Kapitel 26
• W E S •
Ein glückliches Lächeln umspielt meine Lippen, als ich mein Lockenköpfchen auf der anderen Straßenseite entdecke. Er winkt mir grinsend zu und schaut sich um, bis er die Straße überquert und auf mich zukommt.
Wir haben uns einige Tage nicht gesehen, lediglich miteinander geschrieben oder telefoniert. Er war entweder mit Mattys Umzug oder mit der Schule beschäftigt. Heute hat er endlich seinen Nachmittag freischaufeln können, damit wir uns treffen können.
Ich habe viel Zeit mit Oliver verbracht, der aber gestern abgereist ist.
Evan betritt das Diner, in dem wir uns verabredet haben. "Hallo, Hübscher", begrüßt er mich und drückt mir einen Kuss auf die Wange, bevor er sich mir gegenübersetzt. "Hast du schon bestellt?"
"Nur zwei Milchshakes. Ich wusste nicht, was du wolltest."
"Schon okay." Er greift über den Tisch nach meine Hand und streicht mit dem Daumen über meinen Handrücken. "Es ist schön, dich zu sehen."
"Hast du mich etwa vermisst?", ziehe ich ihn ein wenig auf, woraufhin er mir die Zunge herausstreckt.
"Warum sollte ich dich denn vermissen? Ich denke nicht mal daran ..."
"Ey!", schmolle ich und führe seine Hand an meinen Mund. Er schmunzelt, als ich einen Kuss auf seine Hand hauche.
Wie abartig kitschig wir doch sind. Für gewöhnlich hasse ich es, wenn ich solche Paare wie wir auf der Straße gesehen habe. Aber mit ihm an meiner Seite bin ich so glücklich wie nie zuvor.
Das Räuspern der Kellnerin zwingt uns dazu, uns voneinander zu lösen. Sie stellt unsere Milchshakes auf den Tisch. "Habt ihr noch einen Wunsch?"
Evan trinkt schweigend von seinem Schokoladenshake. Seine Wangen sind verdächtig gerötet.
Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen, wofür ich von ihm einen bösen Blick ernte. "Wir schauen nochmal in die Karte, danke", sage ich zu ihr.
Die junge Frau, offenbar eine Studentin, nickt lächelnd und geht dann weiter zum nächsten Tisch.
"Evanbaby, du musst lernen, nicht immer gleich rot anzulaufen, wenn-"
"Ich bin sowas halt nicht gewohnt", murmelt er und hält dann sein Glas in die Höhe. Wir stoßen mit unseren Milchshakes an und trinken dann davon.
Er fasst nach der Menükarte und legt sie für quer, sodass wir gemeinsam reinschauen können. Ich überfliege die Auswahl. "Erzähl mal", fordere ich ihn auf, "Wie läuft es mit Matthew? Er fühlt sich bei euch wohl, oder?"
"Schon. Ihm macht nur die Trennung zu seinen Geschwistern zu schaffen. Die Zwillinge sind ja noch bei ihren Eltern. Und sie werden von einem Kindermädchen zum nächsten gegeben. Matty würde die beiden am liebsten von dort wegholen ..."
"Kann man ihm denn nicht irgendwie helfen?"
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er nickt. "Wie ich mitbekommen habe, hat er sich mit meinem Dad unterhalten. Und er hat ihm Mut gemacht, das Jugendamt zu benachrichtigen."
"Das Jugendamt? Das ist aber schon echt krass."
Dass die Mädchen ihm sehr wichtig sind, weiß ich. Matt hat schon ein paar Mal auf Arbeit über die beiden gesprochen. Und jedes Mal haben seine Augen ein gewisses Strahlen gehabt.
"Und, ähm, hast du mal mit Chris geredet? Du weißt schon … was zwischen den beiden los ist?", erkundige ich mich, während ich mich zurücklehne.
Auch Evan scheint eine Wahl getroffen zu haben. Er schiebt die Karte beiseite und hebt die Hand, um der Kellnerin ein Zeichen zu geben. "Irgendwie habe ich die Gelegenheit verpasst. Und eigentlich … geht mich die Sache auch nichts an", erwidert er achselzuckend.
Amüsiert hebe ich eine Augenbraue. "Seit wann hältst du dich denn daran?"
