Kapitel 3

May's P.o.V.

,,Ich will dich ja wirklich nicht von deinem Vorhaben abbringen, aber bist du dir ganz sicher, dass du das willst?", hakte Nala nun schon sicher zum tausendsten Mal nach und beäugte mich dabei skeptisch, was wahrscheinlich daran lag, dass sie immer noch der Meinung war ich würde sie verarschen und hier irgendeinen ganz schlechten Witz abziehen, wie ich es so oft schon versucht hatte. Wobei man wissen sollte, dass ich sowas absolut nicht konnte. Nur war es dieses Mal anders. An irgendwelche belanglose Scherze war gerade gar nicht zu denken. Ich meinte alles vollkommen ernst.

Genervt und trotzdem mit einem riesigen Grinsen auf dem Gesicht nickte ich ihr erneut zu und musste mich echt zusammen reißen nicht direkt los zu kichern, denn dann würde sie mir erst recht nicht mehr glauben. Es war schon unpraktisch, dass ich immer in den unpassendsten Momenten, statt ernst das Ganze meistens in Lächerliche ziehen musste, aber jeder hatte ja eine Macke. Oder?

,,Okay, aber du kannst deine Eltern und mich doch nicht einfach hier ganz alleine zurück lassen! Was ist denn mit Cookie? Und was soll ich ohne dich machen?", konterte die Blondine und sah mich dieses Mal ernst an, da sie endlich begriffen hatte, dass ich mir hier keinen blöden Scherz erlaubte. ,,Meine Eltern kommen schon alleine zu Recht, die sind ja schließlich schon erwachsen. Hast du das vergessen? Cookie kann ja erstmal hier bei meinen Eltern bleiben, bis ich alles geregelt habe. Aber wieso kommst du nicht mit?", schlug ich vor und ließ mich mit einem lauten Seufzen zurück auf die Couch fallen. Meine beste Freundin setzte sich im Schneidersitz neben mich und zuckte dann nachdenklich mit den Schultern. ,,Das kann ich nicht, May. Ich hab mir hier so viel aufgebaut, verstehst du? Ich kann nicht einfach abhauen und alles stehen und liegen lassen. Du kannst das vielleicht, aber ich wirklich nicht. Ich werde dich vermissen, aber wir besuchen uns auf jeden Fall und wenn du das mit Jason akzeptiert und verarbeitet hast, kommst du wieder.", antwortete sie und lächelte mich vorsichtig an. Mein Blick fiel in ihre Augen und mir wurde sofort schmerzhaft bewusst das sie Recht hatte, damit, dass sie nicht weg gehen konnte. Auch wenn sie mich nicht gehen lassen oder ich sie nicht verlassen wollte, konnte ich nicht von ihr verlangen mit mir zu kommen. Verständlich, denn ich würde mich auch sträuben, wenn ich jetzt an ihrer Stelle wäre. Trotzdem musste ich es tun, auch alleine.

Also war das jetzt beschlossen? Ich würde mutterseelenallein in eine fremde Stadt ziehen, wo ich niemanden und nichts kannte. In die Stadt, die Jason und ich immer so angehimmelt haben. Mein ganzes Leben, meine übrig gebliebene Familie und meine Freunde würde ich in Deutschland zurück lassen und das nur wegen meinem Bruder, welchen ich wieder hier an meiner Seite haben wollte. Eigentlich komplett übertrieben, würden manche meinen, doch ich brauchte Abstand von meiner Vergangenheit, der Gegenwart, meiner Familie, meinen Freunden und all den Erinnerungen und Momenten mit Jason, welche ich über die letzten drei Jahre mit ihm gesammelt hatte. Neue Menschen, fremdes Land und einen Neustart, dass war es, was ich jetzt wirklich brauchte, um mit der Situation klar zu kommen und umzugehen.

,,Ich weiß nicht ob ich zurück kommen werde, Nala.", sagte ich ehrlich und beobachtete dabei Cookie, welcher im Kreis herum lief und versuchte seinen eigenen Schwanz zu fangen, was ihm aber verständlicherweise misslang. Wenigstens war der kleine stark und gab nicht auf.

