Sind wir so sehnsüchtig, weil wirklich der Weg das Ziel ist?

Sehnsucht. Also: Man weiss gar nicht so genau, wonach man sich eigentlich sehnt. Man will es vielleicht auch gar nicht. Es ist geheimnisvoll unklar verschwommen und vielleicht sogar dezent transzendent. Und noch wichtiger: wann weiss nicht, wie man die Sehnsucht stillen soll. Und am wichtigsten: Man will es auch garnicht.

Sehnsucht ist nicht die Sucht oder Suche nach jemandem oder etwas, sondern nach dem Sehnen an sich, und dem was da sein könnte, all dem romantisierten und illusorischem und verträumtem Scheiss. Und Vermissen ist dann schon die deutlich sinnvollere und gesündere Variante.

Ich glaube, der Flur war Schuld. Ja. Es waren nicht du oder ich. Es war nur der Flur.

Der undefinierte Raum, weder Schlafzimmer noch Bad noch Küche, einfach nur ein Nichts und doch so bedeutungsvoll und alles verbindend. Ein bisschen wie das Universum zwischen Planeten. Man könnte dort nicht leben, aber man will trotzdem mal dort herumschweben. So war er, der Flur: Fensterlos und doch immer leicht von irgendeiner offenen Tür erhellt, aber eben nur leicht. Sodass die Dunkelheit sich wie eine schwere zusammenschiebende umhüllende Decke um alles legte. Wie eine Decke, unter der man unwillkürlich augenblicklich ein bisschen zusammenrutscht. Nur um dann sofort zu erschrecken, und sich durch die nächste erhellte Tür, zurück in die Realität flüchtet: In einen anderen Raum, einen bewohnbaren und besiedelten Planeten, zum Beispiel in die Küche zu den anderen, die einen vor dummen Gedanken beschützen, oder in das sichere abschließbare Bad,in dem man sich der Selbstreflektion des Spiegels stellen kann, oder einfach in das eigene Zimmer, den Ort wo man Kontrolle hat. Haben müsste.

Dieser undefinierte Raum, durch den man eigentlich nur geht, wenn man ein Ziel hat, wurde der Ort für umso definertere Handlungen ohne Ziel. Handlungen, definiert durch ihre eigentliche Eindeutigkeit; deine Hände mich fangend und festhaltend an meinen Hüften, wenn ich ansetzen wollte, um auf Socken durch den Flur zu schlittern. Doch dann ohne Ziel dadurch, dass sie immer schnell, schnell genug, wieder losgelassen haben. Ohne Ziel dadurch, dass ich mich nie nochmal umgedreht habe, sondern dann einfach in den nächten Raum geschlittert bin, mit weniger Schwung, aber fast so, als wäre nichts gewesen.

Dieser undefinierte Raum, in dem ich mich ertappte, ihn sogar ohne Ziel zu betreten. Nur um zu sehen, ob du ihn auch ohne Ziel betrittst. Wir beide abstreitend, dass es dann vielleicht doch ein Ziel geben musste. Ein Ziel, das aber kein anderer Raum war. Und so kam es: Der Flur, welcher ja eigentlich der Weg war, wurde dann nämlich zum Ziel. Eine merkwürde Art von Fernweh.

Die Dunkelheit das Alibi und die halboffenen Türen die Einzige Erinnerung an die Möglichkeit von eigentlich notwendiger Privatsphäre im eigenen Zimmer, Selbstreflektion im Bad und Ehrlichkeit und Öffentlichkeit in der Küche, bei den anderen. Nein, stattdessen lieber der bedeutungslose Flur. Genauso bedeutungslos, wie wir uns gegenseitig eigentlich hätten sein sollen. Bleiben sollen.

Klar hätten wir auch in dein oder mein Zimmer gehen können, du hättest mich dort festhalten können, aber wie denn, denn in Zimmern flüchtet man nicht. Und ausserdem hätten wir es uns in unseren geschlossenen Räumen dann eingestehen müssen, es wäre zu einfach, zu offensichtlich, zu geplant gewesen. Also gerieten wir immer nur im Universum aneinander, und niemals auf Planeten. Uns einredend, dass man ohne Schwerkraft Halt aneinander sucht.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top