𝑉𝑖𝑒𝑟


Es dauerte nicht lange, bis sich Maries, Pias und meine Seelen verbunden hatten.

Noch bevor ich auf die Energie der beiden traf, fing ich an, mir eine Mauer, um meine Gedanken zu bauen. Ich traute den Auserwählten zwar, aber auch für mich war das eine gute Übung, mich während der Seelenverbindung mal wieder zu schützen. Sicher, ich hatte sie immer oben - außer ich sprach mit Lance -, aber ich bemühte mich nicht wirklich darum, sie aufrecht zu erhalten. Würde jemand mit Gewalt versuchen, meine Gedanken zu hören, würde er die Wand ohne Mühe einreißen können.

„Seid ihr da? Ich fühle euch nicht." Maries Seele wartete quasi nur darauf, sich mit mir zu verbinden. Wie ein aufgeregtestes Tier flog die Energie im Raum herum. Pia näherte sich langsam.

„Ja, wir sind da." Ich zeigte den beiden das Bild von ihren Körpern, wie sie mit geschlossenen Augen auf dem Bett saßen.

„Mann, seh ich scheiße aus!" Pia lachte.

Auch Marie schmunzelte. Dabei zogen sich ihre Mundwinkel so niedlich nach oben. „Ja, wir sind zwei übermüdete Teenager, die es nicht mal geschafft haben, sich richtig in ihr Bett zu legen."

Ich musste das Gespräch lange genug aufrechterhalten, damit Pia und ich unbemerkt Maries Gedanken besuchen konnten. Wenn keiner von uns sprach, würde sie es auch leichter haben, ihre Seele zu schützen.

„Ok, lasst uns ein bisschen Spaß haben", sagte ich ungezwungen, während ich meine Energie immer näher an Marie heranzog. Nach einer künstlerischen Pause, in der ich mich gleichzeitig konzentriert und ein Spiel ausgedacht hatte, verkündete ich feierlich: „Lasst uns Wahrheit oder Pflicht spielen. Naja, ... wohl eher nur Wahrheit. Sonst müssten wir uns bewegen."

„Warum das denn? Ich dachte, wir wollen üben." Marie lachte, doch dann konzentrierte sie sich wohl darauf, sich eine gute Frage auszudenken, denn sie war einige Sekunde still und sagte dann: „Also gut ... Luna, was war dein schlimmster Albtraum?"

Während ich versuchte durch Maries Wand hindurchzukommen, die sich vor mir aufgebaut hatte, beantwortete ich schnell ihre Frage: „Ich habe mal davon geträumt, dass sich meine ganze Familie in Zombies verwandelt hat, und ich sie bekämpfen musste, um aus meinen Haus rauszukommen. Das war schrecklich. Aber immerhin hatte ich nicht mehr das Bad putzen müssen." Mit einem Witz tat ich dieses Geständnis ab. Wie schlimm dieser Traum wirklich für mich gewesen war, gab ich nicht zu. Eine Woche lang konnte ich nicht mehr schlafen, weil ich immer die fremden, und doch vertrauten Zombie-Gesichter meiner Familie gesehen hatte.

„Was war denn deiner?" Maries Wand war undurchdringlich, und da ich nach einer Zeit keinen Sinn mehr darin sah, gegen sie anzukämpfen, versuchte ich es stattdessen bei Pia. Ich vermutete, dass sie sich gerade keine Mühe gab ihre Seele zu schützen, denn Pia war wirklich nicht gut in dieser Übung. Aber im Prinzip müsste sie auf meinen Angriff gefasst sein, denn die Feinde würden auch nicht darauf warten, dass sie ihre Wand wieder nach oben fährt. 

Marie erzählte unterdessen von ihrem Albtraum. „Ich habe davon geträumt zu sterben. Das war grausam. Ich habe keine Luft mehr bekommen und konnte nichts dagegen tun, als meine Lider immer schwerer wurden und sich die Dunkelheit über mir ausbreitete. Diesen Traum hatte ich an meinem zwölften Geburtstag und kurz darauf hat der Mond einen Stern zu mir geschickt. Ich frage mich bis heute, ob das in irgendeinem Zusammenhang steht."

Während Marie erzählte, war ich in Pias Gedanken eingedrungen. Ich sah, dass sie ebenfalls an den Tag dachte, an dem die Sonne ihr einen Stern auf die Erde geschickt hatte.

„Vielleicht sollten wir dieses Ereignis in den Sitzungen mal besprechen." Ohne Pia davon zu erzählen, dass ich in ihren Gedanken war, entfernte ich mich wieder, und dachte über die Idee nach. „Ich schätze, dass ihr währenddessen eure Kräfte bekommen habt. Das ist total anders als bei den normalen Natesim. Wir haben unsere Kräfte seit unserer Geburt, aber sie entfalten sich erst nach einiger Zeit. Vielleicht ..."

Die Seelenverbindung brach ab.


„Sorry." Marie sah beschämt aus. „Ich habe mich zu stark auf mich selbst konzentriert, und dabei nicht gemerkt, wie ich meine Energie von eurer entfernt habe."

Kopfschmerzen machten sich in meinem Kopf breit, ein Zeichen dafür, dass ich müde war. Mehr als das. Ich war erschöpft, kraftlos und ausgelaugt. Es war ein langer Tag gewesen und ich wollte einfach nur noch schlafen.

„Alles gut. Ich denke, wir sind fürs Erste fertig." Ich machte Anstalten aufzustehen, und die beiden aus meinem Zimmer zu begleiten.
„Was ist mit mir?", fragte Pia. „Mich hast du nicht getestet."

„Du hast deine Seele nicht geschützt. Du bist durchgefallen", erklärte ich trocken.

