Kapitel 8
Schmerzen. Unsagbare Schmerzen.
Das war alles was es fühlte.
Still und ohne sich zu bewegen saß die Kreatur zwischen den Bäumen. Der leere Blick fiel auf die beiden Häuser.
Sein rechter Arm war über die Hälfte des Unterarms aufgerissen, fast gehäutet. Sein Hals wies Blessuren auf, war an manchen Stellen stark gerötet und sie Schultern durch die schwere, eiserne Halskrause aufgerieben und blutig. An seinem linken Arm und den Füßen hingen noch immer Teile der Fesseln.
Den rechten Arm hatte es befreien können.
Der Atem ging ungleichmäßig, stockend und stöhnend. Einerseits durch die Schmerzen, aber auch weil es anders nicht mehr möglich war. Seine Lungen schwollen an, drückten fest gegen den Brustkorb und spreizten die Rippen. Jeder Atemzug war war eine Qual. Rache.
Der unstillbare Hunger darauf, dem Mann der ihm das antat das Fleisch von den Knochen zu reißen beflügelt es.
Diesem Mann mit bloßen Händen die Haut vom Körper zu ziehen.
Der Federkranz auf seinem Hinterkopf stellte sich rasselnd auf. Ließ es noch viel größer erscheinen.
In pechschwarzen Augen spiegelte sich der Vollmond und das Licht welches durch die Fenster des kleineren Hauses Fiel.
Malin klebte mit Adams Hilfe Zeitung über das gebrochene Fenster.
»Steht deine Haustür noch immer offen?«
Die rothaarige hatte sich mittlerweile ein wenig von dem Schock erholt. Es war 23:36Uhr.
Eine schreckliche Nacht.
»Wenn sie keiner geschlossen hat«, bestätigte er, riss einen weiteren Streifen Tesafilm ab und klebte eine Ecke zu.
»Und dein Auto?«
»Was soll damit sein?«
Malin zuckte die Schultern. Sie fixierte die letzte Stelle und Strich anschließend noch einmal über das Glas.
»Wer tut sowas nur?«
»Ich denke nicht, dass es ein Mensch war...«,brummte Adam. Er stellte das Klebeband in einen der Schränke zurück.
»Was sonst? Tiere machen sowas nicht.«
»Hm«
Malin lehnte sich zurück. Sie starrte die Zeitung völlig geistesabwesend an.
Las die Wörter darauf, die Schlagzeilen.
»Du solltest gehen... Danke für die Hilfe«, ihr Blick wanderte über die fett gedruckten Wörter zu den, auf sie gerichteten, Augen des Mannes.
Er sagte nichts, schien in seiner eigenen Welt gefangen zu sein.
Mit eigenen Gedanken beschäftigt.
»Wenn du meinst«, raunte er schließlich. Damit erhob er sich und ging an ihr vorbei. Neben ihr blieb er noch einmal stehen und sah von der Seite auf sie herab. Seine sonst so lebendigen Augen wirkten wie ein kleines, tiefblaues Universum das scheinbar nichts als Schmerzen und endloses Leid beinhaltet. Nachdem sie nichts mehr gesagt hatte wandte sein Blick sich wieder geradeaus und er ging weiter. Ohne ein weiteres Wort zu erwidern oder sich noch einmal umzudrehen.
Sie sah ihm nach, dann verließ sie selbst den Raum und steig die Treppen hoch.
Zwar war sie absolut nicht müde, ein Bad wurde ihr jedoch sicher nicht schaden.
Adam indessen räumte die restliche Ware aus seinem Kofferraum und stieß diesen energisch zu.
Seine Hände fuhren über sein Gesicht, die ausgeprägten Wangenknochen und seine tiefblauen Augen.
Er stand eine Weile so dort. Den Kopf in den Himmel gerichtet, der Kiefer angespannt verhärtet und drückte die Fingerspitzen leicht gegen seine Stirn. Die Hände über Mund und Nase, er atmete tief gegen seine Handflächen aus und ließ die Arme fallen. Schließlich brachte er einfach die restlichen Einkäufe rein.
Einräumen tat er sie nicht. Lediglich die gekühlten Dinge stapelte er in Kühl- und Gefrierschrank.
Er ließ sich auf einen Sessel fallen, lehnte sich zurück und starrte an die Decke. Wie lange er das tat wusste er selbst nicht. Vielleicht zehn Minuten. Vielleicht einige Stunden.
Verdammt, es hätten auch Tage sein können.
Doch im Gegensatz zu Malin schockte ihn nicht der Zustand des Vogels.
Schlimmer, es war der Fakt, dass Bluebird frei war.
Er könnte ihn nicht aufhalten. Er könnte ihn niemals davon abhalten zu fressen.
Die einstige Bewunderung für Adam hatte der Mutant längst verloren. Stattdessen entwickelte er tiefen Hass.
Die Autorin lag in ihrer Badewanne. Sie starrte auf den Schaum der sie umgab. Starrte auf die kleinen Bläschen die sich bildeten und platzten.
Ihre Gedanken schrien, sie hatte Angst. Vor der Dunkelheit, vor der Einsamkeit, vor allem. Sogar vor sich selbst.
