~𝙁𝙞𝙧𝙨𝙩 𝙇𝙞𝙚𝙪𝙩𝙚𝙣𝙖𝙣𝙩 𝘾𝙝𝙧𝙞𝙨𝙩𝙞𝙖𝙣 𝙃𝙖𝙡𝙚~

Eigentlich braucht Chloe noch mehr Zeit. Sie ist noch nicht so weit ihm vollständig zu vertrauen. Doch Christian hat keine Wahl. Zwei Angriffe auf ihr Leben an einem Tag sind wirklich zu viel. Damit wird er wohl auf diese Weise nicht fertig. Er kann Chloe nur beschützen, wenn sie weiß wer er wirklich ist. Deshalb hat er nicht lange gezögert und Verstärkung gerufen.

Der andere Mann ist vermutlich tot. Sie haben ihn erschossen, als er Chloe zur Hilfe kam. Sein Kollege ist an diesem Tag auch nicht erschienen. Das hätte Christian schon als Warnung sehen müssen. Genauso die Sache mit der Kühlkammer. Er hat es einfach noch etwas hinauszögern wollen. Er hat angenommen, dass ihm noch etwas mehr Zeit bliebe. Ein großer Irrtum.

„Chloe, du musst dir was anziehen."
„Wieso?"
„Du musst hier weg."
„Wie jetzt?"
Christian nimmt ohne groß nachzudenken ihr Handgelenk und führt sie zurück hinauf zu ihrer Wohnung. Dort verzieht sie das Gesicht, als sie den toten Mann sieht. Er ist eigentlich für ihre Sicherheit zuständig gewesen. Schließlich muss Christian auch irgendwann mal schlafen. Leider hat er seinen Job nicht besonders gut gemacht.

„Pack eine Tasche mit Kleidung und dem nötigsten, was du für ein paar Tage brauchst", verlangt Christian und führt sie weiter in die Wohnung.
„Ich soll weg?"
Chloe entzieht ihm ihren Arm und bleibt mitten im Wohnzimmer stehen. Sie versteht es noch nicht.

„Bitte, Chloe, wir haben nicht viel Zeit. Du bist hier nicht sicher."
„Warum? Was geht hier vor? Wer sind diese Männer und warum haben sie mich angegriffen?", will Chloe aufgeregt wissen und reibt sich die leicht brennenden Handgelenke. Das kommt von der groben Behandlung. Auch von ihm. Hat er sie zu grob angefasst?

„Ich erkläre dir alles unterwegs. Jetzt sieh erst einmal zu, dass du dir was anziehst und deine Sachen packst", erklärt er etwas gereizt. Er versucht es zu verbergen, aber er ist wirklich beunruhigt. Wenn er seinen Auftrag richtig machen will, muss Chloe hier weg und zwar schnell.

Als diese sich immer noch nicht vom Fleck rührt, sieht Christian verzweifelt aus.
„Ich will es jetzt wissen! Kannst du das nicht verstehen?"
„Ich verspreche dir später alles zu erklären, doch für den Augenblick bitte ich dich mir zu vertrauen." Er sieht sie eindringlich an und macht eine flehende Geste.
Sie ist wütend. „Du verlangst verdammt viel von mir, Christian, dafür dass ich dich eigentlich gar nicht kenne", murrt sie widerwillig und kehrt ihm den Rücken zu.
„Ich weiß", sagt er nun etwas ruhiger.

Dann geht Chloe ins Schlafzimmer und knallt unüberhörbar die Tür zu. Er hört sie packen. Andernfalls wäre er auch nicht ruhig geblieben. Doch diesen kurzen Moment muss er ihr alleine geben. Die Zeit nutzt er, um den toten Mann aus der Wohnung zu schaffen. Es wird bald jemand kommen, der sich um all das kümmern wird. Aber Chloe muss ja nicht gerade über ihn fallen. Sein Handy klingelt, als er zurück ins Wohnzimmer kommt.



