Kapitel 8 - Besuch

Am nächsten Tag gegen Mittag eines erstaunlich freundlichen Tages saßen mir mein Bruder, meine Mutter und mein Vater versammelt gegenüber und fragten sich warum ich wie aussah, als würde ich jeden Moment mitten im Gespräch einschlafen mit meinen blauen Schatten unter den müden Augen. Es waren schlaflose Nächte, mit Albträumen, die ich schon kannte, die sich mit immer neuem Schrecken wiederholten. Ich war wirklich müde, was hätte ich dafür getan, einfach nur schlafen zu können. Ohne zu träumen. Letzte Nacht war es besonders schlimm gewesen. Nicht nur de Erinnerungen, die sich in einem ewigen Wirbel wiederholten, diesmal hatten sie sich auch mit neuen Bildern und Gesichtern teilweise hier aus dem Krankenhaus vermischt. Es war schrecklich gewesen. Als Zuschauer, stumm, taub und bewegungslos immer wieder zu sehen wie Leute an meiner Statt von der Granate zerfetzt wurden. Wieder und wieder und wieder. Ohne das ich handeln konnte, sie warnen, wegbringen.

Aber mein realer Albtraum fand ja erst noch statt. Man hatte mir bereits gesagt, dass ich nach der Besucherzeit meiner Familie das zweite, nette Gespräch mit Dr. Black haben würde. Wunderbar, wenn der mich so sah würde er die Einschreibung in dir Geschlossene wortlos unterschreiben. Weshalb ich beschloss so wach wie mir nur möglich zu wirken.

Mutter hielt meine Hand ganz fest. „Die Schwestern haben von einem schweren Trauma gesprochen und Klaustrophobie. Mein Gott, was ist denn nur passiert, Darling?" Ihre Augen glitzerten sorgenvoll. Ich schüttelte wage den Kopf. „Mal sehen wie das Personal reagieren würde, wenn man sie fesselt wie ein Tier.", grummelte ich vor mich hin, doch meine Mutter verstand. „Es war nur zu deinem Besten.", sagte sie beschwichtigend, beugte sich dann aber kopfschüttelnd in ihrem Stuhl vor: „Aber ich finde die Maßnahme auch etwas unbegründet und völlig überzogen. Du bist schließlich kein Verrückter aus der örtlichen Anstalt." Mein Bruder verkniff sich ein Grinsen, als er das hörte. Ich schaffte es ihm ein gespielt mürrischen Blick zuzuwerfen und lächelte dann ebenfalls. Vielleicht hatte Mutter recht, ich fühlte mich nicht verrückt, auch wenn das keine Seltenheit nach einem solchen Erlebnis wie in Vietnam wäre, so hatte ich gehört. Viele Soldaten wurden nach ihrem Einsatz als schizophren diagnostiziert, mit Angstattacken und ewigen Problemen. Teilweise beendeten sie ihr Leben frühzeitig. Nicht, dass ich daran auch schon gedacht hätte. Aber immerhin jetzt ging es mir ...okay. Alles wirkte trüb und wenn ich diesen zersplitterte, bebende Etwas was sich Zukunft nannte näher betrachtete wurde mir wieder schlecht und kalter Schweiß trat mir auf die ansonsten heiß anfühlende Haut, aber das war es. Ich verscharrte die Gedanken, gab mich der Liebe meiner Familie hin und ließ mich davon wärmen.

„Ich habe dir Schokolade mitgebracht.", meinte Mutter dann strahlend lächelnd und hob einen ganzen Korb mit Schokoriegeln. Meine Augen weiteten sich überrascht. „Mama, das ist doch viel zu viel.", meinte ich, während ich mich leicht aufstützte, um zu bestätigen, dass der Korb wirklich bis zum Rand gefüllt war. Stefan, mein Bruder legte die Stirn frech in Falten. „Siehst du, ich hab dir gesagt er will es nicht. Wird schon nicht verhungern hier, auch wenn der Fraß echt eklig aussieht.", meinte Stefan zu unserer Mutter und deutete mit dem Kinn auf ein graues Tablet neben meinem Bett. Mittagessen. Ein Teller mit einer faden Suppe und Klößchen.

