Achtung Minenfeld! ☠️

Sie fahren über die staubige Landstraße. Um sie herum ist nichts als trostloses Land. Hier kommt ihnen nicht eine Menschenseele entgegen. Angespannt macht sich Chloe auf dem Sitz klein. Bloß niemanden berühren.
Ist nicht so einfach, denn die raue Straße schüttelt den Wagen ganz schön durch.

„Hast du neue Einsatzbefehle?", fragt Thomas nach einer Weile.
„Nein. Soll nur einen Bericht abgeben."
„Und das kannst du nicht von der Zentrale aus?"
„Mein Computer ist heute morgen abgeschmiert", erklärt Christian mit einem halben Lächeln.

„Aha."
Wieso lächelt er, wenn sein Computer den Geist aufgibt?
„Bist du sicher, dass die Jungs ohne dich klar kommen? Ich meine, nicht dass Kinan und Murat sich gegenseitig in die Luft jagen oder sowas."
„Schon gut, wir sind ja nicht lange weg. George hat das Kommando solange."

Thomas grunzt amüsiert.
„Du bist echt mutig, Wolf."
„Der Junge hat gute Fähigkeiten."
Wieder lacht Thomas.
„Gib's doch zu, du hast die Nachtschicht mit ihm getauscht und schuldest ihm jetzt was. Deshalb hast du ihm das Kommando überlassen. Gleichzeitig lässt du Milo alles überwachen, habe ich Recht."
Christian sieht bewusst aus dem Fenster.
„Ha! Ich habe recht."

„Fahr einfach und halt die Klappe."
Ist Christian etwa verlegen?
„Ich fahr doch. Hier geht's nur geradeaus..."
Es gibt einen explosionsartigen Knall und das Fahrzeug kommt ins Schleudern. Thomas hat Mühe die Kontrolle wieder zu erlangen. Der Lastwagen rollt ab von der Straße ins Gelände und kommt nach einer unruhigen Fahrt zum Stehen.
Chloe hat sich so sehr erschrocken, dass sie automatisch nach Christians Hand gegriffen hat. Was zum Teufel war das?

„Mist!"
Thomas dreht sich nach hinten und klettert aus dem Fahrerhäuschen auf die Ladefläche.
„Alles okay?"
Chloe sieht in Christians besorgte braune Augen. Dann fällt sein Blick auf ihre Hand, die immer noch krampfhaft seine umklammert.
Verlegen lässt sie ihn los und nickt. Dann klettert er ebenfalls nach hinten.

„Hat sich ganz nach einer Landmine angefühlt."
„War es auch", bestätigt Thomas.
„Deswegen habe ich dir gesagt dich aufs Fahren zu konzentrieren."
„Hey schieb mir das nicht in die Schuhe, ich bin ganz normal gefahren."
„Du bist vom Weg abgekommen."
„Ist halt schwierig bei all dem Staub und der sich stetig verändernden Landschaft die Straße ohne Markierungen überhaupt zu erkennen."

Sie machen beide eine Pause um Luft zu holen. Das klang nicht nach einem ernsthaften Streit, trotzdem ist die Situation nicht gerade angenehm.
„Das nächste Mal fahre ich."
„Wie du willst, du bist der Boss."
Christian zuckt mit der Augenbraue und grinst anschließend. Er ist nicht wirklich böse.

„Hol die Tasche!", befiehlt er Thomas nur knapp und steigt über die Kisten hinweg bis ganz ans Ende der Ladefläche.
„Chloe, komm bitte hier rüber."
Sie gehorcht und klettert zu ihm nach hinten.
„Was machen wir jetzt? War das eine Mine?"
„Ja. Sieht so aus als wären wir mitten in ein Mienenfeld gefahren, weil sich die Landschaft ständig durch Erdrutsche verändert. Zum Glück hat uns nur eine von den Dingern getroffen."

„Der Reifen ist hin", verkündet Thomas.
„Ersatzreifen?"
„Hab keinen."
„Wie du hast keinen?"
„Ist schon verbraucht."
Christian stöhnt genervt.
„Und du hast dich nicht um einen neuen gekümmert?"
„Bin nicht gefahren das letzte Mal."
„Wer dann?"
Thomas überlegt ganz schnell.
„Jet."

Jet ist offenbar auch nur ein Codename.
Chloe sieht zwischen den Beiden hin und her. Sie haben so schnell gesprochen, dass ihr der Kopf platzt. Irgendwie ist es auch amüsant sie so miteinander zu sehen.

