Kapitel 1

Geschichten. Wörter die erzählt werden um Menschen zu berühren, vielleicht in andere Welten zu entführen. Zu emotionalen Reisen in eine andere Realität auffordern.
So auch diese.

Ihren Anfang findet sie an einem wolkenlosen Tag im Spätsommer in einer kleinen Siedlung verborgen an der Küste Nordirlands. Genauer gesagt in einem kleinen, von einem Hain riesiger, alter Eichen umgebenen Haus. Im Inneren, durch eines der großen Fenster sichtbar, befand sich ein kleines, helles Zimmer. Dieses beherbergte einen großen, aus massivem, dunklen Kirschholz gefertigten Schreibtisch. An diesem Schreibtisch wurden Gedanken zu Geschichten, Wörter zu Legenden und Sätze zu kleinen Wahrheiten.
Es war der Arbeitsplatz von Malin Josephine McGwinn, der wohl bekanntesten Person High Erants.
Das kleine Dorf war besonders für den Fischfang bekannt, was es wohl nur noch klischeehafter machte als es ohnehin schon der Fall war. Jeder kannte jeden, alle waren irgendwie befreundet und die äußere Idylle lockte nicht wenige Touristen und Reporter an.
Ein langweiliges und unbedeutendes Dörfchen, wie Malin fand.
Die junge Frau war selten unter Leuten, eigentlich nur dann wenn es dringend notwendig war. Für Einkäufe beispielsweise, manchmal um ihren Lektor in der Stadt zu treffen.
Zwar war sie gerade erst siebenundzwanzig Jahre alt, zählte jedoch zu einer der bekanntesten Autoren Irlands. Sie fing bereits sehr jung mit dem Schreiben an und wurde sehr bald entdeckt, teils durch ihre Mutter. Geschichten zu verfassen wurde zum wohl wichtigsten Teil ihres Lebens, vielleicht war es ihrere eigene Art das Leben zu verarbeiten. Als ihr erstes Buch veröffentlicht wurde war sie vierzehn Jahre alt. Ihre bekanntesten Bestseller “Narrow“ und “Bluebird” wurden Millionenfach in den verschiedensten Regionen verkauft. Natürlich war sie stolz auf ihre Werke, auf jedes einzelne. Dennoch empfand sie ihr Leben als Eintönig, gar langweilig.
Sie liebte das Abenteuer, war ständig auf der Suche nach ihrem eigenen. Manche Einwohner bezeichneten die junge Frau eben deshalb und vielleicht wegen ihrer Bücher als seltsam, einige gingen sogar so weit sie als verrückt abzustempeln.
Wahrscheinlich war sie das sogar ein Stück weit, einige der wenigen Seiten ihrer Persönlichkeit welche sie mochte.
Das Haus welches sie bewohnte gehörte seit vielen Generation der Familie.
Es wirkte äußerlich alt, hatte jedoch durchaus seinen Charm. Große Fenster zierten das Backsteinhaus dessen weiße Tür mit den Gardinen genug harmonierte um förmlich zu einem Aufenthalt einzuladen.
Die McGwinns hatten schon immer genug Geld besessen und nach vielen Jahren des Schreibens hatte sie ein gutes und geregeltes Einkommen. Um das Materielle brauchte sie sich nie zu sorgen. Doch sie liebte die kleinen Dinge im Leben, schon immer. Das schlicht eingerichtete Haus war genug. Mehr als das wollte sie nie und brauchte sie auch gar nicht.

Seit einigen Wochen schon schrieb sie an ihrem neuesten Werk. Es sollte den Namen "Pfingstern" tragen und erzählte die Geschichte einer Frau welche mit jungen Jahren schwer erkrankte, sich dadurch nicht mehr um ihre siebenjährige Tochter kümmern konnte. Sie war hauptsächlich aus der Sicht des Kindes geschrieben, zweifelsfrei eine besondere Herausforderungen.
Zudem war es ihr erstes Buch welches sie nicht in die Kategorien Horror oder Thriller einordnete. Sie widmete es ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester um welche sie sich nach dem Tod ihrer Mutter einige Zeit gekümmert hatte.