"Seit mir mein unglaublich gutaussehender Freund geraten hat, ich soll mich lieber mal auf mich selbst konzentrieren?", entgegnet er grinsend.
In dem Moment kommt unsere Kellnerin zurück an den Tisch und kann sich ganz offensichtlich nicht verkneifen, über seine Worte zu schmunzeln.
Er hat aber auch echt ein Händchen für solche Angelegenheiten.
"Habt ihr euch entschieden?", fragt die junge Blondine und zückt ihren Schreibblock aus der Schürze, die sie trägt.
Evan lässt mir den Vortritt. "Ich würde den Chicken-Chili-Burger nehmen ..."
Jemand am Tisch schnaubt auf. Und ich bin es nicht gewesen.
Verwirrt begegne ich dem beinahe schon angeekelten Blick meines Freundes. "Wenn du den isst, küsse ich dich ganz bestimmt nicht mehr. Da sind Zwiebeln und Knoblauch drauf!"
"Damit muss ich dann wohl leben."
"Wes ..."
"Stell dich nicht so an! Die haben doch auch deinen Lieblingsburger. Fisch mit dieser Kräuter-Knoblauch Sauce", mache ich ihn aufmerksam. Und augenblicklich leuchten seine Augen auf, was mich spöttisch grinsen lässt. "Den kannst du aber gar nicht bestellen. Immerhin ist Knoblauch drauf ..."
"Haha, du mich auch, Blödmann", brummt er und streckt mir doch tatsächlich vor der Kellnerin die Zunge heraus. An diese wendet er sich äußerst freundlich. "Wir würden dann diese beiden Burger mit jeweils einer kleinen Portion Pommes nehmen", bestellt er und lehnt sich dann zufrieden zurück.
Sie hat unseren Tisch gerade wieder verlassen, da greift er nach einer der Servietten. Ich muss gar nicht hinschauen, um zu wissen, was er damit tun wird – ein Flugzeug falten.
"Verrätst du mir irgendwann, warum du das immer machst?"
Er schaut nicht auf, scheint ganz konzentriert in seinem Tun zu sein. "Das hat mir mein Vater gezeigt, als ich noch klein war. Er hat immer Papierflugzeuge gefaltet, wenn ihm irgendwas durch den Kopf ging … vor allem, wenn er nervös war." Ein Lächeln umspielt seine Lippen. "Mom hat mir mal erzählt, dass er das andauernd in ihrer Gegenwart gemacht hat."
"So wie du es jetzt tust? Bedeutet das, dass ich dich nervös mache?", ziehe ich ihn spaßeshalber auf. "Du bist echt süß."
Bevor er etwas darauf erwidern kann, fällt mir auf, dass sein Handy aufblinkt. "Ich glaube, jemand ruft dich an."
Evan schaut verwundert auf den Bildschirm. "Matty. Das Treffen mit Piper kann doch unmöglich schon vorbei sein." Er nimmt den Anruf an. "Hey, Matt ..."
Ich mustere meinen Freund, wie er die Stirn runzelt. "Was? Warum willst du das wissen? Matt, mach dir dein Leben doch nicht noch schwerer … Hä? Könntest du mir mal bitte erklären, was hier los ist?"
Neugierig horche ich auf, während ich den Strohhalm meines Shakes zwischen meine Zähne nehme. Irgendwas scheint passiert zu sein. Nur kann ich aus seinen Wortfetzen nicht heraushören, um was es gehen könnte.
"Ist ja gut! Lass mich nur kurz überlegen", zischt der Lockenkopf ins Telefon und führt Zeigefinger und Daumen an seine Stirn. Nachdenklich massiert er sie, als er auf einmal die Augen aufreißt. "Okay, Matty. Kannst du dich noch an das alte Theater erinnern, das vor ein paar Monaten geschlossen wurde?", fragt er. "Genau das! Dort waren die beiden ziemlich oft gewesen."
Altes Theater? Wovon sprechen die beiden?
Er lauscht seinem besten Freund und nickt anschließend, obwohl Matthew nicht bei ihm ist. "Mache ich. Sei aber vorsichtig und warte lieber bis die Polizei dann da ist. Du weißt nicht, wie gefährlich er vielleicht ist."
