𝑆𝑖𝑒𝑏𝑒𝑛
Nachdem ich vorbildlich - und fast pünktlich – zum Essen erschienen war, war ich in mein Zimmer gegangen und hatte vorbildlich eine Runde mit meinen Brüdern Monopoly gespielt, um dann vorbildlich meine Laborsachen anzuziehen und vorbildlich ins Forschungslabor zu gehen. Man könnte meinen, ich sein ein großes Vorbild. Dass widerlegten die Aufzeichnung, die ich von den Ergebnissen der letzten Untersuchung mitgeschrieben hatte, aber leider wieder. Traurig sah ich auf die zwei Sätze, während ich es mir an einem Tisch im großen Labor gemütlich machte.
„Wie war dein Vormittag Luna?", begrüßten mich Pia und Marie stürmisch, während sie auf meinen Tisch zuliefen. Die Augen der beiden leuchteten. Es war immer wieder erstaunlich, die beiden unterschiedlichen Augenfarben aus der Nähe zu betrachten.
Ich hatte die beiden beim Essen nicht gesehen, weshalb es schon wieder viel zu lange her war, dass wir uns unterhalten hatten.
„Es war ziemlich voll und stressig", gab ich zu. „Jeder wollte was von mir. Und eurer?"
Marie klatschte in ihre Hände. „Wir schaffen es jetzt beide für mehrere Minuten unsere Seelen während einer Seelenverbindung zu schützen. Und unterbewusst ist die Mauer die ganze Zeit oben. Das hat uns unsere Trainerin beigebracht."
„Super", lobte ich sie. „Dann kann ich wenigstens über diesen Fortschritt berichten."
„Was meinst du damit?"
„Sverre kommt in drei Tagen zu Besuch und möchte wissen, wie es mit eurem Training läuft. Ich soll ihm erzählen, welche Fortschritte wir in Bezug auf eure Kräfte gemacht haben."
„Welche Fortschritte?", fragte Pia mit einem leichten Lachen in der Stimme. Wäre die Situation nicht so ernst, hätte man herzlicher darüber lachen können.
Marie versuchte uns zu verteidigen: „Wir hatten doch erst eine Sitzung. Ist doch klar, dass man nicht sofort etwas erreichen kann. Außerdem haben wir dann doch noch drei Tage Zeit, um ein paar Untersuchungen zu machen."
„Genau", schaltete sich nun Xenia ein. Es war ein Wunder, dass ich mich noch an ihren Namen erinnern konnte. Die junge Wissenschaftlerin mit der Brille war mir wohl im Gedächtnis geblieben. Als ich mich im Zimmer umsah, kam ich aber zu dem Schluss, dass dies auch die einzige Person war, von der ich noch den Namen konnte.
Schon jetzt war mir wieder entgangen, wie die junge Refortin hieß, die Marie so toll fand. Daw? Dew? Duw?
Mist, das konnte doch nicht wahr sein! Ich musste Marie gleich unbedingt darauf ansprechen und auch fragen, wie das gemeinsame Mittagessen gelaufen war.
Xenia schnappte sich unterdessen ihren pinkfarbenen Ordner und klappte ihn auf. Sie räusperte sich und alle Anwesenden drehten sich zu ihr um. Dann las sie vor: „Protokoll letzte Sitzung: Die Auserwählten können ein dichtes Netz aus Energie bilden. Diese wird durch die physische Seelenverbindung erzeugt und in der Luft ineinander verwoben. Die Auserwählten sind hierbei nach kurzer Zeit stark ermüdet, weshalb es nicht zu weiteren Untersuchungen kam. Weitere Eigenschaften des Netzes werden in der nächsten Sitzung erforscht. Kann jemand etwas ergänzen?"
Ich schaute auf meine Mappe mit den Notizen.
Energie ist schwarz und weiß
Energien bilden dichtes Netz
„Ihre Energien sind zweifarbig", ergänzte ich, ohne nochmal darüber nachzudenken. Ich lebte nach der Devise, lieber was gesagt und danach bereut, als gar nichts gesagt und das immer bereut. In meinem Fall konnte ich immer noch etwas Positives aus der Situation ziehen.