Die Abendsonne warf bereits müde ihre letzten schwachen Stahlen übers Land, als sich Malin dazu entschied noch einmal hinaus in die Wälder zu gehen. Die junge Frau liebte die Nacht ebenso wie der Natur, doch die Wälder hatten es ihr besonders angetan. Der Geruch, die Geräusche und die majestätisch hohen Bäume mit ihren königlichen Kronen zogen sie förmlich in ihren Bann. Zudem hatten die dichten Wälder etwas mysteriöses, gar geheimnisvolles an sich. Ihr Haus lag nicht weit von einem der durchaus großen Wälder wie sie in dieser Gegend häufig zu finden waren entfernt, weshalb die junge Frau keine zehn Minuten brauchte um ihn zu erreichen.
Letzte Sonnenstrahlen beleuchten die Kronen der Bäume dessen Blätterdach das Licht jedoch nicht, oder nur bedingt auf den Waldboden vordringen ließ. Doch erschienen die Blätter und Kronen im Abendrot beineahe wie zähes, flüssiges Gold. Der Waldrand sah aus wie ein dunkles Portal in eine andere Welt, es wirkte einschüchternd und atemberaubend schön zugleich. Malin hatte sich oft dort hin gewagt, doch in letzter Zeit kam es ihr noch düsterer und noch einschüchternder vor als sonst. Trotzdem ließ sie sich auch dieses Mal nicht davon abhalten durch die ersten Bäume zu passieren, der Boden des kleinen Waldweges war schlammig und sumpfig, es hatte die letzten Wochen ungewöhnlich viel geregnet. Langsam neigte sich der Sommer unumgänglich dem Ende entgegen, die Blätter hatten bereits etwas ihrer Farbe einbüßen müssen und auch die Tage wurden immer kürzer. Malin machte das nichts aus, sie mochte den Winter ohnehin lieber. Vorallem dann wenn die alten Bäume und die Wege mit Schnee bedeckt waren.

Die Frau erschrak als in einem der Bäume ein Rabe seinen hellen Ruf in den Wald schrie und durch die Baumkronen in die Freiheit brach. Malin mochte diese Vögel, auch wenn sie sich wage erinnerte sie früher gefürchtet zu haben. Sie waren so stolz und auf ihre eigene Art mysteriös. Sie bevorzugte die Gesellschaft von Tieren ohnehin. Gerne hätte sie auch ein Haustier gehabt, am liebsten einen Hund oder eine Katze, vielleicht sogar einen Exoten. doch dazu fehlte ihr einfach die Zeit. Die Bücher waren viel Arbeit, oft saß sie den ganzen Tag über an ihrem Computer und arbeite sogar mit Leidenschaft bis spät in die Nacht hinen. Des öfteren taten ihre Fingerspitzen und Gelenke schon vom Tippen weh. Doch all dies machte ihr nichts aus, sie liebte das Schreiben. All ihre Gedanken und ihre Kreativität in Worte zu fassen war ihr größtes Hobby und gleichzeitig ein Traum den sie sich selbst erfüllt hatte. Ihr Beruf. Ihr Leben, freilich war sie dementsprechend stolz.
Etwas anders kannte sie nicht, wollte sich nicht vorstellen und konnte das auch gar nicht.

Der Wald hatte sich, während sie ihre Gedanken wandern ließ, bereits in ein tiefes schwarz gehüllt und langsam wurde es selbst Malin etwas mulmig. Überall waren Geräusche, hier das Zirpen der Zikaden, dort das Krachen der Äste die durch den leichten Wind aufeinander trafen und ab und zu raschelten die Blätter um sie herum. Kurzum: der Wald schien wie eine eigene kleine Welt, voller Leben und Geheimnisse. Trotzdem jedoch wollte Malin zurück in ihr Haus, auch, da die nacht Kühle mit sich brachte. Der Weg aus dem Wald war trotz eingeschränkter Sicht schnell gefunden. Nicht verwunderlich, sie kannte ihn beinahe schon auswendig.
Nur eine Wiese trennte zwei alte Häuser vom Waldesrand. Neben Malins Haus stand eine kleine Villa welche schon leer stand solange sie zurückdenken konnte. Das Haus wirkte bedrohlich. War ein starker Kontrast zu ihrem einengen. Es war sehr alt, bestand größtenteils aus Holz und in dunklen Farben gehalten. Es hätte auch aus einem ihrer Horror Romane stammen können. Glücklicherweise war es Malin immer gelungen dieses Haus so gut es ging auszublenden, sie erinnerte sich nur daran, dass sie als Kind schreckliche Angst davor hatte.
Die Wiese welcher sie aus dem Wald folge war wild und hoch. Den schmalen Weg hatte sie längst überwuchert. Bis zur hüfte versank die Frau in Gras, Sträuchern und Wildblumen.