Christian seufzt und schüttelt den Kopf. Er stemmt lässig den Arm in die Seite und mustert seinen Offizier mit einem vorwurfsvollen Blick.
Thomas richtet sich auf und schluckt.
„Ich...werde das ausbaden müssen...nicht wahr?"
Christian nickt Urteil verkündend: „Natürlich."
Thomas sieht verzweifelt zu Chloe, als ob sie ihm helfen könnte.

„Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu laufen."
Hat er gerade laufen gesagt? Nun sieht Chloe wider Christian an. Das ist ein Scherz oder? Er will mitten durch ein Minenfeld laufen?

Chloe versucht nicht durchzudrehen.
Er nimmt die Tasche, die Thomas unter der Beifahrerbank hervorgekramt hat und holt eine kleine rote Fahne heraus, auf der in fetten Buchstaben „Mine" drauf steht. Dann klettert er vorsichtig aus dem Wagen. Er setzt langsam einen Fuß auf den Boden und dann den anderen. Dann hockt er sich und sticht mit dem Fahnenstiel in den Boden. Es passiert nichts. Also tritt er vorsichtig an die Stelle, wo er die Fahne reingesteckt hat.

So geht er ein paar Schritte und dreht sich dann zu Thomas und Chloe um.
„Kommt ihr?"
„Warum gehen wir nicht dort wo der Wagen drüber gerollt ist? Anscheinend ist dort keine Mine, sonst hätten wir das gemerkt."
„Nur weil sie gerade nicht explodiert ist, heißt das nicht das eine Mine nicht jetzt noch hochgehen kann", erklärt Christian motiviert.
Thomas klettert auch aus dem Wagen und tritt an die Stelle wo Christian die Löcher hinterlassen hat. Die Tasche hängt er sich vor den Bauch. Dort sind noch mehr Fahnen drin.

Er hilft Chloe ebenfalls hinab zu klettern.
„Sei vorsichtig", meint er und lässt plötzlich die förmliche Anrede weg. „Tritt genau in meine Fußstapfen."
Sie nickt und streckt die Hand aus.
„Gib mir die Tasche. Ich gebe euch die Fähnchen."
Er lächelt einverstanden und übergibt ihr die Tasche. Er tut es Christian gleich und tastet sich langsam voran. Hier und da setzen die beiden ein Fähnchen hin und achten darauf, dass Chloe nicht an die falsche Stelle tritt. Sie konzentriert sich darauf genau in Thomas Fußstapfen zu treten.

Sie kommen nur langsam voran. Wieviel Meter sind es noch bis zu Straße?
Chloe sieht die Straße überhaupt nicht. Es sieht alles gleich aus. Nur Steine und ein paar trockene Grashalme.
Nach einer Weile wird ihr warm. Chloe bindet sich die Jacke um die Hüfte und atmet laut die Luft aus.

„Keine Angst, wir haben's nicht mehr weit", tröstet Thomas lächelnd. „Solange entspann' dich und genieß die entzückende Aussicht."
Was an der Aussicht soll bitte entzückend sein? Chloe sieht sich um, doch als sie seinen schelmischen Blick trifft, kapiert sie es. Er steht nur einen großen Schritt von ihr entfernt und beugt sich nach unten, um eine weitere Fahne zu platzieren. Dabei streckt er ihr natürlich sein elegantes Hinterteil entgegen.
Peinlich berührt wendet sie sich ab.
„Sag mal flirtest du mit ihr?", fragt Christian ungläubig und sieht zu Thomas und ihr zurück.

„Ja, Captain", gibt Thomas sofort offen zu.
Chloe rutscht das Herz in die Hose. Warum gibt er das so einfach zu und dann auch noch vor Christian?
Kann sich vor ihr bitte ein Loch auftun? Egal ob mit Mine oder ohne. In welche unmögliche Situation ist sie da nur geraten?
„Wenn ich dir einen Rat geben darf, mein Freund, dann lass es lieber. Du beißt dir an ihr die Zähne aus."
Christian klingt leicht nachtragend.

„Glaub ich nicht. Sie sieht recht harmlos aus", erwidert Thomas und haut eine weitere Fahne in den Boden, die Chloe ihm gibt.
„Vertrau mir, Thomas. Für sie ist keiner gut genug."
Was soll das werden, Christian? Chloe gestikuliert eindringlich hinter Thomas Rücken, dass Christian doch die Klappe halten soll.
„Klingt, als habe sie dich abgewiesen, Captain."
Thomas hat es erfasst.

