Hin und her gerissen

Langsam schob er seine Finger über Johns warme Haut unter den Verband und löste den kleinen Knoten, der die Enden zusammenhielt.

Vorsichtig löste er den weißen Stoff von der verwundeten Schulter, während das Gefühl von Johns warmer Haut auf seinen Fingerspitzen tanzte.

Er hätte sie am liebsten ganz auf seine Brust gelegt um diese Wärme durch sich hindurch fließen zu lassen. Doch Sherlock beherrschte sich.

Als der Verband endlich vom Körper des Soldaten fiel, kam eine kreisförmige, dunkle Kule zum Vorschein. Sherlock lächelte zufrieden, als er sah wie gut es verheilt war. Ohne irgendeine Intention, außer den Heilungsprozess zu untersuche, berührte er zaghaft die Wunde. John zuckte unwillkürlich zusammen. Mit großen Augen sah er nun auf die Schusswunde.

"Alles in Ordnung?" fragte Sherlock, der Irritation und den Anflug eines seltsamen Glänzens in den Augen seines Gegenübers wahrnahm. Dieser schluckte schwer und begann dann langsam zu nicken. Sherlocks Blick blieb noch kurz an den himmelblauen Meeren hängen, dann wand er sich wieder der Verletzung zu.

Behutsam strich er über die fast schwarze Kruste und ließ die Gedanken zu, gerade John zu berühren, was ihm einen wohligen Schauer überjagte. Als er realisierte, was er da tat ließ er allerdings schnell von ihm ab, stand auf und ging auf seinen Koffer zu.

Gedankenverloren kramte er in einer der Seitentaschen herum. Er war hin und her gerissen.

Sollte er John wirklich von seinem Plan erzählen? Wollte er das überhaupt tun? Wäre es nicht viel vernünftiger hier zu bleiben? Sie hatten eine so geringe Chance, dass es funktionieren würde ...

Gott, entscheide dich endlich!

Dem Dunkelhaarigen fiel ein Fläschchen in die Hände.

"Danach habe ich gesucht." flüsterte er, die gerade noch gedachten Gedanken in den Hintergrund schiebend.

John hatte sich währenddessen nicht gerührt. Er starrte abwesend auf seine Wunde.

"Fass sie an." sagte Sherlock gelassen, als er sich auf den Weg zum Bett machte.

Der Kopf des Blonden schnellte nach oben, als hätte er vergessen, das sich noch jemand mit ihm im Zelt befand.

Mittlerweile stand Sherlock vor John und setzte sich neben ihn aus Bett. Als sich John immer noch nicht rührte, nahm er seine rechte Hand, führte sie zu seiner linken Schulter und ließ sie auf der gut heilenden Kruste liegen. John zuckte vor der Berührung weg, doch Sherlocks lange Finger hatten ihn fest im Griff.


-


Es fühlte sich rau und an ein paar Stellen leicht piksend an. Doch die von außen harte Kruste gab leicht nach und ließ auf das darunterliegende Gewebe schließen, welches wohl ziemlich zerstört war. Dennoch - wenn es eine Schusswunde war - wie konnte sie so schnell so gut heilen? John konnte keinen Eiter ausmachen, oder andere Anzeichen auf eine schwere Heilung beziehungsweise irgendeine Operation.

"Akzeptiere es. Sonst wirst du dein Trauma nicht überwinden können." hallte die tiefe Stimme an sein Ohr.

Sein Blick wanderte von seiner Schulter zu Sherlocks schmalem Gesicht. "Wie ...?" Doch weiter kam er nicht, denn der Lockenkopf schob ihm seine Hand unter die Nase. John braucht einen Moment um die kleinen weißen Kügelchen darauf zu erkennen. "Iss."

Misstrauisch beäugte der Amerikaner, was ihm angeboten wurde.

"Sherlock, was ist da -"

Bevor er noch etwas sagen konnte, schob ihm Sherlock die drei Kügelchen in den Mund. Johns erster Reflex war sie wieder auszuspucken, aber er tat es nicht.

Die kleinen Kugeln klebten in seinem Mund zusammen und lösten sich süßlich auf. Es war wie zu klein geratener Würfelzucker.

"Was war das?" fragte er zögerlich, seinen Gegenüber musternd. Sherlock hatte wieder seine undurchschaubare Miene aufgesetzt.

"Arnica. Eine Heilpflanze für Muskel- und Gewebeschäden, sowie Vorbeugung von Traumata." antwortete dieser monoton. John wusste nicht, was er mit dieser plötzlichen Tonlosigkeit von seinem Retter anfangen sollte.

"Ist die legal?"

Sherlock verzog keinen Muskel, als er starr nach vorne blickend antwortete. "Theoretisch schon. Praktisch versucht es die Medizin zu verunglimpfen."

John grinste schief, in der Hoffnung irgendeine Reaktion von Sherlock zu bekommen. "Dann waren sie erfolgreich - ich wusste nicht, dass eine Pflanze besser heilen kann als unsere Chemie."

"Sie wächst auch nur in den Bergen Europas. Genauso wie die Ringelblume, oder auch Calendula genannt." Mit diesen Worten stand der junge Mann auf und ging auf die Zeltwand zu.

Jetzt reicht es. John schluckte alle unschönen Gedanken hinunter, die ihm durch den Kopf geschossen warne, beim Anblick seiner lebensgefährlichen Verletzung.

"Sherlock, wieso? Wieso das alles?" platze er heraus.


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