Als sie in ihrem warmen Haus angekommen war entscheid sie recht bald zu Bett zu gehen. Ihre Ziele dieses Tages hatte sie erreicht und am Nächten Morgen war der wöchentlichen Einkauf geplant. Da sie kein Auto besaß fuhr sie jede Woche auf ihrem Fahrrad die kurze Strecke hinunter in die Stadt. Manches Mal brachten ihr auch die wenigen Freunde die sie in der Stadt hatte Dinge vorbei. Dafür war Malin natürlich stehts dankbar gewesen. Viele Freunde hatte die Autorin nie gehabt. Sie hatte immer Angst an die falschen zu geraten, vielleicht war sie einfach zu paranoid gewesen. Oder sie hatte Angst selbst etwas falsch zu machen. Beziehungen hatte sie noch nie wirklich welche. Sie fand keine Zeit Dafür und wollte auch gar keine. Lieber war sie für sich und steckte die Zeit in ihre Werke und die Dinge welche sie interessierten. Manch einer mag behaupten, dass sie von ihrer Arbeit besessen wäre und mehr Zeit in ihre Freizeit investieren sollte, doch dies tat sie immer guten Gewissens als Schwachsinn ab. Immerhin war das Schreiben wie bezahlte Freizeit für sie auch wenn es anstrengend sein konnte.

Die hölzerne Treppe hinauf in den zweiten Stock war sie wie seit Jahren schon ohne wirklich darauf zu achten gegangen.
Das Schlafzimmer welches am Anfang des Flurs lag war ebenso hell gehalten wie dieser selbst. Selbstredend mit Atemberaubender Sicht auf den Wald.
Mit einem langen seufzen schaltete das Licht in aus. Ließ jedoch die Schreibtischlampe brennen. Sie bevorzugtebes vor dem Schlafen einige Seiten zu lesen. Es beruhigte sie.

So wie viele Nächte zuvor schlief sie auch dieses Mal mit dem Buch in der Hand ohne es wirklich zu merken ein.
Am nächsten Morgen allerdings weckten sie nicht wie sonst die ersten Sonnenstrahlen oder der fröhliche Gesang der Vögel, sondern das laute Summen eines Autmotors. Dieses Geräusch hatte sie vorallem in letzter Zeit selten gehört. Sie stand auf und sah aus dem großen Fenster des Schlafzimmers. Vor der alten Villa nebenan stand ein Schwarzer Mercedes und einige, zu einem kleinen Turm gestapelte Kisten welche von einem Schwarzhaarigen Mann in das Anwesen getragen wurden. Ein neuer Nachbar? Sie ie hatte nie damit gerechnet, dass tatsächlich jemand dieses alte Haus kaufen würde. Aus irgendeinem Grund gefiel die Aussicht einen Nachbarn zu haben der jungen Frau gar nicht. Sie mochte die Ruhe und die Einsamkeit. Doch dagegen tun konnte sie sowieso nichts. Solange dieser Mann ruhig war sollte es ihr egal sein. Sie konnte ihn schließlich nun mal nicht zwingen das Haus zu verlassen.
Sie hatte sich entschieden den Mann vorerst außer Acht zu lassen und stattdessen weiter zu schreiben. Es würde sie ablenken und das war gut so. Gähnend verließ sie das Schlafzimmer, betrat das kleine Nebenzimmer und setzte sich an ihren großen, dunklen Schreibtisch. Den altmodischen Computer hatte sie selten komplett herunter gefahren, weshalb ein einfaches betätigen eines kleinen Knopfes genügte um ihr Manuskript geöffnet vor sich zu finden.
Ihre Finger begannen über die Tasten zu fliegen und schon bald war sie voll und ganz in ihre Arbeit vertieft. Wie in einer Trace welche sie völlig mit sich riss, Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort, Satz für Satz. Stunden um Stunden vergingen, nur zum trinken, für Toilettengänge und zum Mittagessen sowie einer kurzen Dusche danach stand sie zwischendurch auf. Sie hatte sich entschieden den Einkauf auf den nächsten Morgen zu verschieben, noch hatte sie schließlich ein paar Lebensmittel übrig.
Doch dann, mitten in einem Satz, hörte sie das Schrille summen der Klingel. Sie hatte nie unangekündigten Besuch und auch keine Lust ihre Arbeit zu unterbrechen weshalb sie sitzen blieb und dem Klingeln keine weitere Beachtung schenkte.