Als keiner was sagt, hält er inne und sieht erst zu Chloe und dann zu Christian.
„Oh mein Gott, wirklich?"
Amüsiert stemmt er die Arme in die Seiten und sieht aufgeregt hin und her.
„Das passiert dir doch nie?", meint er zu Christian und wendet sich dann sofort wieder an Chloe. „Du hast ihn Abgewiesen?", fragt er zum dritten Mal.
„Seit wann gibst du so schnell auf Christian?"
„Hab ich nicht", gibt er zurück und macht sich lang, um weitere Fahnen aus Chloes Tasche zu holen.

„Moment, heißt das sie hat dich mehr als einmal zurück gewiesen?"
„Dreimal", erklärt Christian und stößt die Fahne mit zu viel Kraft in den Boden, als ob er an ihr seinen Frust auslassen müsste.
„Wie bitte?"
Thomas ist total aus dem Häuschen.
„Du wurdest dreimal von ihr zurück gewiesen? Und du lebst noch?"
„Nicht wirklich."

Christian geht einfach weiter und Chloe wünscht sich Erlösung. Wie kommt sie bitte ans Ende der Welt zu diesen beiden Idioten?
Thomas seufzt und geht auch langsam weiter.
„Oh weh...wo bin ich hier nur hinein geraten?", fragt er sich selbst und stochert im Boden herum.

„Ein Melodrama", meldet sich Chloe endlich auch mal zu Wort.
„Wohl eher eine Tragödie", hört sie Christian vor sich murmeln.
Sie verdreht die Augen und ignoriert ihn.

Nach einer Dreiviertelstunde erreichen sie endlich die Minen-Freie-Zone. Thomas nimmt Chloe die Tasche ab und holt ein abgerissenes Stück Holz heraus. Stammt das von einer der Kisten? Wann hat er das denn vorbereitet?
„Christian hast du was zu schreiben?"
Christian schüttelt den Kopf und holt sein Handy hervor. Er will jemanden anrufen, der sie aus dieser verzwickten Situation befreit.

„Hey Chloe, hast du Lippenstift?"
„Sehe ich so aus? Was soll ich mitten im Nirgendwo mit Lippenstift?"
„Ihr Frauen habt sowas doch immer dabei", meckert er unhöflich.
„Ich nicht."
„Warte..."
Christian kramt in seiner Hosentasche. Zu Chloes und Thomas Überraschung holt er doch tatsächlich einen Lippenstift hervor.
„Sekunde mal, wieso trägst du Lippenstift mit dir herum?", will Thomas neugierig wissen.
Christian hält ihm stolz den Stift vor die Nase und erklärt grinsend: „Von Hazima."
Chloe rollt mit den Augen. Echt jetzt?

Thomas grinst zurück und schreibt etwas auf das Brett.
„Achtung Mienenfeld!", ließt Chloe.
Dann holt er noch einen Draht aus der Tasche und macht das Brett an einer Fahne fest.
„Damit andere nicht auch noch hier rein laufen."

„Augenblick!"
Chloe nimmt ihm den ruinierten Stift aus der Hand und malt einen Totenkopf auf das Schild.
„Wir können nicht davon ausgehen, dass jeder lesen kann."
„Wow!" Thomas ist beeindruckt.

Bevor sie den Deckel auf den Lippenstift steckt, nimmt sie etwas auf den Finger und verteilt es auf ihren Lippen. Sie hat keine Ahnung warum sie das tut, aber irgendwie fühlt sie sich jetzt besser.
„Heirate mich!", rutscht es Thomas heraus und starrt sie unverhohlen an.
Sie schmunzelt und fühlt sich geschmeichelt, nimmt den Satz aber nicht sonderlich ernst.
„Nicht in diesem Leben."
Dann geht sie zu Christian, der immer noch am Telefon hängt und hält ihm den Stift entgegen.

Er sieht sie an, als würde er sie zum ersten mal sehen. Was ist denn los mit den beiden? Das ist doch nur Lippenstift, kein Grund gleich den Verstand zu verlieren. Typisch Männer!
Christian hält die Hand auf und sie gibt ihm Hazimas Lippenstift zurück.
„Sag ihr ich kaufe einen neuen."

Danach wendet sie ihm den Rücken zu und läuft die Straße entlang ins Tal. Die Männer folgen ihr unaufgefordert.
Sie werden eine Weile später von Ron mit dem SUV aufgegabelt und in die kleine Stadt gefahren. Dort macht jeder seine Erledigungen und Chloe kann eine E-Mail an Izzy schreiben.

Hauptsächlich schreibt sie, dass es ihr gut geht und natürlich dass Christian hier ist und ihr das Leben schwer macht. Sie schreibt aber nichts von Hazima und Dr. Martin erwähnt sie auch nicht.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top