Kapitel 3 || Aaron

Erst verstand ich nicht was hier gerade vor sich ging. Eben war doch noch alles hell gewesen? Hätten sich Zak und Noel nicht an meine Arme geklammert, als würde hier gerade die Welt untergehen, dann wäre ich jetzt panisch herum gelaufen um sie zu finden.

»Sollten wir jetzt doch sterben hoffe ich ihr wisst, dass ich echt sauer auf euch bin, weil ihr euch immer vor dem Haushalt drückt.«, sprach ich meine letzten Worte aus, die nur zur Hälfte tatsächlich ernst gemeint waren.

Natürlich fand ich es nicht toll, dass die zwei sich gekonnt vor den Haushaltsarbeiten drückten, der Teil war wahr. Nur der Ärger darüber war meist schnell verpufft. Trotzdem wollte ich diesen Punkt einmal angesprochen haben. Allein um ihnen unter die Nase zu reiben, dass ich deswegen jedesmal fünf Sekunden lang sauer auf sie war.

»Wie bitte?!«, keifte mich Noel von der Seite an.

Noch im selben Moment riss er seinen Arm von mir. Auch wenn es stockdunkel war und ich kaum etwas sah, wettete ich, dass er gerade protestierend die Arme verschränkt hatte. Zusätzlich presste er bestimmt die Lippen fest aufeinander während er mich, zu mir gedreht, böse anfunkelte. Beleidigte Leberwurst!

»Okay, irgendwie hat Aaron ja Recht. Wir drücken uns ständig vor Arbeiten.«, gab Zak offen zu.

Kratzende und schlurfende Geräusche waren von draußen zu hören. Augenblicklich klammerte sich Noel wieder an mich. Wir drei hielten gespannt die Luft an und lauschten gebannt.

»Ja, okay. Aber das sollten nicht deine Abschiedsworte gewesen sein.«, knickte Noel doch ein.

»Das ist ja total fürsorglich von dir, aber könntest du vielleicht gerade jetzt Mal die Klappe halten. Auch wenn ich weiß, dass es dir echt schwer -«

»Keiner hat meinem Freund vorzuschreiben wann er sprechen darf und wann nicht!«, mischte sich nun auch Zak wieder ein und schlug mich leicht gegen den Oberarm.

Plötzlich klopfte es an der Tür. Meine Bitte wurde zu spät erhört, denn erst jetzt sagte keiner mehr ein Wort. Angespannt lauschten wir dem viel deutlicheren Schlurfen. Was war da draußen los? Weil keiner von uns dreien Anstalten gemacht hatte die Tür zu öffnen, wurde nun an dieser gerüttelt. Erschrocken fuhren wir zusammen und klammerten uns noch fester aneinander, als könnte uns das vor einem Untergang bewahren.

Ein erschrockener Schrei erklang von Noel, nachdem die Tür mit einem Mal nachgab und zur Seite flog. Damit wurde ein bisschen Licht hinein geworfen und bildete eine Silhouette im Türrahmen ab. Schon an dem Gestank erkannte ich, dass es sich hierbei um keinen zivilisierten Menschen handeln konnte.

»Was willst du hier?«, verlangte ich mutig nach einer Antwort auf meine Frage.

»Ah! Wohl Gleichgesinnte.«, sprach er zu sich selbst oder einer weiteren Person.

Ohne das wir in aufgefordert hätten, betrat er unser Haus. Kurz blickte er sich um, vermutlich hatte er noch nicht viele Häuser von innen gesehen. Dann blieb er ein paar Meter von uns entfernt stehen und rückte endlich Mal mit einer Erklärung raus:

»Die APG hat offenbar einen Weg gefunden das Sonnenlicht einzufangen. Jetzt haben diese Menschen keine Chance mehr gegen uns.«, triumphierte er, als sei es sein Erfolg und nicht der, der APG.

