~𝘿𝙚𝙧 𝘿𝙧𝙖𝙝𝙩𝙯𝙞𝙚𝙝𝙚𝙧~
Sie gehen eine ganze Weile langsam voran. Chloe weiß gar nicht wie lange. Sie versucht aufmerksam zu bleiben, doch ihre Gedanken schwirren immer wieder ab. Sie ist müde und es wird immer kälter. Sie tritt genau in Christians Fußstapfen und traut sich nicht woanders hin zu sehen. Hinter ihr folgt Liam. Seine Stiefel knarzen etwas. Wieso macht sie auch dieses Geräusch nervös?
„Es ist nicht mehr weit. Ich kann schon die Hütte sehen", erklärt Christian motivierend.
Automatisch gehen Chloes Füße schneller. Als würde sie in der Hütte die nötige Rettung erwarten. Doch als sie ein Auto hört, bleibt sie fast stehen. Auch Christian und Liam halten inne. Ein großer SUV fährt langsam über den Asphalt. Beinahe zu langsam.
Chloe bemerkt die herunter gelassenen hinteren Scheiben.
„Scheiße!"
Der Fluch kam unerwartet von Christian. Bevor Chloe was sagen oder tun kann greift er nach ihrem Handgelenk und und läuft los.
Im selben Moment ertönen auch schon Schüsse aus der Richtung des Fahrzeuges. Sie haben sie doch gefunden. Da half es kaum sich im Wald zu verstecken.
Christian rennt schnell. Chloe kann kaum mithalten. Doch er zieht sie einfach weiter hinter sich her. Das Auto folgt ihnen langsam.
Liam versucht es mit einigen Schüssen auf Abstand zu halten, doch auch er muss laufen, um nicht getroffen zu werden und kann nicht genau zielen.
Christian läuft genau zum Diner, das plötzlich wie verlassen da steht. Keine Menschenseele mehr zu sehen. Liam gibt Feuerschutz während sie über die Straße stürmen. Es ist nur Glück, dass sie dabei keine Kugel einfangen.
Unter lautem Poltern stößt Christian die Tür auf und stürmt ins Restaurant. Auch hier ist niemand. Benutztes Geschirr steht immer noch herum, als wären die Gäste Hals über Kopf aufgebrochen.
Kein Wirt mehr da. Es ist ruhig. Liam versucht die Eingangstür zu verbarrikadieren, als der SUV mit quietschenden Reifen auf dem Hof anhält und fünf schwer bewaffnete Männer aussteigen.
Sofort schießen sie auf die Fenster des Gebäudes und Chloe muss sich ducken. Liam flucht und wandert geduckt hinter die Theke, wo Christian Chloe jetzt auch hinzieht.
„Das war zu erwarten. Sie sind wie die Vögel ausgeflogen, um uns zu suchen. Sie wussten, dass wir keine andere Wahl hatten als zurück zu kehren", sagt Liam halb schmunzelnd, halb verzweifelt.
Christian nickt nur und lädt seine Waffe nach. Chloe kniet gekrümmt vor ihm und hält sich die Arme über den Kopf. Glasscherben fliegen durch die Luft. Gläser und Flaschen werden getroffen, genauso die Einrichtung.
Das sind verdammt starke Waffen. Nun wollen sie Chloe also wirklich aus dem Weg schaffen. Nur warum? Sie hat doch nie etwas falsch gemach. Liegt es wirklich nur daran, dass ihr Vater ein General ist? Innerlich verflucht sie ihn gerade. Was besseres fällt ihr nicht ein. Sie kann nichts machen außer hier hocken und darauf hoffen, dass Christian und Liam sie beschützen können.
Sie spürt wie das Zittern in ihren Armen zurück kommt. So schließt sie die Augen und atmet tief ein und aus. Panik hilf ihr jetzt am wenigsten.
Hin und wieder wagt sie einen verstohlenen Blick zu Christian, der in regelmäßigen Abständen über die Theke hinweg nach draußen schießt. Liam tut es ihm gleich.
„Wieso kommen sie nicht rein?", fragt er zwischen seinen Schüssen.
„Vermutlich warten sie, bis uns die Munition ausgeht."
„Das war wohl von Anfang an ihr Plan."
Christians Nicken bekommt Chloe gerade noch mit, bevor sie sich wieder duckt, weil die Kugeln quer über die Theke fliegen und neben ihr in der Wand einschlagen.
