Kapitel 7 || Aaron

Damit die peinlich lange Zeit, welche ich benötigt hatte um zu antworten, nicht weiter an Aufmerksamkeit gewann, klärte ich das neue Mitglied in unserem kleinen Club, über den Stand der Dinge auf:

»Wir waren eigentlich gerade auf der Suche nach ihren Freundinnen.«

Sofort sah Jacky bemitleidend zu Alea. Sie schien wohl auch nicht daran zu glauben die zwei wohlauf anzutreffen.
Einen Teil von mir machte es rasend, dass sie Alea so hoffnungslos gegenübertrat. Dieses gebündelte Päckchen Optimismus, durfte man doch nicht mit so etwas wie Hoffnungslosigkeit in Berührung kommen lassen.
Allerdings war ich selbst ja kein Stück besser. Schließlich glaubte ich auch nicht daran ihre Freundinnen zu finden. Und das zügelte meine Wut zum Glück etwas.

»Alea, richtig?«, vergewisserte sie sich nochmal, während sie ihr zum Trost die Schulter tätschelte.

Mehr als ein Nicken, bekam Jacky nicht aus ihr heraus.

»Es tut mir wirklich sehr sehr leid.«, fuhr sie dann mit ihrer Mitleidsrede fort.

Dass Jacky so mitfühlend sein kann, hätte ich nicht erwartet. In dieser Frau steckten wohl noch einige Überraschungen. Jedoch wollte Alea von dem Mitleid nichts hören, denn sie unterbrach Jacky schnell:

»Das muss es nicht! Ich werde sie finden. Das habe ich bis jetzt immer.«

Zu gerne hätte ich die Geschichten erfahren, die hinter dieser Aussage steckten. Aber es kam mir komisch vor jetzt danach zu fragen. Daher schob ich meine Neugier, zusammen mit dem großen Haufen an Fragen, beiseite.

Mir war klar, dass ihre Zuversicht erschreckend hoch war. Angesichts der Tatsache wie niedrig die Chancen standen. Und dem besorgten Blick nach zu urteilen, den Jacky mir zuwarf, sah sie das auch so. Bestimmt dachte sie, Alea würde sich durch zu viel Hoffnung alles schönreden. Am Ende dann aber enttäuscht sein, wenn sie die beiden nicht wieder traf.

»Okay. Hör mal, ich arbeite in einer Forschungseinrichtung.«, atmete Jacky einmal tief durch.

Ein mulmiges Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Über diese Einrichtungen hatte ich bis jetzt nicht viel Gutes gehört. Um genau zu sein, noch gar nichts Gutes! Dafür aber ein paar sehr heftige Kritikpunkte.
Noel kam aus so einem Bau. Irgendwie hatte er es geschafft daraus zu fliehen. Aber viel hatte er nicht darüber reden wollen. Verdrängung und Traumata waren bei dem Thema ganz vorne mit dabei. Kein Wunder, dass er nur einen kleinen Bruchteil erzählt hatte. Und das war schon echt heftig gewesen. Obwohl er extra nicht die ganz schlimmen Dinge mit uns geteilt hatte, damit wir uns nicht zu sehr sorgten.

»Wir wurden auf solche Notfälle vorbereitet.«, riss mich Jacky mit ihrer sanften Stimme aus meinen Gedanken.

Mit Alea konnte sie ganz lieb umgehen, aber einen normalen Satz mit mir zu wechseln war zu viel verlangt?

»In unserer Einrichtung haben sich alle, die in der Nähe waren, versammelt und so viele Menschen wie möglich von der Straße geholt. Wenn du Glück hast waren deine Freunde auch unter diesen Menschen.«, bestärkte sie Alea nun auch noch in ihrer Zuversicht.

Dafür hätt ich ihr am liebsten den Hals umgedreht! Sie machte sich auch so schon viel zu viel Hoffnung. Von dieser Möchtegernexpertin jetzt zu hören, dass es tatsächlich eine reelle Chance gab, würde ihre Enttäuschung letztendlich nur vergrößern. Das hatte die Arme einfach nicht verdient!

»Es ist sowieso die sicherste Stelle dieser Stadt, daher würde ich vorschlagen die Sterblichen von uns begeben sich dorthin.«, schlug sie vor, wobei mir ihr giftiger Augenkontakt nicht entging, im Gegenteil ich erwiderte ihn gekonnt.