,,Wir werden ja sehen. Aber wo willst du wohnen? So kurzfristig kriegst du jetzt keine Wohnung oder sowas in die Richtung, von den Kosten ganz abgesehen.", erwiderte meine beste Freundin und versuchte mich damit wahrscheinlich doch noch umzustimmen, aber ich hatte mich schon längst entschieden und nichts auf dieser Welt würde mich von meinem Ziel abbringen. Auch nicht meine Eltern, welche weder von meinen Plänen noch davon wussten, dass ich meinen Bruder verloren hatte. Ich war nun die letzte Überlebende meiner richtigen Familie, jedoch hatte ich immer noch meine Ersatzeltern, welche mir in der langen Zeit immer beigestanden hatten und ans Herz gewachsen waren. Sie waren für mich, wie meine echten Eltern.

,,Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Ich werde einfach dort hin fliegen und mir dann als Übergang ein Hotel suchen. Danach ein kleiner Job und wenn das Geld reicht auch noch eine Wohnung.", erklärte ich Nala etwas unsicher und stand danach auf, um meinen Laptop zu holen, welcher auf dem Küchentisch liegen musste, wo ich ihn auch fand.

,,Ist das nicht zu riskant?", fragte die Blondine etwas ängstlich und sah mich mit ihren blauen Augen durchdringend an. ,,No risk, no fun.", erwiderte ich bloß und zuckte mit den Schultern, bevor ich den Laptop auf meinem Schoß platzierte, aufklappte und erstmal Google öffnete.

,,Was machst du da?", nahm ich die Stimme meiner Freundin neben mir war, welche nun mit auf den hellen Bildschirm starrte. Ohne zu Antworten ging ich auf die nächst beste Webseite, auf der man Flüge buchen konnte und gab mein Flugziel ein, was in diesem Falle London Heathrow war.

Eigentlich wollte ich meine Familie und Freunde ja gar nicht zurück lassen, aber wahrscheinlich war es für das Erste besser so. Hier, in Deutschland, würde ich nicht mit den Geschehnissen klar kommen oder dafür einfach viel zu lange brauchen. Ich würde höchstwahrscheinlich in meinem Zimmer versauern und nichts zu Stande bekommen, da ich nur noch an Jason denken würde. Vorwürfe würden mich plagen und das wäre doch dann kein Leben mehr.

,,Was ist denn mit Jason's Beerdigung? Wirst du nicht da sein?", warf Nala plötzlich ein und schenkte mir einen fragenden Blick. Wenn ich hingehen sollte, würde es mich nur noch mehr fertig machen und vielleicht sogar in Depression reiten, aber es einfach verpassen, konnte ich auch nicht. Das wäre Jason und auch seinen engeren Freunden gegenüber ganz und gar nicht fair. Schließlich war ich seine Schwester und wenigstens das war ich ihm schuldig, nach allem was er für mich getan hatte. ,,Ich denke, dass ich dann für ein paar Tage wieder nach Deutschland kommen werde.", erwiderte ich und versuchte erneut die aufkommenden Tränen zu ignorieren. Die Blondine nickte wissend und legte mir einen Arm um die Schulter, da sie erkannte, wie sehr ich mit mir selbst zu kämpfen hatten. Diese einzige kleine Geste schaffte es in mir so viel auszulösen. Ich wusste, dass ich nicht alleine war und Nala mit mir zusammen diese Zeit durchstehen würde, auch wenn ich London wohnen würde. Diese Tatsache würde rein gar nichts daran ändern. Sie würde immer meine beste Freundin bleiben, auch wenn uns tausende von Kilometern trennten.

Entschlossen klickte ich mich durch die verschiedensten Flüge und entschied mich anschließend für den nächst möglichen, welcher morgen Abend, von Köln aus, starten würde. Ein letztes Mal bestätigte ich meine Eingabe und schon hatte ich mir mein One Way Ticket gebucht. Und dass ohne das meine Eltern irgendwie Bescheid wussten. Einfach so. Mein Ticket in ein neues Leben, in dem ich mit Jason hoffentlich abschließen und doch niemals vergessen würde. Mein neues Leben in London, England.

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