Der Typ mit dem Computer, der letztes Mal so unsympathisch gewesen war, war leider auch wieder da und sah nun auf. „Das ist klar. Die Energie von Sannas Nachkommen ist schwarz, Manos ist weiß. Die Auserwählten haben beide."
Xenia zog ihre Brille nach oben. „Ich werde es trotzdem noch notieren. Vielleicht hilft es uns." Sie lächelte mir aufmunternd zu. Schön, wenigstens sie war auf meiner Seite.
Nachdem Xenia mit ihrem grünen Kugelschreiber in ihre pinke Mappe geschrieben hatte, fuhr sie sich durch die bunten Strähnen in ihren Haaren. „So viel also zu gestern. Hat jemand für heute eine neue Idee?"
Eine ältere Frau meldete sich langsam. Ich wusste nur noch, dass ihr Name eine Baumart war, und auch das nur, weil ich sie im Nachhinein gegoogelt hatte. Doch jetzt wollte sie mir nicht mehr einfallen.
„Sie brauchen sich nicht melden Mrs. Afzelia. Reden Sie einfach." Xenia klickte mit dem Kugelschreiber in ihrer Hand.
„Alles klar ... Ich habe gestern Abend noch lange wach gelegen und überlegt, was man mit dem Energienetz machen könnte."
Xenias Interesse war geweckt. „Ja?"
„Zu einer Lösung bin ich leider nicht gekommen, aber ich dachte, dass wir vielleicht hier nach einer suchen können."
Das klang leider nicht sehr vielversprechend. Das Netz hatte gestern nicht sehr hilfreich ausgesehen.
Pia stand von ihrem Stuhl auf. „Dann lasst uns doch wieder in unser Experimentierzimmer gehen und uns das Netz genauer angucken."
„Kann ich vorher noch etwas anderes einbringen?", fragte ich gespannt. Da mich niemand unterbrach, machte ich weiter. „Pia und Marie haben mir gestern noch etwas erzählt, was vielleicht wichtig ist. Es handelt sich um ihren zwölften Geburtstag. Wenn wir das richtig sehen, hatten sie vorher keine Energie und haben sie an diesem Tag von Sanna und Mano erhalten. Ich weiß nicht, ob uns das weiterbringt, aber ich wollte es mal erwähnt haben."
Jetzt wirkten alle sehr in ihren Gedanken versunken. Offensichtlich war dieser Punkt wesentlich interessanter als ich erst angenommen hatte.
Ein Forscher forderte die Auerwählten auf, das Erlebte noch einmal wiederzugeben. Marie berichtete also von dem Ereignis in der Nacht an ihrem zwölften Geburtstag. Es war immer noch verblüffend zu hören, was sich damals ereignet hatte.
Danach erzählte Pia von ihrem Stern, der mitten am Tag auf sie herab geschossen kam. „Ich bin im Krankenhaus aufgewacht und dachte wirklich, ich hätte das alles nur geträumt. Die Krankenschwester hatte mir erzählt, dass mein Fahrrad von einem LKW angefahren wurde. Da dieses wirklich kaputt war, hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, dass die Geschichte doch anders gewesen sein könnte. Doch nun glaube ich, dass die Wucht des Einschlags des Sternes das Fahrrad zerstört hat."
Danach herrschte Stille. Alle zogen ihrer eigenen Schlüsse aus den Erzählungen.
Nur Xenia quietschte vergnügt. „Das ist interessant. Wir sollten so vorgehen: Jetzt gehen wir die Experimentierkammer und bis morgen überlegt sich jeder eine Theorie, was es mit diesen Ereignissen auf sich haben könnte."
Gesagt, getan. Wenige Minuten später fanden wir uns vor der Technowand wieder. Pia und Marie winkten mir von der anderen Seite zu. Da sie mich offensichtlich sahen, was ich gestern noch verneint hätte, winkte ich zurück.
Der Typ mit dem Computer seufzte. Er hatte wohl nichts übrig für jugendliche Freude. Pia hatte auch gesehen, wie er reagiert hatte und verdrehte deswegen die Augen. Marie war schon damit beschäftigt, Xenias Anweisungen zu befolgen. Obwohl ich den Beginn ihres Satzes verpasst hatte, verstand ich schnell, worum es ging.
