Kapitel 47

„Sie ist ein wunderbares Mädchen, dass sich jede Mutter als Schwiegertochter wünschen würde. Ich will nur, dass es ihr hier auch gut geht. Sie hat doch sonst keine weibliche Bezugsperson. Ich will einfach nur wissen, dass sie sich nicht ins Unglück stürzt." Mir wurde warm ums Herz, als ich Caras ehrliche Sorge und auch Zuneigung mir gegenüber spüren konnte. Sie hatte recht. Ich hatte nie eine weibliche Bezugsperson gehabt, der ich all meine Fragen hätte stellen können, die Töchter ihre Mütter nun mal fragten. Und Cara hatte gesagt, dass ich die perfekte Schwiegertochter wäre. Eine kleine hoffnungsvolle Stimme flüsterte, dass auch sie vielleicht sehr glücklich darüber wäre, wenn Liam und ich eine Zukunft hätten. Andererseits haben wir ihr nie einen Anlass gegeben, darüber nachzudenken, dass etwas zwischen Liam und mir sein könnte.

„Ich kann dir versichern, dass er kein schlechter Kerl ist", antwortete Liam. Ich musste schmunzeln, denn ich konnte mir gut vorstellen, dass Liam nicht gern so über sich selbst sprach. Was sollte er aber auch sonst sagen? „Ich würde sagen, um ihn herum ist es gerade etwas kompliziert, aber wenn es funktioniert, würde er sie nie wieder gehen lassen." Mein Herz schlug heftig in meiner Brust. Liam hatte sich also wirklich in mich verliebt. Ich wusste selbst nicht, wieso ich immer wieder daran zweifelte, aber ich tat es. Und dafür könnte ich mich ohrfeigen. Doch mir kam auch wieder in den Sinn, dass Liam einfach zu Grandma gegangen war, ohne vorher mit mir darüber geredet zu haben. Ich fühlte mich übergangen, auch wenn ich wusste, dass er es sicherlich gut gemeint hatte. Dass in der Liebe nicht immer allein einfach sein konnte. Ständig musste man diese widersprüchlichen Gefühle spüren. Zum verrückt werden.

„Kompliziert? Inwiefern?" Cara schien nur die Probleme aus dem herauszuhören, was Liam gesagt hatte. „Er ist vergeben." Bei der Stimme von Andrew zuckte ich zusammen. Er musste durch den anderen Eingang in die Küche gelangt sein. „Vergeben?", fragte Cara schockiert.

„Dad?" Liams Stimme wurde lauter als nötig. Unsicherheit war eindeutig herauszuhören. Ich fühlte mich schlecht, weil ich die drei dabei belauschte, wie sie über mich redeten. Aber ich konnte mich auch nicht wegbewegen. Ich wollte irgendwie auch hören, was sie sagten. Vor allem jetzt, wo die Gefahr bestand, dass Andrew Cara erzählen würde, was er heute herausgefunden hatte.

„Woher weißt du das?", fragte Cara. Jemand seufzte. „Er ist ehrlich, hilfsbereit, einfühlend. Er überstützt nichts und scheint sich selbst nicht  so zu sehen. Wer passt auf diese Beschreibung?", fragte Andrew.

„Dad!", kam es erneut von Liam. „Woher wusstest du es?", fragte er dann.

„Ich kenne doch meinen Sohn. Und ich sehe, wenn er verliebt ist."

Cara schnappte nach Luft. „Du und Natalie?", fragte sie vollkommen überrascht. Nein, sie hatte wirklich keine Ahnung gehabt. „Es ist kompliziert", antwortete Liam nur.

„Ich dachte immer, dass du in Delilah die Frau deines Lebens gefunden hast. Selbst..."

„Selbst was?", hakte Liam nach.

„Selbst wenn die Liebe zwischen euch abgenommen hat. Ich dachte, es käme daher, dass ihr einfach schon so lange zusammen seid."

„Du und Dad seid auch schon Ewigkeiten zusammen. Und ihr sehr euch noch immer ständig verliebt an."