~



Chloe sucht hektisch ihre Sachen zusammen. Sie soll hier weg? Wie stellt Christian sich das vor? Was ist mit ihrem Onkel und ihren Freunden? Sind sie auch in Gefahr? All das schießt ihr durch den Kopf, während sie zwischen der Reisetasche auf ihrem Bett und dem Kleiderschrank hin und her läuft. Dabei ist sie so unachtsam, dass sie versehentlich das Bild ihrer Mutter vom Nachttisch wirft.

Sie flucht, als Christian nach ihr fragt. Er soll bloß nicht rein kommen. Sie will ihn für fünf Minuten nicht sehen. Chloe zwingt sich dazu tief durch zu atmen und hebt langsam den Bilderrahmen vom Boden auf. Das Glas ist gesprungen, hält sich aber noch in der Fassung. Sie zögert, dann packt sie das Bild samt Rahmen in die Tasche und sucht das Ladegerät für ihr Handy. Ach ja, das ist ja in der Küche.

Chloe nimmt die Tasche und geht in den Flur. Christian steht im Wohnzimmer und telefoniert. Er beendet das Gespräch, als sie zu ihm kommt. So wie er da im schwach beleuchteten Zimmer steht, wirkt er wie ein ganz gewöhnlicher Mann. Irgendwie gar nicht wie ein Soldat. Chloe versucht sich Christian in Uniform vorzustellen, während sie das Ladegerät holt.

„Wir müssen los", drängt er ungeduldig.
Zusammen verlassen sie die Wohnung. Christian geht voraus durchs Treppenhaus. Wo ist der tote Mann hin? Und überhaupt...warum ist es immer noch so still im Haus?

„Was ist mit meinen Nachbarn?"
Eigentlich müssten die restlichen Hausbewohner etwas mitbekommen haben von dem Radau. Warum rührt sich nichts?
„Sie wurden vor einer Woche evakuiert."
Evakuiert? Ist die Situation so schlimm?
„Und warum bin ich dann noch hier?"
„Weil ich dachte, dass mir noch mehr Zeit bleibt."
„Wofür?"

Christian schaut sie nicht an. Er geht langsam weiter die Stufen hinunter.
„Um dein Vertrauen zu gewinnen. Zumindest soweit, dass du jetzt mit mir kommst."
Als sie das hört, will Chloe alles andere als mit ihm kommen.
„Also hast du mir von Anfang an was vorgemacht?"

„Nein", sagt er bestimmt und dreht sich augenblicklich zu ihr um. „Ich habe dir nie etwas vorgemacht."
„Was sollte dann diese Geheimniskrämerei? Christian, ich hatte Angst vor dir", erklärt Chloe, als er schon weiter geht.
„Hast du das jetzt immer noch?"
„Ich bin mir im Augenblick nicht sicher."
Sie erreichen die Eingangstür. Chloe will schon in ihrem Frust an ihm vorbei gehen, doch Christian hält sie zurück.

„Warte." Er tritt vor, öffnet vorsichtig die Tür und sieht hinaus. Dann nimmt er ihr die Tasche aus der Hand und greift mit der anderen einfach so nach ihrem Handgelenk.
Chloe wagt nicht dagegen zu protestieren. Schließlich macht er doch nur seine Arbeit.
Draußen vor dem Haus steht ein schwarzer Geländewagen.
„Steig ein!", befielt Christian nur knapp und packt ihre Tasche in den Kofferraum. Sie lugt vorsichtig auf den Fahrersitz. Noch ein Mann. Er trägt dieses Mal eine Uniform.

Christian hält ihr die Tür auf und fordert sie erneut auf einzusteigen.
Widerwillig setzt sich Chloe auf die Rückbank.
„Guten Abend, Miss Anderson."
Der Fahrer kennt sie offensichtlich. Sie antwortet nicht auf seinen Gruß.
Christian nimmt neben ihr Platz. Kaum sitzt er, fährt der Wagen los.
„Lieutenant!", grüßt der Fahrer mit Blickkontakt über den Rückspiegel und salutiert.
„Gute Arbeit, Sergeant. Sie waren schnell hier."