„... da hinten. Sobald ihr das Netz sicher gespannt habt, sollt ihr die Gegenstände dagegen werfen."
Marie ging bereits zu einer Wand und drückte auf einen der dort angebrachten Knöpfe. Eine Schiebetür öffnete sich und dahinter lagen Klötze aus verschiedenen Materialien. Holz, Metall, Stein...
Pia kam Marie zur Hilfe, um ihre Versuchsobjekte auf dem Boden vor sich zu platzieren. Danach setzten sie sich daneben und konzentrierten sich auf ihre Energie. Nach kurzer Zeit sah ich die goldschwarzen Fäden aus den beiden herausfließen. Es funktionierte schon viel besser als gestern. Wenn sie so weitermachten, waren sie in ein paar Wochen besser als ich und andere Sechzehnjährige, die schon ihr Leben lang trainierten.
Auf unserer Seite der Wand herrschte sekundenlange Stille, bevor Xenia wieder anfing zu sprechen. „Wenn ihr denkt, dass das Netz stabil ist, nehmt doch einen Gegenstand und versucht ihn ganz leicht gegen die Energien zu werfen. Wir wollen sehen, ob er daran abprallt oder hindurchfliegt."
Pia öffnete als erste ihre Augen. Sie sah lange auf die verschiedenen Klötze, bevor sie sich für Styropor entschied. Das konnte man leicht werfen, und das würde sicher auch dem Netz nicht viel anhaben können.
Als auch Marie ihre Augen geöffnet hatte, holte Pia tief Luft und warf den Würfel. Mit angehaltenem Atem sahen wir alle zu, wie das Styropor gegen das Netz knallte, daran abprallte und davor auf dem Boden landete.
Xenia nickte bedacht. „Interessant. Jetzt versucht es mal mit einem schwereren Material."
Marie nahm sich den Holzklotz. Wieder prallte er am Netz ab. Auch der schwerere Backstein, den Pia nur mit Mühe überhaupt werfen konnte, prallte an den Energien ab.
Auf meinen Notizen stand nun:
Styropor prallt an Netz ab
Holz prallt an Netz ab
Glas prallt an Netz ab (geht dann aber auf dem Boden kaputt)
Dann wurde es mir zu doof, und ich schrieb nur noch:
Auch alle anderen Materialien prallen an Netz ab
Ich schielte zu meinen Nachbarn, welche jedoch auch nichts Spannenderes aufgeschrieben hatten. Nur Xenia und der Mann mit dem Computer schrieben und tippten noch eifrig vor sich hin.
„Also gut", sagte Xenia, nachdem sie endlich mit dem Schreiben fertig war. Außerdem klickte sie wieder mit dem Kugelschreiber herum. Das musste wohl ein Tick von ihr sein. „Ich habe noch eine andere Idee. Offensichtlich ist das Energienetz ja stabil. Vielleicht könntet ihr die Materialien damit umhüllen und sie so durch den Raum bewegen."
Marie stimmte ihr zu. „Das könnte funktionieren." Sie schnappte sich den ersten Klotz, den sie zu fassen bekam. Es war der aus Holz.
Wir alle sahen gespannt zu, wie die beiden wieder das Netz ausbreiteten, Marie das Holzstück hineinlegte und es sich dann langsam mit dem Netz bewegte.
Es funktionierte! Fast hätte ich das auch laut ausgeschrien, aber ich hielt mich doch noch zurück. Was auch immer wir mit dieser Information anfangen konnten, es war das erste sinnvolle Ergebnis. Mit diesem Eifer schrieb ich auch meine nächste Notiz.
Das Holzstück kann mit dem Netz bewegt werden
Xenia klatschte in die Hände. Sie war anscheint begeistert. Auch dem sonst so mürrischem Computermann entlockte die Entdeckung ein kleines Lächeln.
Durch die Glückwünsche, die plötzlich im ganzen Raum gemurmelt wurden, verloren Pia und Marie jedoch die Konzentration, das Netz löste sich auf, und das Holzstück fiel auf den Boden. Das interessierte im Moment aber niemanden. Endlich waren wir einen Schritt weitergekommen. Wir hatten Etwas entdeckt, mit dem wir arbeiten konnten.
