~𝘼𝙪𝙨𝙝𝙞𝙡𝙛𝙨𝙨𝙩𝙪𝙙𝙚𝙣𝙩? - 𝙉𝙚𝙞𝙣, 𝙙𝙖𝙣𝙠𝙚!~
Es ist ja noch schlimmer, als erwartet. Man hat ihm erzählt, dass es schwierig werden könnte an sie heran zu kommen. Doch dass sie sich so panisch verhalten würde, hätte Christian nicht erwartet. Dieses Mädchen ist eindeutig gestört. Wie soll er die Situation jetzt noch retten? Er will auf gar keinen Fall, dass sie anfängt zu schreien. Doch irgendwie muss er ihr alles erklären.
Ihre braunen Rehaugen zeigen eine ihm nicht fremde Art von Angst. Sie macht sich irgendwie klein, drückt sich an die Wand und starrt ihn zitternd an. Dabei sollte eine so hübsche junge Dame in ihrem Alter sich nicht so verhalten. Christian hält sie für verrückt, gleichzeitig weiß er warum sie sich so verhält und empfindet Mitleid mit ihr.
„Schon gut", sagt er ruhig und hebt beschwichtigend die Hände. „Bin schon weg."
Dann dreht er Chloe den Rücken zu und geht in den Verkaufsraum zu ihrem Onkel Frederic.
Dieser hat alle Hände voll zu tun. Es kommen einfach zu viele Menschen in den Laden und keiner behält den Überblick. Schön für Frederic, dass das Geschäft gut läuft. Nur für seine Nichte ist es ein sehr großer Nachteil.
Christian schaut sich die Leute genauer an, während er langsam durch den Raum schlendert.
Zum einen wäre da ein älterer Herr, dessen graue Locken unter seinem Basken-Hut hervor gucken. Er hat rote Haut, was auf ein mittelstarkes Alkoholproblem hindeutet und Christian nimmt einen leichten Zigarrengeruch beim Vorbeigehen war. Eine billige Marke schätzt er dem Geruch nach. Sein gestreiftes Hemd ist faltig und zeigt Flecken. Offenbar lebt er allein und vernachlässigt seine Wäsche. Sein Bart ist längst überfällig und bewegt sich leicht, als der Mann leise die Einkaufsliste murmelt.
Christian interessiert sich nicht länger für den etwas zu beleibten Mann und konzentriert sich auf die Dame hinter ihm. Blond, aufgedrehte Haare - sie legt sehr viel Wert auf ihre gefärbten, glänzenden Haare - blasse Haut, roter Lippenstift und eine Handtasche von der teuren Sorte. Ihre Kleidung ist vom Feinsten und weißt kein Fältchen auf. Sie ist das absolute Gegenteil von dem älteren Herren. Doch auch sie weckt nicht Christians Interesse.
An der Kasse stehen zwei Schüler. Sie sind ganz bestimmt nicht volljährig und wirken eher gelangweilt. Sie holen sich Süßigkeiten und Soda. Ganz sicher, die zwei wollen nicht hier sein. Draußen stehen noch zwei von ihrer Sorte. Bestimmt gehören sie alle zusammen.
Bis jetzt erkennt Christian niemand besonders und schenkt seine Aufmerksamkeit wieder der jungen Dame, die hinter ihm aus dem Lager tritt. Sie folgt ihm schnellen Schrittes bis zu ihrem Onkel, legt wütend die Arme in die Seite und funkelt Christian nach wie vor böse an. Dabei bildet sich eine kleine Zornesfalte auf ihrer Stirn, die sonst so glatt und fast wie Porzellan wirkt. Überhaupt kann Christian feststellen wie hübsch Chloe eigentlich ist. Obwohl sie nicht der modischste Typ zu sein scheint.
Ein schlichtes Shirt, eine einfache Jeans und ihre offenen langen Haare zeigen, dass sie normalerweise nicht stundenlang vor dem Spiegel steht. Doch ist Chloe natürlich hübsch. Angefangen von der schlanken Figur, den langen Beinen und einem ovalen perfekt geschnittenen Gesicht bis über ihre glatten langen Haare, die ausdrucksvollen Augen und den gleichmäßig geformten Lippen.
Natürlich hat Christian schon hübschere Frauen gesehen und Chloe versteckt sich hinter ihrer Unsicherheit. Das merkt man sofort. Dabei hat sie keinen Grund dazu. Allein das macht Christian neugierig auf sie.
