ob es überhaupt einen Mann gibt, der es schaffen würde Chloes Ängste verschwinden zu lassen. Würde sie jemals gesund werden und heiraten? Einfach ein normales Leben führen? Diese Gedanken bringen wiederum andere Fragen mit sich. Was würde sie noch erwarten? Würden wieder Angriffe auf ihr Leben erfolgen und wenn ja, wie geht Chloe damit um? Kann sie das alles hier jemals hinter sich lassen?
Im Augenblick scheint sie sich relativ sicher zu fühlen. Das liegt hauptsächlich an dem Haus. Es gefällt ihr hier. Er hat das gehofft. Denn ein anderes Haus für Chloe zu finden würde schwierig werden. Doch für den Moment können sie sich entspannen. Sicherlich nicht für immer, aber Christian ist auf alle erdenklichen Vorfälle vorbereitet.
Schließlich macht er sowas nicht zum ersten Mal und dieses Haus kennt er bis ins kleinste Detail. Er kennt jeden Baum, jede Blume und die Anzahl an Überwachungskameras auf dem gesamten Gelände. Im Haus selbst sind keine. Das ginge vielleicht ein bisschen zu weit. Doch wenn immer eine Person in Chloes Nähe bleibt, kann ihr nicht viel passieren. Nur wie geht Chloe damit um? Sie ist es nicht gewohnt rund um die Uhr bewacht zu werden. Vielleicht entspannt sie auch allein schon die Tatsache, dass sie nicht mehr alleine unter einer einsamen Straßenlaterne stehen muss. Sie ist überhaupt nicht mehr alleine.
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