Weitere Stunden vergingen, mittlerweile hatte Malin ihre Arbeit pausiert da ihre Finger anfangen hatten zu schmerzen. Sie sah sich gerade einen Film an als das Summen der Klingel erneut durch das kleine Anwesen jagte. Dieses mal richtete sie sich auf und ging zu der weißen, hölzernen Haustür um diese zu öffnen. Vor ihr stand ein Schwarzhaariger Mann, schätzungsweise Ende 30. Malin konnte diesen schnell als den neuen Nachbarn identifizieren, wer sollte sich auch sonst dorthin verirren?
Aber was wollte er vor ihrem Haus? Warum musste er auch noch einer der nervigen Sorte sein?

Der Mann stand vor ihr, sah sie auffordernd an, dann lächelte er leicht. 
Seine blauen Augen bildeten einen beeindruckenden Kontrast zu den schwarzen Haaren, welche nur an den Seiten einen leichten grauen Ansatz aufwiesen.
»Verzeihen Sie die Störung zu dieser Zeit.«
Begrüßte er in einer erstaunlich tiefen, dennoch ausgesprochen freundlichen Stimme.
»Mein Name lautet Dr. Adam Narrow.«
»Ich bin bin gerade nebenan eingezogen!«, fügte er schnell hinzu. Seine Augen funkelten kurz auf als er ihr seine Hand entgegen hielt. Er war kaum größer als sie, höchstens fünf oder vielleicht sieben Zentimeter. Sie war mit ihren 1.72m jedoch definitiv recht hochgewachsen für eine Frau ihrer Statur.
Zögerlich ergriff Malin seine wartende Hand und zwang sich ein leichtes Lächeln auf. 
»Malin McGwinn.«
Antwortete sie in der Hoffnung Adam dadurch schnell wieder loszuwerden. Sie mochte diesen Mann nicht, irgendetwas an ihm war ihr mehr als unheimlich.
Der Fremde jedoch sah sie immernoch an, sein Blick wanderte in ihre Wohnung und wieder zu dir. Wollte er jetzt auch noch Smalltalk halten? Malin wollte nicht unhöflich wirken, in ihrem Haus wollte sie ihn allerdings auch nicht unbedingt sitzen haben. Sie hatte nicht einmal aufgeräumt und auf Reden hatte sie in diesem Moment auch nicht wirklich Lust.
Dennoch trat sie auf Seite und bat ihn somit mit einem weiteren kurzen Lächeln hinen. Er würde schon nicht zu lange bleiben, dachte sie sich.
Die junge Autorin führte ihren Nachbarn in die kleine, ebenfalls in hellen Farben gehaltene Küche und bot ihm wortlos an sich zu setzen was er auch sofort tat.
»Trinken Sie Kaffee?« fragte sie gezwungen freundlich. Er schüttelte jedoch zu ihrem Glück den Kopf worauf sie sich ihm gegenüber setzte.  »Nicht im diese Uhrzeit, Danke. Dürfte ich nach Ihrem Beruf fragen?« warf Adam seine erste Frage in den Raum. Malin nickte zögerlich.
»Natürlich. Ich bin Autorin. und Sie?« stellte die junge Frau der Höflichkeit willen die Gegenfrage. 
»Interessant, ich wusste, dass Ihr Name mir bekannt vorkam. Ich bin eine Art Künstler...«
Murmelte der Mann nach längerem schweigen. Seltsamerweise hatte sie eine Art Dèjä-vu. Sie könnte schwören seine Antwort bereits gewusst zu haben. Auch sein Name kam ihr bekannt vor und seine hellen, ja fast a schon unnatürlich blauen Augen erst recht. Es wollte ihr nur nicht einfallen.