„Ich stell ihn dir hier hin, dann musst du nur den Arm ausstrecken und zugreifen.", fuhr Mutter gutmütig fort, wobei sie Stefan vollkommen überging. Sie schob den Korb neben meine Bett in Griffweite. Ich nickte lächelnd, wie erwartet wurde mir warm in der Brust. „Du bist die Beste.", sagte ich und hätte mich gern vorgebeugt um ihr einen Kuss auf dir Wange zu geben, aber jede Bewegung war zu anstrengend, mein Körper von der Nacht zu ausgelaugt. Doch sie verstand auch so, natürlich tat sie das, das hatte sie immer getan.

Da ging auf einmal die Zimmertür auf und Anne kam mit einem Stapel frischer Wäsche herein. Offenbar für Luke, der gerade ebenfalls Besuch genoss und sich mit dem Rollstuhl durch den Garten schieben ließ. Sie lächelte uns kurz höflich und verlegen errötend zu und beeilte sich die Kleidung im Schrank neben dem Bett zu verstauen. Ich sah wie sie versuchte den weißen Metallschrank möglichst leise zu öffnen, um uns nicht zu stören und nicht weiter aufzufallen. Eine unnötige Geste, die mir dennoch ein kurzes Lächeln abrang.

„Wie lief die Untersuchung gestern? Der Arzt hat uns gemahnt dir nicht von den... Verletzungen zu erzählen um deinem psychischen Wohl nicht zu schaden. Konnte Dr Black helfen?", fragte Mutter bedrückt. Offensichtlich belastete es sie, mir nicht gleich die Wahrheit gesagt zu haben. Vielleicht hätte ich es von ihren Lippen besser verkraftet. Vielleicht... Ehrlich gesagt wollte ich nicht an meine... Verletzungen denken, es weckte wieder diese unglaubliche Leere in mir die mit Monotonie alle Gefühle in mir schluckte.

Ich schüttelte leicht den Kopf. „Lief... gut.", log ich und schaute möglichst vertrauensvoll. Doch in ihrem Blick sah ich Sorge aufkommen. Ihre Hand schloss sich fester um meine. „Es ist normal zusammenzubrechen, wenn man sowas erfährt. Dr. Black weiß das. Keine Sorge, wir kriegen dich schon wieder hin, wenn du erstmal wieder zuhause bist. Bis dahin wird sich Black um dich kümmern und dir helfen. Da glaube ich fest dran!", sagte sie und lächelte so wunderbar, dass ich tatsächlich daran glauben wollte.

Mein Blick wanderte zu meinem Vater der sich nun berührt räusperte. „Wir werden dich unterstützen! Und... trotz allem... bin ich sehr stolz auf dich.", brummte er mit seiner tiefen Stimme und legte Mutter eine große Hand auf die Schulter. Ich nickte ihm dankbar zu, lächelte kurz und schaute dann zu Stefan, um auch seine Unterstützung zu wissen. Doch Stefans Blick war fort gewandert, statt sich ebenfalls ein paar nette Worte einfallen zu lassen musterte er Anne, die noch einmal Lukes Bett ausklopfte und glatt strich. Stefans Blick war etwas zu genau und aufmerksam.