Polizei? Verdammte Scheiße.
Als er das Telefonat beendet, legt er sein Handy auf dem Tisch ab und fährt sich frustriert durch die Haare.
"Was ist los, Evan?"
"Chris scheint in Schwierigkeiten zu stecken", murmelt er, hebt dann den Kopf. In seinen Augen flackert irgendwas auf, das ich nicht deuten kann. "Entschuldige, Wes. Aber wir müssen sofort zum alten Theater an der Bakerstreet", meint er, wartet aber gar nicht auf meine Reaktion.
Nickend richte ich mich auf und krame mein Portmonee aus meiner Hosentasche heraus.
"Fuck … ich muss, ähm, die Polizei rufen. Sie müssen auch dorthin und Chris da rausholen! Wenn er ..."
"Evan, beruhig dich", versuche ich, ihn zu besänftigen. "Es nützt niemanden, wenn du jetzt die Nerven verlierst. Verständige die Polizei, während wir auf dem Weg zum Theater sind, okay?"
Ich lege dreißig Dollar auf den Tisch und führe Evan dann aus dem Dinner. Auf dem Weg nach draußen begegne ich dem fragenden Blick unserer Kellnerin, der ich nur ein entschuldigendes Lächeln schenke.
Als wir auf meinen Wagen zusteuern, hält er mich a auf. Fragend sehe ich den Lockenkopf an.
"Danke, dass du da bist, Wes."
"Ich werde immer da sein", verspreche ich ihm und umfasse seine Hand.
*
Es herrscht ein komplettes Chaos, als wir eine halbe Stunde später am Theater ankommen. Uniformierte Polizisten stürmen das alte Gebäude, Sanitäter halten sich bereit, falls sie in Einsatz kommen sollten.
"Verdammte Scheiße", höre ich Evan neben mir leise sagen. Auch er kann nicht fassen, was sich vor uns gerade abspielt.
"Siehst du einen der beiden?", frage ich und halte selbst Ausschau nach unseren Freunden.
"Ich habe ein ganz ungutes Gefühl, Wes."
Um ihm ein Gefühl von Sicherheit zu geben, nehme ich seine Hand und verschränke unsere Finger miteinander. "Alles wird gut."
Er lässt sich von mir näher an das Geschehen ziehen. Wir drängen uns durch die Masse an Schaulustigen bis nach vorne zur Absperrung.
"Warum hat dieser Vincent Chris eigentlich hierher gelockt?", frage ich Evan, der mir während er Fahrt ein paar Dinge aus der Vergangenheit erzählt hat. "Es ist doch schon seit einer Weile geschlossen."
"Die beiden haben damals viel Zeit hier verbracht. Er liebte die alten Filme sehr, die immer wieder gezeigt worden sind." Er deutet mit einem Kopfnicken auf das Gebäude. "Sie hatten auch ihr erstes Date hier."
Ich nicke nachdenklich. "Dann möchte er alle verlorenen Puzzleteile an dem Ort zusammenfügen, wo alles anfing … Das ist schon traurig, wenn man darüber nachdenkt. Der Typ wollte sein Leben mit Chris verbringen und hatte gehofft, dass sie füreinander bestimmt wären. Und dass er auf ihn warten würde ..."
Evan lacht auf, es klingt beinahe schon verachtend. "Vince wusste ganz genau, dass es keine Hoffnungen mehr für ihre Beziehung gegeben hat. Du kannst dir nicht vorstellen, wie toxisch ihre Beziehung zum Ende hin gewesen ist. Chris hat es genauso zerissen wie Vince, nur auf eine andere Art und Weise. Wenn darunter kein Schlussstrich gemacht worden wäre, hätte es die beiden noch mehr gebrochen ..."
"Wes! Evan!"
Wir sehen uns um, bis ich Matty erblicke, der die Absperrung ignoriert hat und über das Grundstück rennt. Ich halte das Absperrband in die Höhe, damit wir zu ihm gelangen können.
Evan fällt ihm zuerst um den Hals, sobald Matt vor uns steht. Er ringt mit dem Atem und seine Wangen sind von den unzähligen Tränen nass. "Habt ihr Chris schon gesehen?", fragt er, doch wir müssen beide mit den Kopf schütteln. Augenblicklich beginnt sein Körper damit zu beben, was den Lockenkopf nicht davon abhält, seinen besten Freund enger an sich zu drücken.