Eine kleine Ewigkeit saßen sie dort und redeten. Viel konnte Malin nicht mehr herausfinden. Nur, dass er aus Schottland kam. Dies hörte man jedoch ohnehin leicht aus seinem Dialekt heraus. Gegen 20:00Uhr am Abend hatte der Mann ihr Haus verlassen und darüber war die Autorin ehrlich gesagt erleichtert. Jedoch hatte er sie zu sich eingeladen. Am kommenden Freitag Morgen wollte er mit ihr Frühstücken. Da sich der Magen der Autorin langsam meldete beschloss sie sich Pizza zu bestellen. Sie hatte lange nichts mehr bestellt, normalerweise zog sie es vor selbst zu kochen. Sie wollte schließlich wissen was sie sie aß. Nicht, weil sie auf die Figur achten wollte, sondern weil sie seit Jahren strengstens auf die Bio-Plakette achtete. Sie konnte es sich schließlich leisten.

Laut des Lieferservices würde es bis zu 50 Minuten dauern. In dieser Zeit konnte sie ihren Film endlich zuende sehen und die Küche ein wenig aufräumen. Wobei der Film natürlich Vorrang hatte.

Der Film welchen Malin eigentlich tatsächlich gerne gesehen hätte lief zwar weiter, doch ihre Gedanken waren längst wieder wo anders.
Ein Fluch und ein Segen zugleich.
Diesmal waren sie bei Adam, Ihrem neuen Nachbar stehen geblieben. dieser Mann war ihr zutiefst zu wieder. Sie mochte es nicht so zu denken, vorallem da sie ihn kaum kannte, doch sie war sich sicher, dass sie ihn hasste. Seine Persönlichkeit jedoch, auch seine Art zu reden, selbst seine seltsame Ausstrahlung kamen ihr so vertraut vor.
Sie wusste wer er war, doch es fiel ihr einfach nicht ein woher.
Ihr Blick wanderte durch den Raum, vorbei an einigen Postern verschiedener Bilder und teilweise Bands, vorbei an der großen Bücherwand welche seit sie denken konnte dort stand. Vorbei an dem kleinen Kamin vor welchen sie besonders in der Winterzeit gerne saß und vorbei an dem großen Holzbogen der die Küche vom Wohnzimmer trennte. Bis ihr Blick zufällig auf einem beachtlichen Stapel Bücher welche auf einem kleineren Beistelltisch lagen stehen blieb. Ihre Bücher, ganz oben ihre Bestseller.
Sie brauchte nicht mehr groß nachzudenken da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie kannte Adam weil sie ihn erfunden hatte! Nun, natürlich nicht Ihren Nachbarn selbst, jedoch den Mann den sie irrtümlicherweise glaubte in ihm erkannt zu haben.
Ihren Protagonisten selbst, Doktor Adam Narrow, 38 Jahre alt. Ein ehemaliger führender Wissenschaftler welcher seine Lizenz und seinen Titel durch ein Misslungenes, zudem noch verbotenes Experiment an einem Menschlichen Testobjekt verlor. Er hätte die Welt revolutionieren können, doch es kam ans Licht. Die versuche die Adam durchführte hatten sein Versuchskaninchen verändert. Er wurde zu einem Monster, verlor all seine Menschlichkeit. Malin war besonders stolz auf dieses Buch und auf dessen Fortsetzung. Dieser neue Nachbarn hatte alles mit dem fiktiven Doktor gemeinsam, selbst den Namen. Sogar als "Künstler" hatte er sich bezeichnet, wie es auch ihr Charakter es stets zu tun pflegte, wenn er nach seinem Beruf gefragt wurde.
Konnte das noch Zufall sein? Die Autorin bezweifelte es. Sie vermutete, dass ihr einer der Dorfbewohner einen Streich spielen wollte. Dies war zumindest die einzige Erklärung die einigermaßen logisch erschien. Adam konnte schließlich nicht aus dem Buch gekommen sein und eine derartige ähnlichkeit war völlig ausgeschlossen. Es war nur ein Buch, Wörter auf Papier. Nichts weiter als ihre Fantasie. Allerdings würde niemand für einen Streich ein ganzes Haus kaufen. So viel Aufwand würde sich doch niemand machen, unmöglich. Oder doch nicht? Sie traute einigen Bewohnern High Erants eine Menge zu. Doch das würde selbst für diese zu weit gehen, außerdem mieden die meisten sie lieber und Feinde hatte sie auch keine. Andererseits gab es keine andere Möglichkeit. Vielleicht ein Fan, der hätte sie jedoch mit Sicherheit erkannt. Ein Stalker? Nein. Adam schien sich zwar für seine Nachbarin zu interessieren, jedoch einfach aus Freundlichkeit.

