~𝙅𝙖̈𝙜𝙚𝙧 𝙪𝙣𝙙 𝙂𝙚𝙟𝙖𝙜𝙩𝙚~
Der Schusswechsel ist unaufhörlich. Langsam wird es kalt und absolut ungemütlich auf dem feuchten Boden.
„Wir bekommen Gesellschaft", sagt Liam angestrengt.
Christian steht halb geduckt auf und zieht ebenfalls seine Waffe. So ein Pech, dass die restliche Munition noch im Wagen liegt. Christian muss irgendwie dahin. Etwas schwierig, wenn der Truckfahrer das Dauerfeuer nicht einstellt. Noch dazu bekommt er Unterstützung von zwei weiteren Kerlen mit Gewehren.
Chloe bleibt die ganze Zeit am Boden. Fürs Erste ist sie da gut aufgehoben. Der Baum gibt ihr Deckung. Doch wenn das Gefecht sich hinzieht, brauchen sie mehr Munition.
„Liam, gib mir Feuerschutz."
„Was hast du vor?"
„Ich gehe zum Jeep, Munition holen."
„Spinnst du? Du bist Kugelfutter:"
„Hab' keine Wahl."
Damit setzt sich Christian in Bewegung. Anscheinend möchte er unbedingt noch eine Kugel abfangen. Bis zur Straße hält er sich weitestgehend hinter den Bäumen in Deckung, aber sobald er den Asphalt erreicht, läuft er los bis zum Jeep und sucht dahinter Schutz. Liam schießt derweil ohne Pause auf die Feinde. Denen ist es egal, ob sie Chloe lebendig oder Tod bekommen.
Die Beifahrertür klemmt. Die Fahrerseite kann Christian vergessen, sie ist komplett vom Truck zerquetscht worden. Er zerrt und reißt, bis die Tür unter Quietschen endlich nachgibt. Doch ganz auf bekommt er sie nicht. Das Geräusch hat auch einen der schießwütigen Kerle angelockt. Christian hat keine Zeit zu verlieren, als die Kugeln den Wagen treffen. Doch der Typ macht den Fehler und kommt näher. Würde er in der Ferne bleiben, könnte Christian nicht viel gegen ihn ausrichten, doch der Mann ist nicht ganz helle. Oder die Munition geht ihm aus.
Er kommt immer näher und hört auf zu schießen. Durch Baum und Metall ist wohl seine Sicht eingeschränkt. Er muss herum kommen und weiter auf Christian zielen. Das ist seine Chance! Mit geschickten Bewegungen und unglaublich schnell tritt er dem Mann das Gewehr aus den Händen, sobald er den Baum umrundet hat. Er lässt die Waffe fallen und reagiert zu langsam auf den schnellen Nahangriff.
Dadurch hat Christian fast leichtes Spiel mit ihm, aber nur fast. Der Typ ist besser im Nahkampf als mit dem Gewehr. Zudem ist er eine Nummer größer und hat mehr Muskeln. Christian nimmt sich vor noch mehr zu trainieren, als er seine Faust ins Gesicht bekommt. Doch der Konter folgt sogleich.
Er wert die Schläge mit seinen Armen ab und greift gleichzeitig mit den Füßen an. Nun zählt seine Schnelligkeit. Das ist das einzige was hilft, wenn man einen stärken Feind vor sich hat. Er täuscht einen Schlag an, duckt sich und zieht ihm die Beine weg. Sein Feind taumelt gezwungener weise zu Boden. Doch er ist noch nicht besiegt. Er will sich schon aufrappeln, als Christian schnell reagiert, über ihn klettert und ins Gesicht schlägt so fest er kann.
Der Mann nutzt seine Beine, um ihn von sich zu stoßen. Doch Christian macht sich schwer. Er schlägt erneut zu und trifft seinem Gegner so geschickt an der Schläfe, dass dieser benommen auf den nassen Waldboden sinkt. Christian will ihn nicht töten. Er nimmt sein Gewehr und ein Messer, was er in der Brusttasche findet, an sich und geht zu Chloe zurück. Das wird auch Zeit.
Liam hat alle Hände voll zu tun die anderen zwei Männer auf Abstand zu halten. Ihre grimmigen, kantigen Gesichter sind die von Söldnern. Christian hat den Ausdruck ihrer Augen schon so oft gesehen. Sie sind skrupellos und zögern nicht ein Menschenleben zu nehmen, solange der Preis stimmt.
Die Terroristen müssen ein halbes Vermögen für Chloes Kopf bezahlt haben. Dabei ist sie doch nur die Tochter eines Generals, der zufällig für die Verhaftung einiger Anhänger des IS verantwortlich ist. Die junge Frau kann doch nichts dafür. Doch wie soll man das diesen Fanatikern erklären?
~
Ihr Herz beruhigt sich etwas, sobald die Christian sieht. Er kniet sich neben Chloe auf dem Boden. Anscheinend hat er die restliche Munition und die Versorgungstasche aus dem Jeep geholt. Er ist dreckig und seine Haare sind nass, verstrubbelt und mit einigen Tannennadeln bestückt.
