Prolog || Alea
Fröhlich plaudernde Grüppchen saßen in dem kleinen Café, dass unter Kennern ein echter Geheimtipp war. Meine Freundinnen und ich waren selbst erst durch Zufall darauf gestoßen, so versteckt, lag es in einer Seitengasse. Die zartrosane Außenfassade hatte bereits begonnen abzublättern und offenbarte weiße Stellen. Über dem Eingang prangte mit geschwungener Schrift das Wort „Kaffeezauber". Und es hielt was es versprach.
Wer immer noch an diesem Laden zweifelte, konnte sich von den leckeren Köstlichkeiten die hier erschaffen wurden überzeugen lassen. Dessen Namen standen auf einem großen Schild im Schaufenster dicht untereinander gequetscht.
Innen drin standen vier größere Tische aus grünem Metall, die aus einem Gartenmöbelset sein könnten, mit feinen Verzierungen. Aus dem gleichen Metall standen reichlich Stühle drum herum, welche geblümte Sitzkissen trugen. An der Theke, hinter der sich zwei besonders teure Kaffeemaschinen zeigten, standen vier hölzerne Barhocker. Daneben verbarg sich eine Kuchenvitrine mit einer kleinen Auswahl. Hier gab es eben nicht nur den besten Kaffee, sondern auch den besten Kuchen.
Bei einem tiefen Atemzug sog ich den herben und rauchigen Duft ein, der den Geschmack meiner Lieblingssorte nur gering ausdrückte. Neben dem rauchigen Duft, mischte sich noch eine süße Obstnote, die auf den fabelhaften Kuchen hindeutete.
Von hinter der Wand, die nach zwei Schritten auf die Theke folgte, vernahm man die Geräusche der Person, die im Lager die Stellung hielt und für das Auffüllen sämtlicher Kaffeebehälter zuständig war. Oder auch für das backen der selbstgemachte Kuchen, die in der Kuchenvitrine zur Schau gestellt wurden. Dies vermischte sich mit dem Klang der Kaffeemaschine, aus der ständig frischer Kaffee lief. Eine wohlige Gänsehaut lief über meine Arme, als ich das Tropfen des Kaffees vernahm und an den Geschmack dachte.
Mit einem To-Go-Becher in der Hand, aus dem der Dampf von heißem Kaffee qualmte, stieß unsere Freundin wieder zur dreier Gruppe dazu. Wir beide hielten ebenfalls einen solchen Becher in der Hand, jedoch gefüllt mit ganz unterschiedlichen Mischungen. Ohne Absprache nahmen wir alle gleichzeitig einen großen Schluck. Natürlich hatte ich mal wieder nicht bedacht, dass der frische Kaffee noch brühend heiß war. Genauso gut hätte mein Bambussbecher, den ich hier immer auffüllen ließ, mit Lava gefüllt sein können. Den Mund verbrannte ich mir sowieso, dass ich von dem leicht bitteren Geschmack im Nachklang nicht viel wahrnehmen konnte. Anhand des süßlichen Geruches, ließ sich der sonst so köstliche Geschmack nur erahnen. Meine Lippen verzogen sich gequält, als das leichte Prickeln meine Zungenspitze betäubte.
„Du lernst aber auch nie dazu, oder?", lachte meine beste Freundin mich aus.
Wann genau wir beste Freundinnen wurden weiß ich gar nicht mehr. Die Verbindung war in der Schulzeit einfach da gewesen. Eigentlich war ich ja nicht der kitschige Typ, aber in diesem Fall konnte man wirklich sagen, dass Juliana meine bessere Hälfte war. Wie eine blutsfremde Schwester. Was wir schon alles erlebt hatten... Mit diesen Geschichten könnte man Tage ausfüllen! Von zerplatzen Kindheitsträumen über Herzschmerz und Jungsschwärmereien bis hin zu der wutgeladenen Trennung ihrer Eltern, bei der die Fetzen flogen. Und trotzdem war bei uns der Spaß vorprogrammiert. Gab es uns im Doppelpack konnte man uns einfach nicht mehr ernst nehmen.
Eine ihrer langen dunkelblonden Haarsträhnen warf sie sich frech über ihre Schulter, als ich sie böse anfunkelte. In ihren himmelblauen Augen spiegelte sich der Schalk und sie musste sich enorm zusammenreißen, um mich nicht laut auszulachen.
"Kann ja nicht jeder so perfekt sein wie du.", verteidigte ich mich kläglich, indem ich ihr auch noch ein Kompliment machte.
