Wenn Feinde Freunde werden ...

"Sherlock."

Es klang seltsam langezogen, wie er es aussprach.

"Wo bist du gewesen?" lautete der zweite Teil von Mycrofts Begrüßung.

Der Angesprochene rollte demonstrativ mit den Augen. "Im Wald." log Sherlock.

Zweifelnd hob Mycroft eine Braue. "Das gibt es nur Leichen."

"Eben." grummelte der Jüngere zurück.

Verzweifelt schüttelte Mycroft den Kopf. "Ich habe dir immer gesagt, dieses Chemie-Studium ist nicht menschlich."

Sherlock sparte sich einen Kommentar und trat stattdessen an den Tisch in der Mitte des Hauptzeltes. Die Amerikanischen Nadeln waren um einiges geringer bestückt als letztes Mal, doch anscheinend rechnete Mycroft mit einem baldigen Rückschlag.

"Meinst du nicht, dass sie niedergeschlagen sind? Noch einmal werden sie sich nicht freiwillig in dieses Chaos begeben - außerdem haben Unzählige ihre Kameraden verloren, oder das erste Mal überhaupt jemanden sterben sehen." Bei diesen Worte dachte er an John, der für seine Mitkämpfer wohl auch als tot galt. Immer noch haderte Sherlock mit sich, was er tun sollte. John abermals rausschmuggeln würde einen ewigen Kreislauf ergeben, bis er ihn doch noch sterben sah. Hier behalten würde über kurz oder lang auffliegen. In beiden Fällen würde es Sherlock nicht aushalten John - seinen John - zu verlieren.

"Eben gerade deshalb müssen die Generäle einen Neuen Aufruf starten. Jetzt oder nie." Gab der ältere Holmes zurück.

Sherlock war sich dessen nicht sicher, aber das "jetzt oder nie" prangerte vor seinem inneren Auge. Und er fasste einen Plan.

Doch wie sollte er John Watson dazu bringen mitzumachen? Vielleicht wollte er ja wieder zurück ins amerikanische Lager, zu seinen Freunden...


-


Nichts wünschte sich John mehr als jetzt mit James und den anderen Jungs im Zelt zu sitzen und Matsche-Brei zu essen. Doch - es gab etwas Besseres: Wegrennen. Weg vom Schlachtfeld, fort vom Krieg. Aber das war nun wohl noch unmöglicher als in seinem eigenen Camp.

Ohne Vorwarnung schlug die Zeltplane auf und jemand trat hinein. Johns Herz blieb stehen, bis er erkannte, dass es Sherlock war. Erleichtert atmete er aus. Doch Sherlock war nicht alleine, eine junge Frau tänzelte hinter ihm her. Als sie John sah, erstarrte sie allerdings und jetzt erkannte auch er sie wieder. Die Frau, die ihn schon in der Scheune verpflegt hatte krallte sich jetzt in Sherlocks Arm und zog ihn beiseite.

"Was hat das zu bedeuten, Sherlock?" Ihre zittrige Stimme drang bis zu John und so bekam er alles mit, was sie sagten.

"Ein Experiment." gab Sherlock beiläufig zurück.

Die Brünette warf ihm einen fassungslosen Blick zu. "Das kannst du doch nicht machen! Weißt du in welche Gefahr du dich bringst! Wenn dein Bruder das erfährt ...!"

Jetzt packte Sherlock die dünne Krankenschwester an der Schulter und sah ihr eindringlich in die Augen. "Mycroft wird davon niemals etwas erfahren."

Der erst störrische Blick von ihr wich einem unterwürfigen , dennoch trotzigen, Lächeln. Sie atmete tief ein. "Was willst du, das ich tue?"

Jetzt grinste Sherlock zu ihr hinab, was ihr die Röte auf die Wangen schießen ließ.

John hatte das Gefühl diese Frau nicht leiden zu können.

"Ich will dass du ihn heilst." raunte er, woraufhin nicht nur die rosigen Wangen röter wurden, sondern auch John ein Kribbeln den Rücken hinunter laufen spürte.

"Ich kann das auch selbst." platze der Amerikaner heraus. Alle Blicke waren nun auf ihn gerichtet.

Zögerlich sprach John weiter. "Ich brauche frischen Verband, Alkohol und Wasser."

Sherlock wand seinen Blick nicht von John ab, als er sprach. Obwohl es an Molly gerichtet war. "Sag Mike auf dem Weg er soll mir Arnica pflücken gehen."

Plötzlich hielt er inne. Mist, die gibt es hier ja gar nicht.

"Ich meine Calendula. Frag ihn ob er noch Calendula officinalis hat."

Es dauerte kurz bis sich die junge Frau von John abwand, noch einmal Sherlock anstarrte und dann wiederwillig das Zelt verließ.

Sherlock atmete hörbar aus, ging auf John zu und als er sich vor ihn kniete war etwas in seinen Augen, dass im Gegensatz zu der Starre stand, die er bis jetzt immer ins Gesicht geschrieben hatte.

"Alles ok?" Fragte er mit gespielt fester Stimme.

John nickte zustimmend, auch wenn sein Kopf mit der Situation noch nicht wirklich klar kam.

"Wir machen den Verband ab, ja?"

Wieder nickte John wortlos.

Als Sherlocks kühle Finger seine Schulter berührten, kribbelten sie auf seiner Haut als wären Feuer und Eis aufeinander getroffen.

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