„Ich war schon unterwegs."
Christian wirkt zufrieden und lehnt sich im Sitz zurück.
„Was ist mit Lieutenant Carlson?", will der Fahrer wissen.
„Tot. Sie haben ihn erschossen."
„Verstehe."
Der Fahrer stellt vorerst keine weiteren Fragen. Christian konzentriert sich darauf seine Pistole hervor zu holen und sie einmal neu durchzuladen.
Als er Chloe zufällig ansieht, steckt er sie schnell wieder weg. Ja, richtig, sie hasst diese Waffen. Hat er in der Vergangenheit immer eine dabei gehabt?

„Was ist mit meinem Onkel?"
Diese Frage konnte einfach nicht länger warten.
„Er wird ebenfalls beschützt. Doch er ist keine Zielscheibe, so wie du. Deine Freunde übrigens auch nicht."
Chloe kann es nicht fassen. Er sagt das so einfach, ohne jegliche Gefühle dabei zu zeigen.
„Wusste er es? Hat mein Onkel deine Identität gekannt?"
„Ja."

„Na toll! Also hat er mich auch belogen."
„Wir haben dich nicht belogen, Chloe. Wir haben versucht dich zu beschützen."
„Und wieso habt ihr mir das nicht einfach von Anfang an gesagt?", fragt sie aufgebracht.
„Ja hättest du mich denn gelassen?", stellt er als Gegenfrage und ist ebenso aufgebracht.
„Chloe, du hast dich bei unserer ersten Begegnung so sehr vor mir gefürchtet. Ich wusste von deinen Problemen. Dein Vater hat es mir gesagt, aber niemals habe ich damit gerechnet, dass es so schlimm ist."

Ihr Vater? Das erklärt vieles. Darum hat er ihr die Jacke über den Kopf gelegt.
„Du bleibst jedes Mal bei ein und derselben Laterne stehen, weil du dich fürchtest alleine durch die Dunkelheit zu laufen. Doch zugeben kannst du es nicht und sagst nur du hasst Laternen. So ein Schwachsinn. Mittlerweile hast du sogar Angst davor dich zu fürchten, weil du genau weißt was kommt, wenn du abends spät nach Hause gehst."
Christian wirkt so beunruhigt. Es ist ihm egal, dass der andere Soldat alles hört. Dieser kümmert sich übrigens kein Stück um seine Fahrgäste und ignoriert das Gespräch.

„Hast du mich beobachtet?"
„Ja natürlich habe ich das Chloe. Jeden Abend und jeden Tag."
Er zögert einen Moment und fährt dann etwas ruhiger fort. „Ich habe doch gelogen. Nur ein einziges Mal."
„Wann?"
„Als ich meine Brieftasche verloren habe. Sie war nicht weg. Ich wollte dich bloß nach Hause bringen, weil es gefährlich ist zu lange auf der Straße herum zu lungern."
Chloe weiß in dem Moment nicht, ob sie ihm dafür dankbar sein oder ihn verfluchen soll.

Er kommt nicht zu weiteren Erklärungen, denn das Fahrzeug hält und alle steigen aus.
Chloe staunt nicht schlecht, als sie sich auf einem kleinen Feld außerhalb des Ortes befindet und vor ihr ein schwarzer Hubschrauber steht, dessen Motoren schon laufen.
„Zieh den Kopf ein", warnt Christian und bringt sie zu dem Hubschrauber.
„Ähm...ich bin noch nie geflogen."
„Hast du Höhenangst?"
Sie schüttelt den Kopf.

Ein paar Minuten später sind sie in der Luft und Chloe sieht beeindruckt aus dem Fenster. Es ist fast komplett schwarz draußen. Bis auf die vielen kleinen Lichter, die sich über die Erde verstreuen und aus der Ferne wie Sterne aussehen.

Für den gesamten Flug kann Chloe so tun, als wäre sie nicht in Gefahr. Als befände sie sich in einem Traum. Ein Traum der bitte nie enden soll. Dass Christian ihr gegenüber sitzt, stört sie nicht. First Lieutenant Christian Hale...sein Name geistert wie ein Phantom durch ihren Kopf.

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