Matthew braucht jemanden, der ihn in diesen schrecklichen Minuten, vielleicht sogar Stunden, einen Halt gibt. Keiner von uns weiß, was in dem alten Theater vor sich geht. Ob jemand, möglicherweise Chris, verletzt sein könnte.
Es ist kaum auszuhalten.
Auf einmal verändert sich die Atmosphäre um uns herum. Einige Polizisten bekommen über Funk etwas durchgesagt. Ich beobachte, wie sie daraufhin zu den Krankenwagen laufen und mit den einzelnen Fachkräften sprechen. Es werden Liegen platziert und vorbereitet - so wie es aussieht für irgendwelche Untersuchungen.
Das Erste, das mir durch den Kopf geht, ist: Wurde jemand verletzt? Was ist, wenn es Chris ist, der gleich auf eine dieser Liegen liegt und verarztet werden muss?
Aus dem Theater ertönen plötzlich grauenhaftes Geschrei, das mir eine Gänsehaut bereitet. Als mehrere Beamte das Gebäude verlassen, mache ich meine Freunde darauf aufmerksam. "Ich glaube, da tut sich etwas", meine ich und deute auf die Polizisten. Zwei weitere Uniformierte müssen ihren drei Kollegen zur Hilfe kommen, die einen Teenager fest umklammert, der wiederum hektisch um sich zu schlagen versucht.
"LASST MICH LOS! IHR HABT DOCH KEINE AHNUNG, WAS IHR ANRICHTET!", schreit er, während er weiter versucht, sich aus den Griffen der Polizisten zu befreien. Es ist wie in einem der Horrorfilme, als er auf einmal seinen Kopf in unsere Richtung dreht. Das Grinsen um seine Lippen lässt einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen. "CHRISTOPH JACKSON WIRD MICH IMMER LIEBEN! Und er wird es euch allen zeigen, ihr Mistkerle!" Der Ausdruck in seinen Augen ist nicht einmal mehr menschlich. Da spricht nur noch der Psychopath aus ihm.
Ein älteres Paar, offensichtlich seine Eltern, läuft auf Vince zu. Das Gesicht der Frau ist tränenüberströmt. Es wirkt, als versuche sie, beruhigend auf ihren Sohn einzureden. Der Mann neben ihr scheint währenddessen die Beamten zu kritisieren. Soweit ich den kalten Ausdruck auf seinem Gesicht deuten kann.
"Matty, es ist vorbei. Vincent wird in der Psychiatrie behandelt. Ihm wird geholfen. Und ihr habt eure Ruhe", höre ich Evan zu dem immer noch am ganzen Leibe zitternden Jungen sagen.
"Aber er hat es doch schon einmal geschafft, jeden um sich herum zu überlisten ..."
"Dieses Mal wird man geschickter sein. Glaub mir, ihr habt nichts mehr zu befürchten", versuche nun ich ihn zu beruhigen. "Und er wird garantiert rund um die Uhr überwacht."
Ich lasse meinen Blick über das langsam schwindende Chaos wandern. Von Chris ist immer noch nichts zu sehen. Sein Exfreund liegt auf einer der Liegen. Obwohl seine Eltern schützend vor ihm stehen, erkenne ich, wie man ihm etwas in den Arm spritzt. Vermutlich etwas zur Beruhigung.
"Wo ist bloß Chris? Vincent ist doch auch schon nach draußen gebracht worden!" Matt lässt von Evan ab und sieht sich nun selbst um. "Was ist, wenn er ihm etwas angetan hat?", wimmert er. Seine Stimme bricht. Evan streicht ihm über den Arm, sein Blick liegt aber auf mir. Ich sehe ihm an, dass er sich mindestens genauso große Sorgen um seinen Freund macht.
Es tut mir im Herzen weh, die beiden leiden zu sehen.
Entschlossen, wenn auch ein wenig zu schnell gehandelt, lasse ich sie stehen und gehe auf einen Polizisten zu, der an einem Dienstwagen steht und gerade damit beschäftigt ist, etwas durch den Funk weiterzugeben.