„Das ist ja super." Xenia wirkte zufrieden. Sie schrieb noch einmal in ihr Notizheft, sah auf die Uhr, dann in die Runde und verkündigte die weitere Vorgehensweiße. „Da es jetzt schon relativ spät ist, würde ich sagen, dass wir die Sitzung für heute beenden. Bis morgen könnt ihr überlegen, was mir mit den neuen Informationen anfangen können und vielleicht noch mal über den - wie sollen wir ihn nennen? – merkwürdigen Geburtstagstag - nachdenken. Ihr wisst schon. Das Ereignis am zwölften Geburtstag der Auserwählten. Na, dann wünsche ich euch allen einen schönen Abend. Wir sehen uns morgen wieder."
Alle klatschten zum Abschied. Heute sah man in viel fröhlichere Gesicht als es gestern der Fall gewesen war.
Ich sah, dass Pia und Marie mich zu sich an die Glaswand winkten, was wohl bedeuten sollte, dass sie mich gleich sprechen wollten. Also ging ich aus der Experimentierkammer und stellte mich vor die Schutztür, um auf die beiden zu warten.
Als Marie aus der Tür trat, strahlte sie mich an.
Pia hinter ihr fing aufgeregt an zu sprechen. „Hast du das gesehen Luna?"
„Ja natürlich." Ich lachte. „Und ich werde mir morgen gleich als erstes Notizen davon für Sverre machen."
„Das klingt gut", stimmte mir Marie zu.
Danach sagte erst einmal keiner mehr was. Man merkte uns allen die Müdigkeit an. Es war schon wieder ein langer Tag gewesen und wir sehnten uns nach unseren Betten.
Wir gingen gemeinsam zu unseren Zimmern. Keiner sehnte sich sonderlich nach einer Unterhaltung, weshalb wir den Großteil des Weges schweigend hinter uns brachten.
Pia unterbrach irgendwann die Stille. „Wollt ihr noch mit zu mir kommen? Ich habe Lust auf ein bisschen Gesellschaft."
Ich lächelte. Wenn das so weiterging, konnte das unser abendliches Ritual werden.
„Klar habe ich Lust." Das stimmte nur teilweise. Natürlich hatte ich nichts gegen die Gesellschaft von Pia und Marie. Aber langsam machte sich die Müdigkeit in mir breit und ich sehnte mich nach Lance.
Marie gähnte. Das brachte Pia und mich zum Lachen. „Tut mir leid." Auch sie lachte. „Ich komme trotzdem noch mit zu dir."
Als wir durch das Schloss gingen, merkte man, wie die meisten Leute wach wurden. Normalerweise war die Nacht im Nachtreich, wie der Tag auf der Erde. Doch für die Auserwählten hatten wir unseren Rhythmus umgestellt, sehr zu meinem Bedauern.
Die Nacht hier war einfach magisch und mit nichts zu vergleichen. Wir waren hier so nah an Sanna wie kein anderes Volk. Sie wirkte größer und voller und, als würde sie nur für uns leuchten.
Statt den wunderschönen Mond betrachten zu können, musste ich mich jetzt tagsüber in der Sonne quälen. Aber für die Rettung der Erde tat ich das natürlich gerne. Außerdem hatten wir so mehr Tageslicht für die Experimente und ich glaube auch, Sophia und Ade tat es gut, tagsüber zu arbeiten. Im Licht der Morgensonne strahlte Ades Blumengarten und Sophia saß bei natürlichem Licht und nicht vor brennenden Kerzen am Schreibtisch.
Als wir drei an Pias Zimmer ankamen, schloss sie die Tür auf und ließ uns eintreten. Sie hatte sich den Zwilling zu ihrem alten Zimmer im Tagreich ausgesucht. Denn da die beiden Paläste baugleich waren, gab es auch hier den Turm mit den beiden Zimmern.
Die Wände, der Boden, das Bett. Alles war blau. Zuerst hatte ich angenommen, dass die Farbe Pia stören würde, aber anscheinend verband sie die Farbe nun mit Heimat. Das hatte sie mir mal beiläufig erzählt.