„Jede Beziehung ist einzigartig. Liebst du Delilah denn nicht mehr?"

Liam lachte, doch keine Spur Humor war in seiner Stimme zu finden. „Ich empfinde sehr viel für Delilah. Liebe ist da jedoch nicht mehr dabei."

Betretene Ruhe trat ein. Ich fühlte mich nun wirklich schuldig, gelauscht zu haben. Das hier war ein Familiengespräch. Niemand sollte lauschen. Ich schüttelte über mich selbst den Kopf und drehte mich von der Tür weg. Einen Aufschrei konnte ich noch verhindern, als ich plötzlich Mike gegenüberstand. Ich öffnete den Mund, doch mir blieb jedes Wort im Hals stecken, als ich hinter Mike Delilah entdeckte. Seit wann war sie da? Was hatte sie gehört? Mein Herz begann wieder schneller zu schlagen. Dieses Mal jedoch nicht vor Freude.

„Natalie ist ein gutes Mädchen", sagte Andrew schließlich. Überrascht drehte ich meinen Kopf wieder zur angelehnten Küchentür. „Aber?", hakte Liam nach.

„Kein aber. Wenn sie wirklich die ist, die dich glücklich macht, dann ist sie die Richtige." Erstaunt lauschte ich Andrews Worten. Hatte er uns gerade seinen Segen gegeben? „Ich bin glücklich, wenn ich bei ihr bin", versicherte Liam.

„Und Delilah?", fragte nun Cara. Sie schien noch immer sehr überrascht zu sein. Wie aufs Stichwort sah ich wieder zu Delilah, die mich mit unergründlicher Miene ansah. Einzig ihre geballten Fäuste ließen darauf schließen, dass sie wütend war.

„Ich habe Delilah tatsächlich mal geliebt. Aber dann ist alles zwischen uns schiefgelaufen. Ich dachte, wenn ich ihr einen Antrag mache, würde es besser werden und ich ließ sie gewähren, aber es wurde nicht besser. Ich habe das Gefühl es wird nur viel schlimmer."

„Wieso hast du nie mit uns darüber geredet? Ich dachte, zwischen dir und Delilah wäre alles gut." Caras Stimme wirkte tränenerstickt. Liam antwortete nicht.

„Was ist schiefgelaufen?" Andrew wirkte auf einmal sehr wachsam und auch ich dachte jetzt über das Gesagte nach. Liam hatte Delilah gewähren lassen. Das konnte ich mir erklären. Er sagte nichts dagegen, dass Delilah fremdging. Doch es schien, als gäbe es wirklich einen Auslöser für alles. Ich versuchte die Antwort aus Delilahs Gesicht ablesen. Alles, was ich jedoch sah, war, wie sie ihr Gesicht wütend verzog. Ohne ein Wort drehte sie sich auf dem Absatz um und verschwand einen Augenblick später durch die Haustür. Das Zuknallen der Tür ließ mich zusammenzucken. Im nächsten Moment stolperte ich auf Mike zu, da hinter mir die Tür aufging.

„Nat?" Liam sah mich mit großen Augen an. Dann ging sein Blick zur Tür.

„Sie hat es gehört, Liam. Sie war da. Es tut mir leid, ich wollte nicht..." Beschämt sah ich zu Boden.

„Wer? Delilah?"

Ich nickte. „Es tut mir leid."

Zwei Arme schlossen sich um mich. Dann fand ich mich in Liams Umarmung wieder. Sofort umfing mich die altbekannte Wärme und ich konnte mich nicht dagegen wehren. Ich musste mich einfach an Liam lehnen. „Du bist nicht schuld. Ich fürchte nur, dass ich das jetzt wirklich beenden muss." Ich sah zu Liam auf. Er blickte lächelnd auf mich herab, doch ich sah Unsicherheit in seinem Blick. Und wenn ich mich nicht täuschte, auch ein wenig Panik. Liam war ganz unruhig. „Soll ich mitkommen?" 

Liam schüttelte den Kopf. „Ich muss da allein durch."