Überschwänglich lief er zurück zur Tür und bemerkte, dass wir uns noch immer nicht vom Fleck gerührt hatten. Verwundert blickte er zu uns zurück und fragte fast schon verständnislos:

»Worauf wartet ihr noch? Holen wir uns das was uns zusteht!«

Bei dem letzten Satz kam mir die Galle hoch. Wie konnte man nur so wenig Wertschätzung gegenüber einem anderen Wesen haben? Wir hatten kein Recht ihre Leben zu zerstören und Monster aus ihnen zu machen, nur um unsere Bedürfnisse zu stillen. Das war nicht in Ordnung! Wie viele Menschen würden das überleben, wenn alle Mutanten so dachten? Vermutlich gar keiner!

»Wenn es stimmt und die Sonne dunkel ist, dann können wir auch jetzt etwas frühstücken.«, stimmte Zak zu und folgte dem Fremden.

Echt jetzt?

»Na schön. Ich komm mit.«, schloss sich auch Noel an.

Alle drei schauten mich erwartungsvoll an. Was wollten sie jetzt von mir hören? Dass ich ganz wild darauf war ein weiteres Leben zu beenden und ein Monster zu erschaffen?!

»Okay.«, hörte ich meine Stimme seufzen.

Wer hatte das denn jetzt beschlossen? Diese Gehirnzelle konnte jetzt schön mal ihre Koffer packen, denn sie war gefeuert! Meine Stimme hatten offenbar für mich entschieden, weshalb ich langsam hinter den dreien aus der Tür trottete. Hier erkannte ich auch, was das Schlurfen war: Eine ganze Horde Mutanten - bestimmt einhundert oder mehr - streifte über die Straße. Am Ende der Straße befand sich eine Durchgang in die Kanalisation, aus der sie kommen mussten. Und das waren bestimmt noch nicht alle.

Verbissen lief ich Zak und Noel nach, während mir langsam bewusst wurde wie viele Menschen heute ihr unschuldiges Sein beenden mussten. Schon in ein paar Tagen würde es bestimmt keine Menschen mehr geben, wenn keiner ihnen helfen würde.

»Zak! Noel! Wir halten uns an die Regeln .«, erinnerte ich sie warnend.

Beide verdrehten mit einem »Jaja« die Augen und verloren sich dann in der Menge. Na super! Ob sie sich nun wirklich an die Regeln hielten konnte ich nur hoffen. Eine Regel, die für das Leben unter den Menschen wichtig war: Nur einen pro Nacht. Außerdem machten wir keine halben Sachen! Erst wurden unsere Opfer getötet und dann gebissen. So erschufen wir keine neune Monster. Das Leben der Person war letztendlich aber trotzdem zu Ende.

Missgelaunt stapfte ich durch die Straßen. Plötzlich durchzogen menschliche Schrei die Nacht und signalisierten mir, dass sie wohl gerade auf die Mutanten getroffen sein mussten. Kurz bleib ich stehen und legte eine Schweigeminute ein. Wie Zak und Noel da nur mitmachen konnten? Doch das beißende Gefühl in meinem Hals beantwortete meine Frage.

Langsam gewöhnte ich mich an das Brennen. Wie es meinen Hals verätze, als hätte ich eine Flasche giftiger Säure geext. Völlig blind vor Liebe hatte ich mich Hals über Kopf in dieses Leben verliebt, was nur ein Monster richtig leben konnte. Doch das hatte ich zu spät gemerkt. Viel zu spät! Jetzt ließ sich nichts mehr rückgängig machen. Keiner meiner Fehler, welche ich zutiefst bereute.

Ich bog um eine Ecke und sah die hellen Lichter der Hauptstraße, die durch eine Notstromversorgung eingeschaltet wurden. Ganz am Ende, fast schon der Hauswand ähnlich, stand eine Person. Sie schien genau auf das Unheil zu gucken. Warum tat sie sich diesen Blick an? Schau weg, hätte ich ihr geraten, wenn ich neben ihr gestanden hätte. Als hätte ich meine Gedanken laut raus geschrien, drehte die Person sich mit einem Mal um und sah mich an.

Bei der Entfernung konnte mein Blick mich auch getäuscht haben. Allerdings sprang die Person so plötzlich in eine Nebengasse hinein, dass sie mit Sicherheit durch etwas erschreckt wurden. Durch ein Monster - durch mich! Mein Herz zog sich schmerzlich zusammen, als mir das klar wurde.