Aber ich hatte recht damit, äußerlich sah meine beste Freundin fast schon makellos aus. Wie aus einer Zeitschriften für Makeup Werbung. Daneben sah ich mit meinen halb so kurzen Haaren, ein paar Farbtöne dunkler, und der nicht ganz so graden Nase nicht mal halb so gut aus. Wenn sich Typen auf der Straße nach uns umdrehten, dann ihretwegen. Für mich war das ehrlich gesagt mehr als in Ordnung, denn mir wäre überhaupt nicht wohl dabei, wenn mir die Typen ständig auf den Hintern glotzen würden. Dafür war ich mehr der Klugekopf in unserer Gruppe. Eines Tages würde auch ein Kerl das als Hauptkriterium sehen.
"Dankeschön.", bedankte sich Juli mit gespielter Überheblichkeit während sie sich eine der helleren und kürzeren Strähnen hinters Ohr strich.
Bevor ich weitere Versuche starten konnte mich noch mehr lächerlich zu machen, schob mich Elli hinter Juli aus dem Kaffeeparadies. Elli befreite mich oft aus hitzigen Diskussionen oder peinlichen Momenten. Während Juli der direkte und ehrliche Mensch war, kein Blatt vor den Mund nahm und mit gesundem Selbstbewusstsein ausgestattet war, hielt sich Elli meist im Hintergrund. Sie verstand es ruhig zu bleiben, Dinge distanziert zu betrachten und zu hinterfragen. Wenn es besser war die Klappe zu halten, dann würde sie dies auch tun, im Gegensatz zu Juli.
Der aromatische Geruch des Kaffees haftet noch wenige Schritte an uns, bevor er durch die würzigen Abgase ersetzt wurde. Aus der Seitengasse gelangten wir schnell wieder auf die breite Hauptstraße, neben der sich auf der gegenüberliegende Seite gigantische Bürogebäude erhoben. Neben dem Gehweg, auf dem wir gerade wieder angekommen waren, standen nur halb so große Wohnhäuser.
Nachdem vor knapp 70 Jahren das Coronavirus in den Griff bekommen wurde, konnten die Menschen heutzutage wieder ohne Maske auf die Straße gehen. Durch das riesen Impfchaos das ausbrach wurde ein achtel der gesamten Weltbevölkerung vergiftet und zu Mutanten. Viele Großstädte sind inzwischen wieder sichere Orte. Aber die Kreaturen sind immer noch da draußen und warten auf die Nacht, um aus ihren Löchern zu kriechen und uns anzugreifen. Denn wir haben etwas, dass sie nicht haben: sauberes Blut. Uns wurde keine toxische Dosis eines Impfstoffes verabreicht, der weder fertig abgeschlossen, noch getestet oder zugelassen war. Durch unsere Adern hingegen floss Blut mit einem heilenden Impfstoff. Der half ihnen aber leider auch nicht mehr viel. Im Gegenteil, durch einen Biss eines Mutanten wurde man ebenfalls vergiftet und mutierte zu seinesgleichen.
Erst jetzt, wo wir wieder mitten auf der Straße standen, bemerkte ich die panischen Rufe und hektischen Leute, die wild herum liefen. Einige Autos hatten angehalten, manche waren sogar einander aufgefahren. Fahrer liefen auf der Straße umher und hielten so unabsichtlich weitere Autos an. Doch es waren nicht die neuen Kratzer, Macken und Beulen in den Autos die ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war der Himmel, der allen große Sorgen bereitete.
Was war denn hier los? Verwirrt sah ich mich nach meinen Freundinnen um. Sie hatten die seltsame Atmosphäre offenbar auch bemerkt. Überrascht folgten wir den Blicken aller in den Himmel. Keiner mochte wohl seinen Augen trauen, was er dort sah. Über den Spitzen der Häuser thronte der große Feuerball, welcher unser Überleben sicherte. Dieser hatte sich geweitet und war viel größer und näher als sonst. Er schien fast von der Erde angezogen zu werden.
Entsetzen starrte ich ebenfalls hinauf und wollte meinen Augen kaum trauen. Wenn mit der Sonne etwas nicht stimmte, würde das unsern Tod bedeuten. Doch als ich realisierte, dass dies wirklich passierte und keines meiner Hirngespinste war, glitt mir geschockt der Kaffeebecher aus der Hand und verteilte die braune Flüssigkeit auf dem Asphalt.
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