Zwei

Gutgelaunt wie immer stand sie in meiner Wohnung, neben ihr meine Tiefkühltruhe, und strahlte mich an.

,,Livy!! Wie siehst du denn aus?" Wie immer sprach sie das aus, was sie gerade dachte, und als erstes fiel ihr mein Outfit auf, welches aus einer viel zu großen Jogginghose und einem weitgeschnittenen T-shirt bestand.

,,Schön dich zu sehen, Lissy.", meinte ich nur augenverdrehend.

,,Alter, wie hast du denn dieses Teil hier hochgeschleppt?" Wie aus dem Nichts war plötzlich Elijah aufgetaucht und betrachtete meine Tiefkühltruhe.

,,In eurem Haus wohnen echt starke und  vorallem süße Typen.", zwinkerte sie ihm nur zu und ich fasste mir nur kopfschüttelnd an die Stirn.

,,Also, eure Wohnung ist sehr...geräumig." Geschickt umschrieb sie die leere Wohnung, die abgesehen von unseren Zimmern und Otto leer war.

,,Das wird schon noch, nicht wahr? Ich meine, wir haben schon einmal Otto und..Kühli?", schlug Elijah als Spitznamen für die Kühltruhe vor und ich stöhnte nur auf.

,,Wir werden sicher nicht jedem gottverdammten Möbelstück in dieser Wohnung einen Spitznamen geben! Otto aktzeptiere ich, aber Kühli? Du hast doch 'nen Schaden.", motzte ich herum und Lissy wackelte mit den Augenbrauen. ,,Uhh, bahnt sich da etwa der erste WG-Streit an?"

Um ihr nicht gleich an die Gurgel zu springen, ging ich auf die Kühltruhe zu und schob sie in Richtung Küche. Wir hatten Glück, dass die Küche mit in der Wohnung einbezogen war, sodass wir sie nicht extra kaufen mussten.

,,So, da jetzt die Kühltruhe hier ist, kannst du auch wieder gehen.", scherzte ich und meine Schwester lachte. ,,Das hättest du wohl gerne. Hast du denn schon dein Zimmer eingerichtet? Ich glaube nämlich nicht. Und außerdem hast du mir noch garnicht deine Mitbewohner vorgestellt und...", ich unterbrach sie. ,,Kannst du einmal vielleicht deine Redefluss einstellen? Ich hab' vergessen wie verdammt anstrengend du bist." Den zweiten Satz murmelte ich nur so vor mich hin, aber sie hatte es trotzdem gehört. ,,Komm, wir richten dein Zimmer schön ein!" Ich konnte mich garnicht wehren, da sie mich an der Hand fasste und mit sich zog.

Lissy schloss die Tür hinter uns und begutachtete mein Zimmer. ,,Da kann man echt viel daraus machen!" Sie fing an meine Kisten auszupacken und ich seufzte auf. Ich hatte wohl keine andere Wahl.
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,,Sieht doch super aus! Richtig heimisch." Zufrieden stemmte meine ältere Schwester sich beide Hände in die Hüfte und ich war zugegebenermaßen auch sehr begeistert. Mein Zimmer war nicht mehr leer, sondern gefüllt mit meinem ganzen Zeug. Meine ganzen Sneaker standen auf dem Boden neben dem Schrank, mein Spiegel hing an der Wand neben meiner Tür und es hangen unglaublich viele Bilder, Poster und Andenken an meinen Wänden. Besonders stolz war ich auf mein altes Skateboard, dass wir mit Halterungen über mein Bett gestellt hatten. ,,Danke.", sagte ich nur und drückte Lissys Schulter. ,,Hab ich gerne gemacht, auch wenn es scheiße anstrengend war. Jason hätte uns bestimmt die ganze Arbeit abgenommen."

Plötzlich sah sie wieder traurig aus und auch meine Laune war nicht mehr die Beste. ,,Bald kommt er ja wieder zurück. Hoffen wir nur dass ihm dort nichts zustößt. Aber unser Großer schafft das schon.", munterte ich sie etwas auf. ,,Ich vermiss' ihn nur so schrecklich.", murmelte sie und auch ich musste ihr Recht geben.

,,Themawechsel: Ist irgendein potenzieller Ehemann in Sicht? Also Elijah schließe ich jetzt einfach mal aus, obwohl er schon auf eine gewisse Weise gut aussieht. Und mit gut meine ich eigentlich umwerfend. Er ist so schön gebräunt, wie wenn er den ganzen Tag nur am Strand liegen würde. Aber seine Art macht ihn auch etwas attraktiver. Aber dein Typ ist er nicht, hab ich Recht?", plapperte Lissy wie wild darauf los und ich seufzte. Sie war von den drei Geschwistern auf jeden Fall diejenige, die immer etwas zu reden hatte und nie den Mund halten konnte.

,,Nein, da gibt es leider keinen. Obwohl eigentlich alle super aussehen, aber das ist nicht alles. Hat man ja bei Lucas gesehen...", murmelte ich und Lissy schüttelte den Kopf. ,,Vergiss diesen Blödmann! Der Kerl weiß dich einfach nicht zu schätzen und denkt nur mit seinem Penis!"

Ich ließ mich auf mein Bett fallen und stöhnte. ,,Scheiß Kerle. Scheiß Penisse. Ich glaube ich wechsel das Ufer, ich habe keine Lust mehr auf Männer."