Hat er gekämpft? Sieht so aus. Seine Augen treffen kurz die ihren, während er ein zweites Gewehr zusammenbaut. Befürchtet er, dass sie gleich wieder durchdreht? Sie hasst Waffen. Schon der Anblick macht ihr Angst und erinnert sie an die schreckliche Nacht, in der ihre Mutter starb.
Doch sie hat keine Wahl als Christian und Liam zu vertrauen. Wären sie nicht bei ihr, wäre sie schon längst tot oder in der Gewalt dieser Männer.
„Wenn wir doch nur schneller gewesen wären. Auf den vielen kreuzenden Bergwegen hätten sie uns nie gefunden."
„Das ist jetzt auch egal, Chris, wir müssen hier weg", spricht Liam laut gegen die Schüsse an. Chloes Körper zuckt bei jedem Schuss leicht. Doch wenn sie nicht genau hinsieht, geht es einigermaßen.
„Sie verlassen ihre Deckung und kommen näher."
Das zu hören ist nicht gerade beruhigend. Chloe drückt sich auf den Boden. Als mehrere Holzsplitter von den Rings umher stehenden Bäumen durch die Luft sausen, schließt sie die Augen und hält die Arme schützend über den Kopf. Der Duft von nassem Waldboden, Rinde und Tannenzapfen steigt ihr in die Nase. Doch auch der Geruch von Schmauch und Metall.
Viel lieber würde sie jetzt Christians Jacke haben. Damals hat er sie ihr übergeworfen, damit sie geschützter ist und weniger sieht. Der Duft von Leder und von Herrenwasser ist weitaus besser. Nein, sie darf doch jetzt nicht an sowas denken.
Sie schaut auf. Christian hat beim nächsten Baum Deckung gefunden und schießt ebenfalls auf die Feinde, die langsam näher kommen. Doch so richtig kommen sie nicht an sie heran.
Wie lange können die Beiden sie noch mit Kugeln beschützen?
„Liam, nimm sie mit in den Wald."
Der junge Soldat stellt das Feuer ein und wendet sich besorgt an seinen Freund.
„Was ist mit dir?"
„Ich halte sie noch eine Weile auf Abstand, dann komme ich nach. Hast du die Funkgeräte?"
Liam nickt Christian zu.
„Gut, dann verschwindet."
Liam gehorcht. Chloe ist nicht davon begeistert Christian zurück zu lassen. In den Filmen kommen die Leute nie zurück, die zurück gelassen werden. Das ist immer so, auch in den gewaltlosen Filmen.
„Wir können ihn nicht hier lassen", protestiert sie also laut und wehrt sich, als Liam sie mit sich ziehen will. Das ist gefährlich, weil man immer noch auf sie schießt. Mehrere Schüsse zwingen Chloe und Liam erneut dazu sich zu ducken und Schutz hinter den Bäumen zu suchen.
„Wir haben keine Zeit für sowas, Chloe. Wir müssen uns im Wald verstecken. Das ist besser als hier darauf zu warten, dass uns die Munition ausgeht."
„Aber..."
„Chloe!"
Christians laute Stimme unterbricht sie.
„Renn!"
Sie hält inne, versteht, was er gerade gesagt hat und so schwer es ihr fällt dreht sie sich um und läuft bei der nächsten Gelegenheit in den Wald ohne zurück zu blicken.
Liams Schritte sind deutlich hinter ihr zu hören.
„Lauf einfach weiter, ich folge dir schon, also achte nicht auf mich."
Sie läuft erst schnell, nach einer Weile etwas langsamer und dann bekommt sie keine Luft mehr. Sie muss kurz stehen bleiben und ihre Atmung regulieren. Liam ist immer noch bei ihr. Unter ihren Solen knacken kleinere Äste.
Wie soll das gut gehen? Sie sind ohne Ziel oder Richtung los gelaufen. Werden sie auch wieder aus dem Wald heraus finden?
Sie sieht zu Liam. Meine Güte, er ist nicht einmal außer Atem.
„Sind wir weit gekommen?", fragt sie in der Hoffnung auf eine längere Pause.
„Nicht mal annähernd."
Sie schnappt nach Luft und stützt sich auf den Knien ab.
„Ich kann nicht mehr laufen."
„Dann geh langsam weiter. Doch stehen bleiben ist nicht gut."
„Wie sollen wir uns im Wald zurecht finden?"
Er kramt kurz in seiner Jackentasche und holt einen kleinen Apparat hervor. Er grinst, als Chloe den Kompass erkennt.
„Christian hat eine Karte. Wir werden schon wieder hier raus kommen. Doch fürs Erste müssen wir unsere Verfolger loswerden."
„Schon klar. Meinst du er wird uns finden?"
Damit ist natürlich Christian gemeint.