„Wie lange...können wir sie zurück halten?"
Ihre Frage will sie eigentlich nicht beantwortet haben. Irgendwann werden sie keine Munition mehr haben.
„Eine Weile."
Mehr bekommt sie nicht zur Antwort und ist auch irgendwie erleichtert darüber.
Im nächsten Augenblick hören die Gegner auf zu schießen. Vorsichtig sieht Liam nach draußen.
„Hä? Sie gehen zurück."
„Verschwinden sie?", will Christian wissen. Er sieht leicht mitgenommen aus. Immer noch dreckig und zerzaust. Doch es scheint ihm gut zu gehen.
Chloe kann nicht anders als ihn unentwegt anzustarren. Irgendwie beruhigt sie das.
„Nein", antwortet Liam einen Moment später. „Sie gehen nur auf Abstand."
„Müssen sie nachladen oder was?"
Neugierig erhebt sich auch Christian etwas. Verwirrung steht ihm ins Gesicht geschrieben. „Ich kann von hier aus nichts sehen. Ich gehe zum Fenster."
„Sei vorsichtig, Liam."
Er nickt und schleicht sich geduckt Richtung Fenster neben dem Eingang. Chloe guckt auch vorsichtig umher und sieht die vielen Einschusslöcher in den Sitzpolstern. Überall liegen Scherben, Essensreste und Holzsplitter. Das Restaurant gleicht einem Chaos.
Liam wandert von einem Fenster zum nächsten. Zum Schluss bleibt er vor einem Seitenfenster stehen und sieht vorsichtig nach draußen.
„Sie bleiben bei dem Schuppen stehen."
„Was tun sie?"
„Ich kann es nicht richtig erkennen. Die Sonne blendet mich."
„Sie werden bestimmt nicht so schnell aufgeben."
„Vielleicht rufen Sie Verstärkung."
„Glaube ich nicht, Liam. Dann wäre diese schon längst hier. Komm zurück. Wenn sie dich am Fenster sehen, bist du leichte Beute."
Liam nickt und entfernt sich vom Fenster.
Er ist kaum fünf Schritte gegangen, da fliegt irgendetwas durchs Fenster hinein.
„Was zum...?"
Der Gegenstand kommt zweimal auf den Fußboden auf und rollt dann Richtung Theke.
„LOS WEG DA!", brüllt Liam entsetzt.
Christian reagiert innerhalb von Sekunden. Er schnappt sich abermals Chloes Hand und zieht sie hoch. Dann rennt er auf die andere Seite zu einem der zerschossenen Fenster.
„Spring!", befielt er Chloe beim Laufen und sie springen gleichzeitig hinaus. Sie landen ungeschickt auf dem steinigen Boden und rollen sich ab.
„Steh auf, schnell!"
Christian hilft Chloe sofort auf die Beine.
Für eine Sekunde sieht sie ihn an und bemerkt den seltsamen Ausdruck seiner Augen. Fast hält sie es für Angst, doch das erscheint ihr fast unmöglich.
Kaum ist sie auf den Beinen, explodiert das Restaurant hinter ihnen. Etwas schmeißt sie erneut zu Boden und Chloe glaubt ihr würde gleich das Trommelfell platzen.
Es ist heiss, so unglaublich heiss. Wird sie verbrennen? Dann plötzlich ist die Hitze verschwunden und ein Knistern bleibt nach dem Knall zurück.
Chloe hebt den Kopf und sieht sofort Christians Gesicht. Sein Arm liegt schützend über ihrem Rücken. Hat er sie umgeworfen? Er erhebt sich gequält und sieht zurück auf das brennende Gebäude.
„Verdammt!", flucht er leise. Dann sieht er wieder zu ihr.
„Bis du okay?"
Chloe nickt und steht auf. Ein Schaudern überfällt sie, als sie das Ausmaß der Explosion erkennt. Hoffentlich hat es Liam geschafft rechtzeitig hinaus zu kommen.
„Glaubst du er ist...?", beginnt sie vorsichtig zu fragen.
Christian schüttelt den Kopf. „Liam stand näher zum Fenster. Er hat es bestimmt geschafft. Doch werde ich nachsehen. Du hältst dich hinter der Mauer versteckt. Keine Sorge wegen der Flammen. Sie werden schon kleiner."
