Kapitel 20
Lesenacht Teil 3! Here I am again!
Entgegen meiner Vermutung, dass dieser Moment in irgendeiner Weise zwischen uns stehen würde, benahmen Liam und ich uns ganz normal. Ich konnte es nicht leugnen, dass wir uns näher gekommen waren, aber komisch war es zwischen uns nicht. Liam hatte sich sogar endlich eine richtige Hose angezogen. Ihm war es vorher gar nicht aufgefallen, hatte er gesagt. Ich hatte wenig überzeugt genickt. Männer.
Wir hatten uns an die Kücheninsel gesetzt und weitere Details zur Wohnung, Miete und Co. besprochen. Es wirkte alles ungezwungen zwischen uns. Und das war irgendwie schön. Ich fühlte mich unglaublich wohl in Liams Gegenwart.
„Natalie. Du hast dich also in die Höhle der Löwen gewagt!" Mike trat plötzlich in den Raum und kam zu uns herüber. „Noch lebe ich." Mike lachte. „Keine Sorge, das wirst du auch noch eine ganze Weile. Immerhin brauchen wir dein Geld."
„Oh, na immerhin für etwas bin ich nützlich." Ich tat gespielt beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust. Liam lachte. Das Glänzen in seinen Augen war noch immer da. Das schrieb ich zum Teil auch mir zu und das machte mich irgendwie stolz.
„Also, wie sieht es aus? Willst du einziehen?" Mike setzte sich neben mich und sah mich erwartungsvoll an. Ich schaute zwischen den beiden Jungs hin und her. Ich konnte nicht sagen, wer von beiden neugieriger auf meine Antwort war.
„Gut. Das machen wir so."
Mike klatschte in die Hände, während Liam mich einfach nur anlächelte. „Tja, dann willkommen, Nat."
„Du kannst auch schon vor dem ersten August hier einziehen. Dann ist es nicht ganz so stressig." Mike zwinkerte mir zu und ging dann zum Kühlschrank.
„Wenn du willst, helfe ich dir dann deine ganzen Sachen herzubringen."
„Danke. So viel wird es nicht sein. Ich habe ja nur zwei Koffer voller Kleidung und vielleicht vier oder fünf Kisten mit anderem Kram." Mike drehte sich ruckartig zu mir um und schluckte schnell die Milch runter, die er gerade getrunken hatte. „Willst du mir weismachen, dass du nur so wenige Sachen mit nach San Francisco gebracht hast?" Ich nickte. Was war denn daran so schlimm?
„Was hast du mit deinen anderen Sachen gemacht?"
„Den Großteil habe ich verkauft. Sonst hätte ich mir den Flug, den Umzug und den ganzen Rest gar nicht leisten können."
„Wow, das ist echt krass." Mike setzte sich wieder zu uns. „Aber bevor du jetzt hier einziehst und dich breit machst, müssen wir noch ein paar Sachen festhalten."
Ich schmunzelte. „Was denn? Werden jetzt Regeln aufgestellt?", fragte ich Mike gespielt schockiert. Mike nickte todernst.
„Erstens will ich hier keine fremden Typen rumrennen sehen. Geht zu ihm, wenn ihr Lust auf Nähe verspürt. Zweitens: Du hast im Badezimmer wie Liam und ich zwei Schränke, in denen du deine ganze Kosmetik unterbringen musst. Ich will nicht meine Zahnpasta zwischen hunderten von Pflege- und Kosmetikprodukten liegen haben. Drittens: Sauberkeit."
„Wow, Mike. Mach mal nen Punkt." Liam unterbrach seinen besten Freund und sah mich dann entschuldigend an. Ich jedoch fing einfach an zu lachen und hatte gut damit zu tun, nicht vom Hocker zu fallen. „Was ist so lustig?", fragte Liam.
„Ja, das würde mich auch mal interessieren", entgegnete Mike mit hochgezogener Augenbraue.
„Entschuldigt, aber Mike du..." Ich suchte nach den richtigen Worten. „Du plättest mich regelrecht jedes Mal, wenn ich dich sehe. Und das mein ich ganz positiv, also nicht falsch verstehen. Der Schürzenjäger mit Sauberkeitsfimmel."
„Schön, dass du dich auf meine Kosten amüsieren kannst", antwortete Mike trocken. Liam legte den Kopf schräg und sah Mike an. Irritiert sah Mike von mir zu Liam. „Was denn? Klebt da was in meinem Gesicht?"
„Sie hat recht, Mike. Wenn die Mädels herausfinden, was für ein bodenständiger Typ du doch bist, der das versucht zu vertuschen, indem er sich regelmäßig eine Neue sucht, würde das dein Image ganz schön verändern."
„Nicht im schlechten Sinne", fügte ich noch hinzu. „Es macht dich sympathischer. Glaub mir."
Mike sah wieder zu mir, überlegte kurz und wackelte dann mit den Augenbrauen. „Bei Natalie Sympathiepunkte zu sammeln, kann nicht schaden."