„Aber, ... ich dachte es ging um Marie, und nicht um mich."

„Ja, aber du hättest deine Seele trotzdem schützen sollen."
„Aber, ..."
„Es ist alles gut Pia." Ich lachte. „Ich bin nur müde. Können wir bitte morgen weitermachen?" 

Sie gab nach. „Na gut. Aber dann sagst du mir bescheid, bevor du wieder einfach so in meinen Kopf kommst."

„Freust du dich nicht langsam über meine Besuche?", fragte ich sie neckend.

Doch Pia rümpfte nur die Nase.
Nachdem ich die Tür hinter den Auserwählten geschlossen hatte, fiel ich in mein Bett. Eigentlich wollte ich Lance nochmal sehen, aber meine Beine streikten. Offensichtlich wollten sie meinen Freund nicht suchen gehen. Ich vertraute auf meinen Körper und schloss die Augen. Wenn meine Beine Lance nicht suchen wollten, würde ich halt von ihm träumen.


„Luna?"
Mist, offensichtlich hatte ich zu stark an Lance gedacht, und statt einzuschlafen, hatte ich meine Seele mit ihm verbunden.

Er lachte. Wie immer bemühte ich mich erst gar nicht darum, meine Seele vor Lance zu schützen.

„Was machst du gerade?", fragte ich und kuschelte mich tiefer in meine Kissen.

Durch Lances Augen sah ich die Trainingshalle der Reforten. „Du trainierst doch nicht immer noch?"
„Doch, ehrlich gesagt schon." Ich sah, wie er schief grinste.
„Lance, es ist sicher schon nach zehn. Komm schlafen."

Er seufzte traurig, und ich sah ein Bild vor unseren Augen, welches er in seinen Gedanken erschaffen hatte. Man sah ihn, wie er völlig ausgepowert trotzdem noch versuchte gegen die Übungssäcke zu schlagen.

„Ich kann nicht. Ich muss trainieren."

„Warum? Du bist müde. Also komm schlafen."

„Warum?" Ich hörte den Vorwurf in Lance Stimme. „Luna, in den letzten Wochen waren wir oft genug in Gefahr. Ich muss uns beschützen können." Er seufzte wieder.

„Ich kann uns auch beschützen. Ich lerne auch zu kämpfen." protestierte ich.

„Ich weiß, aber das reicht nicht."
Bevor ich antworten konnte, redete er weiter. „Die Feuerbändiger sind gefährlich, und wenn sie uns nicht zerstören, tut es die Erde selbst."
„Dann kannst du aber auch nichts mehr daran ändern."
„Nein, aber ich setze alles daran, dich bis dahin zu beschützen. Währenddessen kannst du nach einer Lösung suchen."

Das ergab Sinn, aber er sollte sich trotzdem nicht so verausgaben. Anscheinend war er gerade mit den Kräften am Ende, und da wir nicht in Gefahr waren, war es unsinnig, sich so auszupowern.

„Ist ja gut, ich höre für heute auf. Aber damit du es weißt: Morgen trainiere ich weiter."
„Damit kann ich leben." Ich sah aus Lances Augen, wie er die Waffen aufräumte, mit denen er eben gekämpft hatte. Ein Schwert, ein Dolch und Wurfsterne.

„Du kannst mit Wurfsternen kämpfen?" Ich war ehrlich verblüfft. Ich dachte immer, dass diese Dinger super schwierig zu bedienen waren.

„Sind sie auch, aber Herrik hat mir befohlen, zu lernen mit ihnen umzugehen." 

Ich verdrehte die Augen. Herrik liebte Lego Ninjago, einen Fernsehshow von der Erde, in der ein paar Ninja gegen das Böse kämpften. Sein Lieblingsninja war der, mit den Wurfsternen.

„War ja klar. Und wie läuft es so?"
Er nahm einen der Wurfsterne und warf ihn. Das Metall glänzte und war an den Kanten ganz scharf. Der Stern flog einmal durch den Raum, vorbei an mehreren Trainingsgeräten, auf eine der Wände zu, an der ein Mensch angemalt war. Lance verfehlte ihn nur knapp.

„Krass." Ich war ehrlich beeindruckt. „Das hätte ich dir gar nicht zugetraut."

„Na danke." Er lachte. „Naja, morgen werde ich ihn treffen."
„Gut, und bis dahin wirst du keine andere Waffe mehr berühren, sondern in dein Zimmer gehen und schlafen."
„Warum denn in
mein Zimmer?" 

„Dann halt in meins", sagte ich leicht dahin, aber eigentlich freute ich mich tierisch. Lance würde doch noch kommen! Und dafür hatte ich mich nicht einmal bewegen müssen.

Warum war mir das mit der Seelenverbindung nicht schon viel früher eingefallen? Wahrscheinlich war ich zu müde gewesen, um darüber nachzudenken.

„Gut, dann bis gleich", verabschiedete sich mein Freund und die Seelenverbindung brach ab.


Meine Eltern wussten, dass Lance meistens bei mir schlief, und es störte sie nicht weiter.

Wir waren alt genug und lange genug zusammen, um in einem Zimmer zu schlafen.

Während ich auf Lance wartete, drifteten meine Gedanken immer weiter ab.

Erst dachte ich noch eine Weile über unsere Beziehung nach, dann rätselte ich weiter über die merkwürdige Sache, die Marie heute erwähnt hatte. Dass sie ihre Kräfte erst bekommen hatte, als sie zwölf wurde.

Und während ich so darüber nachdachte, schlief ich ein. Ich merkte nur noch, wie sich nach einiger Zeit ein Körper an meinen schmiegte. Doch Lance begrüßen konnte ich nicht mehr.


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