Auch Anne bemerkte das sie beobachtet wurde und hob den Blick schüchtern. Ihre Augen trafen die von meinem Bruder und sie schaute schnell wieder runter, glättete dir letzte Ecke und verließ das Zimmer so leise, wie sie reingekommen war, nachdem sie eine kurze Höflichkeitsfloskel gemurmelt hatte. Da platzte es schon aus Stefan heraus. „Niedlich die Kleine. Mal sehen ob ich die gleich nochmal abfangen und auf nen Kaffee einladen kann." Mutter kicherte leise und knuffte Stefan in die Rippen. „Nana, du kleiner Casanova. Jetzt sag doch auch mal was liebes zu deinem Bruder. Flirten kannst du später immer noch.", mahnte sie nicht ohne leichtes Kichern und schüttelte empört den Finger. Ich hätte lachen sollen, Stefan änderte sich einfach nicht. Er grub alles was weiblich war an und flirtete für sein Leben gern, an Charme fehlte es ihm dafür jedenfalls nicht. Doch nicht nur die neusten Erkenntnisse wischten das Lachen aus meinem Gesicht. Da war noch etwas anderes, tieferes in mir, das sich an Stefans Worten störte. Und statt zu lachen stierte ich ihn nun düster an. Es fiel ihm auf als er mich ansah, aber offensichtlich ignorierte er es. „Alles wird gut, mach dir mal keine Sorgen. Du hast zu Essen, zu Trinken, uns... Und eine verdammt bezaubernde Krankenschwester die sich bestimmt ganz liebevoll um dich kümmert. Mit ihrem knackigen Popo im Blickfeld kann es dir nur gut gehen.", grinste er, zwinkerte und lehnte sich dann wie üblich lässig im Stuhl zurück. In mir stieg ungeahnte Wut auf, ohne dass ich wusste woher sie kam. „Kannst du dir solche Kommentare nicht einfach verkneifen? Sie ist nichtmal dein Typ, geschweige denn alt genug für derartige Anspielungen.", knurrte ich und konnte mich nicht mehr rechtzeitig aufhalten, als ich merkte, dass ich gerade ein wildfremdes Mädchen verteidigte. Ich drückte mich tiefer in das Kissen und schaute weg.

„Wuhuhu, mach dich locker, Conni. Du kannst mir nicht vormachen das du sie nicht auch schon bemerkt hast. Die ist süß, bestimmt eng wie ein kleines Kätzchen.", lachte Stefan spöttisch ehe Mutter nun wirklich böse dazwischen fuhr. „Herrgott, sag mal! Jetzt ist aber Schluss. Mein Sohn spricht nicht so über eine ordentliche junge Dame! Schämen solltest du dich, so dreckiges Gewäsch an so einem Ort überhaupt zu denken." Sie war böse, wirklich böse. Aber ich auch, ich glühte vor Aufregung. Stefan zuckte angesichts der Rede unserer Mutter mit den Schultern und murmelte eine Entschuldigung, die er nicht wirklich ernst meinte. Grummelnd beschwerte sich Mutter noch kurz über Stefan, dann wandte sie sich wieder mir zu und lächelte gutmütig.

Sie verabschiedeten sich wenig später, Mutter drückte mir einen Kuss auf die Stirn und sagte, sie wäre gleich übermorgen wieder da und Vater wünschte mir auf seine übliche, unbeholfene Art gute Besserung und tätschelte meine Schulter, ehe auch er ging. Stefan verabschiedete sich knapp, wuschelte über meinen Kopf und sagte: „Stirb nicht." Ehe er lächelte, um zu zeigen das er es als Spaß meinte und folgte unseren Eltern.

Meine Wut über ihn hatte sich nicht abgebaut und wilde Sorge, er könnte Anne tatsächlich noch abfangen stach mir in der Magengegend. Verdammt was war das? Soetwas hatte ich noch nie erlebt, geschweige denn gefühlt. Es beunruhigte mich, genauso wie die Tatsache, wie wütend ich deshalb auf Stefan war. Ich kannte ihn doch, wusste was für ein Schürzenjäger er war und wie oft er seine Begleitung wechselte. Das hatte mich nie weiter gestört, auch Stefans oftmals derbe Wortwahl war ich gewohnt. Aber jetzt? Alles in mit bäumte sich auf als ich auch nur daran dachte, dass Stefan Anne das Herz brechen würde, nachdem er sie für sich benutzt hatte. Ich wollte sie vor ihm... schützen. Und so verwundert ich auch darüber war, so konnte ich doch nicht an mich halten als ich knurrte: „Wehe du fasst sie an!" Stefan blickte erstaunt zurück, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.

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