„Freddy, schick diesen Typ raus. Er hat sich am Lager zu schaffen gemacht", fordert sie und wirft ihre Haare über die Schulter. Dabei reflektieren sie das Licht von den vielen Neonröhren an der Decke.
„Aber nein, ich habe ihn doch dort hin geschickt", sagt Frederic lässig. Oje, er sollte ihr gleich alles erklären, nicht nur die Hälfte.
„Wie bitte?"
„Er arbeitet für mich. Hab ich dir das nicht erzählt?"
Nein, hat er offenbar nicht. Das ist ein Fehler.
Sie lässt den Mund offen stehen und ist baff.
„Er...arbeitet hier?", fragt sie noch einmal nach, als hätte sie es nicht verstanden.
Frederic schiebt weiter die Produkte übers Band und nickt.
„Chloe darf ich dir vorstellen, das ist Chritian Hale. Er möchte sich neben dem Studium etwas Geld verdienen und hilft mir, so oft er kann. Damit hast du mehr Zeit für dich, meine Liebe. Du hast mir so oft schon geholfen. Es wird Zeit, dass du etwas mehr lebst."
Christian sieht wie die Zornesröte in Chloes Gesicht aufsteigt.
„Mein Leben ist meine Sache. Es kann ruhig alles so bleiben. Ich fasse es nicht, dass du mir das nicht gesagt hast. Ich habe mich zu Tode erschreckt."
Beinahe hätte Christian gelacht. Warum regt sie sich nur so auf?
„Das war doch nicht mit Absicht, Chloe. Nun beruhige dich. Geh nach Hause und mach etwas, dass dir Spaß macht. Christian wird mir heute helfen."
Für den Moment sieht sie so aus, als denkt sie darüber nach. Weiß sie etwa nicht, was ihr Spaß macht? Ist die Situation so schlimm? Christian hat es nicht glauben wollen. Doch Chloe ist mehr als nur gestört.
Das wird alles noch komplizierter für ihn machen. Er ist nicht gut darin mit Menschen umzugehen. Er kann sie analysieren, aber das war auch schon alles.
Diese Frau wird er so leicht nicht durchschauen - mal abgesehen von ihrem panischen Verhalten - das ist ihm von Anfang an klar.
„Vergiss es, Onkel, ich behalte ihn im Auge."
Bei diesem Satz verengt sie die braunen Augen zu Schlitzen und wirkt wie ein Raubtier auf Jagd. Sollte er in diesem Fall die Beute sein? Der Gedanke amüsiert ihn. Ja Chloe ist schon etwas besonderes und Christian freut sich schon darauf sie Stück für Stück analysieren zu dürfen.
~
Chloe kann es nicht leiden, wenn so etwas passiert. Allerdings hat ihr Onkel doch schon so lange nach jemandem gesucht, der ihn statt ihrer unterstützen kann. Sie reagiert ja nur so über, weil er sie so sehr erschreckt hat.
Muss es denn unbedingt ein Mann sein? Hätte es nicht auch eine junge Frau sein können?
Chloe pustet sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die immer wieder ihre Nase kitzelt.
Sie nimmt sich vor Christian im Auge zu behalten. Sie kann nichts dafür, sie ist einfach misstrauisch Fremden gegenüber. Eigentlich will sie sich ins Büro im ersten Stock setzen und die Rechnungen durchgehen, doch das ist jetzt wichtiger. Sie hilft die Kisten auszuräumen und die Ware zu sortieren. Das dauert ein paar Stunden. Während dieser Zeit spricht sie kein einziges Wort mit Christian. Auch er hüllt sich in Schweigen. Hat ihre Abneigung ihn so sehr schockiert, dass er jetzt kein Wort mehr raus bringt?
Dabei kann Chloe ihre Neugier nicht verleugnen. Er ist ein paar Jahre älter als sie und neben seiner offensichtlichen Attraktivität auch noch aufmerksam. Warum ist er hier? Ist es nur das Studium oder hat er auch Familie in der Stadt? Eher unwahrscheinlich. Onkel Freddy hätte es zumindest erwähnt. Doch warum studiert er noch? Und warum ausgerechnet an diesem langweiligen Ort, wo jeder jeden kennt und absolut nie was los ist?
Als die Warensortierung abgeschlossen ist, geht er zu ihrem Onkel, der ihn bittet die an der Kasse zurück gelassenen Waren auch zurück ins Regal einzuräumen. Chloe folgt ihm dabei unauffällig, natürlich mit gewissem Abstand. Sie beobachtet jede seiner Bewegungen. Er wirkt selbstbewusst und seine braunen Augen haben etwas kokettes. Nur versucht er das im Augenblick nicht heraushängen zu lassen. Er verstellt sich. Will er seriös erscheinen?
