Kapitel 11 || Alea
Noel und Zak haben sich wieder von uns getrennt, nachdem Aaron mit dem Schwarzhaarigen unter vier Augen gesprochen hatte. Zu viert liefen wir anderen nun weiter und folgten Jacky durch die Straßen. Aaron versuchte uns vor den Mutanten zu schützen, die sich immer öfter auch in die Nebenstraßen verirrten.
»Ich hoffe für dich, wir sind bald da!«, keifte Aaron in Jackys Richtung, nachdem er wieder eine hungrigen Mutant abgeschüttelt hatte. Mit denen war wirklich nicht gut Kirschen essen.
Die gute Stimmung war bereits von Anfang an nur schwach vorhanden gewesen und hatte dann noch einmal stark nachgelassen. Wie nicht anders zu erwarten, stichelten sich die beiden Streithähne gegenseitig an. Elli, die mir nicht von der Seite wich, und ich folgten der Unterhaltung nur mit halben Ohr. Anders hält man die zwei im Doppelpack vermutlich nicht aus.
»Glaubst du etwa, ich laufe extra einen weiten Umweg?«, sprang Jacky darauf an.
Inzwischen dachte ich ernsthaft darüber nach, ob die zwei soviel Langeweile hatten, dass sie mit voller Absicht Streit suchten. Oder das war ihre Art die aktuelle Situation zu verarbeiten. Es war aber fast schon zu auffällig, wie sie jedes Wort des anderen falsch verstehen wollten.
»Nein, das glaubt hier keiner!«, antwortete ich an Aarons Stelle, damit die zwei sich nicht gleich an die Gurgel sprangen.
Schließlich war der Mutant auf unserer Seite sehr hilfreich. Und Jacky würde ich auf jeden Fall zutrauen, dass sie schmerzhafte Spuren auf Aarons Körper hinterlassen könnte. Allerdings könnte das dann auch das Letzte gewesen sein, was sie getan hätte.
»Du vielleicht nicht.«, schnaubte Jacky in meine Richtung, nickte dann zu Aaron und fügte deutlich eingeschnappt hinzu:
»Aber er mit Sicherheit.«
»Mal im Ernst, warum solltest du das machen?«, kam ich Aaron zuvor, unterstrich meine Ungläubigkeit noch durch ein Stirnrunzeln.
»Sag mal, wo hast du denn noch so viele gefunden? Ist hier irgendwo ein Nest?«, unterbrach uns eine fremde Stimme und ließ uns aufschrecken.
»Verschwinde!«, knurrte Aaron sofort zurück.
»Ach komm! Du kannst doch bestimmt ein bisschen abgeben. Man findet kaum mehr was lebendiges.«, bettelte der schäbig wirkende Blasse.
Ich musste schlucken und auch Elli schien sich ebenfalls deutlich unwohl in ihrer Haut zu fühlen und versteckte sich hinter mir. Jetzt hätte ich Jacky liebend gern ein Waffe in die Hand gedrückt.
»Ich sagte: Verschwinden! Also verzieh dich!«
Auch wenn Aarons aggressive Art uns bisher immer gerettet hatte, suchten meine Augen bereits die Gegend ab. Vielleicht fände ich ja doch etwas, um es Jacky als Waffe in die Hand zu drücken. Oder etwas, woraus ich selbst nutzen ziehen könnte, zur Verteidigung.
»Und wenn nicht?«, stichelte der Mutant und war somit der Erste, der nicht lieber weiter suchte, sondern sich mit Aaron anlegen wollte.
Sicherlich würde Aaron uns nicht kampflos aufgeben. Was eine Waffe in meiner Hand um einiges erforderlicher machte, wenn es gleich tatsächlich in einem Kampf enden sollte.
»Das willst du nicht wirklich herausfinden.«, drohte Aaron. Mich hätte er damit schon längst in die Flucht geschlagen, würde ich nicht seine nette Seite kennen, welche er mir gegenüber an den Tag legte.
»Och. Für ein bisschen Blut, würde ich eine ganze Menge tun.«, gestand der Fremde mit einer provozierenden Gelassenheit.