„Er wird sie ausschalten und dann zu uns stoßen."
Er wird sie ausschalten?
„Kann er das denn alleine?"
Liam bringt sich zu einem leichten Schmunzeln. „Du hast keine Ahnung, was er alles drauf hat. Er hat sich nur in deiner Gegenwart zurückgehalten, weil du Gewalt nicht so gut verträgst."
Wie bitte? Wie soll er sich denn gegen zwei stark bewaffnete Gegner zurück gehalten haben? Wie kann er sie besiegen bei dem Schusswechsel?
„Liam, er ist alleine."
„Mach dir keine Sorgen, er schafft das schon."
Er grinst und geht voraus.
„Ich...mach mir keine Sorgen", murmelt sie unsicher und klingt selbst in ihren Ohren nicht überzeugend.
„Und ob."
„Nein", erwidert sie diesmal bestimmter.
Doch eine Minute später fragt sie: „Was ist mit seiner Schulter? Er ist doch verletzt."
Liam legt das Gewehr auf seinem Arm und dreht sich zu ihr um. Er ist wahrlich verzückt.
„Du machst dir doch Sorgen."
Das ist so unangenehm. Chloe will sich das nicht eingestehen. Sie zieht eine Grimasse und schüttelt kräftig den Kopf.
Das bringt Liam zum Lachen. „Du magst ihn."
Das war jetzt aber sehr direkt und vollkommen unangemessen.
Sie geht unbeholfen an ihm vorbei, um seinem forschenden Blick auszuweichen. Dabei bindet sie sich irgendwie die langen Haare zu einem Knoten. Was gäbe sie jetzt nur für bequeme Kleidung, eine Couch und Erdbeereis.
„Was geht dich das an?", erwidert sie nach einer kurzen Pause. „Außerdem habe ich gerade andere Sorgen. Terroristen sind hinter mir her."
„Um genau zu sein sind es im Moment Auftragsmörder."
Chloe schluckt. Na toll, Liam wird sie wohl nicht mit Samthandschuhen anfassen. Warum führt sie diese Unterhaltung überhaupt mit ihm? Sie zieht es vor zu schweigen. Sie gehen noch eine Weile geradeaus, bis Liam sie weiter nach rechts führt. Er behält ständig die Umgebung im Auge und sieht sich nach den Verfolgern um. Das macht Chloe wieder nervös.
Um sie herum knackt es im Wald. Bestimmt sind es nur Tiere, versucht sie sich selbst einzureden.
Trotzdem kommt die Anspannung nach einiger Zeit zurück und Chloe wünscht sich die komische Unterhaltung von vorher zurück. Alles ist besser, als alleine durch einen fremden Wald zu laufen, auf der Flucht vor Auftragsmördern und ohne Ziel.
Ein Knacken lässt Liam herumfahren und Chloe zuckt zusammen, als er das Gewehr hebt und hinter sich zielt.
Eine Sekunde später fällt ein Stein der Erleichterung von ihrer Seele.
„Du hast lange gebraucht."
„Musste dafür sorgen, dass man die Spuren nicht mehr findet", sagt Christian nüchtern und schultert gleich zwei Gewehre und die Tasche.
„Ist es sicher? Können wir zurück zur Straße?"
Christian nickt. „Ja, aber vorsichtig. Wir gehen bis zum Restaurant zurück und besorgen und ein neues Fahrzeug."
Chloe stutzt. Er meint doch nicht etwa stehlen? Naja, vielleicht haben sie gar keine andere Wahl.
Warum können sie denn die Armee nicht einschalten? Sie können dringend Hilfe gebrauchen.
„Ich weiß das alles ist nervenzerreißend für dich, Chloe, aber bitte vertraue uns. Wir müssen so schnell wie möglich hier weg."
„Und dafür müssen wir ein Auto stehlen?"
„Die Armee kommt später dafür auf."
Sie staunt nicht schlecht.
„Wäre es nicht einfacher Unterstützung anzufordern?"
„Nein. Solange wir zu dritt bleiben, fallen wir nicht so schnell auf."
„Sie haben uns trotzdem gefunden", merkt Liam kurz an.
„Das wird nicht nochmal passieren."
Schön, wenn er das so sieht. Chloe ist nicht überzeugt. Doch hält sie sich mit weiterem Protest zurück. Sie muss Christian vertrauen. Er hat sie bisher beschützt, also wird er das auch weiterhin tun. Er weiß was er tut.
Also ziehen sie zu dritt durch den feuchten Wald und gehen aufmerksam Richtung Straße. Doch sie gehen nicht direkt an der Straße zurück. Das wäre zu auffällig. Sie halten sich gerade so weit entfernt, das sie den Asphalt gerade noch sehen können. Kein Auto fährt an ihnen vorbei. Es ist keine stark befahrene Straße. Das ist auch ihr Glück. Je schneller man den Unfallort meldet, desto eher werden wieder Söldner hinter ihnen her sein.
Das ist selbst Chloe klar.
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