»Das würde unser Überleben um einiges leichter machen.«

Langsam fing die Wut an überzukochen. Sie wusste sicherlich genau, was mit solchen wie mir, in diesen Forschungsstellen gemacht wurde. Bestimmt unterstützte sie das auch noch! Wer weiß ob die sowas nur mit Mutanten anstellten und nicht auch mit Menschen?! Die waren doch alle krank im Kopf! Vielleicht wollte sie mich von Alea trennen und sie dann auch einer solchen Folter unterziehen. Bei dem Gedanken wurde mir ganz schlecht.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Alea ihren Kopf in meine Richtung drehte. Mir war mein Unbehagen hundertprozentig anzusehen. Um aber eine möglichst unbekümmerte Maske aufrecht zu erhalten, ging ich grimmig auf Jackys unrichtiges Detail ein:

»Tu nicht so als wäre ich unsterblich.«

Sofort erhielt ich dafür einen ermahnenden Blick von Alea, dass ich mich abregen solle.

»Ist auf jeden Fall mal eine gute Idee dort vorbei zu schauen.«, willigte sie diesem Schwachsinn auch noch ein.

Darauf folgte schon wieder ein Blick zu mir, diesmal ein vorsichtig fragender. Die Frage dahinter, ließ nicht lange auf sich warten, denn sie stellte mir diese auch gleich:

»Begleitest du uns?«

Von der Vorstellung, so eine Einrichtung von innen zu sehen, war ich nicht angetan. Aber natürlich kam es für mich gar nicht erst in Frage, sie alleine in dieses offene Messer laufen zu lassen. Mein Kopf hatte sowieso schon nickende Bewegung gemacht, bevor ich wirklich darüber nachgedacht hatte. Wenigstens sparte ich mir jetzt die Pros und Contras aufzulisten.
Und auf Jackys abgeneigten Gesichtsausdruck hin, konnte ich mir einen kleinen Kommentar nicht verkneifen:

»Ich kann dich doch nicht alleine mit der da lassen.«

Lange musste ich nicht auf das Gegenfeuer warten, welches mir sogleich an den Kopf geworfen wurde:

»Jetzt übertreib mal nicht! Bei dir hat sie es schließlich auch ausgehalten.«

In dem Moment, in dem ich Luft holte um mich dafür zu revanchieren, hob Alea ihre Hand. Bevor ich diese aber ignorieren und doch einen giftigen Spruch loslassen konnte, drängte sie zum Aufbruch.

»Wo ist den diese Forschungseinrichtung?«, hakte sie anschließend neugierig nach.

Die Gefragte ließ sich wieder von der Dunkelheit der kleinen Gasse verschlucken, rückte aber trotzdem mit einer Antwort heraus:

»Noch ein paar Straßen entfernt.«

Alea lief ihr schon wieder unvorsichtig in den Schatten hinterher. Diesmal sah ich aber noch keinen Grund, sie auszubremsen. Vielleicht würde es ihr auch mal ganz gut tun geradewegs in eine Falle zu tappen, welche dann unheimlich schnell zuschnappte. Danach würde sie bestimmt viel vorsichtiger sein, wohin sie so blind rannte.

»Hast du alles?«, hörte ich Aleas Stimme.

Die Frage galt selbstverständlich der Möchtegernexpertin, welche nun einen schweren Rucksack auf dem Rücken trug.

Was hatte sie denn vor? Eine Weltreise durch die Wälder, auf sich allein gestellt?
Obwohl ich sie nicht leiden konnte, würde ich ihr zutrauen länger als einen Tag außerhalb der, nun eher semi schützenden, Mauern zu überleben. Sich verteidigen konnte sie ja, das musste man ihr echt lassen. Auch wenn ich das ganz bestimmt nicht offen zugeben würde!

Beim Vorbeigehen konnte sie es natürlich nicht lassen mir ihre böse funkelnden Augen zu zeigen. Na super, das könnte ja was werden! Worauf hatte ich mich hier nur wieder eingelassen?

Gerade als meine Reue und Zweifel mich überrennen wollten, schloss sich eine warme Hand um meine. Sofort schlug mein Herz wie verrückt, was ich schnell auf den Schock schob.

Optimistisch strahlte Alea mir entgegen und mir blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Mit einem Mal bereute ich gar nichts mehr. Wenn alles, was ich je gemacht habe - alle Entscheidungen, Taten und Gespräche - dazu beigetragen hatte, dass ich jetzt hier hinter dieser umwerfende Frau herlaufen und ihre Hand halten konnte, dann würde ich absolut nichts an meiner hässliche Vergangenheit ändern wollen!

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