"Entschuldigen Sie bitte", mache ich auf mich aufmerksam.
"Sie können nicht hier sein. Das ist ein Einsatz und-"
"Ich bin ein Freund von Chris Jackson. Um ihn geht es doch. Könnten Sie mir vielleicht sagen, ob es ihm gut geht?"
"Hören Sie, ich-"
Ich deute hinter mich auf meine Freunde, die uns beobachten. "Sehen Sie diese Jungs dort? Sie machen sich wahnsinnige Sorgen um ihn. Bitte, ich glaube, wenn er nicht gleich etwas erfährt, läuft er Amok. Er möchte nur wissen, wie es seinem Freund geht."
Der Beamte schaut zwischen mir und den beiden hin und her, seufzt dann auf. "Dafür könnte ich in Teufelsküche kommen. Aber gut. Mr. Jackson wurde meines Wissens nach nicht verletzt. Er wurde eigentlich schon meinen Kollegen nach unten begleitet." Er sieht sich um und zeigt dann auf einen der Krankenwagen, wo ein junger Mann gerade von einer Sanitäterin untersucht wird. "Da ist er. Er sollte sich nochmal durchchecken lassen. Zur Sicherheit."
Erleichterung durchströmt meinen Körper, als ich Chris sehe. Rasch bedanke ich mich bei dem uniformierten Mann und jogge zu meinen Freunden zurück.
"Wes, du kannst doch nicht einfach ...", beginnt Evan, doch ich achte gar nicht auf ihn.
"Matty, Chris sitzt da vorne im Krankenwagen. Geh zu ihm!"
Die Augen meines Freundes leuchten augenblicklich auf, als er ihn nun ebenfalls entdeckt. Wir sehen ihm hinterher, wie er auf ihn zurennt. Ein Lächeln umspielt meine Lippen, als die beiden sich in die Arme schließen.
• E V A N •
Genüsslich lege ich meinen Hals frei, um es Wesley zu erleichtern, auf meiner Haut Küsse zu verteilen.
"Die beiden können jeden Moment nach Hause kommen", erinnere ich ihn, stöhne dann aber leise auf, als er eine empfindliche Stelle trifft. Quälend langsam streicht seine Zungenspitze darüber.
"Die Zeit bis dahin können wir doch gut nutzen. Denkst du nicht auch?", entgegnet er an meiner Halsbeuge.
Schmunzelnd umfasse ich sein Gesicht und ziehe ihn zu mir hoch. Unsere Münder finden zueinander.
Nach all dem Drama mit Vincent haben wir vorhin Chris auf dem Polizeirevier abgeholt. Dort musste er eine Aussage machen und anscheinend - so mitgenommen wie er aussah -, auch nochmal ihre gemeinsame Vergangenheit beleuchten.
Doch spätestens im Auto, an der Seite von Matt, hat ihm vor allem die Erleichterung durchflutet. Dass nun alles ein Ende hat.
Meine Gedanken an die beiden werden beiseite geschoben, als Wes' Hand unter mein Hemd wandert. "Habe ich dir eigentlich schon einmal gesagt, wie gut dir Hemden stehen?", fragt er mit verführerischer Stimme.
Anstatt ihm zu antworten, presse ich meine Lippen wieder auf seine. Dieser Kuss ist leidenschaftlicher. Unsere Zungen spielen miteinander, kämpfen regelrecht um die Dominanz des anderen. Letztendlich überlasse ich ihm die Führung.
Ich mache mich an seiner Hose zu schaffen, knöpfe sie auf und zerre sie einen Moment später über seinen appetitlichen Hintern.
"Wir sollten nicht so lange voneinander getrennt sein", murmelt er an meinen Lippen, während er im Begriff ist, mein Hemd zu öffnen. "Wenn nochmal irgendwas zwischen uns kommt, etwa unsere Freunde, sperren wir sie in den Keller. Dann haben wir genug Zeit für uns."
Grinsend streiche ich durch seine Haare. "Wäre es nicht klüger, wenn wir uns einfach von allem und jedem isolieren würden?"
"Unser eigener Sex-Keller? Gefällt mir ..."
Belustigt zeichne ich mit dem Finger die Konturen seiner Lippen nach. "Du bist sowas von durchgeknallt. Weißt du das eigentlich?"