Von dem Ziepen in meinem Hals wurde ich daran erinnert, weshalb ich eigentlich durch die Straßen schlich. Weshalb sollte ich die Erwartungen der Person enttäuschen und sie nun am Leben lassen? Genauso gut konnte ich das egoistische Monster sein, welches die Person bei meinem Anblick gesehen hatte. Eilig, bevor die unterschwellige Wut wieder verschwand, lief ich in die Richtung, in der die Person gerade verschwunden war. Mit jedem weiteren Schritt überließ ich meinen Verstand dem Brennen ein Stückchen mehr. Das einzige was mich wieder zur Vernunft bringen könnte war das reine Blut.

In der Gasse angekommen, erkannte ich sofort die aussichtslose Situation für den Menschen: Er stand in einer Sackgasse. Dem hektischen Suchen nach zu urteilen, hatte die junge Frau das wohl auch erkannt. Sie wich bis zur hintersten Wand zurück, doch hielt mich das nicht davon ab näher zu treten. Viel näher! Nah genug, um sie mir genauer anzuschauen. Ihr hübsches Gesicht, war von Angst gezierten und versetzte mir einen weiteren Stich ins Herz. Die hellbraunen Haare reichten ihr gerade bis zur Schulter, welche anfing leicht zu beben, während ihr Tränen in die Augen traten. Schnell versteckte sie ihr Gesicht hinter den Händen und nahm mir somit die Sicht auf ihren hilflosen Blick.

Verloren stand ich da und wusste mir nicht anders zu helfen, statt sie in der Dunkelheit zu betrachten. Bis sie sich etwas beruhigt, wieder hinter ihren Händen hervor traute.

»Hey!«, riss mich jemand unsanft aus meinem Starren.

An der Tonlage hatte ich sofort erkennen können, dass es kein freundlicher Mensch war, welcher mit uns eine nette Unterhaltung führen wollte.

»Such dir gefälligst dein eigenes Futter!«, feuerte ich schnell heraus, um mein Revier klar zu machen.

Zum Glück war er nicht auf Streit aus und verschwand unzufrieden. Erleichtert sah ich wieder zu der Frau vor mir. Wieso war ich so froh den anderen schnell wieder losgeworden zu sein? Nicht einfach nur, um ihr Blut nicht teilen zu müssen!

Diese beeindruckenden grünen Augen, strahlten mich sogar hier, in dieser dunklen Gasse, an. Wie eine verzauberte Waldlichtung, die in der Sonne lag, auf der die Fabelwesen nur so tanzen würden. Niemals könnte ich ihr diesen Zauber nehmen.

»Alles okay bei dir?«, brach aus mir heraus.

Augenblicklich brach sie wieder in Tränen aus. Ehe ich mich versehen konnte, hatte sie mich in den Arm genommen, als bräuchte ich hier Trost. Sie - ein Mensch mit reinem Blut - nahm mich - einen Mutanten mit toxischen Giftstoffen im Blut - in den Arm, obwohl ich sie jederzeit umbringen oder noch schlimmer, zu einem meinesgleichen machen könnte. Warum tat sie das? Hatte sie keine Angst vor mir?

So, wie sie sich an mich drückte und nach Nähe verlangte, berührte sie etwas ganz tief in meinem Innern, von dem ich dachte es sei für immer verloren gegangen. Erst da merkte ich, das sich eine kleine Träne in meine Augen geschlichen hatte. Aufgeregt schlug mein Herz viel schneller, als es sollte und eine wohlige Wärme breitete sich in mir aus. Es ließ mich wieder fühlen wie ein Mensch und kurz hatte ich das Brennen in meinem Hals vollkommen vergessen.

Vielleicht war doch ich derjenige, der Trost und Nähe von einem Menschen brauchte. Ohne nachzudenken legte ich meine Arme um ihre Schultern, um ihre Präsenz festzuhalten. Bereits jetzt war mir klar: Davon würde ich bestimmt nie genug bekommen.

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