Kapitel 10 || Zak
»Und all die anderen Menschen?«, fragte Alea meinen Freund ganz ruhig und ohne jegliche Verurteilung.
Kein Wunder, dass Aaron einen Narren an ihr gefressen hatte. Hatte sie überhaupt darüber nachgedacht, dass sie bei der ganzen Aktion draufgehen könnte? Aber trotzdem hatte sie den Mut dazu Noel die Stirn zu bieten, um ihn wach zu rütteln. Und dafür war ich ihr nicht nur unheimlich dankbar. Ich bewunderte sie fast schon für diesen irrsinnigen Mut, welcher sie mit Sicherheit irgendwann ins Grab bringen würde.
Noels Blick folgte ihrer Hand auf die Straße. Über all die Leichen, die jetzt seinetwegen dort lagen. Mir war sofort klar, dass dieses Wissen eine zu große Bürde für ihn sein würde. Genau in dem Moment, wo er in sich zusammenfiel, erreichte ich ihn und fing ihn ab, bevor wir gemeinsam zu Boden sanken.
Seine Schultern bebten verräterisch, als er sich mit belegter Stimme erklären wollte:
»Ich musste wieder an ... früher denken.«
So etwas hatte ich bereits befürchtet. Er tat zwar immer so, als sei alles wieder gut, aber die Albträume verrieten ihn. Wie er manchmal schreiend aufwachte oder im Schlaf wild um sich schlug. Da hatte ich schon den ein oder anderen brutaleren Schlag eingesteckt.
Dass er eine schlimme Vergangenheit hatte, war mir klar. Meine war auch nicht gerade rosig. Aber ich war, im Gegensatz zu Noel, nicht jahrelang in einer Forschungseinrichtung gefangen. Er hatte es zwar geschafft von dort zu fliehen, aber seine Gedanken hielten ihn noch immer dort gefangen. Mit all den Erinnerungen an die skrupellosen Tests und was die sonst noch alles mit ihm gemacht hatten!
»Da bin ich wohl durchgedreht.«, stellte er selbst fest.
»Du bist nicht mehr dort!«, beruhigte ich ihn, während ich mit meiner Hand über seinen Rücken streichelte, »Du bist jetzt hier - bei mir. Und ich lass nicht zu, dass dir nochmal irgendwer wehtut!«
Weinend lehnte er sich gegen meine Brust und gab seinen Widerstand somit komplett auf. Mit liebevollen, federleichten Küssen bedeckte ich seine Stirn, um ihm zu zeigen, dass ich bei ihm war. Um aber die Aufmerksamkeit von meinem labilen Freund abzuwenden, spielte ich auf Aleas Frage von eben an:
»Hey, Alea! Du willst wissen warum ich mir sicher bin, dass du eine der Guten bist?«
Verwirrt nickte sie.
»Weil Aaron dir offensichtlich vertraut. Und inzwischen hat er ein gutes Gespür, was so etwas angeht.«, legte ich offen.
Zugegeben, dass letzte Mal als er falsch lag, war es eine Katastrophe! Doch offenbar hatte er daraus gelernt. Mal abgesehen von seinen Vertrauensproblemen, die in Aleas Fall das Weite gesucht hatten, konnte Aaron die meisten Menschen gut einschätzen.
»Inzwischen?«, hackte sie genauer nach.
Auf die Geschichte der Vergangenheit musste sie noch etwas länger warten. Denn Aaron beendete das Thema schnell, bevor ich die Story heraus kramen konnte:
»Lange Geschichte.«
»Wollten wir nicht nach deiner Freundin suchen?«, hängte er schnell die Frage dran, um ein neues Thema anzuschneiden.
»Die nehme ich aber ganz bestimmt nicht mit zur Arbeit.«, legte die Dunkelhaarige Einspruch ein und musterte meinen Freund und mich abfällig.