Pia hatte das Zimmer nicht verändert, seit sie hier eingezogen war. Nur die Regale hatten sich gefühlt. Bei dem Besuch bei ihren Eltern hatte Pia sich ein paar Sachen von der Erde mitgebracht und sich mit Büchern aus der Bibliothek ausgestattet. Außerdem hatte Herrik ihr ein paar Bilder gemalt.
Pia setzte sich schwungvoll auf ihren Stuhl. Marie schmiss sich theatralisch auf das Bett. Da jetzt alles Sitzplätze belegt waren, blieb ich in der Tür stehen.
Pia sah mich schuldbewusst an. „Tut mir leid, du kannst hier ..."
„Schon gut." Ich winkte ab. „Ich denke, ich bleibe sowieso nicht lange. Lance sollte auch gleich kommen. Worüber wolltest du denn reden?"
„Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung." Sie verzog schuldbewusst ihr Gesicht. „Ich wollte nur nicht allein sein. Das halte ich nicht aus."
Marie sah sie an. „Du hättest doch nur etwas sagen müssen. Ich kann auch bei dir schlafen. Ich weiß, wie du dich fühlst. So ganz allein. Ohne die Menschen, die man sein ganzes Leben lang um sich hatte ... Das habe ich auch schon durchgemacht, wenn auch für eine kürzere Zeit." Sie sah gedankenverloren in die Ferne. Dann blickte sie Pia direkt in die Augen. „Wir machen heute eine Pyjama-Party. Zu zweit. Ich denke, wir brauchen mal eine Schwesternnacht."
„Das ist eine gute Idee", versicherte ich Marie. Für Pyjama-Partys war man nie zu alt. Außerdem würde es ihnen sicher gut tun, mal über alles zu reden. Alles rauszulassen und kein Blatt vor den Mund zu nehmen.
„Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich dann gehen", entschuldigte ich mich.
„Nein, kein Problem."
„Ich kann beim Sachen tragen helfen", schlug ich noch vor. Irgendwie wollte ich nicht so ohne weiteres verschwinden.
„Das bekommen wir schon hin." Pia deutete auf die Tür. „Wir müssen ja nur die Matratze zu mir rüberbringen. Das schaffen wir zu zweit."
„Also gut. Dann gehe ich jetzt." Ein bisschen merkwürdig kam ich mir schon vor. Ich war doch gerade erst gekommen. Aber dann meldete sich der Gedanke an Lance in meinem Hinterkopf. Ich winkte den beiden Auserwählten zum Abschied zu und machte mich auf den Weg in mein Zimmer.
Jetzt konnte ich nur hoffen, dass Lance auch wirklich da war. Sonst müsste ich vielleicht noch ewig darauf warten, dass er vom Trainingscenter zu mir hoch kam. Wahrscheinlich überzog er mal wieder.
Ich konnte nicht warten, ich musste jetzt wissen, ob Lance schon bei mir war. Also suchte ich nach seiner Energie ...
„Hey", begrüßte er mich sanft.
„Hi. Na, wo bist du?"
„Ob du es glaubst oder nicht, aber ich betrete gerade dein Zimmer." Und dann schickte er mir das Bild von meiner Tür.
„Ich glaube dir."
„Wann kommst du denn?"
„Ich bin gleich da." Gerade wollte ich ihm den Flur zeigen, durch den ich gerade ging, da kam Drew Prather um die Ecke. Wir knallten unsanft gegeneinander.
Mist! Ich verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Kurz musste ich mich sammeln.
Drew war bereits wieder auf den Beinen und half mir nach oben. Lustigerweise war ihr Name plötzlich wieder in mein Gedächtnis zurückgekehrt.
„Hallo Luna. Das tut mir leid. Ich hoffe, dir ist nichts passiert."
Durch den Schreck, den der Zusammenprall in mir ausgelöst hatte, hatte ich die Seelenverbindung mit Lance abgebrochen. Hoffentlich dachte er nicht, dass mir etwas passiert wäre.
„Hi Drew. Nein, alles in Ordnung. Bei dir auch?"
Sie nickte.
„Wie war dein Tag?" Nein! Was hatte ich getan? Warum hatte ich denn ein Gespräch begonnen? Ich wollte doch nur zu Lance. Doch wie immer hatte ich geredet, bevor ich nachgedacht hatte.
„Mein Tag war recht entspannt. Ich war mit deinem Freund trainieren."