Es klingelte erneut. Das musste wohl ihr Essen sein. Sie hatte ihren Hunger durch die vielen Gedanken die ihren Kopf füllten völlig vergessen, doch nun wo sie daran dachte schien er unerträglich. Sofort hatte sie sich erhoben und war an die Türe gegangen, wie erwartet stand der Lieferservice davor und verlangte 12,10£ für eine kleine Pizza und ein Softdrink.
Malin gab das Geld und ein paar Pfund Trinkgeld obendrauf. Einfach nur dafür, dass der Lieferant ihr Haus überhaupt gefunden hatte. Selbst die Post hatte ihre Probleme damit, meistens gaben sie die Briefe und Pakete einfach beim Postamt ab und meinten das Haus wäre unauffindbar gewesen.
Die Autorin setzte sich mit ihrer Thunfischpizza und dem Softdrink auf das große hellrote Sofa und fing an zu essen. Anscheinend hatte der Lieferant die Pizza und das Getränk zusammen in einer dieser Kisten verstaut und eine Weile gesucht, denn die Pizza war abgekühlt und das Getränk wurde durch das heiße Essen warm. Dennoch schmeckte es ihr und den Hunger hatte es definitiv auch bekämpft. Die kleinen Dinge im Leben, wie bereits erwähnt.

Wie es ihr eigentlich immer passierte wurde Malin durch das Essen müde. Eigentlich wollte sie noch etwas an ihrem Roman arbeiten, entschied sich jedoch dazu schlafen zu gehen. Es würde ihr gut tun, dem war sie sich sicher.
In ihrem Bett kam ihr ein Gedanke welchen sie im Nachhinein bereuen würde. Sie suchte das Abenteuer, nun war es möglicherweise direkt in die verfallene Villa neben ihrem Haus eingezogen.
Und damit stand ihr Entschluss fest. Sie würde sich mit Adam treffen um mit ihm zu frühstücken. Sie würde mehr herausfinden. Das musste sie einfach. Immerhin wollte sie wissen, ob es sich um einen schlechten Scherz, einen seltsamen Fan oder gar einen Stalker handelte.

Das vertraute sanfte Licht Ihrer Nachttischlampe hüllte ihr Schlafzimmer wie gewohnt in angenehme Helligkeit. Nur das blättern der Buchseiten war zu hören, doch auch das verklagt nach nicht allzu langer Zeit. Nur entfernt spürte die Autorin die Müdigkeit welche sie langsam, aber stetig in einen tiefen Schlaf riss.
An ihre Träume konnte sie sich selten erinnern, doch wenn sie es tat, wie auch in dieser Nacht, schienen sie seltsam.
Die Rothaarige stand auf einem langen Flur. Die Wände waren weiß, doch einige Kindliche Bilder von bunten Orten und Tieren zierten sie. Auf den Seiten waren einige Holztüren. Als sie an sich hinunter sah erkannte sie einen weißen Pyjama auf dessen Brust ihr Name stand. Zumindest fast, ihr Nachname war nicht Korrekt, Malin J. Gwinn stand dort. Der selbe Name stand auf der Tür welche sich geradeaus vor ihr befand. Groß und in bunten Buchstaben stand er auf der entfernten Tür. Plötzlich spürte sie eine Berührung an ihrer Schulter. Sie zuckte zusammen, drehte sich jedoch ohne zu zögern um und sah direkt in ein paar eisblauer Augen.