"Du hast nun mal eine gewisse Wirkung auf mich, Babyboy", erwidert er und lässt sich auf einmal nach hinten fallen. Mich zieht er mit, sodass ich mich zwischen seinen Beinen wiederfinde.
Ich liebe seine Verrücktheit. Sie bringt mich immer wieder zum Lachen. Und ihn liebe ich, weil er einfach er selbst ist.
Seine Hand wandert über meinen Rücken weiter nach unten, als ich zurückweiche. Verdutzt sieht er zu mir auf, als ich von ihm absteige und mein Hemd wieder zuknöpfe. Ich horche auf. Die unverkennbare Stimme meiner Mutter. Draußen. Vor der Haustür!
"Zieh deine Hose an."
"Was ist denn jetzt los?"
"Wes, tue es einfach!", zische ich, als ein Schlüssel in das Schloss gesteckt und umgedreht wird. Hektisch schalte ich den Fernseher an, achte aber nicht darauf, was gerade läuft.
Wesley hat sich gerade die Hose zugemacht, als durch das Haus gerufen wird: "Schätzchen, deine Mommy kommt jetzt ins Haus! Was du und dein Boyfriend gerade auch immer macht, unterbrecht es kurz für zwei Minuten. Ich komme jetzt rein!"
Mein Freund wirft mir einen fragenden Blick zu, scheint über die ganze Situation aber deutlich amüsierter zu sein als ich.
Doch nicht meine Mutter betritt das Wohnzimmer, sondern ausgerechnet unsere Freunde. Die beiden können sich ein breites Grinsen nicht verkneifen, als sie uns auf der Couch entdecken.
"Stören wir?", fragt Chris, als sie vor uns stehen bleiben.
Wes lehnt sich grinsend zurück und legt seinen Arm hinter mich auf die Lehne. "Nö, wir gucken nur gerade einen echt spannenden Film."
"Ah ja. Ich wusste gar nicht, dass eine Reportage über Shampoo-Produkte so interessant ist", zieht mein bester Freund uns weiter auf und stellt die Pizzen, die er bisher in der Hand hielt, ab.
"Halt die Klappe, Chrissie!", entgegnet Wes daraufhin lachend und wirft ein Kissen nach ihm, das dieser gekonnt auffängt. Im selben Moment kommt Mom mit ihrem Portemonnaie in der Hand ins Zimmer und stellt sich neben Matthew.
Sie betrachtet Wes neugierig.
"Mom, was machst du denn hier?", murmle ich frustriert. "Gott, kann es noch peinlicher werden?"
"Na aber hör mal! Du wohnst hier nun mal nicht allein, Baby, und ich bin doch auch schon wieder weg." Sie wirft Matt und Chris einen Handkuss zu und kneift mir dann in die Wange. "Schön lieb sein, okay?"
"Ich bin keine zehn mehr. Geh doch jetzt bitte einfach", brumme er und schlage ihre Hand weg.
Sie schüttelt seufzend den Kopf und wendet sich dann an die Jungs. "Er war schon immer zickig. Früher dachte ich, er wollte vielleicht lieber ein Mädchen sein, so wie er sich manchmal aufgeführt hatte."
"Mom!"
"Na komm, Tina. Das kannst du doch jetzt nun wirklich nicht vergleichen ..."
Eben!
"... Mädchen sind unkomplizierter als Evan", scherzt Chris und rennt dann auch schon aus dem Wohnzimmer. Ich renne ihm knurrend hinterher
Ich folge ihm in unseren Garten, wo er sich vor lachen nicht mehr einkriegt. Als er nicht damit rechnet, werfe ich mich auf ihn, sodass wir beide zur Seite umfallen und auf der Wiese landen.
"Ach komm schon, das war doch witzig", beteuert er, während ich auf ihn einzuschlagen versuche. Leider kann er jeden meiner Angriffe mit Leichtigkeit abwehren.
"Das ist wieder typisch, dass ihr euch gegen mich verschwört. Aber dann auch noch vor Wesley?"
Nach ein paar weiteren kläglich gescheiterten Versuchen klettere ich von ihm runter und setze mich neben ihn. Er richtet sich etwas atemlos auf. "Du bist wahrscheinlich der einzige, der wieder mal einen Stock im Ars-"
"Schnauze."