»Erstens haben "die" auch Namen: Zak und Noel.«, stellte Aaron uns richtig vor, »Und zweitens kommen die auch überhaupt nicht mit!«
»Ah ja? Wohin denn?«, mischte sich mein Freund in die Diskussion ein, neugierig wie immer.
Für diese Diskussion war er jetzt wieder fit genug? Schmunzelnd sah ich auf meinen Blonden hinab, der sich aufgesetzt hatte und wieder gesünder wirkte.
»Willst du nicht wissen!«, schnitt Aaron ihm gestresst das Wort ab.
Verwirrung machte sich in mir breit. Wie kam es denn jetzt zu diesem kühlen Stimmungswandel? Sonst ließ er seine schlechte Laune auch nie an uns aus. Warum diesmal? Vor allem nach dem Vorfall eben!
»Zak? Kann ich dich mal unter vier Augen sprechen?«, riss Aaron mich zum Glück schnell aus meinen Grübeleien.
Verwundert stand ich auf und folgte ihm einige Meter von den anderen entfernt. Auffordert blickte ich ihn an, bis er die Bombe endlich platzen ließ:
»Jacky arbeitet in einer Forschungseinrichtung.«
»Was?«, hörte ich mich flüstern, während ich die Worte noch verarbeiten musste.
Menschen wie sie haben Noel schlimme Dinge angetan. Sie haben ihn traumatisiert und gebrochen! Wie sollte ich ihr jetzt mit diesem Wissen gegenübertreten? Sie normal zu behandeln würde mir unmöglich scheinen.
»Alea will dort nach ihrer Freundin suchen, weil sich da ein paar Menschen verstecken konnten. Ich kann sie nicht allein mit der Verrückten lassen. Wer weiß, auf was für Ideen die kommt! Aber Noel würde da bestimmt völlig durchdrehen und ich will dich auch soweit weg wie möglich wissen.«, schilderte er sein Problem, ohne um den heißen Brei herum zu reden.
Da kam ich irgendwie nicht so ganz mit. Er wollte zu einem Ort, an dem solche wie wir brutal behandelt wurden. Und gleichzeitig verlangte er von mir ihn da alleine hin marschieren zu lassen?
»Du spinnst!«, brachte ich letztendlich heraus, nachdem meine Sprachlosigkeit abklang.
»Dann wirst du bestimmt noch weniger begeistert von meinem nächsten Vorschlag sein.«, gab er kleinlaut zu.
Wenn er das so sagte, konnte er nur Recht behalten. Und tatsächlich konnte ich kaum glauben, was er sagte:
»Die APG hat mit Sicherheit ihre Hände mit im Spiel, bei dieser ganzen Sonnenuntergangsgeschichte.«
Mir dämmerte was jetzt kommen würde. Bevor er es aussprach, schüttelte ich schon entgeistert den Kopf. Das konnte er nicht ernst meinen!
Wenn wir mal eben zu dieser Organisation spazierten, würden die uns ganz bestimmt nicht mit offenen Armen empfangen. Jedenfalls nicht nachdem, wie wir auseinander gegangen waren!
»Ich muss raus bekommen wie sich das rückgängig machen lässt.«, bestätigte Aaron meine Befürchtung.
»Du willst ernsthaft die Sonne wiederbringen?«, vergewisserte ich mich ungläubig.
»Auch für uns wird es bald zu kalt!«, brachte Aaron ein überzeugendes Argument vor.
Da war was Wahres dran.
»Du kannst da nicht alleine hingehen.«, knickte ich ein.
»Die werden uns umbringen, wenn wir da ankommen.«, scherzte er, doch wir beide wussten, dass es die Wahrheit war.
»Oh ja, das werden sie!«, bestätigte ich lachend, denn nur der Humor half dabei, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
Mit der nächsten Frage würde ich mich ins Unheil stürzen und mich einer Truppe nähern, die Aaron und mich bei der ersten Gelegenheit umbringen würden:
»Was ist dein Plan?«
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