Sie schreckte auf, ihr puls lief beschleunigt und ungleichmäßig.
Doch sie hatte es schnell als normalen Albtraum erkannt. Wahrscheinlich von einem früheren Erlebnis welches sie noch heute prägte.
An diesem Morgen würde sie Einkaufen gehen müssen, sie hatte kaum mehr essbares im Haus. Sie entschied sogar es vor dem Frühstück zu erledigen, damit hätte sie auch eine größere Auswahl was das Essen anging. Jeden Tag Marmelade zu essen ging ihr langsam gewaltig auf die Nerven. Sie wusste nicht einmal woher sie die ganze Erdbeermarmelade überhaupt hatte. Anscheinend hatte sie tatsächlich ein ziemlich schlechtes Gedächtnis, sie erinnerte sich an wenige Dinge die weiter zurück lagen als zwei Jahre.
Aber damit konnte sie umgehen, sie lebte schließlich nicht in der Vergangenheit. Es war Donnerstag, am nächsten Morgen würde sie mit Adam frühstücken. Das passte ihr eigentlich sogar perfekt in den Plan. Denn an diesem Tag hatte sie ebenfalls einen Termin mit ihrem Lektor der sich die ersten Kapitel des neuen Buches angesehen hatte. Mr. Dunwood war ein älterer, jedoch sehr freundlicher Mann. Er war kleiner als sie, hatte ergraute Haare und einen vollen Bart. Er arbeitete schon lange mit ihr zusammen und war ein guter Freund, manches Mal sogar ein Vaterersatz für die geworden.
Sie mochte ihn sehr und er mochte sie.  Er war offenkundig selbst ein Fan ihrer Werke geworden, genauso wie es für sie ein Ritual wurde mit ihm zusammen nach Veröffentlichung auszugehen.
Ja, er kam einem Vater recht Nah.
An ihren richtigen Vater konnte sie sich tatsächlich nicht erinnern. Sie wusste nur, dass ihre Eltern sich scheiden ließen als ihre Mutter mit ihr Schwanger war.
Ihre Halbschwester Amelia hatte demnach einen anderen Vater, doch auch zu ihm hatte Malin kaum Kontakt. Sie hatte seltsamerweise sogar vergessen wo er lebte.

Bevor sie jedoch wieder komplett in ihrer Gedankenwelt versinken konnte schüttelte sie den Kopf, strich sich die rötlichen Haare sofort wieder zurecht und verließ das Haus.
Der Einkauf wartete. Sie hatte schon einen regelrechten Hass auf auf den Schotterweg entwickelt welcher zur Straße hinunter führte die sie in die Stadt brachte. Er war mit dem Fahrrad besonders wenn es geregnet hatte sehr schwer zu befahren. Kiesel, Stöcke, Wurzeln und darauf wachsende Grasbüschel machten es noch schwieriger. Dennoch was es, zumindest für sie, besser so als noch näher am Dorf zu wohnen.

Der Weg in die Stadt war tatsächlich schnell hinter sich gebracht, gerade mal eine viertel Stunde hatte Malin gebraucht.
Als sie etwas entfernt von den ersten Häusern kurz stehen blieb hatte sie ein seltsames Gefühl im Magen.
Sie fühlte sich als hätte sie bis auf ein paar Ausnahmen keinerlei Erinnerungen an dieses Dorf.
Irgendwie sogar als hätte sie bis vor einigen Jahren gar nicht gelebt. Doch so schnell dieser Gedanke kam schüttelte sie ihn auch wieder ab. Ein solcher Gedanke war absurd. Natürlich hatte sie gelebt. Es fiel ihr nur manchmal schwer sich an Dinge vor dem plötzlich Tod ihrer Mutter zu erinnern. Ganz gewöhnlich, meinten die Ärzte.

Ohne wirklich darauf geachtet zu haben war sie dir Straßen entlang gefahren. Die meisten breiteren Straßen bestanden aus Pflasterstein. Klar, das doch machte es schöner. Doch mit dem Fahrrad waren diese Straßen ein Albtraum.
Der Supermarkt befand sich an der Hafenstraße, direkt mit Blick Klippen, ein paar tiefergelegene Strände und das Meer. Auf Fischerboote die im Hafen lagen oder auf See vor sich hin schaukelten.
Es war das einzige größere Geschäft im Ort und neben einer Bäckerei und einer Tankstelle auch der einzige Laden. Natürlich standen am Hafen noch die großen Industriehallen. Dort wurden Fische verarbeitet, verpackt und regelmäßig mit riesigen Schiffen auf Reisen geschickt. Malin fand es faszinierend und schrecklich zugleich. Viele Tonnen Fisch wurden täglich aus den Meeren gezogen und nur wenige profitierten wirklich davon.
Die Fischer waren selten wirklich gut bezahlt, doch von den wenigen mit denen sie sich unterhalten hatte hörte sie stets wie sehr sie den Beruf und das Meer liebten.

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