„Dummkopf. Du weißt, dass du nicht allein bist." Mike trat näher zu uns heran. „Du hast verdammt nochmal hier ein Mädchen, dass dich wirklich liebt." Ich versuchte nicht rot zu werden, während Liam mich einen kurzen Blick zuwarf. „Und du hast einen besten Freund, der mit dir Leichen vergraben würde, wenn er müsste. Also mach jetzt hier nicht wieder ein auf Alleingänger. Das steht dir nicht."

„Danke. Ich hab verstanden, dass ich nicht allein bin. Aber ich will das trotzdem erstmal allein mit ihr klären."

„Melde dich bitte sofort, wenn etwas ist", bat ich. Mir war nicht ganz wohl bei der Sache. Liam nickte. Dann beugte er sich zu mir herunter und hauchte einen Kuss auf meine Stirn. Ich erzitterte in Liams Armen und hörte Cara nach Luft schnappen. Liam und ich sahen zu Cara die uns mit großen Augen ansah. Dann bildete sich ein glückliches Lächeln auf ihm Gesicht. „Wie lange ich darauf gewartet habe, dich so zu sehen."

„Wie?", fragte Liam sichtlich verwirrt. Doch ich verstand Cara auf Anhieb. Liam sah verwirrt zu mir und endlich konnte ich es wiedersehen. Das Glänzen seiner Augen war wieder da. Ich grinste. „Glücklich." War alles, was ich sagte. Nun begriff auf Liam, denn mit dem einen Arm, der noch immer um meine Mitte lag, zog er mich näher zu sich heran.

„Delilah ist ein nettes Mädchen, aber du hast sie nie so angesehen, wie du eben Natalie angesehen hast", erklärte sich Cara. Delilah war das ganz und gar nicht, wenn man mich fragen würde, doch ich wollte darauf jetzt nicht weiter eingehen. Mir gefiel der Gedanke zu gut, dass ich wirklich jemand Besonderes für Liam war. Dass dieser Blick nur mir gehörte.

„Aber da war nichts zwischen uns. Liam und ich wir haben nie-" Ich wollte Liams Eltern erklären, dass Liam und ich immer trotz allem einen gewissen Abstand gewahrt hatten.

„Das glaube ich dir sofort, Natalie. Im Grunde können wir nichts dafür, wen wir lieben und wen nicht." Ich sah Cara perplex an. Ich hatte mit allem gerechnet nur nicht mit so viel Verständnis. Konnte ich wirklich so viel Glück haben und weder Cara noch Andrew gegen mich aufgebracht haben? Würden sie mich wirklich an Liams Seite akzeptieren? Das wäre unglaublich.

„Rede mit Eloise, ja?", bat Liam mich nun leise. Meine überraschte Freude wurde etwas gedämpft. Ich warf Liam einen anklagenden Blick zu. „Ich weiß, es gefällt dir nicht, dass ich mich eingemischt habe, aber ich will, dass du glücklich bist. Vollkommen. Du hast es doch selbst gesagt, oder? Du musst jetzt glücklich sein, ansonsten läuft dir das Glück davon."

Es war irgendwie nicht fair, dass Liam meine eigenen Worte gegen mich verwendete. Dennoch musste ich ihm recht geben. Ich konnte Grandma gegenüber nur wieder vollkommen ich selbst sein, wenn ich wusste, dass damals passiert ist. „Gut. Ich komme aber sofort nach Hause, wenn ich mit Grandma geredet habe." Liam grinste.

„Gott, wenn du jetzt sagst, dass du nach Hause kommst, nachdem ihr beide inoffiziell offiziell was auch immer eure Gefühle kundgetan habt, klingt das komplett anders. Richtig schmalzig", meckerte Mike und verdrehte die Augen. „Was solls. Ihr habt was zu tun, ich hab was zu tun. Wir sehen uns morgen."

„Was hast du... Ach weißt du Mike, ich will es gar nicht wissen", entschied Cara. Und damit wappnete ich mich für das klärende Gespräch mit Grandma.

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