~𝙀𝙣𝙩𝙨𝙘𝙝𝙪𝙡𝙙𝙞𝙜𝙪𝙣𝙜 𝙤𝙙𝙚𝙧 𝙂𝙚𝙨𝙩𝙖̈𝙣𝙙𝙣𝙞𝙨?~
Liam räuspert sich. Für einen Moment ist er so geschockt, dass er hilflos in der Tür steht. Chloe braucht sich nicht umzudrehen, um das zu wissen.
„Ähm...kann ich dich mal kurz sprechen, Christian?"
Beide gehen vor die Tür. Chloe sieht neugierig aus dem Fenster. Trotz der geschlossenen Tür kann sie jedes Wort hören, weil die Wände praktisch nur aus Pappe bestehen.
„Bist du irre?"
Das war keine Frage von Liam, sondern definitiv ein Vorwurf.
„Ich dachte das Thema hatten wir bereits. Du bist so gut wie ruiniert, wenn das General Anderson herausfindet. Er reißt dir den Kopf ab."
„Du übertreibst", setzt Christian ruhig entgegen.
„Mag sein. Trotzdem ist das nicht gut. Sie ist die Tochter unseres Vorgesetzten."
Chloe hört deutlich die Panik in Liams Stimme.
„Außerdem lenkt es dich ab."
„Glaub mir das tut es nicht", will Christian überzeugen.
„Chris...", nennt ihn Liam bei der Abkürzung seines Namens. „Denk bitte an deine Karriere."
„Die ist mir im Augenblick völlig egal. Chloe braucht mich", erwidert Christian plötzlich aufgewühlt.
„Ja deine Fähigkeiten als Soldat, nicht alles von dir."
Liam seufzt und macht eine Pause. „Ich wusste ja, dass sowas passiert. Ich habe es von Anfang an gesehen."
„Dann bist du besser als ich."
Danach sagen beide nichts mehr. Liam dreht sich um und geht, während Christian zurück in die Wohnung tritt. Anhand Chloes Gesichtsausdruck vermutet er wahrscheinlich, dass sie das Gespräch mitgehört hat.
Er wirkt unruhig und auch etwas verlegen. Will er nun darüber reden, oder ist er froh wenn nicht geredet wird? Chloe jedenfalls hat keine Lust zu reden. Die Stimmung ist komisch. Sie hält das so nicht aus.
„Ich gehe duschen."
Ohne auf Antwort zu warten huscht sie schnell ins Badezimmer. Sie hat zwar keine frische Kleidung, doch in ihren jetzigen Sachen hält sie es auch nicht mehr aus.
Chloe schließt die Tür ab und verbringt eine Dreiviertelstunde im Bad. Allein schon um Christian aus dem Weg zu gehen. Nach der Dusche nimmt sie sich den einzigen Bademantel vom Haken an der Tür und schlüpft hinein. Besser als nichts zu tragen. Ihre feuchten Haare lässt sie einfach offen über Rücken und Schultern fallen.
Als sie wieder den Wohnraum betritt ist Christian am telefonieren. Hört sich nicht nach ihrem Vater an. Warum darf er telefonieren und sie nicht?
Sie legt ihre alten Sachen über eine Stuhllehne und krabbelt dann aufs Bett. Bewusst mit dem Rücken zu ihm. Warum fällt es ihr nur so schwer ihn anzusehen?
Und überhaupt wie gehts jetzt weiter?
Bei der Verfolgungsjagd vorhin wurden sie von einem Hubschrauber gerettet. Also hat Christian die ganze Zeit über Kontakt zu seinen Leuten. Warum können sie ihr nicht einfach Feuerschutz geben? Ist sie nicht wichtig genug?
„Nein, Sir, ich denke es ist besser wenn wir untertauchen. Viele Leute haben versucht Chloe zu beschützen. Mit dem Ergebnis, dass die meisten davon jetzt tot sind. Ich traue keinem mehr. Lassen Sie mich und Liam das tun. Wir fallen zu dritt weniger auf."
Offenbar hat auch jemand anders ihm die selbe Frage gestellt.
„Ich will nur weitere Tote vermeiden. Die Regierung soll sich um die Terroristen kümmern. Da sie nicht mit ihnen verhandeln will, bin ich schließlich gezwungen meinen Job gut zu machen und dafür zu sorgen, das Chloe nicht erneut entführt wird."
Nach einer Pause fährt er fort. Mit wem redet er da nur?
„Ja es muss der Horror gewesen sein. Weiß man schon wer die Frau gewesen ist?"
Wieder Stille. Chloe will sich nur zu gerne umdrehen. Es dauert nicht lange, da kann sie diesem Drang nicht mehr widerstehen. Zu ihrer Überraschung sieht Christian sie direkt an, als sie sich umdreht. Er nickt, lässt aber weiter seinen Blick auf ihr ruhen.
„Verstehe. Machen Sie sich keine Gedanken."