Grinsend legt er seinen Kopf in den Nacken. "Keine Sorge. Unsere Mütter wollen in irgendeine Bar. Sie wird also gleich verschwinden. Sie hat nur sein Portemonnaie vergessen."
"Gut so ..."
"Du solltest dir aber lieber Sorgen darüber machen, dass du Tina gerade mit deinem Freund alleine gelassen hast", erinnert er mich gelassen.
Verdammt!
In Blitzgeschwindigkeit springe ich auf und renne ins Haus. Matty ist anscheinend in der Küche beschäftigt, er ist allerdings alleine. Bedeutet also, dass Wes gerade mit Mom im Wohnzimmer ist.
Etwas außer Atem geselle ich mich zu den beiden, die mittlerweile nebeneinander auf der Couch sitzen und sich offenbar blendend verstehen.
Wes lacht gerade über etwas, das meine Mutter gesagt hat.
"Sag mal, bist du nicht verabredet?", erinnere ich sie.
Sie dreht sich zu mir um und verdreht die Augen. Als sie ihre Hand nach mir ausstreckt, seufze ich genervt auf, ziehe sie dann aber auf ihre Füße.
"Manchmal bist du ein echter Spielverderber, Schätzchen. Sogar schlimmer als dein Vater."
"Nicht die Leier schon wieder ..."
"Schon gut." Sie streicht mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht. "Diana wartet sowieso auf mich. Es wird später bei mir werden. Vielleicht kannst du Michael etwas kochen, wenn er nach Hause kommt", bittet sie mich, bevor sie sich an Wes wendet. "Und du, mein Lieber, wirst morgen mit uns zu abend essen. Und nur damit wir uns verstehen, das ist keine Einladung, sondern eine klare Ansage."
Amüsiert verabschiedet er sich von ihr mit einer Umarmung. Mir drückt sie einen Kuss auf die Wange. "Einen gutaussehenden Kerl hast du dir da geangelt. Und sympathisch ist er auch noch." Sie zwinkert. "Lass dich am besten von ihm schwängern, damit er dich nicht mehr verlässt."
"Witzig", sage ich schmunzelnd und dränge sie in Richtung Tür. "Übertreibt es heute Abend nicht mit dem Trinken, Mom", rufe ich ihr noch hinterher, bis die Tür einen Moment später ins Schloss fällt.
Als ich mich anschließend neben ihn setze, greift Wesley nach meiner Hand und führt sie an seine Lippen. "Deine Mutter ist echt cool."
"Manchmal übertreibt sie es ein wenig, aber sie macht ihre Sache ganz gut", entgegne ich gähnend und werde auf einmal von der Müdigkeit erfasst. "Dann wirst du morgen also ganz offiziell meine Eltern kennenlernen."
"Scheint so. Obwohl ich glaube, meine zukünftige Schwiegermutter schon für mich gewonnen zu haben."
Belustigt schüttle ich den Kopf und setze mich auf. Er hebt neugierig eine Augenbraue, als ich meine Hände auf seine Schultern lege und ihn auf die Couch drücke. "Du hast es nicht sehr schwer, Menschen von dir zu überzeugen."
Wes legt seine Arme um meinen Hals, als ich mich wie vorhin auf ihn lege. "Der Unterschied ist nur, dass mich keiner so sehr interessiert wie du."
Mein Gesicht schwebt nur wenige Zentimeter über seinem, bis er sie überbrückt und seine Lippen auf meine presst. Seine Beine legen sich um meine Hüften.
Erschrocken springe ich von ihm herunter, als jemand mir auf den Rücken schlägt. Mit einem dumpfen Knall lande ich auf dem Boden und schaue grimmig zu Chris hoch, der mit Matt hinter der Couch steht. "Wollt ihr euer Liebesspiel von der Party fortsetzen? Soll ich die Schokosoße aus der Küche holen?"
"Ach halt die Klappe, Chris", rufe ich aus und werfe ihn mit einem Kissen ab. Da er die Hände nicht frei hat, sondern Teller hält, kann er nur ausweichen.
Mit mürrischem Gesicht setze ich mich zurück neben meinen Freund, der mir lachend einen Kuss auf die Wange drückt.
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