Ihr ist warm. Klar es ist Sommer, doch im Geschäft läuft die Klimaanlage. Das kommt bestimmt von ihrer inneren Unruhe.
Sie stellt sich vor ein Regal und tut so, als würde sie eine bestimmte Sorte von Dosen zählen. Dabei wirft sie unauffällig einen Blick zu Christian hinüber. Er trägt bloß Jeans und T-Shirt. Er ist ein kleines Stück größer als sie und leider wirklich attraktiv. Auch Chloe hat ihr Auge für schöne Männer nicht verloren. Würde sie nur mal jemanden an sich heran lassen. Doch seit ihrer Vergewaltigung hält sie lieber Abstand zu fremden Männern.
Sie kann Izzys Stimme in ihrem Kopf hören:
„Mensch, Chloe, stell dich nicht so an. Lerne ihn doch erst einmal richtig kennen. Was weißt du denn über den Typ?"
Gar nichts! Und das ist das Problem.
Sollte sie ihn fragen? Ja!
Chloe geht zu Christian und stellt sich mit zwei Meter Abstand zu ihm.
„Du bist nicht von hier, oder?"
Sie lebt in einem kleinen Ort, wo man die meisten Gesichter schon einmal gesehen hat. Zudem hat sie Christian noch nie an der Universität gesehen. So jemand wäre ihr aufgefallen, dafür ist er einfach zu außergewöhnlich. Ein Mann wie er, wäre von Frauen umschwärmt und könnte keine fünf Meter gehen, ohne dass ihm eine aufgetakelte Puppe am Arm hängen würde.
Hat er vielleicht eine Freundin? Chloe will so viel über ihn wissen.
Christian sieht sie nicht an, räumt nur weiter die Waren ein. Chloe folgt ihm langsam.
„Ich bin vor kurzem hier in die Nachbarschaft gezogen."
„Aha."
Sie überlegt sich die nächste Frage.
„Alleine?"
„Ja. Ich habe keine Familie mehr."
„Und warum verschlägt es dich an so einen langweiligen Ort, wie diesen?"
„Du findest es hier also langweilig?"
„Naja...zum nächsten Club oder guten Restaurant muss man eine Stunde in die nächst größere Stadt fahren."
„Also kannst du hier nichts empfehlen?"
Chloe hält inne. Eigentlich will sie doch die Fragen stellen. Wieso läuft das jetzt andersrum? Sie schüttelt leicht den Kopf. Christian geht schon wieder um die nächste Ecke. Chloe hinter her.
„Du hast mir nicht geantwortet", stellt sie etwas ernster fest.
„Ich will hier mein Studium beenden", antwortet er nach einer Pause. Hat er über die Antwort nachgedacht? vermutet Chloe misstrauisch.
„Du gehst hier zur Uni?"
Er nickt dieses Mal ohne etwas zu sagen.
„Wie alt bist du? Du siehst mir schon etwas zu alt aus dafür."
Nun hält er inne und wendet sich ihr zu. Als er einen Schritt näher kommt, weicht sie genau einen Schritt zurück. Er scheint wieder irritiert, ignoriert ihr Verhalten aber schnell.
„Wird das ein Verhör, Miss? Ich kann dir gerne morgen meinen Lebenslauf vorlegen."
Chloe schluckt. Das hat sie nicht erwartet. Er hat es zwar nicht unhöflich gesagt, gibt ihr aber trotzdem ein unbehagliches Gefühl.
Christian bemerkt das und geht wieder einen Schritt zurück.
„Ich bin vierunddreißig, musste damals mein Studium aus familiären Gründen abbrechen und will es nun zu Ende bringen."
Er wartet auf ihre Reaktion, die ausbleibt.
„Wären damit alle Fragen geklärt, oder hast du noch mehr?", fragt er und ein sanftes Lächeln umspielt seinen schmalen Mund. Seine braunen Augen fixierten sie neugierig.
Verlegen sieht Chloe zu Boden und sucht das Weite. Dabei sind das längst nicht alle Fragen. Sie würde schon mehr herausfinden.
Bis dahin soll er sich nicht der falschen Annahme geben, er könne hier tun und lassen, was er will. Irgendwo hat auch er bestimmt ein Haar in der Suppe. Sie würde es finden und ihn so schnell wie möglich los werden. Onkel Freddy braucht keinen Aushilfsstudent. Er braucht nur Chloe!
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