Er legt auf und schaut einen Moment auf das Gerät in seinen Händen. Er scheint kurz zu überlegen, dann kommt er zu ihr.
„Dieses Telefon ist präpariert. Ich kann damit gefahrlos in jedes Netz telefonieren. Eigentlich solltest du auch eines bekommen, doch ich halte das in unserer jetzigen Lage für zwecklos."
Chloe richtet sich auf. Sie sollte auch so eines bekommen?
„Ich wollte dich mit deinem Onkel sprechen lassen, doch jetzt ist es wohl besser wenn wir den Kontakt zur Außenwelt für eine Weile einstellen."
Seine Worte machen Chloe irgendwie traurig. Sie will nicht wieder komplett auf ein soziales Umfeld verzichten. So schön das Schutzhaus auch gewesen ist, es war auch sehr einsam.
Doch sie seufzt nur und beschwert sich nicht. Sie hat ja auch Verständnis.
„Ähm...", er zögert und schaut unruhig im Raum umher. „Also... also wegen vorhin..."
Chloe hebt die Augenbrauen. Er will tatsächlich drüber reden. Über sowas redet man doch nicht.
„Du sollst nicht denken, dass ich dich ausnutzen wollte. Ehrlich gesagt hat mich deine Reaktion reichlich überrascht. Eigentlich habe ich mit Zurückweisung gerechnet. Deshalb möchte ich jetzt gerne wissen woran ich bin."
Oha! Chloe verkrampft innerlich und äußerlich.
Er sieht ja beinahe verlegen aus.
„Soll ich mich entschuldigen?", fragt er ruhig und ernst.
Er macht eine Pause und fährt dann fort: „Oder gestehen?"
Gestehen? Jetzt wird sie richtig nervös. Was will er ihr denn gestehen? Das kann unmöglich sein Ernst sein. Chloe findet sich in einem Gefühlschaos aus Wut, Verzweiflung, Verwirrung und Belustigung wieder. Sie kann nur hoffen, dass ihr Gesicht eher einem Pokerface gleicht und sie nicht gerade verraten hat.
Doch nach dem ersten Schock-Moment legt sich ihre Anspannung und sie sortiert ihre Gefühle. Hat sie überhaupt welche für Christian? Sie muss sich schon eingestehen, dass sie ihn anziehend findet und nach reichlicher Überlegung auch vertraut. Allein das ist schon ein großer Pluspunkt. Doch reicht das aus? Reicht aus für was? Hat Christian etwa ernsthaftes Interesse an ihr? Wenn ja, wie lange mag das halten und sollte sie die Tatsache außer acht lassen, dass er ein Soldat und ihr Beschützer ist?
Selbst wenn sie sich eingesteht mehr für ihn zu empfinden ist doch dieses eine Detail sehr wichtig für sie. Chloe erinnert sich an die Beziehung zwischen ihrer Mutter und ihrem Vater. Sie hat sich geschworen niemals so zu enden, wie ihre Mutter. Allein und ewig um ihren Mann bangend, so hat sie fast jedes Weihnachtsfest verbracht. So charmant Christian vielleicht auch sein mag. Dieses Schicksal hat Chloe für sich gestrichen.
Also strafft sie ihre Schultern und holt tief Luft, bevor sie ihm die Antwort gibt.
„Machen wir uns doch nichts vor, das war ein aufregender Tag, der uns beide aufgewühlt hat. Unsere Gefühle haben in dem Moment verrückt gespielt. Versteh mich nicht falsch, ich bereue es nicht. Allerdings bin ich nicht bereit dem mehr Bedeutung zuzuwenden. Es war nur ein Kuss. Einer, der sich nicht wiederholen wird. Ich bin bereit das zu vergessen und so zu tun, als ob nichts passiert wäre."
Sie atmet lauter aus, als gewünscht.
„Also...entschuldige dich."
Er wartet einen quälend langen Moment, bevor er sich rührt. Er hat sich etwas anderes erhofft, aber bestimmt nicht erwartet. Er weiß, wie sie zu Soldaten steht. Er weiß alles über sie. Also wird er es verstehen.
Christian richtet sich auf, nimmt Haltung an und salutiert vor ihr.
„First Lieutenant Christian Hale entschuldigt sich höflichst für sämtliche Unannehmlichkeiten, Miss Anderson."
Dann dreht er sich auf dem Absatz um und geht vor die Tür.
Chloe bleibt vollkommen baff im Zimmer stehen und hört nur wie die kalten Tropfen Wasser von ihren Haaren auf den Teppich platschen. Es hört sich fast wie bei platzenden Knallerbsen an. Ein Tropfen, dann zwei und noch einer. Es vergehen Minuten, wie sie da steht und die Tür anstarrt.
Wieso hat sie das Gefühl einem Fehler gemacht zu haben? Wird er sich nun komplett distanzieren? Diese Entschuldigung war mehr als nur förmlich, sie war so dermaßen distanziert, dass man meinen könnte Chloe würde Christian erst seit ein paar Minuten kennen.
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