Lissy lachte auf. ,,Glaub mir, beide haben Nachteile und Vorteile. Frauen können auch ganz schön nerven, das siehst du doch an mir! Und Männer können dich beschützen, dich in den Arm nehmen..", schwärmte sie und ich unterbrach sie. ,,Aufhören! Ich habe die Schnauze voll von deinem Geschwärme über Männer. Die sind doch alle gleich. Ich bin außerdem froh, dass ich Lucas nicht mehr sehen muss."  Sie zog unbeeindruckt eine Augenbraue nach oben. ,,Du kannst mir alles erzählen, aber dass du ihn nicht vermisst ist eine Lüge. Ihr zwei wart so glücklich zusammen." Plötzlich wurde sie von ihrem eigenen Handyklingelton unterbrochen.

,,Ja, West hier?...ja, in Ordnung, ich bin in 20 Minuten da." Sie legte auf und sah mich entschuldigend an. ,,Die Arbeit ruft. Ich hasse meinen Chef so sehr, auch wenn er super heiß ist! Wir sehen uns Süße, viel Erfolg mit diesen Chaoten." Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und ich lächelte sie dankbar an. ,,Viel Spaß."

Als meine Schwester mit Türknallen meine WG verließ, seufzte ich auf.

,,Ihr wart so glücklich zusammen"

Ja, wir waren lächerlich glücklich zusammen, und ehrlich gesagt war ich selbst überrascht dass es so lange gehalten hatte. Ich hatte bei soetwas immer Probleme, immer wenn ich bereit für jemand war, es ernst meinte, wurde ich betrogen und hintergangen. Vielleicht sollte es einfach nicht sein, ich musste mich einfach um mich selbst kümmern und über mich hinauswachsen.

Motoviert stand ich auf, suchte meine Laufklamotten zusammen, bestehend aus einer Radlerhose und einem engen Tshirt, zog mich um und betrachtete mich kritisch im Spiegel. War ich ihm zu dick gewesen? Musste ich wieder weniger essen? Ich schluckte schwer.

Es war viel Zeit vergangen, seitdem ich zuletzt diese heimtückischen Gedanken hatte, um genau zu sein kamen sie nur, wenn Lucas wieder einer seiner lustigen Sprüche über meinen Bauch oder Arme fallen ließ. Aber das war jetzt vorbei, und ich durfte nicht schon wieder in diese Esstörung fallen, ich würde sie dieses Mal wieder enttäuschen, und das wollte ich um jeden Preis vermeiden.

,,Sie wird sterben! John, siehst du das etwa nicht?! Unser Mädchen hungert sich zu Tode und uns ist es nicht aufgefallen! Wie konnten wir nur so blind sein... Ohgott, ich wusste ja dass sie etwas dünn war, aber John sie ist so unfassbar dünn, so dünn dass ich Angst habe sie zu berühren. Unter diesen weiten Hosen und Pullis habe ich das nie gemerkt.."

,,Liebes, es ist nicht unsere Schuld. Es ist eine Krankheit, und wir werden das gemeinsam schaffen. Wir verlieren unser Mädchen nicht.. Irgendwie wird es klappen, okay? Sie ist doch erst sechszehn..."

Es hatte über zwei Jahre gedauert, aus diesem Teufelskreis herauszukommen, aber ich hatte es mit Hilfe meiner Eltern und Geschwister geschafft. Mein Bruder traf es damals am meisten, als er aus einem Einsatz zurückkam und seine kleine Schwester mit Schläuchen versehrt im Krankenbett liegen sah.

,,Olivia?" Eine laute Stimme riss mich aus meiner Starre und ich zuckte leicht zusammen.

,,Ja?" Ich drehte mich zur Tür und erblickte William, der ungeniert in mein Gesicht starrte.

,,Du hast echt schöne Wangenknochen." Wangenknochen? Soetwas hatte ich zuvor noch nie gehört. War er high? Besoffen? Auf Koks?

,,Äh, danke, ich mag äh deine.. Oberschenkel?" Ich wollte mich erschießen. Sofort.

William lachte auf. ,,Das hat glaub ich noch nie jemand zu mir gesagt, danke. Ich trainiere auch hart dafür." Verschmitzt grinste er mich an, was mir auch ein kleines Lächeln entlockte.

,,Wir wollten was bestellen und zusammen essen, um uns ein wenig besser kennenzulernen. Bist du dabei?"

Ich überlegte kurz. ,,Klar doch. Ich gehe nur noch schnell eine Runde joggen, aber so schnell kommt das Essen bestimmt nicht oder?"

,,Laut Elijah brauchen die ewig, also keine Eile. Salami-Pizza?" Erwartend sah er mich an.

,,Pizza Hawaii bitte. Eine große" Dankbar lächelte ich ihn an. Seine Augen waren einfach faszinierend.

,,Dass Leute sowas echt gern essen ist mir ein Rätsel.. aber wird natürlich bestellt." Wieder grinste er und langsam wurde es mir etwas unheimlich.

"Ok Grinsebacke, hier sind zehn Euro, falls es doch mehr kostet sag mir einfach Bescheid." Dankend klopfte ich ihm auf die Schulter und schlüpfte in meine Laufschuhe.

,,Bis später!" Ich wunk den restlichen Mitbewohnern zu, die sich erstaunlicherweise alle tratschend in der Küche befanden, und schloss die Wohnungstür hinter mir. Ich musste dringend einen freien Kopf bekommen.

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