Mir gerunzelter Stirn sah sie auf ihre Finger. Eine dünne Schicht Blut lag darüber. Sie tauchte ihre Hand unter Wasser, wusch mit einem einem raufasrigem Waschlappen. Immer mehr der roten flüssigen löste sich von ihrer Handfläche. Färbte das gesamte Wasser rasant tiefrot.
Malins Atem beschleunigte sich. Sie rieb härter über ihre Hände, dann bildete sich dieselbe rote Schicht über ihren Armen. Wanderte Langsam höher, jedes Körperteil welches sie berührte nahm diese schreckliche Farbe an. Sie begann die Schicht mit ihren nageln von der blassen Haut zu kratzen, doch es verschlimmerte es nur. Ihre Fingernägel bohrten sich in die eigene Haut. Malin sprang auf, das warme Wasser unter ihr hatte seine normale bläuliche Farbe zurückbekommen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf ihre Hand. Die ersten Hautschichten waren von ihren eigenen Nägeln aufgekratzt und brannten höllisch.
Sie presste die Handballen gegen ihre Stirn. Atmete keuchend.
»Scheiße... Scheiße!«
Sie stieg über den Rand der Wanne und wickelte ein Handtuch im ihre hüfte.
Erschöpft starrte sie in ihr eigenes Spiegelbild. In ihre glanzlosen Augen.
Adam füllte einen Eimer mit lauwarmen Wasser. Während das weiße Gefäß sich unter dem Wasserhahn selbst füllte lehnte er sich auf einen Wischmopp welchen er fest gegriffen hatte.
Sein Kiefer spannte sich an als versuchte die Gedanken aus dem Weg zu schieben.
Nachdem der Eimer etwas über die Hälfte gefüllt war drehte er den Hahn zu.
Der Doktor lehnte sich über das Waschbecken und starrte sich selbst in die Augen.
Doch lange hielt er dem eisblauen Blick nicht stand.
Unvermutet traf seine Faust den Spiegel, zog damit Furchen und Risse durch sein gespiegeltes Gesicht.
Die dünne Haut über den Knöcheln war sofort bei der Kollision geplatzt. Winzige splitter bohrten sich unter die Epidermis.
Dann nahm er den einer und lief langsam die Treppe hoch in das Zimmer dessen Tür noch immer offen stand.
Blut hatte sich über den Boden verteilt und war mittlerweile tief ins Holz gesickert. Die Ketten lagen unverändert an ihrem Platz. Zumindest alle die noch vorhanden waren.
Mit großen Schritten durchquerte er den Raum und riss den schwarzen Vorhang aus der schwachen Verankerung. Er warf ihn achtlos auf den Flur.
Adam griff nach dem Eimer und dem Mopp, befeuchtete das Reinigungsgerät und fuhr damit über den Boden. Das Blut war so weit eingetrocknet, dass sich kaum etwas löste. Doch jedes Mal färbte sich das Wasser mehr und mehr zu einer dunklen Brühe.
Erneut legte er das Gerät auf.
Der Fleck schien nicht kleiner zu werden.
Der Schwarzhaarige starrte auf die getrocknete Flüssigkeit. Er biss hart die Zähne zusammen, seine Knöchel wurden unter dem starken Druck weiß.
Er hörte auf. Entspannte seinen Körper und starrte mit leeren Augen aus dem Fenster. Er wollte einen Schritt darauf zu gehen, doch sein Fuß stieß gegen etwas festes. Sanftes altbekanntes Klimpern ertönte.
Adam senkte den Kopf um auf die dicke Eisenkette zu sehen.
Er schüttelte in Unglauben den Kopf, spürte wie unfassbare Wut sein Herz zum Kochen brachte.
Wut die langsam durch seinen Körper kroch und die Vernunft vergiftete.
Er schleuderte das Gerät beinahe Gewaltsam gegen die Wand rechts von ihm.
Und er schrie.
Schrie so laut es seine Lungen zuließen. Alles was sich in ihm befand brüllte er in den leeren Raum. Seine Hände fuhren über seine Haare, Gruben sich in den Ansatz der halblangen locken seines Hinterkopfes. Zogen daran als er sie zu Fäusten ballte.
Er starrte an die Decke und die sonst so kräftigen Beine gaben seinem Gewicht nach.
Die Arme zitterten unkontrolliert.
Sein wilder Schrei verebbte zu einem verzweifelten wimmern. Schließlich sogar zu einem schluchzen. Jedes Geräusch das von ihn kam drückte den puren Schmerz in seinem Inneren aus.
Der Mann beugte sich nach vorne und legte die Stirn an das kalte Stahl.
Er spürte zum ersten Mal seit langer Zeit alles. Die Wut, die Verzweiflung, das Leid.
Auch den pochenden Schmerz seiner verletzten Hand. Den splitter welchen er sich zuvor eingefangen und nicht entfernt hatte, das Glas unter seiner Haut.
Die Feuchtigkeit in seinen Augen.
Tiefsitzende, belastende Schuldgefühle.
Sogar Reue.
»Warum, David?«, wollte er von den eisernen Ketten wissen. Seine dunkle Stimme bebte, klang zwischen zusammengebissenen Zähnen undeutlich.
Und wieder kroch Wut in ihm hoch.
»Scheiße, Warum?! Ich hab dir alles geben!«
Er handelte als würde er eine Antwort erwarten. Griff nach dem Stahl.
»Wieso?! Verdammt! Es tut mir leid, okay?! Was willst du hören?!«
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