„Oh bitte." Liam stöhnte. „Ich hab auch noch eine Regel", fügte er dann hinzu. Abwartend sah ich Liam an. Er schaute kurz von mir zu Mike und dann wieder zurück, ehe er seufzte und sagte: „Ihr beide fangt nichts miteinander an."
Es war wie eine Ohrfeige nur mitten in mein Herz. Ich konnte nicht genau sagen, wieso mich diese Aussage so verletzte. Vielleicht fühlte ich mich auch mehr vor den Kopf gestoßen als alles andere. Wieso in Gottes Namen sollte ich etwas mit Mike anfangen? Hatte ich nicht vorher fest umschlugen mit Liam auf dem Bett gesessen? Dachte er jetzt, da ich ihm so nah gekommen war, obwohl er verlobt war, war ich offen für vieles? Oder lag es daran, dass ich Liam das eine Mal erzählt hatte, dass ich kein Beziehungsmensch war? Ich war mir noch nicht mal so sicher, ob das überhaupt noch stimmte. Denn, obwohl ich wusste, dass es unglaublich große Hindernisse gab, konnte ich mir seit einiger Zeit schon vorstellen eine Beziehung zu haben. Es würde Arbeit bedeuten, aber die war ich bereit zu tun. Wenn... Wenn es Liam wäre.
Ich sah zu Boden, damit Liam nicht sah, was in mir gerade vorging. Verflucht Liam war vergeben. Nicht glücklich, aber vergeben. Er sollte mich nicht so berühren. Ich sollte nichts fühlen, wenn er mich anlächelte, dieses Glänzen in den Augen hatte oder er mir solche Dinge wie jetzt an den Kopf warf. Es war falsch. Durch und durch.
Neben mir seufzte Mike. „Oh man, Liam. Du Trottel." Mike stand auf, ging zum Kühlschrank, um wahrscheinlich die Milch wieder zurückzustellen und ging dann zur Tür. „Ich sagte, ich mag Natalie und nicht, dass ich sie flachlegen will. Idiot." Damit verschwand Mike und ich saß noch immer auf dem Hocker, den Blick auf meine Hände gerichtet, die auf meinem Schoß lagen.
„Natalie?" Liam rutschte auf den Hocker neben mir und legte seine Hand auf meinen Unterarm. Ich sah auf und traf Liams verwirrten Blick. Er hatte es wohl wirklich nicht verstanden. „Nat, ich... Mike ist wirklich nichts für dich." Nein. Er hatte rein gar nichts verstanden. Selbst Mike, der nichts von unseren 'Momenten' wie ich sie ins geheim getauft hatte, wusste, hatte meine Reaktion besser verstanden. Ich lachte bitter auf. Das war alles so unnötig. Diese ganzen Gefühle. Dieses ganze Chaos in meinem Kopf. „Nein, das ist er wirklich nicht." Nicht er.
Eine drückende Stille trat ein in der Liam seine Hand jedoch nicht von meinem Unterarm nahm. Irgendwann fragte er: „Du ziehst also wirklich ein?" Hoffnung schwang in seiner Frage mit. Das zauberte mir automatisch wieder ein kleines Lächeln ins Gesicht. Ob es eine gute Idee war, hierher zu ziehen, wusste ich nicht, aber ich wollte es unbedingt. „Ja, wirklich."
Lächelnd stand Liam auf, drückte noch einmal kurz meinen Unterarm und ging dann um die Kücheninsel herum. Dort, wo seine Hand gelegen hatte, bekam ich Gänsehaut. Es war, als fehlte meiner Haut plötzlich etwas.
„Wie sieht's aus? Wollen wir etwas essen?", fragte Liam. Er öffnete den Kühlschrank, machte ihn aber gleich wieder zu. „Okay, oder essen bestellen. Wir haben nicht mehr viel."
„Ist schon gut. Ich werde jetzt erstmal nach Hause fahren." Überrascht drehte Liam sich zu mir um. „Du willst wieder los?" Ich nickte.
„Ja, ich glaube, Grandma wird schon ganz gespannt warten. Sie wollte mir gestern gar nicht glauben, als ich ihr erzählte, dass Mike mir das Zimmer angeboten hatte.
„Verständlich. Ich hätte es ehrlich gesagt auch nicht erwartet. Aber Mike scheint dich zu mögen." Liam stellte diesen Satz in den Raum, als erwartete er jetzt irgendeine bestimmte Reaktion von mir. Ich wusste aber nicht, welche das sein sollte. Darum, und weil ich ihn vielleicht ein wenig von dem Gefühl zurückgeben wollte, das er in mir durch seine dumme Regel hervorgerufen hat, sagte ich: „Er ist wirklich ein klasse Kerl, wenn man ihn kennengelernt hat. Ich mag ihn."