Chloe nickt, will aber eigentlich nicht allein bleiben. Sie schleichen zurück zum halb zerstörten Gebäude, dessen Grundmauern gerade noch stehen. Chloe soll sich in einem der vielen dunklen Winkel verstecken. So hockt sie sich da hin und versucht keinen Mucks von sich zu geben. Dann verschwindet Christian aus ihrem Sichtfeld.
Ihr ist überhaupt nicht wohl dabei. Sie sieht auf ihre zerrissene Hose und das schwarze Oberteil. Alles um sie herum ist schwarz und verbrannt. Nervös rubbelt sie über die Flecken. Keine Chance. Das bekommt sie nie wieder sauber. Nicht dass es jetzt wichtig wäre, doch will sie sich damit beruhigen.
Sie muss geduldig und leise warten bis Christian mit Liam zurück kommt. Ab und zu hält sie inne und lauscht nach irgendwelchen Geräuschen. Sie hört nicht einmal Stimmen. Der SUV steht auch noch da. Einige Holzplanken sind auf die Motorhaube gefallen. Doch er scheint im Großen und Ganzen unversehrt. Vielleicht könnten sie das als Fluchtfahrzeug benutzen, überlegt sie hoffnungsvoll.
Er steht nicht weit von Chloe entfernt. Dort vermutet sie bestimmt keiner. Vorsichtig steht sie auf und schleicht geduckt an der zerstörten Hauswand vorbei. Kurz vor dem Ende wartet sie ab und sieht sich um. Kein Mensch in Sicht. Auch Christian und Liam nicht.
Drei...zwei...zählt sie leise im Geiste. Doch zur letzten Zahl kommt sie nicht. Sie macht sich gerade bereit loszurennen, als eine Hand sich von hinten auf ihre Schulter legt.
Erschrocken fährt Chloe herum und blickt in das schmutzige Gesicht von Liam. Erleichtert stößt sie die Luft aus.
„Du hast mich erschreckt."
„Sorry!"
„Ich wollte zum Auto."
„Ich weiß. Lass das lieber sein. Es ist eh zu spät jetzt."
Chloe versteht nicht ganz was er meint.
„Was ist zu spät?"
„Es war ein Fehler von Christian dich allein zu lassen."
„Wie meinst du das?", fragt sie verwirrt.
Auf einmal bemerkt die die Dunkelheit in Liams Blick. Es erschreckt sie, wirft sie aus der Bahn. Völlig unvorbereitet drückt sie sich ängstlich an die Wand, als er plötzlich die Hand hebt und seine Pistole auf sie richtet.
„Er war ständig bei dir. Es war nicht leicht euch zu trennen. Erst recht nachdem ich herausfand, dass er wirklich viel für dich übrig hat. Es ist schon lange kein gewöhnlicher Schutzauftrag mehr. Er hat sich in dich verliebt Chloe. Das hat es mir etwas schwieriger gemacht an dich heran zu kommen, aber gleichzeitig auch einfach."
„I-ich verstehe nicht."
„Das ist mir klar. Nicht einmal Christian wird es verstehen. Es tut mir leid, dass ich ihn so sehr verletzen muss. Ich habe keinen Groll gegen ihn, verstehst du. Nur leider musste dein dämlichem Vater ausgerechnet ihm diesen Auftrag geben. Deshalb wollte ich ihn daraus halten, ihn auf Abstand halten, aber er hat nicht auf mich gehört, sondern ist dir auch noch näher gekommen. Ich hätte dich umgebracht, ohne dass er jemals erfahren hätte, dass ich hinter all dem stecke. Leider hat auch das nicht funktioniert. Also teilte ich meinen Leuten mit wo wir sind, um euch in diese Falle zu locken. Ihr solltet beide bei der Explosion sterben. Doch wieder hat Christian das verhindert."
Er klingt verärgert.
„Warum machst du das?"
„Um mich an deinem Vater zu rächen. Ich habe wirklich lange gebraucht, um alles in die Wege zu leiten. Es hat mich Jahre gekostet."
„Jahre?"
„Dein Vater ist für den Tod meiner Kammeraden verantwortlich. Einundzwanzig gute und tapfere Soldaten wurden von ihm einfach so im Irak zurück gelassen und vom IS gefoltert und ermordet. Deshalb soll er auch denken, dass diese Terroristen dahinter stecken."