„Hat er wieder Wurfsterne auf Holzpuppen geworfen."
Drew grinste schuldbewusst „Ja. Mittlerweile ist er erstaunlich gut darin."
„Warum erstaunlich? Hättest du ihm das etwa nicht zugetraut?"
Sie lachte. „Doch, natürlich." Noch bevor sie ihren nächsten Satz aussprach, wusste ich, dass er mit Marie zu tun hatte, denn Drews Tonlage wurde einige Oktaven höher und ihre Stimme deutlich leiser. „Hast du die Auserwählten heute gesehen? Ich wollte nämlich nach dem Mittagessen zu ihnen, doch sie waren nicht auf ihren Zimmern."
„Sie hatten heute viel zu tun, aber jetzt sind sie bei Pia." Ich wollte gerade sagen, dass sie ja mal vorbeischauen konnte, doch dann ließ ich es lieber. Marie und Pia hatten heute ihre Schwesternacht, da hatte Maries Verehrerin nichts zu suchen.
„Sie sind aber schon ins Bett gegangen", schob ich deshalb nach. „Wenn du morgen früh um sieben hier vorbeikommen würdest, hätte Marie sicher nichts gegen einen keinen Besuch."
Als Drew ihren Namen hörte, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. „Danke Luna. Ich denke ich schaffe es, morgen früh mal vorbeizuschauen." Sie wünschte mir noch eine gute Nacht und ging dann an mir vorbei. Ich fand Drew ein bisschen seltsam, aber sie war auch nett und süß, was sie für mich zu einer guten Freundin machte.
Vielleicht würden Marie und sie ja wirklich zusammenkommen. Das wäre schön, denn Marie verdiente jemanden, der sie genauso glücklich machte, wie Lance mich.
Apropos Lance.
Er öffnete mir gerade die Tür, nachdem ich zweimal dagegen geklopft hatte. Das restliche Wegstück zurück zu meinem Zimmer war ich gerannt, weil ich mich so auf ihn gefreut hatte.
Ich hatte mir erst gar nicht die Mühe gemacht, nach meinem Schlüssel zu suchen. Ich wusste ja, dass er da war.
„Was war eben los? Die Verbindung ist einfach abgebrochen."
„Tut mir leid. Eine Refortin ist um die Ecke gekommen und hat mich so erschreckt, dass ich die Seelenverbindung unterbrochen habe."
„Ach so." Lance nahm mich in die Arme und küsste meinen Kopf. Ich lehnte mich gegen seine Brust und atmete den frischen Duft eines Duschgels ein. Anscheinend hatte er nach dem Training schon geduscht.
„Ich habe gehört, du wirst immer besser mit den Wurfsternen." Dass ich über diese Information verfügte, konnte ich ihm nicht lange vorenthalten.
„Ja, ich denke schon. Sag bloß nicht, die Refortin, die dich erschreckt hat, war Drew Prather?"
„Oh doch." Ich lachte.
Er küsste mich noch einmal. Dieses Mal auf die Nase. „Sie scheint Marie ziemlich großartig zu finden."
„Wem sagst du das. Ich bin ihr heute sogar zweimal über den Weg gelaufen und jedes Mal wollte sie zu Marie. Aber die Auserwählte ist zu beschäftigt und deshalb verpassen sie sich immer."
„Die Arme Drew. Dann kann ich ja froh sein, dass du immer mal wieder Zeit für mich findest." Lance spielte mit einer meiner schwarzen Haarsträhnen. Wie so oft versank ich in seinen tiefschwarzen Augen.
„Natürlich, du bist mir doch wichtig. Ich versuche so oft es geht, Zeit mit dir zu verbringen."
Dieses Mal trafen sich unsere Lippen.
„Das weiß ich doch", versicherte mir Lance zwischen zwei Küssen. „Wir haben beide viel zu tun."
Ich legte meine Arme um seinen Hals, um ihn noch näher an mich zu ziehen. Meine Finger fuhren über die kurzen Stoppeln am unteren Haaransatz.
Seine Arme fielen meinen Rücken hinab, nur um kurz darauf wieder hinauf zu wandern.
Wir sahen uns tief in die Augen. Es gab kein schöneres Gefühl auf dieser Welt.
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