Ich verließ die Küche und ging zu Mikes Zimmer. Nach kurzen Zögern klopfte ich und wurde hereingebeten. Ich öffnete die Tür, blieb aber im Türrahmen stehen. Mike saß mit einem Laptop auf dem Bett. Er hielt Kopfhörer in der Hand und sah mich erwartungsvoll an. „Tut mir leid, ich wollte nicht stören. Ich bin auch gleich weg."
Mike winkte ab. „Kein Problem. Was gibt's denn?"
„Ich wollte mich noch für deine Hilfe Bedanken."
„Natalie, ich hab dir das Zimmer gern gegeben. Wirklich, mach daraus kein Drama." Doch ich schüttelte den Kopf. „Das meinte ich nicht. Also, dafür bin ich dir und Liam natürlich auch dankbar, aber ich meinte den Tag des Abendessens, wo du noch bei mir und Grandma geblieben bist. Ich hätte es nicht so gut geschafft wie du, sie zu beruhigen. Also danke, Mike."
„Das war kein Ding. Liam bat mich drum, also alles cool."
„Liam?" Mike nickte. „Ja, hat er dir das nicht gesagt?" Ich schüttelte den Kopf. „Manchmal ist er wirklich ein Trottel", murmelte Mike und schüttelte den Kopf. Dann sah er wieder zu mir. „Liam ist zwar mit Delilah gegangen, aber das doch nur, weil er wollte, dass du nicht weiter in ihrer Schussbahn stehst. Glaub mir, so wie Liam ausgehen hat, wollte er ganz sicher nicht von dir weg. Rede dir das nicht ein." Aber warum war er dann nicht geblieben und hatte Delilah gehen lassen? Liam hatte sich um mich gesorgt? Mein Herz wollte schneller schlagen, doch mein Kopf war zu sehr mit der Frage beschäftigt, warum er sich dann die ganze Zeit nicht gemeldet hatte.
„Nat?" Mike holte mich aus meinem Wirrwarr an Gedanken. „Liam mag dich. Das ist gut. Für euch beide, aber bitte pass auf."
„Aufpassen? Wenn du meinst ich würde mit einem vergebenen Kerl-"
„Nein, das meine ich nicht. Delilah nimmt Liam ganz und gar für sich ein. Ich habe Jahr um Jahr ein Stück mehr von meinem besten Freund verloren und konnte rein gar nichts machen, weil er nicht auf mich hört. Du bist die erste Person, die er seit einer langen Zeit wieder näher kennengelernt hat. Doch das passt Delilah nicht. Sie will ihn für sich allein haben, dabei ist sie ganz und gar nicht sein."
„Was meinst du damit?"
Mike zuckte mit den Achseln. „Das ist jetzt nicht wichtig. Pass einfach nur ein wenig auf dich auf, ja?" Ich nickte, obwohl ich gern erfahren hätte, was Mike damit gemeint hatte, dass Delilah nicht Liams ist. Liams was? Wie? Ich mochte solche kryptischen Aussagen so gar nicht.
„Danke, ich merke es mir. Wir sehen uns."
„Klar." Mike winkte mir kurz zu, setzte dann seine Kopfhörer auf und tippte auf seinem Laptop herum. Innerhalb von Sekunden hatte er mich vergessen und war in seine Welt abgetaucht. Was auch immer er gerade da tat.
Ich drehte mich um und ging zur Wohnungstür. Dort schnappte ich mir meine Handtasche, die ich vorhin hier abgestellt hatte. Liam kam gerade aus der Küche und öffnete mir die Tür. Er wirkte irgendwie traurig. Ich fühlte mich gleich wieder mies, wenn ich an meine Antwort von eben dachte. Dieses blöde Gewissen!
„Wir haben in Zukunft ganz oft die Möglichkeit, zusammen zu essen." Liams Blick erhellte sich. Dann nickte er. „Ja, da hast du recht. Bis dann, Natalie."
„Bye." Ich trat in den Flur und ging die ersten Treppen herunter, als Liam noch einmal meinen Namen rief. Ich sah zu ihm auf und er bat mich kurz zu warten. Verwirrt ließ Liam mich auf der Treppe zurück. Plötzlich kam er wieder aus der Wohnung heraus und gab mir einen kleinen Zettel. „Da sind meine Telefonnummer und meine Mail drauf. Ruf mich einfach an oder schreib mir, wenn was ist, ja? Auch, wenn du weißt, wann du umziehst, damit ich mir den Tag freihalten kann. Ich helfe dir wirklich gern."
„Danke Liam." Ich nahm den Zettel an, schaute kurz auf Liams Nummer und E-Mail, die in sauberer Schrift auf das Papier geschrieben wurden und steckte es dann in meine Handtasche.
„Melde dich, ja?", bat Liam noch einmal. Ich nickte, drehte mich danach um und ging die Treppen herunter, ohne mich noch einmal umzudrehen. Aber ich wusste auch so, dass Liam mir so lange hinterher gesehen hatte, wie es ihm möglich gewesen war.
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