Unterstrichen wurde diese noch, indem er seelenruhig los marschierte, uns drei Frauen - die sich hinter Aaron positioniert hatten - dabei anvisierend. Ellis Finger krallten sich in meinen Arm. Auch wenn es schmerzhaft war, so war es doch erleichternd, dem völlig Fremden nicht alleine gegenüber zu stehen. Sondern mit der Unterstützung einer guten Freundin und einer kampflustigen Forscherin. Nicht zu vergessen, der Mutant auf unserer Seite, welcher seine Kampfbereitschaft im nächsten Moment unter Beweis stellte.
Der Fremde machte einen weiteren Schritt auf uns zu. Einer zu weit, wie Aaron fand, denn er stieß ihn an seinen Schultern wieder einen guten Meter zurück.
Mein Blick flog zu Jacky, die sich mit dem Nächstbesten bewaffnet hatte. Bestimmt spürte auch sie, dass es hier gleich drastisch eskalieren könnte.
Im nächsten Augenblick ging alles ganz schnell. Aaron wurde zur Seite geschubste und der Übeltäter stürzte sich urplötzlich auf Jacky. Der spitze Schrei, welcher den dunklen Tag durchbrach, war jedoch nicht von ihr. Sondern von Elli, die meinen Arm wieder frei gegeben hatte und sich die Hände auf den Mund presste. Ich hingegen brachte vor Schock kein Mucks über meine Lippen, während Jacky aus dem selben Grund den Eimer fallen ließ. Ihre provisorische Waffe, mit der sie sich eigentlich hätte verteidigen können.
Wohl doch nicht zu hundert Prozent die taffe Kampfmaschine, die sie uns gezeigt hatte. Aber das war gut! Niemand kann immer stark sein. Nicht einmal Jacky, vielleicht sah sie das jetzt ein.
Von dem Schock erholt, wollte ich gerade auf den Mutanten losgehen und Jacky verteidigen, da übernahm das jemand anderes. Aaron war blitzschnell vorgesprungen und konnte sich so gerade noch vor die Forscherin stellen. Schützend lag ihr Hals nun unter Aarons Arm verdeckt, in dem der andere Mutant keine Sekunde später seine Zähne versenkte.
Was auch immer das für ein Gefühl war, welches ich Aaron gegenüber empfand, durch diese Aktion verstärkte es sich nochmal um ein vielfaches.
Vor zwei Minuten hatten sich die beiden noch Long- und Post-COVID an den Hals gewünscht. Und nun steckte er einen - sicherlich auch für ihn schmerzhaften - Biss ein, um ihr bisheriges Leben zu retten. Keiner hat ihn darum gebeten, er hätte auch daneben stehen und zu sehen können. Tat er aber nicht! Und dafür bewunderte ich ihn.
Für die Bewunderung ließ ich mir aber nicht viel Zeit, denn es würde gleich mit Sicherheit ein Angriff gegen Aaron folgen. Also musste ich was unternehmen. Sofort!
Mir blieb keine Zeit mehr, über meinen Plan nachzudenken, die Folgen und Risiken abzuwägen oder auf eine bessere Idee zu warten. Entschlossen packte ich den Eimer. Viel Zeit ließ ich dem Blassen nicht, die Situation zu begreifen. Als er bemerkte, dass ich nicht mehr neben Elli stand - womit diese blöderweise für wenige Augenblicke ungeschützt war - sondern adrenalingeladen neben ihm, war es zu spät. Zu spät für ihn! Um Elli anzugreifen oder mich aufzuhalten.
Ich hatte bereits ausgeholt und der metallische Eimer kam in rasanter Geschwindigkeit auf ihn zugeflogen. Die Kollision mit seinem Kopf ließ sich nicht mehr verhindern.
Nach dem Aufprall regte sich eine sehr lange Sekunde über keiner. Von Angesicht zu Angesicht stand ich dem Fremden gegenüber. Wir starrten uns eine Sekunde lang nur an und mein Atem stockte.
Vor einer halben Stunde noch, stand ich schon einmal einen aggressiven Mutanten gegenüber. Aber im Gegensatz zu Noel, bei dem ich nur das Gute erneut an die Oberfläche kitzeln musste, bräuchte ich in diesem Fall eine andere Methode, um nicht gleich eine gratis Dosis Gift zu bekommen.
Vielleicht hätte ich doch auf eine bessere Idee warten sollen. Jetzt hatte ich soeben mein Todesurteil unterschrieben.
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