25



Zwei Tage vergehen ohne das Jace sich bei mir meldet. Mehrfach habe ich versucht ihn anzurufen oder ihm eine SMS geschrieben.
Ich hasse es ihm hinterherzulaufen, aber ich möchte den Grund für seine plötzliche Ignoranz wissen.
Weder Noah noch Annabelle können mir viel sagen. Beide haben, nach eigenen Angaben, auch nichts mehr von Jace gehört. Ich bin mir nicht sicher, ob es der Wahrheit entspricht oder ob sie sich nur nicht trauen mit mir darüber zu reden.

Ich mache außnahmsweise früher Schluss und fahre per Taxi zu Jaces Wohnung.
Ein älterer Mann mit Hut kommt gerade aus dem Haus und ich erwische die Tür, bevor sie ins Schloss fällt.
Der Aufzug scheint wieder heile zu sein, denn als ich ihn rufe gleiten die Türen mit einem Summen auf.
Ich drücke die Ziffer 12, die daraufhin aufleuchtet und ruckelnd setzt sich die Kabine in Bewegung.

Als ich an Jaces Wohnungstür klingel macht niemand auf. Das darf doch jetzt nicht wahr sein.
Ich entschließe mich zu warten. Sonst arbeitet Jace doch auch nicht so lange.
Tatsächlich höre ich eine viertel Stunde später Schritte auf der Treppe, die zwischendurch von einem starken Husten unterbrochen werden und kurz darauf taucht Jace auf.
Warum nimmt er noch immer die Treppen?
Seine Haare sind wie immer zerzaust, seine Wangen von der Kälte draußen noch gerötet und die Lippen leicht bläulich verfärbt, ansonsten ist er blass und hat dunkle Ringe unter den müden Augen.
Als er mich sieht bleibt er ruckartig stehen. „Sophia!"
„Jace, ich..."
„Was machst du hier?", unterbricht er mich grob, den Haustürschlüssel bereits in der Hand.
Verärgert über diese blöde Frage verziehe ich den Mund. „Nach meinem Freund sehen?!", gifte ich.
Seine Haltung verspannt sich. „Geh!"
„Nein. Warum hast du dich nicht bei mir gemeldet? Ich habe mir Sorgen gemacht, okay?!", rufe ich wütend.
Jace schieb sich an mir vorbei zu seiner Haustür und schließt sie auf. Für einen Moment scheint er mit dem Gedanken zu spielen sie mir einfach vor der Nase zuzuknallen, weshalb ich hastig eintrete.
„Ich habe dir nichts zu sagen", erwidert Jace kalt und geht rüber in die Küche.
Seine Worte tun weh, aber ich folge ihm trotzdem. „Schön, aber ich habe Antworten verdient, meinst du nicht?"
„Nein."
„Ich werde nicht gehen, bevor du mir nicht geantwortet hast." Bockig verschrenke ich die Arme vor der Brust.
Jace nimmt eine Flasche Scotch von der Ablage und sieht mich herablassend an. „Verhalt dich nicht wie ein Kind, Sophia. Geh jetzt. Ich habe keine Lust auf dieses Theater", sagt er grob.
Ich schlucke meine aufkeimenden Tränen herunter.
„Wenn du mit mir Schluss machen willst, dann versteck dich nicht so feige in deiner Wohnung, sondern habe wenigstens den Anstand es mir ins Gesicht zu sagen."
„Ich verstecke mich nicht. Und feige bin ich auch nicht." Klirrend stellt er die Flasche wieder ab. Seine Augen funkeln wütend. Scheinbar habe ich einen empfindlichen Nerv getroffen.
„Doch das tust du. Oder warum redest du nicht mit mir? Warum schaffst du es nicht mir zu sagen, was du fühlst?", fordere ich ihn weiter heraus.
Zornig schlägt er mit der flachen Hand auf die Ablage. „Hör auf. Du hast keine Ahnung von mir, also hör auf über mich zu urteilen", brüllt er.
„Aber genau das ist das Problem", brülle ich zurück, „ich kenne dich kaum und trotzdem habe ich mich in dich verliebt. Und jetzt stößt du mich weg und kannst mir nicht einmal den Grund dafür sagen."
„Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich keine Beziehung mit dir führen kann." Jace Stimme ist vor Wut verzerrt und auf einmal wird er von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt.
Er hält sich an der Arbeitsplatte fest. Besorgt trete ich einen Schritt auf ihn zu.
„Warum bist du so wütend?", frage ich leise. Meine eigene Wut ist auf einmal verflogen.
Im nächsten Moment rastet er aus und fegt die Flasche von der Theke, die mit einem lauten Klirren auf dem Boden zerspringt.
„Jace", rufe ich erschrocken.
„Verschwinde!", brüllt er und schlägt gegen die Wand. Putz rieselt von der Decke und ich zucke zusammen.
Er hat meine Reaktion genau gesehen.
Schweratmend stützt er sich an der Kücheninsel ab. Etwas in seinem Blick hat sich verändert. Auf einmal wirkt er ganz klein und verletzlich.
Aus fiebrig glänzenden Augen sieht er mich an. „Sophia. Bitte", fleht er, „geh jetzt." Seine Finger krallen sich an die Kante der Arbeitsplatte, als müsse er sich davon abhalten auf etwas einzuschlagen.
„Jace, du hast Fieber. Du bist krank."
„Geh! Jetzt!"
Ich habe keine Angst. Ich habe mich erschrocken aber Angst habe ich nicht vor ihm.
Ich gehe zwei Schritte rückwärts und setze mich auf die Kante eines Sessels. In der Hoffnung ihn durch meine defensive Position etwas zu besänftigen.
„Ich werde nicht gehen, Jace", sage ich behutsam.
Natürlich bin ich kein Wunderheilmittel für seine Aggressionen, aber wenn ich jetzt gehe werde ich ihn vermutlich für immer verlieren.
Er sinkt an der Kücheninsel entlang runter auf den Boden. Seine Augen sind geschlossen und sein Gesicht ist gequält verzogen.
Für einen Moment sitzen wir so da und ich lausche nur auf seinen Atem, der sich langsam beruhigt.
„Warum verlässt du mich nicht?" Seine Stimme zittert und seine Haltung birgt Schmerz.
„Weil ich dich liebe und ich will, dass du mir vertraust", flüstere ich.
„Ich bin eine Gefahr für mich. Irgendwann werde ich dich verletzen."
„Das hast du schon, indem du mir die kalte Schulter gezeigt hast", erwidere ich nüchtern.
„Jace, ich möchte mein Leben mit dir teilen, aber das funktioniert nur wenn du deins auch mit mir teilst und mir nicht deine Gefühle vorenthältst."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top