Er verzieht den Mund zu einem schiefen Lächeln.
„Es sind keine Terroristen, Chloe. Ich habe es nur so aussehen lassen."
In ihrem Kopf rattert es. Zunächst ist sie so erschüttert, dass sie keinen klaren Gedanken fassen kann. Doch nach und nach lichtet sich der Nebel in ihrem Kopf. Liam hat das alles organisiert. Er hat sich all die Mühe gemacht es nach Terrorismus aussehen zu lassen. Er ist mit ihr alleine im Haus gewesen. Dank ihm sind die Männer aufs Grundstück gekommen. Er hat bei ihrer Entführung geholfen. Vermutlich hat man ihn auch nicht wirklich schwer am Kopf verletzt. Es sollte nur so aussehen.
Nun wird Chloe einiges klar.
„Die Entführung diente auch nur dem Zweck es den Terroristen in die Schuhe zu schieben, nicht wahr? Wer waren diese Männer in dem Versteck? Schauspieler?"
„Nein, das waren Söldner, die ich bezahlt habe. Genau wie diese Leute hier."
Kaum sagt er das treten die fünf Männer hinter ihr hervor und blicken sie böse an. Wo ist nur Christian hin? Haben sie ihm was angetan?
„Sie haben einfach so Menschen erschossen."
„Natürlich, sonst wäre das Ganze nie glaubwürdig gewesen."
„Scheisse Liam, ist es das wert?"
„War es das wert einundzwanzig treue Soldaten zu opfern?", fragt Liam mit bebender Stimme. „Das waren meine Freunde, ich habe ihnen mein Leben anvertraut, mit ihnen gekämpft und gelacht. Sie haben auch nichts verbrochen und wurden einfach hingerichtet."
Er wirkt plötzlich so laut und aggressiv. Chloe hat das Gefühl immer kleiner zu werden.
Sie versteckt ihre zitternden Hände hinterm Rücken. Sie kann leider nicht ausweichen. Wird Liam wirklich auf sie schießen? Sie hat mit all dem doch nichts zu tun. Sie hat seine Kammeraden nicht einmal gekannt.
„Ich will dass dein Vater den gleichen Schmerz erfährt, wie ich erfahren habe. Ich habe sie allesamt sterben sehen. Du weißt nicht wie sich das anfühlt, Chloe."
„Ich verstehe deinen Schmerz sehr wohl, Liam. Meine Mutter ist vor meinen Augen erschossen worden. Glaubst du das ist leicht für mich gewesen damit zu leben? Sie haben mich vergewaltigt und im Blut meiner Mutter liegen lassen."
Während sie spricht wird ihre Stimme immer lauter. „Ich träume nachts davon wie ich auf der Straße liege. Das Blut in meinem Nacken. Es ist ein absoluter Albtraum. Sag nicht ich würde dich nicht verstehen. Trotzdem habe ich nichts damit zu tun, was deinen Kammeraden passiert ist."
„Nein und es ist bedauerlich, dass ich dich da hinein ziehen muss. Für Christian tut es mir auch leid. Doch es ist zu spät zurück zu gehen. Dein Vater wird dafür bezahlen was er damals angerichtet hat."
„Liam bitte, das ist nicht der richtige Weg damit umzugehen. Wenn mein Vater eine Fehlentscheidung getroffen hat, wird man ihn dafür verantworten. Mich umzubringen kann nicht die Lösung sein."
„Dein Vater hat mächtige Freunde und viel Ansehen. Er kommt davon."
Es hat keinen Zweck mit Liam zu diskutieren. Er ist fest entschlossen Chloe zu töten und damit seine Rache zu bekommen.
„Tut mir leid, Chloe. Ich mache das im nächsten Leben wieder gut."
Liam macht die Pistole scharf und zielt genau auf ihre Stirn. Sie ballt ihre Hände zu Fäusten und kneift die Augen zusammen. Nie hätte sie gedacht, dass es so endet.
Nun wird sie wirklich sterben. Sie wird ihren Vater und ihre Freunde nie wieder sehen. Plötzlich ergibt alles einen Sinn und plötzlich ist alles vorbei. Womit hat sie das verdient? Gibt es denn niemanden, der sie beschützen kann?
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